«DIE JUDEN SIND UNSER UNGLUECK»
Das Wort stammt von dem
grossen Historiker Treitschke, und Hitler hämmerte es in die Köpfe, bis der
letzte Stallknecht im ärmsten Waldwinkel wusste, wer an seinem Unglück schuld
war. Nicht fügte er hinzu, was Treitschke als Lösung empfohlen hatte: «Sie
sollen Deutsche werden ‑ unbeschadet ihres Glaubens und ihrer alten
heiligen Erinnerungen, die uns allen ehrwürdig sind.»
In Münchens Fledermaus‑Bar
sass ‑ es war im zwonziger Johr ‑ mit dem gerade aus dem Heer
entlassenen mittelgrossen Hitler ein untersetzter Herr am Tisch, der stark
wienerisch gefärbt sprach und nach einem Schluck Bier versonnen aus kleinen
schwarzen Augen auf die Fesseln der Kellnerin blickte. Dieser ungarische Jude,
eines reichen Seidenhändlers Sohn, war mit dem Dichter Dietrich Eckart, der ein
kleines antijüdisches Schriftchen «Auf gut deutsch» herausgab, aufs engste
befreundet. Eckart beherrschte die von Ostjuden gepflegte deutsche Sprechweise,
die er in Berlin im Umgang gelernt hatte, und durch ihn war Hitler an diesen
sonderbaren Mann gekommen, der da Bier nachbestellte und unter dem falschen
Namen Trebitsch‑Lincoln vielseitig tätig gewesen war: zunächst als
hebräischer Theologiestudent und gleich im Anschluss daran als evangelischer
Sektenprediger in New York. Und dann als Pfarrer in England, Direktor einer
Ölgesellschaft, britischer Unterhausabgeordneter der Liberalen und Spion für
Deutschland, alles dieses ziemlich gleichzeitig. Die Engländer vermuten heute
noch, Trebitsch‑Lincoln sei der «einzige fremdländische Spion, der jemals
Mitglied des Unterhauses geworden ist». (30) Wenn die wüssten.
Die Unterhaltung in der Bar
drehte sich um Juden und um jüdische Bestrebungen allgemein. «Da hams recht,
Herr Hitler», pflichtete Trebitsch bei. «Immer schon san die Übertreibungen von
den jüdischen Menschen selbst schuld. Aber immer sind's dabei auch von die
eigenen Leut bekämpft worden. Denkens an den Mardochai, will sagen Karl Marx,
obs den mögen oder net: ,Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher.
Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.' Und denkens an den Weininger, auch
a Jud, unseren grossen Wiener Philosophen: Der Jude kennt keine Liebe, er kennt
nur den Leib. Er will schänden!'»
«Nun sagens bitte, Herr
Trebitsch», begehrte Hitler zu erfahren, «was haltens denn von Palästina als
Lösung für die ganze Sippschaft?»
«Zwei Bier rief Trebitsch‑Lincoln
und sann. Nach einer Weile und einem erneuten Schluck strahlte er in seiner
ganzen Wiener Liebenswürdigkeit. «I hobs», freute er sich. «Nationalsozialisten
und Nationalzionisten, vereinigt euch!» «Ihr Wort in Gottes Ohr Hitler wurde
feierlich. «Das gleiche Ziel, die Wege sind getrennt. Der Herr möge uns
beistehen> Auch er nahm einen tiefen Schluck. Trebitsch‑Lincoln begann
von der Deklaration des englisch‑jüdischen Aussenministers Balfour zu
schwärmen: «Nu jo, die ganze Deklaration ist nur ein Brief vom Balfour an
seinen lieben Lord Rothschild, im siebzehner Johr war's. Doch die Sach ist
durch diesen Brief ganz einfach, die Engländer gebens Land her und wir bringen
die Leut hinein, a bisserl Druck wird schon sein müssen. Ein Haus wolln wir
bauen, das die ganze Judenheit aufnimmt und die Juden und alle Völker haben
Ruh.» Eifrig bestand er auf dem Unterschied zwischen West- und Ostjuden: «Wer
hat die Wirtschaft aufgebaut? Der Ballin, der Geheimrat von Simson und diese
Leut. Und wer hat den Fürsten aus der Patschen geholfen, wenn ihre Kassen
wieder amal leer waren? Der Bleichröder war schon Bankier vom Kaiser Wilhelm,
dem ersten, mein i. Und der Strauss mit unseren Wiener Walzern, ein Geschenk
des Himmels für die Leut>> er wiegte sich. «Und die Ostjuden?» fuhr
Trebitsch, plötzlich zornig, fort. «Wer's Warschauer Ghetto, diesen
Unterschlupf der Unterwelt, zusammenhaut, dem gehört ... » «Nu wos?» forschte der
neugierig gewordene Parteiredner von dreissig Jahren. «I sag dir wos»,
Trebitsch‑Lincoln legte plumpvertraulich seine fleischige Hand auf
Hitlers Unterarm. «I weiss, wer du bist: der Frankenberger. Nu sag, was haben
wir Westjuden ausm Reich, aus Oesterreich, aus Ungam, mit diesen verlausten
Juden im Kaftan zu tun?» Hitler zog den berührten Arm brüsk zurück. «Nie wieder
Frankenberg», seine Augen blitzten auf. «Oder i schreis laut: Moses Pinkeles.
Der Moses Pinkeles aus dem Ungarland> Pinkeles alias Trebitsch-Lincoln
blieb die Ruhe in Person, bestellte Bier nach und wurde direkt: «WievieI
brauchen Sie?» «Hunderttausend.» Trebitsch zog drei Bündel aus der Seitentasche
seiner Jacke und warf sie auf den Tisch. «Zählens nach.» Und Hitler zählte:
«Dreissigtausend. In einem Monat gehört der VB mir> (31) Trebitsch erhob
sich und nahm den Mantel. «Und wissens», er zeigte mit dem Finger auf den
Sitzengebliebenen, «das mit dem Antisemitismus wird erst was werden, wenn's die
Juden selbst in die Hand nehmen!» «Von Ihnen?» Hitler sah auf. «No, vom Maler
Liebermann, a Jud wie ich.» Hitler starrte in sein leeres Bierglas. «Wie recht
der hat, ein Künstler halt», murmelte er und erhob sich gleichfalls.
Zum Umbruchredakteur der
Parteizeitung wurde der alte Rosenbergfreund und ungarische Jude Holoszi, auch
Hollschi-Holländer genannt, waschechter Sohn eines Rabbiners. (32)
Am 17. Dezember 1920 hiess der
neue Besitzer des «Völkischen Beobachters» Adolf Hitler, und, die Leitung
dieser abgekürzt VB genannten Parteizeitung übernahm Dietrich Eckart. Bereits
nach kurzer Zeit wurde das Blatt einmal für einen Monat und einmal für eine
Woche wegen «Judenhetze» verboten. Und diese Verbote steigerten die Auflage
während der nächsten Kampfjahre auf über hunderttausend. Und wenn Hitler Redeverbot
hatte, so konnte und durfte er in seiner Parteizeitung wenigstens schreiben.
Zur Zersetzung der Reichswehr
im Hitlerschen Sinne erhielten die Soldaten Sonderdrucke. Am 16. November 1921
gab Hitler vor dem Registergericht München zu Protokoll, im Besitze aller
Anteile des «Völkischen Beobachters», der vorher der Thulegesellschaft gehört
hatte, zu sein ‑ arm war er nicht mehr. Trebitsch‑Lincoln führte
eine der besten antijüdischen Federn im VB und den Ostjudenfresser und früheren
Polizeipräsidenten Pöhner lobte er später auf seine Weise: «Der damalige
Polizeipräsident Ernst Pöhner mit seinem treuen Berater, Oberamtmann Frick, zur
Seite, war der einzige höhere Staatsbeamte, der schon damals den Mut besass,
erst Deutscher und dann Beamter zu sein.»
Als dieser Volljude Pinkeles
alias Trebitsch‑Lincoln nach dem vergeblichen Versuch, das britische
Empire von Tibet aus zu verunsichern, plötzlich starb, gab es einen
ausserordentlich ehrenden Nachruf auf Seite eins des VB, gezeichnet vom
Hauptschriftleiter Alfred Rosenberg.
Dieser Trauerartikel begann
mit dem Kapp‑Putsch in Berlin vom März 1920 und rühmte den damaligen
Pressereferenten des ostpreussischen Generallandschaftsdirektors Kapp, eben
diesen Trebitsch‑Lincoln. Zusammen mit Dietrich Eckart flog der Gefreite
Hitler in Zivil, in dieser Zeit immer noch Angehöriger des militärischen
Nachrichtendienstes, nach Berlin. Ritter von Greim, später Generalfeldmarschall
in Hitlers Luftwaffe, sass am Knüppel. Am grossen Eingang zum Reichstag stand
der flinke kleine Moses Pinkeles, der sich auch hier Trebitsch-Lincoln nannte
und warnte: «Haut's ab nach München. Alles ist hin. Und der Kapp is gflohn ...
»
Eckart und Hitler hatten es
mit einer Flucht keineswegs eilig, denn es gab Zuflucht bei einer Dame aus
ersten Kreisen, der Frau des jüdischen Piano‑Fabrikanten Bechstein.
Eckart kannte sie gut aus seiner Berliner Zeit und auch Hitler wurde ihr ein
lieber Freund, der ab sofort stets gern gesehen war und dem sie ausgedehnte
Beziehungen zu verschaffen wusste. Während Hitler sich später in der Festung
Landsberg von vergangenen Mühen und Putschversuchen erholte, nahm die Polizei
ein Protokoll der Frau Helene Bechstein auf: «Zwei‑ oder dreimal hat mein
Mann zur Stützung des Zeitungsunternehmens ‑ Völkischer Beobachter» in München
‑ Hitler unter die Arme gegriffen. Auch ich selbst habe ihn unterstützt,
aber nicht mit Geld. Ich habe ihm vielmehr einige Kunstgegenstände zur
Verwertung gegeben mit der Bemerkung, dass er damit machen könne, was er wolle.
Es handelt sich bei den Kunstgegenständen um solche von höherem Wert.»
Der Berliner Kaffeefabrikant
Frank, «Kornfrank», jüdischer Abstammung und durch Frau Bechstein und Eckart
mit Hitler bekannt geworden, schloss mit dem Parteiführer einen Darlehens- und
Übereignungsvertrag über «60.000 Schweizer Franken. Als Sicherheit für das
Darlehen überträgt Herr Adolf Hitler an Herrn Richard Frank‑. einen
Smaragdanhänger mit Platin und Brillanten, einen Rubinring in Platin mit
Brillanten, einen Saphirring in Platin mit Brillanten, einen Brillantring 14
Karat, eine venetianer Relief-Spitze und eine rotseidene spanische Flügeldecke
mit Goldstickerei. Dieses Darlehen ist spätestens 20. August 1926
zurückzubezahlen>
In München stand dem
erfolgreichen Trommler, auch das war eine von Hitler gern gehörte Bezeichnung,
die Hanfstaengl‑Villa weit offen. Die Chefin des Kunstverlages, die
geborene Heine aus NewYork, hatte seit dem Schock‑Erlebnis der Räte‑Diktatur
ihre friedlichen politischen Ansichten ins Gegenteil verkehrt und ihr
halbjüdischer Sohn Ernst wurde zum begeisterten und schwärmenden Hitler‑Verehrer.
Von Freunden «Putzi» geheissen, war der Harvard‑Absolvent Erbe des
wohlgestellten Unternehmens und er freute sich, in der Inflationszeit mit
ausländischen Geldern helfen zu können ‑ bei einer Gelegenheit gab er
tausend Dollar, ein Vermögen in dieser wilden Zeit. In Berchtesgaden, wohin
Hitler sich damals bereits gern mit Freunden und Freundinnen auf den Platterhof
zurückzog, war Hanfstengl eine willkommene Ergänzung und der Spassvogel pflegte
dort seinen früheren Lehrer, den Vater Heinrich Himmlers, der ihn und Prinzen
erzogen hatte, in froher Weise nachzuahmen.
Später erschreckten Göring und
seine Mannen den etwas ängstlichen Kunstfreund, der oft die nicht sehr haltbare
Ansicht vertreten hatte, seine Leiden während des ersten Weltkrieges in New‑York
‑ Schaufensterscheiben waren ihm eingeschmissen worden ‑ seien
schlimmer als die Erlebnisse der Frontsoldaten gewesen. Im Februar 1937 hängten
sie dem «Putzi», damals Auslandspressechef der NSDAP, auf dem Flugplatz Staaken
einen Fallschirm um die zitternden Glieder, angeblich um ihn in geheimer
Mission über dem spanischen Kampfgeschehen ‑ «Führerbefehl» ‑
abzuwerfen. Das Innere des Flugzeugs hing voller Handgranaten und die Sitze
waren aus nacktem Metall. Während des Fluges zeigten die rabaukenhaften
Begleiter Bilder von verstümmelten spanischen Frauenleichen herum und das ganze
Theater wurde gefilmt. Dann liess der Flugzeugführer seine Maschine schaukeln,
schliesslich hörte man einen Motor mucken und das witzige Terror‑Unternehmen
endete in Klein‑Polenz, unweit Leipzigs. Dem Führer Hitler führte man den
gelungenen Film vor und er zollte den gebührenden Beifall. Dr. Ernst
Hanfstaengl glaubte sein Leben in Gefahr, sein Bedarf an dieser Art
Volksgemeinschaft war gedeckt, der Auslandspressechef entschwand in die Schweiz
und liess sich auch durch Görings Brief vom 19.3.37 nicht wieder heim ins Reich
locken: «Ich versichere Dir, dass die ganze Angelegenheit nur einen harm-
losen Scherz darstellen
sollte. Ich erwarte, dass Du meinem Wort Glauben schenkst.»
Man hat noch manches von Ernst
Hanfstaengl gehört ‑ über Hitler nur schlechtes. Seine Schwester Erna war
offenbar auch nicht ganz unberührt geblieben und ebenfalls Hitlers Kniefall vor
seiner Frau mit der Hand auf dem Herzen blieb ihm in kräftiger Erinnerung.
Während des Krieges wurde der von der Hakenkreuzfahne gegangene Hanfstaengl
Berater des Präsidenten Roosevelt, den er aus seiner Harvard‑Studienzeit
kannte und bei der Betrachtung der ihm selbst, Hitler und Roosevelt gemeinsamen
jüdisch‑gemischten Abstammung blieb dem Wanderer zwischen zwei Welten
besonders «in all diesen Jahren und, Jahrzehnten im Gedächtnis» , was ihm 1922
der jüdische Journalist Rudolf Kommer am Tage des Rathenau‑Mordes gesagt
hatte: «Auch bei Rathenau die Anklage gegen die «asiatische Horde auf
märkischem Sande», in dem hoffnungslosen Bemühen, sich Baldurs Blondlingen
anzuähneln. Gnade Gott uns Juden und auch euch Deutschen, wenn sich eines Tages
den hirnlosen Brutalinstinkten eines auf blonde Bestie' frisierten Gangstertums
das Seelengift jüdischen Selbsthasses oder das weltanschauliche
Spaltungsirresein geistig und moralisch defekter Mischlingstypen beigesellen
sollte.» (33) Vermutlich ist über Hitler und Heydrich nie etwas richtigeres
gesagt worden.
Auch Gottfried Feder, der
führende Partei‑Theoretiker in Wirtschaftsfragen, hatte keine Bedenken,
Gelder von Juden zu nehmen. Dieser gebildete und weitgereiste Mann stellte
seine umfangreichen Beziehungen zur Geschäfts‑, Bank‑ und Industriewelt
der NSDAP zur Verfügung und vermittelte der Partei Gelder von jüdischen
Bankhäusern.
Diese Summen von einigen
zigtausend Mark oder Franken, die von jüdischer Seite kamen, wuchsen zu
Millionen, auch zu Millionen der damals noch mehr begehrten US‑Dollars.
Über diese Gelder von Mendelsohn & Co., von Kuhn, Loeb & Co., von
Warburg und von Samuel & Samuel wird an anderer Stelle dieser Untersuchung
zu berichten sein. Desgleichen von den Lobhudeleien des englischen
Zeitungslords Rothermere, der bei Licht betrachtet der deutschstämmige Jude
Stern war.
Der Mann, der Hitler durch
Zuführung seiner Nümberger Deutsch-Sozialisten entscheidend den Weg in
Deutschlands Norden geebnet hatte, hiess Streicher. Es lohnt, bei diesem mit
Abstand grössten Judenhetzer der Bewegung ein wenig zu verweilen. Nach dem
verlorenen ersten Kriege trat der gelernte Volksschullehrer zunächst einmal,
der USP bei, den unabhängigen Sozialdemokraten, zu denen auch Eisner und die
Münchener Räte gehört hatten. Die Ostjuden trauten ihm nicht, er stieg aus und
gründete in Nürnberg eine Gruppe der Deutschsozialistischen Partei. Auf einer
Tagung in Salzburg kam es 1920 zwischen den ziemlich gleichgerichteten
antijüdischen Parteien, der DSP und der NSDAP zu einer Einigung: nördlich des
Mains sollten wirken die Deutschen Sozialisten und südlich des Mains Hitlers
Nationalsozialisten. Nur eine Ausnahme gab es und die hiess Julius Streicher,
er machte mit Hitler nicht mit und blieb DSP‑Führer im südlich des Mains
gelegenen Nürnberg. In der Folge bekämpfte Streicher den Hitler durch heftige
Schmähungen in Wort und Schrift, hauptsächlich in seiner weitverbreiteten
Wochenzeitung «Der Deutschsozialist». Streicher ging weiter und versuchte,
mithilfe des beiseite geschobenen Parteigründers Drexler, Hitler zu stürzen.
Das ging so durch zwei Jahre und da hatte der frühere Nachrichtenbeschaffer
eines militärischen Dienstes, der zum Parteiführer geworden war, ein Papier in
der Hand: arisch im eigentlichen Sinne des Wortes war der Streicher nicht.
Hitler bat den Nürnberger nach München, lud ihn in die Schwabinger «Osteria
Bavaria» und bei einer Tasse Kaffee hielt er ihm das Papier von Wert unter die
Nase. Es vergingen nur wenige Tage und Streicher hatte sich und seine
Nürnberger Mitkämpfer den Münchenern unterstellt, das Tor zum Norden war
aufgestossen und nach einigen Wochen war aus einer auf Bayern begrenzten Partei
die Hitlerbewegung Deutschlands geworden.
«Wer ihm nahe kommen wollte,
der kam ihm nur nahe durch eine männliche Tat», Streicher ‑ inzwischen
mit einem Hitler-Schnurrbart geziert ‑ sprach es später aus und er war
es gewesen, der in München am 9. November 1923 an der Feldherrenhalle auf die
Gewehrläufe zugesprungen war mit dem Ruf: «Nicht schiessen, Exzellenz
Ludendorff kommt.»
Mit seinem wenig feinen
Privatleben bot er Angriffsflächen in Fülle. Auf alle Klagen über diesen
teilsemitischen Antisemiten hatte Hitler nur eine Antwort: «Vielleicht, dass
Ihnen die Nase des Parteigenossen Streicher nicht gefällt. Aber als er damals
an der Feldherrnhalle neben mir auf dem Pflaster lag, damals habe ich mir
gelobt, ihn nicht zu verlassen, solange er mich nicht verlässt>
Als Streicher, der
Frankenführer, zu Beginn des Krieges, als das Mass voll war, vom Obersten
Parteigericht aus der NSDAP ausgeschlossen wurde, hob Hitler das Urteil auf.
Gauleiter blieb er nicht, wohl jedoch Herausgeber des «Stürmer».
Dieses von ihm 1923 gegründete
antijüdische Hetzblatt lebte durch gut zwei Jahrzehnte von Märchen über
jüdische Ritualmorde und jüdische Sexualverbrechen. Im Dritten Reich war es das
einzig erlaubte Pornographie-Blatt, in diesem einen Punkt also seiner Zeit
voraus. Verlagsleiter Amann vom VB erklärte rundheraus, das sei ein Saublatt,
dös i nöt anrühr. Mehr noch als durch die Hetzartikel erregte dieser
Schandfleck im Blätterwald Aufsehen durch die Zeichnungen, die unter jeder
Würde waren und von denen empfindsame Gemüter schlecht träumten ‑ der
Zeichner des «Stürmer» war der Jude Jonas Wolk alias Fritz Brandt.
Seit dem Verlassen der
kommunistischen USP im Jahre 1919 fürchtete Streicher die Rache der Juden. Die
Hamburger Parteigenossen belächelten ihn, als er bei Ankunft darauf bestand,
sich selbst seinen Kaffee zu bereiten ‑ der Kellner im Speisewagen hatte
ihn gerade vergiften wollen, Ehrenwort.
Die Rache kam spät und sie
ereilte ihn 1946 in Nürnberg, wo die anderen gehenkt, er aber stranguliert
wurde. Als er vor den dreizehn Stufen stand, schrie er laut: «Heil Hitler!» Die
Frage nach seinem Namen, Ordnung muss sein, beantwortete er barsch: «Den kennen
Sie> Ein Geistlicher begleitete ihn die Stufen hinauf und oben schrie er:
«Purimfest 1946 ‑ und jetzt zu Gott.» Purim ist das jüdische Freudenfest.
Nach dem Niederfall seines Körpers in die Versenkung vernahm man in der
Totenstille ein langanhaltendes Aechzen und die deutschen Zuschauer
bezeichneten es als das schrecklichste Erlebnis dieser Nacht. Zwei deutsche
Krematoriumsangestellte halfen beim Verladen der Leichen und sie wurden auf
Lebenszeit zum Schweigen verpflichtet. Die Kiste, in die sie Streichers Leiche
zu legen hatten, trug den Namen ,Abraham Goldberg'. (34)
Bei der Behandlung dieser
engen Verbindung zwischen Hitlerbewegung und Westjudentum verdient Erwähnung
der politische Beginn des späteren «Stellvertreter des Führers». Rudolf Hess
war in Aegypten als Sohn einer Mutter mit britischem Pass geboren. Der
Weltkriegsflieger stieg an Münchens Universität auf zum wissenschaftlichen
Assistenten des Professors der Nationalökonomie Haushofer, der jüdischer
Abkunft, katholisch und mit einer Jüdin verheiratet war. Hess und Haushofer
fanden sich als Brüder bei «Thule». Hess stellte damals die Hauptpunkte der
Partei heraus und Punkt 1 hiess: «Die Partei ist antijüdisch». Haushofer
gehörte zu einer Gruppe von «Wahrheitssuchern», die angeführt wurde von dem
levantinischen Mischling jüdischer Abkunft Georg Iwanowitsch Gurdjew, der in
Georgien, Frankreich und in den USA Sekten und Religionsgerneinschaften
unterhielt. Dieser besondere Hansdampf in allen Gassen freundete Haushofer und
Hess mit okkultistischen Geheimlehren Tibets an. Bereits 1903 hatte Haushofer
zusammen mit Gurdjew dieses Land im Himalaya bereist und später zog der
levantinische Sektierer für Jahre nach Tibet, um den Dalai-Lama zu erziehen.
Als Himmler, der Reichsführer der SS, dahinterkam, dass der Leibarzt Hitlers,
der Professor Morell, dem Führer Spritzen aus Tibet verpasste, dass dieser
Morell zudem sowohl Haushofer als auch Gurdjew seit langem gut kannte, da
entsandte er eine Expedition in das unwegsame Hochgebirge. Sie kehrte ohne
Wissen, dafür jedoch mit einem Geschenk für den Kollegen Führer vom Dalai‑Lama
zurück.
Haushofer prägte das Wort vom
«Lebensraum» und seine «Kontinentaldoktrin» gestattete Hitler, sich Raum in
Mittel‑ und Osteuropa zu nehmen. Den Sohn Haushofers, ebenfalls Professor
der Nationalökonomie, setzte der Führer und Reichskanzler 1933 in den
persönlichen Stab seines Stellvertreters Rudolf Hess und die wichtigsten
Missionen in aller Welt wurden ihm anvertraut. Der alte Haushofer erhielt zur
gleichen Zeit den Präsidentenstuhl der Deutschen Akademie in München und später
galt er als der Vater des von Hitler geschlossenen antibolschewistischen Paktes
mit Japan. Die Japaner dachten nie daran, gegen Sibirien anzugreifen, nahezu
keine der Lehren und Voraussagen des Haushofer hatte der rauhen Wirklichkeit
standgehalten und gleich nach dem verlorenen Kriege ging er mit seiner Frau in
den Selbstmord.
In der jüdischen Rangordnung
stehen die Westjuden, die Sephardim, hoch über den anderen, den Aschkenasim.
Das betonende Wort «sogar» sagt es deutlich genug beim Warenhausgründer Tietz
im Buche des Juden Zielenziger «Juden in der deutschen Wirtschaft» (Berlin
1930) : «Die Familie stammt ursprünglich aus Holland, wahrscheinlich sogar aus
Südfrankreich.»
Bei der Einwanderung in die
Vereinigten Staaten von Nordamerika führten die Sephardim Klage über das
«Pack», das die Küsten zu überschwemmen drohe und diese so beschimpften
Ostjuden beschwerten sich, sie würden bei der Einwanderung von diesen
«aristokratischen Juden verhört wie Verbrecher».
Der Rassenforscher Professor
Dr. Hans Günther zählte neun Zehntel aller Juden der Welt zu den Ostjuden und
er kam in seiner «Rassenkunde» von 1923 zu diesem Schluss: «Immer wieder zeigt
die Betrachtung, dass die Zerstreuung der Juden unter nichtjüdischen Völkern
eine endlose Unruhe bewirkt, und immer wieder die Artgegensätze bis zum Hass
steigern muss. Dies eingesehen zu haben, ist eine der mutigsten Erkenntnisse
des Zionismus. Der Zionismus hat es klar eingesehen, dass einzig die
Herauslösung der Juden aus dem Zusammenwohnen mit nichtjüdischen Volkstümern
eine würdevolle Klärung der Verhältnisse bedeutet. Die Schaffung einer
öffentlich rechtlichen gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk in
Palästina scheint jetzt politisch erreichbar zu sein.» (35)
Hitler beschäftigte sich mit
diesem Mann, seinen Schriften und Lehren. 1935 wurden auf dem Reichsparteitag
jene «Nürnberger Gesetze» verkündet, die Ehen zwischen Ariern und Juden
verboten und die dazu herhielten, «Rassenschande» später mit dem Tode zu
bestrafen. Und auf diesem Reichsparteitag verlieh Hitler dem Hochgelehrten in
feierlicher Stunde den Staatspreis und von diesem Zeitpunkt an war Professor
Günther in Rassefragen die höchste Instanz des Dritten Reiches.
Trotz der erheblich von ihm
geförderten «Ehrenarier» fiel Hitler die Wahl zwischen Treitschkes Anpassungs-
und Günthers Palästina‑Lösung nie schwer.
Quelle: „Adolf Hitler –
Begründer Israels“ von Hennecke Kardel, Genf 1974, S. 79 - 92