USA wollen EU

 

Einfluss der USA auf die Einigung Europas

 

„Wenn es ‚Europa’ gibt, dann nur weil es die Amerikaner wollen“, schreibt der eng­lische Historiker Norman Stone, und er fährt fort, die europäischen Institutionen (fast alle) gebe es nur, weil die Amerika­ner der „Euro-Anarchie“ ein Ende berei­ten wollten (The European 14.-17. Mai 1992, S. 21). Die Aussage ist pointiert, aber nicht ohne Berechtigung, [...] Ohne den Anstoß durch den Marshallplan, ohne die nachdrückliche Unterstüt­zung der US-Regierungen, ohne das Drängen und Vermitteln bei der Umset­zung der aufeinander folgenden Initiati­ven vom Schumanplan bis zu den Römi­schen Verträgen wäre die Europäische Integration, wenn überhaupt, nicht so schnell und nicht in der weitreichenden Form verwirklicht worden, wie es ge­schehen ist.

Der Wechsel der US-Politik von der Op­position gegen einen europäischen Zusammenschluss zu dessen Förderung lässt sich recht präzise auf das Jahr 1947 datieren. [...]

Der folgenschwere Umschwung der amerikanischen Politik von der Zusam­menarbeit mit der Sowjetunion zu der des „Containment“, der Eindämmung des vermuteten Expansionsdrangs der Sowjetunion, fand statt, nachdem die USA und Großbritannien den Eindruck ge­wonnen hatten, dass Stalins Politik da­rauf ausgerichtet sei, in der dem Westen, bzw. Großbritannien, zugestandenen Einflusszone (Persien, Türkei, Griechen­land) Fuß zu fassen.

Den unmittelbaren Anlass lieferten die Ereignisse in Griechenland. Dort konnte sich die Regierung nur mit britischer Mili­tärhilfe gegen kommunistische Kampf­gruppen behaupten. Im Februar 1947 musste die Londoner Regierung einen Offenbarungseid leisten. Sie teilte der US-Regierung mit, dass Großbritannien seine Hilfe an Griechenland sofort ein­stellen müsse, unabhängig davon, wel­che Folgen sich daraus ergeben würden. Allein die Vereinigten Staaten besaßen die Statur, das durch den britischen Rück­zug entstandene Machtvakuum zu füllen, und wenn sie sich nicht dem Risiko aus­setzen wollten, ihren Einfluss und ihr Prestige in Europa zu verlieren, hatten sie für Großbritannien einzuspringen. Sie übernahmen die britischen Verpflichtun­gen. Am 11. März 1947 verkündete Präsi­dent Harry S. Truman in seiner berühmten Rede jene neue Maxime der amerikani­schen Politik, die als „Truman-Doktrin“ in die Geschichte eingegangen ist. Mit der Truman-Doktrin sagten die USA allen freien Völkern, die der Unterjo­chung durch bewaffnete Minderheiten oder auswärtigem Druck widerstünden, ihren Beistand zu. [...] Sie war zugleich das Versprechen einer festen Bindung der USA an Westeuropa, beinhaltete aber auch, dass sich die USA fortan be­mühen würden, ein Europa nach ihrem Bilde, nach ihren politischen Vorstellun­gen und wirtschaftlichen Bedürfnissen zu schaffen. [...]

Nur ein starkes, das heißt, ein vereinig­tes Europa würde dem Osten ein wirkli­ches Gegengewicht bieten können, und der stolze Blick auf die eigene Geschich­te legte nahe, die Zukunft Europas in ei­ner Föderation nach dem Vorbild der USA zu sehen.

Es traf sich in diesem Kontext glücklich, dass im Jahre 1947 überall in Europa Eu­ropabewegungen wie Pilze aus dem Bo­den schossen und dass der europäische Politiker mit dem größten internationalen Ansehen, Winston Churchill, die Führung in der Bewegung für ein Vereinigtes Euro­pa übernommen zu haben schien. Somit sah sich die neue US-Politik im Einklang mit einer populären Strömung in Europa. [...] Dass Europa auch ein demokrati­sches Europa nach dem Demokratiever­ständnis der USA zu sein habe, war selbstverständlich. Demokratie aber, da­von waren die Amerikaner überzeugt, sei ohne Wohlstand nicht erreichbar, Wohl­stand dagegen sei ohne Demokratie nicht erreichbar, und beides hielt man für untrennbar mit Marktwirtschaft und einer offenen Weltwirtschaft verbunden. [...] Alarmiert kehrte im April 1947 der ameri­kanische Außenminister George Marshall von der Moskauer Außenministerkonfe­renz zurück. [...] Marshall befürchtete, die Sowjetunion werde die trostlose wirtschaftliche Lage in Westeuropa nutzen, um mit Unterstützung ihrer in den kommu­nistischen Parteien und Gewerkschaften organisierten Anhänger ihren Machtbe­reich nach Westen auszudehnen. Wenige Wochen später, am 5. Juni 1947, kündigte er in einer Rede an der Harvard Univer­sität ein großes wirtschaftliches Hilfspro­gramm an, mit dem die USA gedachten, die Truman-Doktrin wirtschaftspolitisch zu ergänzen und die befürchtete Expansion des Kommunismus abzublocken. Das „European Recovery Programme“ (ERP), bald volkstümlich „Marshallplan“ genannt, hatte zum Ziel, die europäische Wirtschafts- und Wiederaufbaukrise zu überwinden, die europäischen Länder mit großzügigen finanziellen und technischen Hilfen in ihren Anstrengungen zum wirt­schaftlichen Wiederaufbau zu unterstüt­zen und zur Zusammenarbeit beim Abbau der Handelsschranken und dem Aufbau effizienter wirtschaftlicher Strukturen an­zuregen. [...]

Die Zusammenarbeit der europäischen Länder im Rahmen des ERP-Programms förderte eine prinzipiell kooperationsbe­reite Einstellung. Dies erwies sich als un­schätzbare Grundlage für die weitere Entwicklung zu konkreteren Formen der wirtschaftlichen Kooperation, wie sie in den fünfziger Jahren erfolgen sollte. [...]

Gerhard Brunn, Die europäische Eini­gung von 1945 bis heute, Stuttgart 2002. S. 38 ff.

 

Quelle: Informationen zur politischen Bildung – Hg.: Bundeszentrale für politische Bildung – Heft 279 / 2. Quartal 2003 / Seite 7

 

Anmerkung: Daß die USA maßgeblichen Einfluß auf den europäischen Einigungsprozeß genommen haben, ist grundsätzlich zutreffend. Dieser Einfluß wird auch nach wie vor ausgeübt, wie die Osterweiterung der EU gezeigt hat und wie der von den USA ausgeübte Druck zur (unverantwortlichen!) Aufnahme der Türkei zeigt. Verschwiegen werden allerdings die eigentlichen Ziele der Freimaurerbande vom Potomac. Die europäische Einigung ist nämlich nur ein Zwischenschritt zur Vollendung des US-amerikanischen Imperialismus in einer Weltherrschaft. Die Osterweiterung der EU dient weniger der „alten“ EU als der von den USA betriebenen Einkreisung Russlands, das nach dem Abgang des Säufers Jelzin einen gesunden nationalen Weg beschreitet. Insoweit beachte man auch die Stänkereien der USA in der Ukraine und in Georgien, sowie die von imperialistischen Methoden begleiteten Rangeleien um die Rohstoffe der zentralasiatischen Staaten.