Fürst der Finsternis

 

Perle-Rücktritt: Der "Fürst der Finsternis" im Zwielicht

 

Rumsfeld-Chefberater und Vordenker der Neokonservativen gibt wichtigen Pentagon-Posten wegen dubioser Geschäftsverbindungen ab

 

Richard Perle, einer der einflussreichsten Vordenker der amerikanischen Neokonservativen ("Neocons") ist gestern von seinem Amt als Vorsitzender des "Policy Board" im Pentagon zurückgetreten, einem Beratergremium des US-­Verteidigungsministeriums, das den Minister mit unabhängigen Expertisen zur Verteidigungspolitik versorgen soll.

 

Perle erklärte, er wolle damit Schaden von Donald Rumsfeld und dessen Politik abwenden. Dem 61‑Jährigen war es nicht gelungen, einen Verdacht zu entkräften, seine Regierungskontakte zum eigenen geschäftlichen Vorteil auszunutzen. Perle hat enge Beziehungen zum Telekommunikationsuntemehmen Global Crossing, das auch von US­Regierung und US‑Militär genutzt wird.

 

Das Unternehmen wirbt bei der US-­Regierung um grünes Licht für den Verkauf an ein Joint‑Venture-­Unternehmen aus China und Singapur mit gutem Draht zur Regierung in Peking - weshalb Washington den Deal bisher ablehnte. Angeblich sind Perle 600.000 Dollar Erfolgsprämie zugesagt worden, falls er den Verkauf doch noch durchsetzen könnte ‑ so die "New York Times". Es gibt auch noch weitere Vorwürfe einer Interessenkollision Perles - einen Reporter des "New Yorker" hatte Perle deshalb mit einem "Terroristen" verglichen.

 

Zimperlich war Perle noch nie. Dem deutschen Kanzler riet er im Herbst wegen seiner Irak‑Haltung zum Rücktritt, Deutschland erklärte er für "irrelevant", die Uno für tot und das Völkerrecht für überholt. Er galt schon beim Amtsantritt Reagans vor 22 Jahren als extrem konservativ und eingeschworener Falke. Die Sowjetunion war für ihn das "Reich der Finsternis", das es totzurüsten gelte ‑ Reagan tat genau dies. Seitdem nennen ihn politische Gegner, aber auch Bewunderer den "Fürsten der Finsternis".

 

Perle arbeitete maßgeblich im "Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert" (PNAC) mit, das schon 1998 von Bill Clinton den Regimewechsel im Irak forderte. Der zeitweilige Direktor der "Jerusalem Post" war stets Feind aller Abrüstungsbemühungen, befürwortete einst Reagans Star­-Wars‑Programm und jetzt Bushs "New Missile Defense", kritisierte die Bundesrepublik schon Anfang der 80er wegen ihres Erdgas-­Röhrengeschäfts mit der Sowjetunion und warf den Westeuropäern gern eine zu weiche Haltung gegenüber Moskau vor.

 

1996 entwarf Perle ein Strategiepapier, wie die USA und Israel die strategische Vorherrschaft über den Nahen Osten gewinnen könnten ‑ indem der Oslo-­Friedensprozess beendet und das Regime in Bagdad gestürzt wird. Perle‑Kritiker argwöhnen, dass diese Politik inzwischen eins zu eins umgesetzt wird. Als Beleg gilt ihnen, dass Perle einer der schärfsten Befürworter eines Irakfeldzuges war, der auch die jetzt gültige Strategie der "preemptive strikes " schon lange vor dem 11. September 2001 entschieden mitentwickelt hat ‑ inklusive Atomwaffeneinsatz.

 

Perle bleibt seinem PNAC-Kumpel Rumsfeld erhalten: Er verlässt nicht das "Policy Board", sondern legt nur dessen offiziellen Vorsitz nieder.     

 

Quelle: "Lübecker Nachrichten" vom 29.3.2003 (Hervorhebungen vom Bearbeiter)