Mord an Olof Palme
Die schwedische Stay-behind-Truppe wurde
vom Botschaftsattaché, CIA-Offizier und späteren CIA-Chef William Colby
organisiert.
Ihm gelang es, anfang der fünfziger
Jahre eine Untergrundorganisation zu etablieren, die aus der rechtsextremen
Waffenbrüderschaft "Sveaborg", die ihrerseits eine Unterorganisation
der faschistischen Vereinigung "Schwedens Sozialistische Sammlung"
(SSS) war, hervorging. Die 1941 von Otto Hallberg gegründete
Brüderschaft bestand mehrheitlich aus Veteranen eines schwedischen
Freiwilligenbataillons, das im finnisch-sowjetischen Krieg gekämpft hatte. Aus
dieser Vereinigung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die schwedische
Stay-behind-Truppe gebildet. Etwa 1200 Kontaktpersonen, von denen viele Armeeangehörige
gewesen sein sollen, hätten im Notfall ihre Guerillatruppen selbständig führen
können. Ihre Aufgabe war es, als Guerillas eine etwaige sowjetische Invasion zu
bekämpfen und mutmaßliche Unterstützer der Invasion auszuschalten. 1953 deckte
die schwedische Polizei die Organisation auf. Hallberg wurde in einem
Geheimverfahren freigesprochen. Er starb 1968, die Akten wurden bis 2004
gesperrt. Seine Organisation soll aber noch 1989 intakt gewesen sein. Fragen im
Zusammenhang mit dem Mord am schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme drängen
sich auf.
So soll der zweite Mann der CIA in
Europa und Chef des Intelligence Tactical Assessment Center (ITAC), ein
gewisser Oswald LeWinter, Papiere vorgelegt haben, die beweisen
sollen, daß Palme im Zuge einer "Operation Tree" ermordet
werden sollte. Ausgangspunkt dieser angeblichen vom Allied Clandestine
Committee/ Special Operations Planning Staff (ACC/SOPS), dem
Koordinierungszentrum der Stay-behind-Netzwerke, herrührenden Überlegungen
waren Pläne Palmes über einen kernwaffenfreien Norden und etwaige
Verhandlungen darüber mit Moskau. An solchen SOPS-Treffen sollen der Chef der
Operativen Abteilung (B) des schwedischen Sicherheitsdienstes (SÄK) P. G.
Näss und der ehemalige Stay-behind-Chef und frühere Scandia-Versicherungs-Direktor
Alvar Lindencrona teilgenommen haben. Das Scandia-Haus in Stockholm –
früher Thule-Haus – soll die Zentrale der Stay-behind-Netze gewesen sein. Vor
diesem Haus wurde Olof Palme am 28.2.1986 mit einem Smith & Wesson
erschossen.
Eine andere Spur führt zur "World
Anticommunist League" (WACL), deren früherer Generalsekretär der
Europa-Sektion Anders Larsson behauptete, über eine Ermordung Palmes
im Zusammenhang mit dessen bevorstehender Moskaureise informiert worden zu
sein. Außerdem hätte das WACL-Mitglied Michael Townly den Namen Palme
auf einer Todesliste stehen gehabt. Das WACL- und Ustaschamitglied Miro
Baresic soll wiederum an einem Waffengeschäft mit einem kurdischen
Heroinhändler mit PKK-Verbindungen beteiligt gewesen sein, bei dem es um einen
Revolver der Marke Smith & Wesson ging (die sogenannte
"Kurdenspur"). Larsson behauptete außerdem, daß das
"Covert Action Department" der CIA, das den WACL durch dessen
internationalen Leiter General John Singlaub kontrollierte, den
Entschluß zu diesem Mord gefaßt hätte. Die WACL vereinigt weltweit alle
möglichen rechtsextremen Gruppierungen, Vertreter der freien Marktwirtschaft
und radikale Antikommunisten. Auch im Umfeld der Stay-behind-Mitglieder trifft
man immer wieder auf die WACL.
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Eine weitere Spur weist den Weg zu
rechtsextremen Elementen in der Polizei, die Mitglieder eines privaten
Kampfschützenvereins waren. In deren Umkreis bewegte sich ein namentlich nicht
genannter Psychologielehrer an der Polizeischule, der Anführer der
"Sturmabteilung Sveaborg" gewesen sein soll. Diese war ja
Rekrutierungsstelle für die Stay-behind-Netze des damaligen CIA-Residenten William
Colby. Und da gab es noch die aus Polizisten gebildete, 1983 wegen eines
ungeklärten Todesfalles aufgelöste rechtsextreme Baseball-Liga des Hans
Holmér, Mitglied der schwedischen Sozialdemokraten und zu der Zeit
Polizeichef von Stockholm. Er führte lange Zeit die Mordkommission im Fall Palme,
die jetzt Hans Olebrö leitet. Dann gab es noch den Polizeiwagen 1520.
Und jede Menge Walkie-Talkie-Männer in der Mordnacht rings um die Route Olof
Palmes zwischen dem von ihm und seiner Frau besuchten Kino und ihrer
Wohnung. Und einen Waffenhändler Sege Östling. Und die schwedischen
Sozialisten Ebbe Carlsson und Carl Lidbom. Und die
Beobachtung zweier AugenzeugInnen: Sie sahen kurz vor der Tat einen Finnen, den
eine von ihnen aus einem Sportverein, in dem auch Polizisten verkehrten,
kannte. Er stand in einem Hauseingang in der Nähe des Kinos.
Apropos Finnland: In Stockholm hätte für
den Fall einer sowjetischen Invasion in Finnland eine finnische Exilregierung
installiert werden sollen. Dafür standen Infrastruktur, Geld und
Kommunikationseinrichtungen zur Verfügung, mit denen die finnische Stay-behind-Gruppe
hätte geführt werden sollen. Wäre auch Schweden überrannt worden, hätten beide
Regierungen nach London ausweichen sollen. Der ehemalige schwedische
Geheimdienstmann Birger Elmér, der als Kontaktperson zu Helsinki
genannt wurde, verweigerte allerdings jede Aussage dazu.
Daneben soll es noch einen
"geheimen" Geheimdienst "IB" in Schweden gegeben haben, der
mit der CIA und den NATO-Geheimdiensten
in Osteuropa zusammengearbeitet haben soll. Ob dieser identisch war und ist mit
dem ukrainischen Geheimdienst IB der rechtsextremen OUN, die vom Dritten Reich
(bis 1945) und von der CIA (nach 1947) unterstützte ukrainische
Exilorganisation, kann derzeit nicht ausgeschlossen werden.
John Foster LeMay
Quellen: |
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Taz, 15. & 17.11.1990, 17.8.1991; |
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Die Presse, 2.7.1996; |
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Leo A. Müller: Gladio – das Erbe des
Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und sein deutscher Vorläufer. Mit einem
Beitrag von Werner Raith. Verlag Rowohlt Taschenbuch, Reinbeck bei Hamburg
1991; |
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Ola Tuander: Der vielfache Palme-Mord,
in: Karl Markus Michel und Tilman Spengler (Hg.): Kursbuch 124,
Verschwörungstheorien. Juni 1996. Verlag Rowohlt, Berlin 1996; |
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Burkhard Nagel und Klaus D. Knapp:
"Mord in Stockholm". Fernsehdokumentation in Zusammenarbeit von N3
und Arte, August 1996. |
Anmerkung: Der oben erwähnte
CIA-Offizier Oberst Dr. Oswald LeWinter - übrigens ein jüdisches Findelkind -
hat vor geraumer Zeit dem CIA den Rücken gekehrt und in Portugal um politisches
Asyl nachgesucht. Vor dem portugiesischen Parlament hat LeWinter unter Eid
Einzelheiten über die Verwicklung der CIA in die Ermordung des schwedischen
Ministerpräsidenten preisgegeben. Auf das von Oswald LeWinter verfaßte Buch
"Desmantelar a América" (Publicacoes Europa-América LDA,
P-2726-901-MEM-Martins, 2001) wird hingewiesen.