Nazi - Katholiken

 

Nach Angaben des Priesters Dr. Erhard Schlund (München) sollen in den Jahren 1933‑39 in Deutschland über 900 katholische Geistliche aus der Kirche ausgeschieden und in den Dienst des Nationalsozialismus getreten sein ‑ wobei sie oft zu "recht gehässigen Gegnern des Christentums" geworden sind (Der Jurist Ernst-Wolfgang Böckenförde - später Richter am Bundesverfassungsgericht - hat die erstaunnlichsten Belege und Tatsachen zu diesem Thema in der katholischen Zeitschrift "Hochland" Nr. 6/1961 rücksichtslos zusammengetragen und die römische Kirche damit bloßgestellt).

 

Neben der Geistlichkeit seien die katholischen Laien innerhalb der NSDAP nicht vergessen, von deren Führern sie einen hohen Prozentsatz stellten, vor allem in den entscheidenden und ideologisch vor 1933 aufbauenden Ämtern, so daß man nicht zu Unrecht sagen darf, daß der Nationalsozialismus eine starke katholische Wurzel hat. So waren von den 26 NS‑Reichsleitern, also der höchsten Führungsstufe der Partei, 12 bis zuletzt bekennende Katholiken, d. b. 46 % bei 1931 rd. 32 % Katholiken im deutschen Volke. Nennen wir nur Namen wie Hitler, den ehemaligen Chorknaben der Benediktiner, und Dr. Goebbels, der einst als katholischer Unitas‑Student hatte Kardinal werden wollen.

 

Der Reichsführer SS Heinrich Himmler war der Sohn eines extrem klerikalistischen Bayerischen Geheimrates und Prinzenerziehers sowie der Tochter eines italienischen Gemüsehändlers; als Taufpate des Erzbischofs von Bamberg wurde er streng katholisch erzogen und hat seiner SS trotz späterer Ablehnung des Christentums viel katholisch‑jesuitischen Geist übermittelt; Reichsleiter Gregor Strasser der fromme Bruder eines Jesuitenpaters; Reichsleiter General Ritter von Epp wurde wegen seiner Frömmigkeit der "Muttergottesgeneral" genannt; Reichsleiter Hermann Esser pilgerte zusammen mit seinem Führer Adolf Hitler 1934 zu den Passionsspielen nach Oberammergau; Gauleiter Simon pilgerte 1933 mit Hitlers Intimus und Vizekanzler von Papen, dem Geheimen Kammerherrn des Papstes, zur Heilig‑Rock‑Wallfahrt nach Trier; Alt‑Pg. Dr. Buttmann war Mitunterzeichner des Konkordats von 1933; Gauleiter Josef Wagner, dessen Frau vor dem Papst in Rom auf die Knie fiel, wollte Rosenbergs "Mythus" einstampfen lassen und verbot seiner Tochter die Heirat mit einem "heidnischen" SS‑Mann; Gauleiter und SS‑Obergruppenführer Albert Forster‑Danzig hörte täglich die Messe ‑ während besagter Ritter von Epp regelmäßig geistliche Exerzitien in Altötting absolvierte; Reichsminister und SS‑Obergruppenführer Dr. Arthur Seyß‑Inquart beichtete regelmäßig und nahm ebenfalls an Exerzitien teil, ebenso wie der Feldmarschall und Blutordensträger Ferdinand Schörner ein praktizierender Katholik war; der Generalgouverneur von Polen und Reichsleiter Hans Frank II betete im römischen Petersdom und wurde als frommer Katholik ebenso gehenkt wie der SS‑Obergruppenführer Oswald Pohl, Mitverantwortlicher für die KZs, der noch in Landsberg das mit kirchlicher Druckerlaubnis erschienene Buch "Credo ‑ mein Weg zu Gott" schrieb und mit dem telegrafischen Segen des Papstes versehen unter dem Galgen stand. Zu den frommen Katholiken zählten die Gauleiter und SS‑Obergruppenführer Dr. Gustav‑Adolf Scheel (einst NS‑Reichsstudentenführer) und Konrad Henlein, NS‑Reichsleiter für den Reichsarbeitsdienst Konstantin Hierl und der führende NS‑Jurist und Staatsrechtler, Staatsrat Professor Dr. Carl Schmitt; der einstige OSAF und SA‑Obergruppenführer Franz Pfeffer von Salomon, 1933/34 Beauftragter des Führers für Kirchenangelegenheiten, NS‑Ministerpräsident Dr. Frantzen‑Braunschweig, Gauleiter Adolf‑Wagner‑München, Dr. Wacker‑Karlsruhe, NS‑Gauredner Pater Jungbluth SJ und viele andere, vor allem aus der SS. Für sie alle möge ein Wort des NS‑Reichstierärzteführers und Blutordensträgers stehen, des Ministerialdirektors und SS‑Gruppenführers Professor Dr. Friedrich Weber, der seinem Duzfreund Adolf Hitler am 30. 1. 1933 zur Machtübernahme nach Berlin telegrafierte: "Gottes reichsten Segen Dir zum Heile Deutschlands!" Aus dieser Haltung heraus ist es auch zu verstehen, wenn bei der Abstimmung über das Konkordat Preußens mit dem Vatikan im preußischen Landtage 1929 in einer für Deutschland so schwerwiegenden Entscheidung, welche wie jedes Konkordat der protestantischen Volksmehrheit schweren Schaden zufügte, von den 6 nationalsozialistischen Abgeordneten 4 "auf Reisen befindlich" fehlten. Diese treukatholische Politik und Einstellung führender Nationalsozialisten war es, die den General Ludendorff 1931 veranlaßte, hiergegen einen äußerst vehementen Angriff mit den beiden Broschüren "Weltkrieg droht auf deutschem Boden" und "Hitlers Verrat der Deutschen an den römischen Papst!" zu führen, den Rosenberg erwiderte. Ludendorff behauptete, die bewußten und treugläubigen Katholiken der NS‑Führung wollten aus der NSDAP einen "Teil, und zwar den treuesten Teil der überstaatlichen Organisation der römischen Kirche" machen; die "überstaatlichen Mächte" schickten "in Ausnutzung des deutschen Freiheitsdranges Nationalsozialisten in großer Zahl in den Reichstag, um das Hineinführen Deutschlands in den Krieg zu ermöglichen"; Rom habe "eine eigene Organisation" haben wollen, die "einen wirklichen ernstlichen Kampf gegen die Herrschaftsansprüche des Papstes nicht" führe, und Hitler habe die NSDAP "zu einem solchen Werkzeug" ausgebildet ‑ und dergleichen Behauptungen mehr, für die es schwierig sein dürfte, exakte Beweise herbeizubringen.

 

Aus diesem christlichen und vor allem katholischem Geiste der frühen Anhängerschaft Hitlers ging die "Gildenschaft" hervor, eine aus den Freikorps von Epp und Oberland und der Jugendbewegung stammende völkische Studentenverbindung. Sie wollte die politische Erneuerung Deutschlands aus einer religiösen Erneuerung hervorgehen lassen und darin tief begründen. Hierzu sollten ihre "Ideenträger" in das politische Leben selber einsteigen und dort wirken ‑ wozu ihnen die NSDAP einzig und allein geeignet erschien. Sie traten ihr daher 1929 großteils bei mit der Absicht, sie zugleich zu kritisieren und zu verbessern. Damit kam man aber trotz aller Förderung durch General von Epp und Gregor Straßer, die beiden fromm katholischen Reichsleiter, nicht sehr weit. 1930 schlossen die Gilden mit dem Jugendführer Baldur von Schirach einen Vertrag zur Umbildung des NS‑Studentenbundes im christlichen Gilden‑Sinne und forderten schließlich sogar den Rücktritt Schirachs. Hitler aber verlangte, wie er das meist bei schwierigen Entscheidungen tat, daß alles beim alten bleibe. Ostern 1931 wurden dann zwei "Rebellen" aus der Partei ausgeschlossen. Die Gildenschaft selbst wurde 1936 mit der Begründung aufgelöst, daß die Partei keine geschlossenen Organisationen dieser Art und keine Opposition in ihren Reihen dulden könne. Inzwischen war aber auf Initiative und unter der Schirmherrschaft von Hitlers Vizekanzler, dem päpstlichen Kammerherrn Franz von Papen, am 3. 4. 1933 unter dem Namen "Kreuz und Adler" eine Organisation von konservativen Katholiken gegründet worden, unter deren Mitgliedern sich bekannte Theologen wie Otto Schilling und Theodor Brauer sowie Journalisten wie Emil Ritter und Eugen Kogon (späterer KZ‑Insasse, heute Professor, Mitherausgeber der "Frankfurter Hefte", bedeutsamer Mitarbeiter an Funk und Fernsehen der BRD). In einem Aufruf forderten diese Herren die deutschen Katholiken auf, eifrig am Aufbau des Reiches mitzuhelfen, das die von Gott gewollte Sendung des Deutschtums verkörpere. Auf der ersten öffentlichen Versammlung von "Kreuz und Adler" am 15. 6. 1933 in Berlin bezeichnete Papen das Dritte Reich Hitlers als eine christliche Gegenbewegung zu 1789!"

 

Wenn die katholische Wurzel des Nationalsozialismus so besonders bedeutsam gewesen ist, so lag das nicht zuletzt mit daran, daß der Führer der NSDAP Adolf Hitler ein frommer Christ war und wohl bis an sein Lebensende gewesen ist ‑ vielleicht nicht immer im dogmatischen Sinne der Kirche ‑ in einem Volke mit evangelischer Mehrheit in großer Vorsicht, aber doch in so vielen Zeugnissen klar erkennbar, daß aus ihrer Fülle nur einige wenige ausgewählt seien. Alle Behauptungen, er sei der Antichrist und ähnliches gewesen, sind Unfug. Sicher hat er im politischen Bereich die Macht abgegrenzt und der römischen Kirche nicht jene umfassende Gewalt im deutschen Staatswesen gegeben, wie das unter General Franco oder Konrad Adenauer geschah. Aber er hat ihren Bestand nie ernstlich angetastet und ihr mit dem Reichskonkordat vom 20. 7. 1933 ein Geschenk gegeben, wie es die Romkirche sich nicht besser wünschen konnte. Wer will ihr verübeln, daß sie Hitler daher stets dankbar war und ihn auch ihrerseits nie ernsthaft bekämpft oder gar gebannt oder exkommuniziert hat ‑ sondern nur jene kleinen Plänkeleien für die Öffentlichkeit zum besten gab, die auch der Führer der Partei ihr gegenüber liebte. Schwere Auseinandersetzungen haben sich zwischen beiden Mächten fast nie im ideologischen Raum, sondern nur im staatspolitischen abgespielt, wo es um tatsächliche Macht ging. Daß Hitler seine Kirche im stillen bewunderte und sich als Organisation in manchem zum Vorbild nahm, geht aus den Worten hervor: "Die katholische Kirche ist schon etwas Großes. Herr Gott, ihr Leut', das ist eine Institution, und es ist schon was, an die 2000 Jahre auszudauern. Davon müssen wir lernen. Da steckt Witz und Menschenkenntnis drin. Die kennen ihre Leute! Die wissen, wo sie der Schuh drückt." Versuche, Hitler gegen das Christentum zu beeinflussen, sind nie wirklich von Erfolg gewesen. So hatte z. B. ein abgefallener römischer Priester namens Grill es versucht, der Sohn eines polnisch‑russischen Rabbiners, der als Jude im katholischen Kloster erzogen war und einen ähnlichen Typ wie der Abenteurer Trebitsch‑Lincoln darstellte. Er wohnte mit Hitler zusammen im Wiener Männerheim in der Meldemannstraße und wollte eine Religion der reinen Nächstenliebe und ohne einen kirchlichen Amtsapparat stiften. Er nahm Hitler auch zu jüdischen Rabbinern mit, um ihn von seinem Antisemitismus zu heilen ‑ aber beides war vergeblich: Hitler blieb Katholik und Antisemit. Von Hause aus entstammte er einer gut katholischen Familie und sang als Knabe im Chor des Benediktinerklosters Lambach, dessen Äbte in ihrem Wappen seit Jahrhunderten das Hakenkreuz führten ‑ merkwürdiges Zusammentreffen und Ironie der Geschichte? Der Politiker Hitler sagt am 12. 4. 1922 in einer Münchener Rede: "Ich wäre kein Christ ... wenn ich nicht, wie einst vor 2000 Jahren unser Herr, Front machen würde gegen die, die dieses arme Volk heute ausplündern und ausbeuten!" Etwas später bekennt er seinem Intimus Hermann Esser, wie dieser auf einer Rede im Münchener Bürgerbräu‑Keller kundtut: "Eines schmerzt mich, daß ich als Katholik gerade von katholischer Seite so niederträchtig angegriffen werde. Das schmerzt mich um so mehr, weil wirklich keine Bewegung mehr für das Christentum eintritt als die unsere, und weil ich derjenige bin, dessen Arbeit es mit zu verdanken ist, daß sich das Christentum wieder so entfalten kann!" Aus dieser letztlich christlich‑katholischen Haltung heraus hat Hitler den Kampf gegen die Juden, Freimaurer, Sozialisten und Bolschewisten geführt, wie er an mehr als einer Stelle bekannte. Für einen so frommen Mann war es selbstverständlich, daß er auch das Freidenkertum ablehnte. Als er in München einmal von dieser Seite eingeladen wurde, seine Stellungnahme zur Freidenkerei abzugeben, da ließ er ein Gegenplakat mit dem Text anschlagen: "Die Münchener Freidenker, d. h. Nichtdenker, haben meinen Namen mißbraucht ... Ich fordere alle Nationalsozialisten auf, die Münchener Freidenker allein weiterdenken zu lassen!" Die christliche, wenn auch nicht immer kirchentreue Gefühlswelt Hitlers zeigt sich dann in seinem Buche "Mein Kampf", das er auf der Festung Landsberg verfaßt und 1925 herausgibt. Wir zitieren also (Seiten 127 u. 715):

 

"Die Bewegung lehnt jede Stellungnahme zu Fragen, die entweder außerhalb des Rahmens ihrer politischen Arbeit liegen oder für sie als nicht von grundsätzlicher Bedeutung belanglos sind, entschieden ab. Ihre Aufgabe ist nicht die einer religiösen Reformation, sondern die einer politischen Reorganisation unseres Volkes. Sie sieht in beiden religiösen Bekenntnissen gleich wertvolle Stützen für den Bestand unseres Volkes und bekämpft deshalb diejenigen Parteien, die dieses Fundament einer sittlich-religiösen und moralischen Festigung unseres Volkskörpers zum Instrument ihrer Parteiinteressen herabwürdigen wollen ... Dem politischen Führer haben religiöse Lehren und Einrichtungen seines Volkes immer unantastbar zu sein, sonst darf er nicht Politiker sein, sondern soll Reformator werden, wenn er das Zeug hierzu besitzt! ... Bis das Angstgebet unserer heutigen Vereinspatrioten 'Herr, mach uns frei!' sich in dem Gehirn des kleinsten Jungen verwandelt zur glühenden Bitte: 'Allmächtiger Gott, segne dereinst unsere Waffen; sei so gerecht, wie Du es immer warst; urteile jetzt, ob wir die Freiheit nun verdienen; Herr, segne unseren Kampf!'"

 

Hitlers Bündnis mit Rom beginnt mit seiner Entlassung aus der Landsberger Festungshaft am 20. 12. 1924 ‑ Biograph Konrad Heiden berichtet darüber. Hitler tritt einen Canossagang an und geht alsbald zu dem vielgeschmähten und als Statthalter des Papstes in Bayern und Steigbügelhalter der politischen Priesterherrschaft verschrieenen Ministerpräsidenten (seit 1924) Geheimrat Dr. Heinrich Held, ehemaliger Zentrumsmann und Gründer der Bayerischen Volkspartei, um ihm ein Bündnis anzubieten. Der Putsch vom 9. 11. 1923 sei ein Fehler gewesen, von nun an wolle die NSDAP legal zur Macht zu kommen versuchen und demokratisch um sie kämpfen. Er befeinde den Marxismus und stehe auf seiten des deutschen Katholizismus. Niemals werde er sich gegen eine bürgerliche Partei wenden. Von diesen Versprechungen mehr oder weniger beeindruckt, sichert Held die Wiederzulassung der verbotenen Partei Hitlers zu und hebt das Verbot des "Völkischen Beobachters", der als "Großdeutsche Zeitung" weiterhin ungehindert erschienen war, auf ‑ wobei Helds Freund, der bayerische Justizminister (ab 1922) und Katholik Dr. Dr. h. c. Franz Gürtner (1881/1941) beste Schützenhilfe leistet; Hitler nennt diesen Deutschnationalen seinen "stillen Schutzengel" und übernimmt ihn später als Reichsjustizminister (ab 1932). Die Kapitulation des Parteiführers vor dem Vertrauensmann der Kirche ist natürlich seinem scharfäugigen alten Mitkämpfer General a. D. Erich Ludendorff nicht verborgen geblieben und hat beide Männer von nun an getrennte Wege gehen lassen. Hierüber berichtet Mathilde Ludendorff im 4. Bande ihrer 1956 erschienenen "Lebenserinnerungen". Hitlers an Held gerichtete Worte. "Mein Versuch, illegal zur Macht zu kommen, ist gescheitert. Ich muß legal zur Macht kommen, und das kann ich nicht ohne Roms sehr gründliche Hilfe" hallen noch in Ludendorffs Ohren, als er Hitler Ende 1924 empfängt, der seinen Mitmarschierer vom 9. November erst so spät aufsucht. Er fragt ihn: "Sie haben also dem Minister Held das schon so lange vom Papst ersehnte, für ganz Deutschland gültige Konkordat versprochen. Es wird dem Papst wohl größere Rechte sichern, als er sie in rein katholischen Ländern hat; denn Rom läßt sich die Hilfe für Sie sicher sehr gut bezahlen." Hierbei sei Hitler wieder zusammengezuckt, wie die Augenzeugin berichtet, und habe auf jedes Bestreiten verzichtet. So spricht Ludendorff denn sein abschließendes Urteil aus: "Die Romkirche ist stets der größte Feind völkischer Freiheit der Deutschen gewesen, von ferner Heidenzeit an bis zur Stunde. Schon ein Unterlassen des Kampfes gegen sie wäre eine sehr gefährliche Stärkung dieses Gegners. Aber Ihr Bündnis mit Rom ist Unheil ... Hitler, gehen Sie Ihren Weg, und ich gehe den meinen! Unsere Wege haben sich nun vollkommen getrennt!" Wie sich damals der Christ und der Antichrist voneinander trennten, so geschah es später wiederum aber in anderer Hinsicht. Adolf Hitler trennte sich von seinem Mitkämpfer Arthur Dinter und schloß ihn aus der Partei aus, weil dieser jeglichem Kirchen‑Christentum den Kampf angesagt hatte und als Rassenfanatiker ein "arteigenes" Christentum anstrebte. Der 1876 in Mühlhausen im Elsaß geborene antisemitische Oberlehrer, bereits 1924 Landtagsabgeordneter der Deutschvölkischen Freiheitspartei in Thüringen und dort 1925-27 NS‑Gauleiter, gab ab 1928 die Monatsschrift "Geistchristentum" heraus, verfaßte antijüdische Romane wie "Die Sünde wider das Blut" (1918) und "Die Sünde wider den Geist" (1920) sowie das Buch "War Jesus Jude?" (1934). Seine von ihm 1927 gegründete Deutsche Volkskirche wurde vom Reichsführer SS Himmler 1937 verboten. Dinter hatte bereits Ende 1928 in seiner Zeitschrift behauptet: "Nur noch blinde, kritiklose Bewunderer Hitlers oder solche, . . . die die Wahrheit nicht wahrhaben wollen, können noch daran zweifeln, daß die Hitlerpartei eine Jesuitenpartei ist, die unter völkischer Flagge die Geschäfte Roms betreibt!" In diesem Rahmen fügen sich nun auch eine Reihe von christlichen Bekundungen Hitlers ein, von denen einige zitiert seien. Einer seiner bekanntesten Sätze lautete: "Kirche und Politik haben nichts miteinander zu tun. Angriffe auf die Kirche dulde ich nicht!" Oder: "Möge es der nationalsozialistischen Bewegung gelingen, zwischen und mit beiden Kirchen den Frieden herzustellen ... Ich erstrebe ein Christentum ohne Unterschied der Konfessionen." Oder: "Der Nationalsozialismus wird niemals antikirchlich oder antichristlich . . . Ich sehe die Zeit noch kommen, da der Papst es begrüßen wird, wenn die Kirche vor den Parteien des Zentrums durch den Nationalsozialismus dereinst in Schutz genommen wird! ... An der weltanschaulichen Meinung des Heiligen Vaters ist keine Korrektur erlaubt!"

 

Schließlich befindet sich im Besitze des Verfassers jene bekannte Postkarte mit dem Konterfei Adolf Hitlers aus jenen Jahren, auf welcher der Parteiführer in der Pose eines Frommen dargestellt wird und dazu die Unterschrift gegeben hat:

 

"Herr, Du siehst, wir haben uns geändert, das deutsche Volk ist nicht mehr ein Volk der Ehrlosigkeit, der Schande, der Selbstzerfleischung, der Kleinmütigkeit und der Kleingläubigkeit. Nein, Herr, das deutsche Volk ist stark geworden in seinem Geiste, stark in seinem Willen, stark in seiner Beharrlichkeit, stark im Ertragen aller Opfer. Herr, wir lassen nicht von Dir. Nun segne unseren Tag und unsere Freiheit und damit unser deutsches Volk und Vaterland!"

 

All dies führte dazu, daß Gegner der Partei die Abkürzung NSDAP bereits vor 1933 mit den Worten deuteten: "Nationale Schutztruppe des Allerheiligsten Papstes". Als Hitler 1934 seinen erwähnten Besuch bei den Passionsspielen in Oberammergau vollzog, erklärte er beruhigend: "Das Spiel bleibt bestehen wie wir ja überhaupt bestrebt sein müssen, alle unsere alten Kulturgüter zu pflegen." Noch intensiver tritt uns der Christ Hitler in seinem über alle deutschen Sender am 1. 2. 1933 gesprochenen Regierungsprogramm vor Augen:

 

"Seit diesen Tagen des Verrats (1918) hat der Allmächtige unserem Volk seinen Segen entzogen ... Die Klassenspalter mögen es mir glauben: solange der Allmächtige mich am Leben läßt, wird mein Entschluß und mein Wille, sie zu vernichten ein unbändiger sein ... Durch Erziehung der Jugend in dem Glauben an Gott und unser Volk wollen wir die Nation wieder zurückführen zu den ewigen Quellen ihrer Kraft ... Um Gott und dem eigenen Gewissen Genüge zu tun, haben wir uns noch einmal an das deutsche Volk gewendet ... Möge der allmächtige Gott unsere Arbeit in seine Gnade nehmen, unseren Willen recht gestalten, unsere Einsicht segnen und uns mit dem Vertrauen unseres Volkes beglücken ... Das ist mein Glaube: es wird wieder auferstehen ein neues Deutsches Reich der Größe, der Ehre, der Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit! Amen!"

 

Noch kurz vor dem Krieg stellte Adolf Hitler der evangelischen Kirche den Betrag von 20 000 Reichsmark für die Evangelisationsarbeit in Palästina zur Verfügung, und zwar aus seiner persönlichen Tasche, nicht aus Staatsmitteln, wie ein jetzt bekannt gewordener Dankesbrief von Bischof Heckel vom 15. 5. 1939 an seinen Führer verrät! Dank hat Hitler von den Kirchen nie erhalten ‑ und vielleicht auch nie erstrebt, obwohl er der römisch‑katholischen Kirche im Deutschen Reiche jährlich die riesige Summe von einer Milliarde RM zur Verfügung stellte. Es ist bis heute nicht klar erwiesen, ob ihm im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Reichskonkordats von 1933 vom Heiligen Stuhl zu Rom nicht die höchste päpstliche Auszeichnung verliehen wurde, der Christus‑Orden, den vor ihm zwar ein Kanzler wie Bismarck erhielt, aber danach Adenauer erst zu seinem Rücktritt als Kanzler; damalige Pressemeldungen aus Rom besagten dies, aber die katholische Kirche hat es nach dem Kriege abgestritten, allerdings in sehr gewundenen Dementis, nie klar und eindeutig . . .  Interessanter ist, daß der ehemalige Chorknabe von Lambach als mächtiger Parteiführer in München nie auf geistlichen Rat und priesterlichen Beistand verzichtet hat. Drei Männer, Priester der römischen Kirche, müssen hier herausgestellt werden:

 

1. Albanus Schachleitner, aus Mainz (1861/1937), Abt des Benediktinerklosters Emmaus in Prag (1908/20), der den Nationalsozialismus von 1926 an unterstützte und seit 1932 mit seiner Kirche deswegen viel Ärger hatte, da seine öffentliche Stellungnahme für Hitler im "Völkischen Beobachter" vom 1. 2. 1933 nicht von allen Kirchenbehörden gutgeheißen wurde. Als er starb, richtete man dem Träger des Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP ein Staatsbegräbnis aus.

 


2. Pater Rupert Mayer SJ (1876/1945), Sohn eines Stuttgarter Großkaufmanns und Priester seit 1899, Seelsorger in München sowie im Ersten Weltkriege als Feldprediger mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse und für den Verlust eines Beines mit dem Verwundeten‑Abzeichen dekoriert, hat Hitler mehrfach beraten, wahrscheinlich als Beichtiger. Später entwickelte er sich zum Gegner des Nationalsozialismus, wurde verhaftet und sogar im Konzentrationslager Dachau eingesperrt. Am 1. 11. 1945 verstorben, erhörte er dennoch bis 1945 über 2300 Gebete gläubiger Katholiken, so daß für ihn in Rom ein Seligsprechungsprozeß eingeleitet ist.

 

3. Hitlers eigentlicher Beichtvater und Berater im engeren Sinne war ein Pater des Hieronymiten‑Ordens, Professor Dr. Bernhard Stempfle, der als rechtsstehender Journalist einst den antisemitischen "Miesbacher Anzeiger" geführt hatte und nun in München viele Jahre Hitlers Privatarchiv, die Sammlung Rehse, leitete. Er war des Parteiführers Verbindungsmann zum Vatikan und zu den katholischen Wittelsbachern, er hatte die Korrektur von Hitlers entscheidendem Buche "Mein Kampf" vorgenommen, er war Logenbruder Hitlers in der Thule‑Gesellschaft. Anläßlich der Röhm‑Revolte am 30. 6. 1934 wurde Pater Stempfle von der SS erschossen ‑ ob aus Versehen oder mit Absicht, ob mit oder ohne Wissen und Billigung seines Freundes Adolf Hitler, von dessen Geheimnissen er wohl bis dahin am meisten wußte ‑ das kann niemand sagen. Jedenfalls rief Hitler, als er vom Tode seines geistlichen Beraters und Seelenführers erfuhr, mit tränenerstickter Stimme aus: "Sie haben meinen guten Stempfle umgebracht!"

 

Quelle: Dietrich Bronder in "Bevor Hitler kam", 2. Auflage, Genf 1975, S. 263 ff