Zigeuner (2)
Es folgen vier
amtliche Äußerungen aus den Anfängen der Bundesrepublik (1950 - 1961) zur
Zigeunerproblematik, die einem heute unter Umständen ein Ermittlungsverfahren
wegen Volksverhetzung einbringen könnten. Auch dieser Beitrag genießt das Privileg
des § 86 Abs. 3 StGB:
1) "Während des Dritten
Reiches wurde eine Anzahl zigeunerischer Personen wegen ihrer teils asozialen,
teils kriminellen Lebensweise als polizeiliche Vorbeugehäftlinge in KZ-Haft
genommen. Erst im Jahre 1945 wurde die familienweise Einweisung von Zigeunern
in KZ-Lager verfügt. Inwieweit und unter welchen Umständen hier Zigeuner ihr
Leben lassen mußten, kann mangels konkreter Unterlagen nicht festgestellt
werden. Soweit jedoch bekannt, wurden viele Zigeuner Opfer von Seuchen, die zum
Teil auf die mangelhafte Unterbringung in Lagern, zum Teil auch auf die
persönliche und angeborene Unsauberkeit der Betroffenen selbst zurückzuführen
ist. Eine rassische Verfolgung schlechthin muß jedoch im Gegensatz zur
Judenverfolgung verneint werden." (Bayerisches
Landeskriminalamt in "Kriminalistik", Mai 1954)
2) "Die Prüfung der
Wiedergutmachungsberechtigung von Zigeunern und Zigeunermischlingen nach den
Vorschriften des Entschädigungsgesetzes haben zum Ergebnis geführt, daß der
gesamte Personenkreis nicht aus rassischen Gründen, sondern wegen seiner
asozialen und kriminellen Haltung ... inhaftiert worden sei." (Landesamt für Wiedergutmachung des Landes
Baden Württemberg im Runderlaß vom 22.2.1950 - Az: E 19-202/1330)
3) "Die nach 1933 von
Seite der nationalsozialistischen Gewalthaber gegen die Zigeuner ergriffenen
Maßnahmen unterscheiden sich nicht samt und sonders von ähnlichen auch vor dem
Jahre 1933 getroffenen Handlungen zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens ... Die
Zigeuner neigen zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen. Es fehlen ihnen
vielfach die sittlichen Antriebe zur Achtung fremden Eigentum, weil ihnen wie
primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb zu eigen ist." (Bundesgerichtshof in einer
Entscheidung vom 7.1.1956 - Az: IV ZR 211/55 - mit dem Ergebnis, daß die
Deportation von 2.500 Zigeunern im Jahre 1940 als sicherheitspolizeiliche
Maßnahme und nicht als Rassenverfolgung zu werten sei)
4) "Sie lebten in offenen
Lagern, verlassenen Judenvierteln, oder auf dem Lande bei Bauern, meist recht
primitiv, aber doch frei. Sie wurden verschiedentlich auch zur Arbeit in
Rüstungswerken oder auch zum Straßen- oder Stellungsbau herangezogen und
zwangsverpflichtet. Daß sie solche Arbeit unter Aufsicht und unter einem
gewissen Zwang verrichten mußten, lag in der Natur der Sache. Die Arbeit war
aber aus diesem Grunde allein noch keine Zwangsarbeit unter haftähnlichen
Bedingungen, da die Arbeitsverpflichteten außerhalb ihrer Arbeitszeit im
allgemeinen in ihrer Freiheit nicht beschränkt waren ... Mißhandlungen sind
zweifellos vorgekommen, besonders wenn sich einzelne weniger arbeitsfähig oder
arbeitswillig zeigten. Gelegentlich wurden die Zigeuner auch von der Polizei,
SS oder Wehrmachtsdienststellen festgenommen und kürzere oder längere Zeit in
Gefängnissen oder geschlossenen Lagern festgehalten. Dies geschah jedoch nicht
um sie aus Gründen der Rasse zu verfolgen, sondern weil sie ziel- und planlos
umherzogen, sich über ihre Person nicht ausweisen konnten oder für Spione
gehalten wurden." (Oberlandesgericht
München am 1.3.1961 - Az: 9 EU 475/59)
Um dieses
Thema von einem anderen Standpunkt zu beleuchten, ist auf die Erläuterungen zum
Stichwort "Zigeuner" von Michael Zimmermann in "Legenden - Lügen
- Vorurteile" von Wolfgang Benz (Hg.), S. 227 - 230 hinzuweisen.