Häresie
Römischer Kardinal verurteilt Browns Bestseller "Sakrileg"
Ein italienischer Kardinal hat
den internationalen Bestsellerroman "Sakrileg" des Amerikaners Dan
Brown scharf verurteilt. "Lest und kauft dieses Buch nicht", zitierte
die römische Zeitung "La Republica" gestern den Erzbischof von Genua,
Kardinal Tarcisio Bertone. Allerdings handele es sich bei den Aussagen um
keinen offiziellen Boykott‑Aufruf des Vatikans, teilte Radio Vatikan mit.
Dieser habe sich zu dem Buch "The Da Vinci Code" ‑ so der
amerikanische Originaltitel ‑ bisher noch nicht geäußert.
"Ich bin wirklich
erstaunt, dass ein Buch mit so vielen Ungenauigkeiten und unzähligen
Falschheiten so einen Erfolg haben kann", hatte Bertone in einem Interview
mit Radio Vatikan erklärt. Der Erfolg des Thrillers belege, dass es ein großes
"antikatholisches Vorurteil" gebe. In dem Roman wird unter anderem
die These aufgestellt, dass Jesus kein Erlöser sei, sondern nur ein sterblicher
Prophet, der mit Maria Magdalena eine Familie gegründet habe. Der Geistliche
verurteilte auch die katholischen Buchläden, die den Roman nur aus Gewinnsucht
verkauften: "Was wäre denn passiert, wenn ein Buch voller Lügen über
Buddha oder Mohammed oder eine manipulierte Geschichte des Holocaust
veröffentlicht worden wäre?" Dan Browns Thriller wurde seit seinem
Erscheinen im März 2003 weltweit bereits 25 Millionen Mal verkauft.
In Deutschland sprach sich der
Borromäusverein, der die Pfarrbüchereien mit Literatur versorgt, im vergangenen
Jahr gegen "Sakrileg" aus. Das Buch sei unterhaltsam, seine
Darstellung aber "in einem hohen Maße dazu geeignet, religiöse Haltungen
zu verletzen und/oder religiös Suchende zu verunsichern", stellte
Borromäus‑Cheflektorin Margret Lange fest. Browns deutscher Verlag Gustav
Lübbe gibt sich ob des späten Bannstrahles aus Rom eher amüsiert als entrüstet:
"Aber die Mühlen dort mahlen langsam", sagt "Sakrileg"‑Lektor
Marco Schneiders. In den USA sei die Kontroverse schon vor anderthalb Jahren
ausgebrochen. Dass der Boykottaufruf den Erfolg von "Sakrileg"
ernsthaft schmälern wird, glaubt Schneiders nicht - eher im Gegenteil: "In
den meisten Fällen sorgen Kontroversen für ein erhöhtes Interesse."
Die Vorwürfe nennt der
deutsche Lektor "hanebüchen"; schließlich stehe ganz vorn groß und
deutlich "Roman": "Man darf die Leser nicht für dumm
halten." Dan Brown selbst betont auf seiner Website, er sei selbst Christ
und wolle seine Leser zum Nachdenken anstoßen.
Quelle: Lübecker Nachrichten vom 17. März 2005
Anmerkung: Daß sich Religionen und Weltanschauungen bekriegen, ist ein
alter Hut. Das gilt nicht etwa nur im Verhältnis Christentum, Judentum und
Islam, sondern auch zwischen agnostischen oder atheistischen Vereinigungen
untereinander und gegen jede Form von organisierter Metaphysik oder
Eschatologie, wobei insbesondere der Kampf zwischen Freimaurerei und
katholischer Kirche ein dankbares Forschungsgebiet abgibt. Das Christentum war
nur bis Konstantin - also etwa die ersten drei Jahrhunderte nach dem Kreuzestod
und der leibhaftigen Auferstehung des Erlösers - das biblisch vielfach
beschriebene Lamm. Nachdem nicht nur Römer, sondern unter anderem auch Juden
erbarmungslos auf die "neue Sekte" der Christen eingeschlagen hatten,
wurde das organisierte Christentum (die "Amtskirche") vielfach selber
zum unchristlichen Verfolger. Ketzer wurden verbrannt und Kreuzzüge wurden
angezettelt. Nachzulesen etwa in Deschners "Kriminalgeschichte des
Christentums". Die, welche auf den Scheiterhaufen starben, waren ihrem
Heiland oft erheblich näher, als die Inquisitoren. Die Auseinandersetzungen
wurden nicht nur mit Feuer und Schwert geführt, sondern auch mit Propaganda
aller Art, insbesondere mit lästerlichen Büchern. Im Talmud beispielsweise
finden wir Aussagen über den göttlichen Jesus, die auch heute noch jedem praktizierenden
Juden die Schamesröte ins Gesicht treiben müßte. Luther, der viele ihrer
Schriften kannte, hat auf das Gröbste zurückgeschlagen ("Über die Jüden
und ihre Lügen" usw.). Ein katholischer Priester publizierte, es seien
Juden gewesen, welche die Thora in den Koran umgeschrieben hätten.
Freimaurerisch inspirierte Autoren behaupteten, Jesus sei nicht am Kreuz
gestorben, sondern in Indien oder Kaschmir. Insbesondere katholische Priester
entdeckten die hintergründige Urheberschaft der Freimaurer bezüglich der
französischen Revolution mit ihren gottlosen Massakern. In jene
jahrhundertealte Kategorie von Büchern der ideologischen Kriegsführung mag auch
das "Sakrileg" gehören. Die Parallele zu "Starb Jesus in
Indien?" ist ziemlich deutlich. Allerdings ist die These von Jesus und
Maria Magdalena keinesfalls neu. Die Mitglieder der Prioré de Sion (Zion!) wähnen
sich wohl als Blutserben der Merowinger, die sich wiederum auf eine solche
anmaßende Abstammung berufen haben sollen. Verbrämt wird dies alles durch
angebliche Funde bei Ausgrabungen in den Ruinen des salomonischen Tempels im
11. Jahrhundert, die da einst dem rechtmäßigen Eigentümer - dem Staat Israel -
zurückgegeben werden sollen. Möglicherweise sollen dadurch Zweifel an Jesus als
Messias erzeugt werden, damit derjenige, der im Jahre 2017 mit einem neuartigen
Fluggerät auf dem Tempelberg landen wird, als der "wahre" Messias
weltweite Verehrung finden kann. Wenn man sich über diese Dinge kundig machen
will, sollte man jedoch eher zu den Sachbüchern von E. R. Carmin ("Das
schwarze Reich") und Wolfgang Eggert ("Israels Geheimvatikan")
greifen und nicht zu dem Roman von Dan Brown.