Niedergang der USA oder Demokratie zum Abgewöhnen
Politische Passivität bei
den Bürgern
Da das
Regime Bush (George Herbert Walker Bush) unfähig ist, durch Politik und
Ideen zu regieren, muß das Land im wesentlichen durch
polizeistaatliche Unterdrückung regiert werden. Anklagen,
Schuldverhandlungen, Schnellverfahren, gelegentlich mysteriöse Todesfälle, Verschwinden
oder öffentliche Diskreditierung und Ächtung politischer
Gegner des Regimes durch die allgegenwärtigen elektronischen
Medien - das sind die Werkzeuge, mit denen diese wahnwitzige Politik
umgesetzt werden
soll. Deshalb haben einige Beobachter das
Regime Bush als Bonapartismus sui
generis bezeichnet - kein Bonapartismus der Streitkräfte, der Polizei und Gerichte,
sondern der Geheimdienste, geführt
von einem Präsidenten, der Direktor
des CIA war, und einem CIA-Direktor, der jahrelang Chef des FBI war.
Die
Demokraten im US-Kongreß stellen für Bush kein Problem dar. Der
Sprecher des Repräsentantenhauses Jim Wright, Demokrat
aus Texas und nach dem Vizepräsidenten an zweiter Stelle
in der Amtsnachfolge des Präsidenten, wurde zum Rücktritt
gezwungen, nachdem ein Skandal über angebliche Unregelmäßigkeiten bei
Nebeneinkünften aus einer Buchveröffentlichung
bekannt geworden waren. Ähnliche Skandale trafen auch
vormals einflußreiche Demokraten im Senat und ließen sie alle Macht verlieren.
Die
politische Passivität der amerikanischen Bevölkerung ist inzwischen
legendär: Bestenfalls 35 bis 40 Prozent derjenigen Wahlberechtigten, die
sich überhaupt registrieren ließen, gehen bei
Kongreßwahlen zur Wahl, bei Wahlen zu den Bundesstaatsparlamenten
oder Kommunalwahlen sind es oft weit weniger. So läßt sich die Illusion
von freien Wahlen und einer demokratischen Regierung in den
Vereinigten Staaten aufrechterhalten, obwohl
oft die Zustimmung von allenfalls 15 bis 20 Prozent der Wahlberechtigten
für eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht.
Wie erklärt sich die Passivität der amerikanischen Bevölkerung
in einer Nation, die die älteste geschriebene republikanische
Verfassung der Welt besitzt?
Herrschaft durch politischen Mord
Die
Antwort liegt in annähernd drei Jahrzehnten tiefer politischer
Demoralisierung. In den letzten dreißig Jahren wurde eine politische
Führungspersönlichkeit nach der anderen ermordet. Die
Amerikaner mußten erleben, wie ihr Lebensstandard fortwährend
sank; gleichzeitig ließen sie eine ungeheuere Medienkampagne
über sich ergehen, daß man dagegen nichts tun könne. Die
Bevölkerung duldete Angriffe auf den industriellen Fortschritt,
die das Ziel haben, die Wirtschaft zum Stillstand zu bringen. Die
Amerikaner haben tatenlos zugesehen, wie die Bürgerrechtsbewegung,
die Gewerkschaftsbewegung und selbst die Studentenbewegung
zerschlagen wurden.
Der
erste entscheidende Einschnitt war die Ermordung John F.
Kennedys am 22. November 1963. Einmal abgesehen von seinen sicherlich auch
vorhandenen Schwächen und Fehlern vertrat John F. Kennedy die besten und
nobelsten Sehnsüchte Amerikas. Er war der Präsident der »New Frontier« und des
Raumfahrtprogramms, einschließlich des Apollo-Programms, das erstmals einen
Menschen auf den Mond brachte. Viele erkannten damals, daß Kennedy nicht von
einem Einzeltäter ermordet wurde, sondern
ein internationales Komplott dahinterstand, das die Zustimmung
höchster Regierungsstellen genoß.
Alle
Bemühungen des Bezirksstaatsanwaltes von New Orleans, James
Garrison, die finsteren Machenschaften hinter dieser Operation zu
entlarven, wurden vor den Augen der amerikanischen
Öffentlichkeit sabotiert und unterbunden, wozu auch der mysteriöse Tod
zahlreicher Zeugen
gehörte.
Nachdem
dann Jack Ruby Kennedys Mörder Lee Harvard Oswald
vor laufenden Fernsehkameras erschoß, konnte die »Warren-Kommission«
unter dem Vorsitz des damaligen Obersten Verfassungsrichters
der Vereinigten Staaten, Earl Warren, die phantastische Fiktion über
die Vorgänge auf dem Dealy-Plaza in Dallas als vermeintliche Tatsache
hinstellen. Der Untersuchungskommission gehörten auch der ehemalige
Direktor des CIA, Allen Dulles, der spätere US-Präsident Gerald
Ford und weitere herausragende Persönlichkeiten an. Die Sabotage
der Ermittlungen Garrisons und fünf Jahre später, im Juni
1968, die Ermordung von John F. Kennedys Bruder Robert Kennedy
verstärkten den Eindruck, daß hier eine finstere und gesetzlose
Macht am Werk war, die der Gerechtigkeit spottete.
Am 4. April 1968 folgte die Ermordung des
Bürgerrechtlers Martin Luther King. King wurde genau
zu dem Zeitpunkt umgebracht, als er über die Forderung nach Bürgerrechten und gleichem
Wahlrecht hinausging und wirtschaftliche Gerechtigkeit für alle
Amerikaner gleich welcher
Hautfarbe
forderte. Als James Earl Ray des Mordes an King überführt wurde, ignorierte man die
Existenz einer »Get King«-Arbeitsgruppe, zu der der FBI-Direktor J.
Edgar Hoover und andere Regierungsbeamte und Mitglieder
des Establishments gehörten.
Wieder einmal hatte mörderische Rechtlosigkeit triumphiert.
Einige Jahre vor King war
der Führer der Black-Power-Bewegung, Malcolm X, ermordet worden. Später verschwand James Hoffa, der Vorsitzende der Teamster, der größten und politisch wichtigsten Gewerkschaft der Vereinigten Staaten.
Man hat nie wieder von ihm gehört,
seine Leiche wurde nie gefunden,
kein Mörder wurde je überführt. Es war bekannt, daß seit den fünfziger Jahren eine »Get Hoffa«-Arbeitsgruppe auf der Ebene des FBI und des amerikanischen Justizministeriums
existierte.
Die Verwilderung politischer Sitten
1972 wurde ein Mordanschlag auf den Gouverneur von Alabama und
damaligen Präsidentschaftsbewerber der Demokratischen Partei, George
Wallace, verübt, ein Südstaaten-Populist, dessen Beliebtheit sich aus
seinen Attacken gegen die Politik des Ostküstenestablishments
ergab. Der Mordanschlag beendete seinen Präsidentschaftswahlkampf
und machte ihn zum Krüppel. Auch hier fand man einen »Einzeltäter«,
der angeblich ganz allein für die Tat verantwortlich war. Für die
amerikanische Bevölkerung bedeuteten diese und weitere Morde
und Anschläge einen Alptraum politischer Gewalt und Rechtlosigkeit.
Diese
Verwilderung politischer Sitten ging einher mit der Katastrophe des
Vietnamkrieges. Die Planer des Ostküstenestablishments,
die aus dem Koreakrieg und aus den Erfahrungen der französischen Kolonialpolitik nichts gelernt hatten, provozierten mutwillig einen unnötigen, völkermörderischen Angriffskrieg, der schließlich in einer katastrophalen Niederlage für die USA mündete, von
der sich die amerikanischen
Institutionen nicht wieder erholt
haben. Eine Generation von Studenten
und Jugendlichen protestierte mit Recht gegen diesen Krieg, endete dann aber in Ratlosigkeit und Verzweiflung. Es bedeutete auch das politische
Ende der Demokratischen Partei, wie
man sie bis dahin gekannt hatte.
Der
Drogenmißbrauch, teilweise eingeschleppt aus Vietnam, wo ihn
die Kommunisten als eine ihrer Waffen gegen die amerikanischen
Streitkräfte einsetzten, wurde zur Keimzelle einer Krise, die die
amerikanische Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert.
Die Vereinigten Staaten sind heute der größte Absatzmarkt
illegaler Drogen, über 60 Prozent der Weltdrogenproduktion
werden hier verbraucht. Damit einher geht eine Verbrechenswelle
nie dagewesenen Ausmaßes. Wie die Süchtigen auf den Stoff ist das
amerikanische Bankensystem auf die »Wäsche« der illegalen
Gelder aus dem Drogengeschäft angewiesen. Doch davon
ungerührt unterstützt das US-Außenministerium aktiv die Drogenexportländer
China und Syrien, von der UdSSR ganz zu schweigen.
Auf
Vietnam folgte der Watergate-Skandal, in dessen Verlauf das
Präsidentenamt und andere Regierungsinstitutionen diskreditiert
und gleichzeitig die noch verbliebenen vernünftigen Strömungen
der Republikanischen Partei ausgeschaltet wurden. Das amerikanische
Volk, das Nixon in dem bis dahin größten Erdrutschsieg
seiner Geschichte ins Amt wählte, erfuhr von den Medien, daß es
einen Kriminellen gewählt habe. Henry Kissinger erhielt eine
einflußreiche Stellung, die er bis 1977 behielt. Die Netzwerke, die er damals
schuf, geben bis heute im offiziellen Washington
den Ton an. Nach Meinung vieler Beobachter arbeiteten die
Medien, Teil der Administration und einige Mitglieder des
Kongresses im Interesse eines kalten Putsches des Establishments gegen die
Präsidenten.
Wahlen wurden zum bloßen Ritual
Mit Jimmy Carter schließlich zog ein Mann ins Weiße Haus ein,
der gar nicht gewählt worden war, denn eigentlich hatte Gerald Ford die Wahlen gewonnen. Mit der
synthetischen Figur des Erdnußfarmers
im Präsidentensessel demonstrierte
die Trilaterale Kommission vor aller
Welt eindrucksvoll, daß die Macht keineswegs vom Volk ausgeht, sondern ganz im Ermessen einer kleinen Clique machthungriger Männer liegt. Die Wahlen wurden zum bloßen Ritual.
Gegen Ende der Administration Carter erschütterte der »Abscam-Brilab«-Skandal
die Nation. Dabei handelte es sich um eine
Operation des FBI, mißliebige Volksvertreter auszuschalten.
Prominentestes Opfer war Senator Harrison Williams aus New
Jersey. Zweck dieser Operation war die Diskretierung des Kongresses,
mit der Folge, daß dem Gesetzgeber nunmehr lediglich
die Aufgabe zufiel, die Politik des FBI abzusegnen.
Diese
Schrecken wurden durch die künstlich erzeugte Ölkrise der
Jahre 1973 bis 1974 und 1979 verschärft, als die amerikanische Regierung
unwillig war, sich dem internationalen Ölkartell, den Banken
der Wall Street und der Londoner City zu widersetzen. Zur
Durchsetzung astronomischer Preiserhöhungen sowie der Einführung
des weltweiten Petrodollar-Recycling scheute man nicht
davor zurück, einen Krieg im Nahen Osten vom Zaun zu brechen
sowie über die Medien die Bevölkerung in Hysterie zu versetzen. Lange
Autoschlangen vor Tankstellen und erste wirtschaftliche
Erschütterungen waren die Vorboten eines sinkenden Lebensstandards.
Zum
ersten Mal seit der Erschließung Nordamerikas durch europäische
Siedler Anfang und Mitte des 17. Jahrhunderts ist der Lebensstandard
der jüngeren Generation, die heute im Berufsleben steht,
deutlich und fühlbar niedriger als der ihrer Eltern. Ein eigenes
Haus, traditionell eines der wichtigsten Ziele im Leben eines Amerikaners, ist heute für
die Mehrzahl
der jungen Familien unerschwinglich. Etwa ein Viertel der
Bevölkerung lebt in Armut und verfügt über ein Einkommen, das unter dem
Existenzminimum
liegt.
Arbeitslosigkeit
und Unterbeschäftigung liegen, entgegen den Angaben der offiziellen
Statistik, heute bei etwa 30 Prozent der potentiell Erwerbstätigen.
Fünf bis sechs Millionen Menschen sind obdachlos und leben und sterben
auf den Straßen oder in Obdachlosenasylen, wobei der stärkste
Anstieg bei Familien mit kleinen Kindern zu verzeichnen ist. Unter diesen
sich verschlechternden Bedingungen ist der Kampfgeist der Gewerkschaften durch
faule Kompromisse der Gewerkschaftsfunktionäre und anhaltende
Lohnkürzungen gelähmt worden. Reagans spektakulärer Kampf gegen die
Fluglotsen Anfang der achtziger Jahre war
der bisherige Höhepunkt, nicht der Beginn dieses Prozesses.
In den
großen Städten entlang der Atlantikküste breiten sich die Slums,
Armut und Drogensucht wie Krebsgeschwüre aus. Die Landwirtschaft ist
auf Betreiben der internationalen Getreidekartelle
in den Bankrott getrieben worden. Die Getreidekartelle stehen
den sieben Öl-Schwestern an Macht nicht im geringsten nach.
Die ehemalige Industrieregion der Großen Seen ist heute ein Schrotthaufen.
Die drei größten Autohersteller sind in ernsten Schwierigkeiten, und George Bushs
Gesetz für die Reinhaltung der Luft wird das endgültige Aus
für viele große Industriebetriebe bedeuten.
Passivität und Demoralisierung
Der
Aufschwung bei der Energie- und Computerindustrie und im
Immobiliengeschäft, der sich vom Silicon Valley in Kalifornien bis
Florida erstreckte, ist Konkursen, Betriebsschließungen, Massenentlassungen
und der Krise der Spar- und Kreditkassen gewichen.
Die Immobilienmärkte brechen zusammen, die großen Handelsbanken
werden ihnen bald folgen. Die Makler an der Wall
Street sind zahlungsunfähig. Um das Maß vollzumachen, verlangt
Bush jetzt Einschnitte bei der Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie,
dem einzigen Industriezweig, der noch funktioniert.
Zu der
Passivität und Demoralisierung, die durch politische Morde
und deren Vertuschung, militärische Niederlagen, Staatsstreiche,
wirtschaftlichen Niedergang und Niederlagen der Gewerkschaftsbewegung
hervorgerufen wurden, kommt jetzt ein weiterer Faktor: Das Scheitern und der
Zusammenbruch der konservativen Bewegung um Präsident Reagan, die
gegen das Establishment und sein Vorgehen protestierte und die
Dinge wieder
ins Lot bringen wollte. Was immer Reagans Absichten gewesen
sein mögen, er scheiterte kläglich bei der Einhaltung seiner
Versprechen aus seinen beiden Präsidentschaftswahlkämpfen.
So
hatte Reagan beispielsweise versprochen, Henry Kissinger werde
nie wieder Einfluß auf das Weiße Haus ausüben. Trotzdem gab er
ihm bereits in seiner ersten Amtszeit als Präsident den Vorsitz
eines wichtigen Ausschusses für Mittelamerika und machte ihn zum
Mitglied des Außenpolitischen Beraterstabes des Präsidenten
(Presidential Foreign Intelligence Advisory Board, PFIAB).
Nachdem
er in seiner Wahlkampagne das Establishment angegriffen
hatte, das nach Ansicht vieler Amerikaner zu viele Zugeständnisse
gegenüber Moskau machte, gab Reagan seine Angriffe gegen das »Reich
des Bösen« aus dem Jahre 1981 auf und umarmte im Sommer 1988 Michail
Gorbatschow auf dem Roten Platz. Reagan blieb der nette Onkel,
aber er wurde seinen wichtigsten Absichten untreu.
Reagan
hatte kein eigenes Wirtschaftsprogramm, was schon dadurch
deutlich wurde, daß er Jimmy Carters Zentralbankchef, Paul
Volcker, bis Mitte 1987 beibehielt.
Man kann geteilter Meinung über die konservative Bewegung Amerikas sein, die in den fünfziger und
sechziger Jahren entstand. Tatsache ist, daß
diese Bewegung, die 1964 Goldwater
und 1968 und 1972 Wallace unterstützte,
heute am Ende ist. Was immer ihre
politischen Ideen und ihre Führer waren, sie haben nicht überdauert, und die verschiedenen konservativen, neokonservativen und
anderen Strömungen sind der
allgemeinen amerikanischen Passivität verfallen. Die »Bush-Männer« wurden zu den endgültigen Totengräbern der Reagan-Konservativen. Sie empfanden die Freundeskreise des ehemaligen Präsidenten in Kalifornien und anderswo als eine
Bedrohung.
Quelle: Peter Blackwood in „Das ABC
der Insider“, Leonberg 1992, S. 132 – 140
Anmerkung: Die Entwicklung
seit dem Erscheinen des Buches im Jahre 1992 stellt eine nahtlose Kontinuität
des Zerfalls da. Gleichartige Erscheinungen in unterschiedlicher Intensität
sind mit einer gewissen zeitlichen Phasenverschiebung in Deutschland und
anderen Staaten Mitteleuropas zu verzeichnen.