Mobutu Sese Seko
Auf der Berliner Konferenz von
1885 wurde die Aufteilung Afrikas zwischen den europäischen Mächten
festgeschrieben, und Leopold II. bekam den »Kongo‑Freistaat«, wie das
Gebiet mit bewunderungswürdigem Zynismus genannt wurde, als private Domäne
zugesprochen. Daß die Hauptstadt der neu erworbenen Kolonie den Namen
Leopoldville erhielt, verstand sich fast von selbst. Dieses geschichtliche
Beispiel eines persönlichen Besitzanspruchs auf ein ganzes Land scheint sich im
heutigen Staat Zaire zu wiederholen, den Mobutu Sese Seko (früher: Joseph Désiré
Mobutu) und seine Gefolgschaft als ihr persönliches Eigentum betrachten. Das
Land zeichnet sich durch einen außergewöhnlichen Reichtum an Bodenschätzen aus ‑
Kupfer, Kobalt. Diamanten, Zink, Zinn, Uran, Wasserkraft ‑, aber
gleichzeitig auch durch eine ungewöhnliche und durchaus nicht naturbedingte
allgemeine Armut. Ungeachtet der Reichtümer, die aus dem Boden ihrer Heimat
gefördert werden, gehören die Bewohner Zaires zu den ärmsten Völkern Afrikas;
für die meisten von ihnen ist der Hunger der Normalzustand. (J. Kwitny:
"Endless Enemies: The Making of an Unfriendly World", New York 1984)
Mobutu ist 1930 geboren und
ging im Kongo und in Belgien zur Schule. Er diente sieben Jahre lang im
belgischen Kolonialheer und betätigte sich danach als Journalist. Nachdem der Kongo
1960 seine Unabhängigkeit erlangt hatte, wurde Mobutu zum Stabschef ernannt,
1965 machte er sich durch einen Putsch zum Staatspräsidenten. Am 27. Oktober
1971, als aus dem Kongo der Staat Zaire wurde, legte Mobutu seine französischen
Vornamen ab und wurde zu Sese Seko. Das
Regime, das Mobutu Sese Seko in Zaire ausübt, läßt sich nur als mörderische Tyrannei charakterisieren.
Was sich in diesem Land heute abspielt, ist eine Neuauflage dessen, was König
Leopold im 19. Jahrhundert praktizierte. Die Bewohner von Zaire hungern sich
bei einem durchschnittlichen Pro‑Kopf-Einkommen von weniger als 80 Dollar
im Jahr durchs Leben, während Mobutu Milliarden auf seinen Schweizer Konten
hortet. Die Liste der Immobilien und Liegenschaften, die der zairische Diktator
in ganz Afrika und Europa sein eigen nennt, erstreckt sich über mindestens fünf
Seiten; dazu kommen noch Wertpapiere und Beteiligungen. In den Jahresberichten
von Amnesty International wird dem Mobutu‑Regime regelmäßig attestiert,
daß es zu den repressivsten Diktaturen in Afrika gehört. Die Vereinigten Staaten betrachten Mobutu, wie könnte es anders sein, als guten Freund und
Verfechter westlicher Werte. (J. Kwitny: "Where Mobutu's Millions
Go", Nation, 19. Mai 1984, S. 601) Das persönliche Vermögen von Mobutu
Sese Seko, Ergebnis einer systematischen Ausplünderung des Landes, seiner
natürlichen Reichtümer wie seiner Menschen, wird auf vier Milliarden Dollar
geschätzt; das durchschnittliche Realeinkommen der zairischen Bevölkerung ist
derweil auf ein Zehntel des Wertes von 1960 geschrumpft. (C. Young und T. Turner:
"The Rise and Decline of the Zairan State", Madison 1985) Fast
hundert Jahre nach Heart of Darkness schildert ein Buchautor die
erschreckende Realität des heutigen Zaire so: »Die permanente Unterernährung
rafft über ein Drittel der Einwohner Zaires dahin und hinterläßt bei zahllosen
anderen dauerhafte Gehirnschäden, die sie sich in der Regel schon in frühen
Jahren zuziehen. Die 25 bis 28 Millionen Zairer, zur Hälfte noch im Kindes- oder
Jugendalter, hungern sich in ihren Lehmhütten buchstäblich zu Tode.«(J. Kwitny:
"Endless Enemies ...", S. 101)
Wenn wir uns näher mit der
jüngeren Geschichte des Kongo bzw. Zaires befassen, stoßen wir auf die
unerfreuliche Tatsache, daß Israel
in den letzten 25 Jahren kontinuierlich seinen Beitrag dazu geleistet hat, daß
dieses Land unter der Kontrolle des Westens ‑ und unter der Herrschaft
Mobutus ‑ blieb. Das israelische Engagement reicht bis in die frühen 60er
Jahre zurück, als Zaire noch Kongo hieß und gerade unabhängig geworden war.
Diplomatische Beziehungen zueinander nahmen die beiden Länder erstmals 1962
auf, und im Dezember 1963 kam Präsident Joseph Kasawubu zu einem Staatsbesuch
nach Israel. Schon vorher hatte Israel damit begonnen, kongolesische Fallschirmjäger
auszubilden.
Quelle: "Schmutzige Allianzen - Die geheimen Geschäfte Israels"
von Benjamin Beit-Hallahmi, München 1989, S. 74 f