Sedisvakanz
Wenn sich eine Publikation den
langen Titel Beiträge zur geistlichen
Erneuerung aus dem katholischen Glauben gibt, dann zeigt dies einerseits
ein Bemühen um Präzision, und zugleich wird die grundsätzlich Linie des Blattes
festgelegt, Das zweimonatlich erscheinende Heft in schlichtem Schwarzweißdruck
mit wenigen, aber geschmackvollen Abbildungen wird vom Arbeitskreis junger
Katholiken herausgegeben, der im Internet als "Arbeitskreis katholischer
Glaube" ein aktives Apostolat betreibt. Theologisch wird in den Beiträgen
die härteste Position innerhalb des traditionsverbundenen Katholizismus
vertreten. Der "Arbeitskreis" ist nämlich dem Sedisvakantismus
zuzurechnen, jener Strömung, die den Stuhl Petri (sedis) für derzeit nicht
besetzt (vacans) betrachtet und Papst Pius XII. (gestorben 9.10.1958, d.B.) als den letzten legitimen Papst
ansieht. Alle folgenden Päpste seien nur Scheinpäpste ohne Amtsgewalt.
Begründet wird diese Ansicht damit, daß die späteren Päpste aufgrund
Glaubensabfalls ihr Amt verloren hätten, weil sie Häresien vertreten hätten,
theologische Irrtümer, die dem Dogma widersprechen.
Trotz dieser radikalen
Theologie sind die Beiträge durchaus lesenswert, weil die geistliche
Grundhaltung, die in den Artikeln zum Ausdruck kommt, sehr authentisch ist. Die
Beiträge sind zwar hart im Inhalt, aber moderat im Ton und ‑ im Gegensatz
zu vielen traditionsorientierten Periodika ‑ ohne larmoyanten Unterton
geschrieben. Selbst Leser, die die sedisvakantistische Position nicht teilen,
können das feststellen. Im übrigen hat der im letzten Jahr verstorbene Pater
Manfred Adler in seinem kleinen Buch über "Das allgemeine Recht auf
Religionsfreiheit" eine Widerlegung der am häufigsten vertretenen
Begründung der Sedisvakanzthese verfaßt.
Im aktuellen Heft befaßt sich
der geistliche Leiter des "Arbeitskreises", Pater Rissling, mit dem
überlieferten Ritus der Priesterweihe und erläutert ausführlich die
vielfältigen Gebetsformeln und Gesten. Anlaß hierfür ist der Umstand, daß seit
über zehn Jahren wieder ein sedisvakantistischer Priester für Deutschland geweiht
wurde. Im Mai wurde der deutsche Diakon Johannes Heyne im Seminar von Bischof
Pivarunas in den USA konsekriert. Eine Reihe von Bildern dieser Weihezeremonie
rundet das Thema ab.
Nach
einem weiteren Teil seiner "Kurzen Meßbetrachtung", einer Erklärung
der Riten und Texte der heiligen Messe, macht sich Pater Rissling
"Gedanken
über
das katholische Priestertum heute". Geistlich tiefgehend, aber die gegenwärtige
kirchliche Krisensituation nicht aus dem Auge verlierend, schildert er die Aufgaben
des Priesters heute. Er zeichnet jedoch kein unrealistisches Idealbild;
bemerkenswert etwa ist sein Satz: "Und auch wird ein jeder vernünftige
Priester immer dankbar sein für zweckdienliche Hinweise und kritische Anmerkungen,
wenn sie von den Gläubigen nur im richtigen Ton und in sachlicher Gesinnung an
gebracht werden." JOCHEN SCHMITT
Anschrift: Arbeitskreis junger Katholiken, Im Schloßgarten 5, 89155
Erbach
Quelle: JUNGE FREIHEIT vom 14. Juli 2006 ("Hart im Inhalt, moderat
im Ton")