Christliche Fundamentalisten in den USA
In den Vereinigten Staaten
sind Millionen Menschen einer außergewöhnlichen Täuschung erlegen. Im 19.
Jahrhundert flickten zwei immigrierte Prediger eine Reihe unverbundener
Bibelpassagen zusammen, um eine scheinbar schlüssige Erzählung zu schaffen.
Deren Inhalt: Jesus wird auf die Erde zurückkehren, wenn bestimmte Bedingungen
erfüllt worden sind. Die erste Voraussetzung war die Errichtung des Staates
Israel. Die nächste besagt, daß Israel den Rest seines 'biblischen Landes'
besetzen muß und daß der Dritte Tempel auf jener Stelle wiedererrichtet werden
soll, die heute vom Felsendom und der Al‑Aksa‑Moschee eingenommen
sind. Dann werden die Legionen des Antichristen aufmarschieren, und ihr Krieg
wird im Tal von Armageddon zum Schluß‑Showdown führen. Die Juden des
Heiligen Landes werden entweder zu Asche verbrannt oder zum Christentum
konvertieren ‑ und der Messias wird auf die Erde zurückkehren.
Was diese Geschichte so
reizvoll für christliche Fundamentalisten macht, ist das Detail, daß vor dem
Beginn der großen Entscheidungsschlacht, alle 'wahren Gläubigen' in einem
Ereignis mit Namen 'Entrückung' aus ihrer Kleidung gehoben und in den Himmel
getragen werden. Die Würdigen werden zur rechten Gottes sitzen und von ihren
Logenplätzen aus Gelegenheit haben, zu beobachten wie ihre politischen und
religiösen Gegenspieler in der nun folgenden siebenjährigen Trübsalszeit durch
Furunkel, Verletzungen, Heuschrecken und Frösche vernichtet werden.
Die wahren Gläubigen versuchen
nun all das herbeizuführen. Das bedeutet: Die Inszenierung von Konfrontationen
am Ort des alten Tempels (im Jahre 2000 wurden drei amerikanische Christen des
Landes verwiesen, weil sie planten, die beiden am gleichen Platz befindlichen
Moscheen in die Luft zu sprengen); die Unterstützung der jüdischen Siedlungen
in den besetzten Gebieten; das Einfordern von immer mehr US‑Hilfe an
Israel; der Versuch, einen Schlußkampf zu provozieren ‑ mit der
muslimischen Welt, der Achse des Bösen, den Vereinten Nationen, der
Europäischen Union, Frankreich oder wer sonst immer die Legionen des
Antichristen gerade darstellen mag. (...)
Die Menschen, die an all das
glauben, glauben daran nicht nur ein klein wenig; für sie ist es eine
Lebensfrage. Unter ihnen sind einige der mächtigsten Männer Amerikas. John
Ashcroft, der Justizminister (der sich ‑ eine Hommage an König David ‑
vor seiner Vereidigung mit Öl eingerieben hat; vgl. Michael Streck: "Mit Gott ins Weiße Haus", Stern vom
6.9.2004) ist ein 'wahrer Gläubiger', so wie mehrere prominente Senatoren
und der Mehrheitsführer im Senat und der Fraktionschef der Republikaner im
Abgeordnetenhaus, Tom DeLay. Mr. DeLay reiste im vergangenen Jahr nach Israel,
um vor der Knesset zu verkünden, daß es 'keinen mittleren, keinen gemäßigten
Standpunkt gebe, der es wert wäre, eingenommen zu werden'.
Wir haben hier eine große
politische Anhängerschaft ‑ einen Großteil der Kernwähler des derzeitigen
Präsidenten ‑ in der mächtigsten Nation der Erde, die aktiv versucht
einen neuen Weltkrieg zu provozieren. Ihre Mitglieder sehen in der Invasion des
Irak eine Art Warm‑Up-Geschehen, so wie die Offenbarung voraussieht, daß
vier Engel 'die an dem großen Strom Euphrat gebunden sind' entfesselt werden
'um ein Drittel der Menschheit zu töten' (...)"
Quelle: Wolfgang Eggert zitiert in "Erst Manhattan - Dann Berlin"
Prof. George Monbiot: "Their Beliefs Are Bonkers, But They Are At The Heart
Of Power US Christian Fundamentalists Are Driving Bush's Middle East Policy", The Guardian vom 20.4.2004
Anmerkung: Nach der Offenbarung des Johannes ist Gott der Herr der Geschichte
und nicht der Mensch, der zur Umkehr aufgefordert wird und dem Bösen
widerstehen soll. Nach wahrhaft christlichem Verständnis ist das, was den
Palästinensern seit 1948 angetan wurde, eine schwere Sünde.