Nazi - Katholiken
Nach Angaben des Priesters Dr.
Erhard Schlund (München) sollen in den Jahren 1933‑39 in Deutschland über
900 katholische Geistliche aus der Kirche ausgeschieden und in den Dienst des
Nationalsozialismus getreten sein ‑ wobei sie oft zu "recht
gehässigen Gegnern des Christentums" geworden sind (Der Jurist
Ernst-Wolfgang Böckenförde - später Richter am Bundesverfassungsgericht - hat
die erstaunnlichsten Belege und Tatsachen zu diesem Thema in der katholischen
Zeitschrift "Hochland" Nr. 6/1961 rücksichtslos zusammengetragen und
die römische Kirche damit bloßgestellt).
Neben der Geistlichkeit seien die
katholischen Laien innerhalb der NSDAP nicht vergessen, von deren Führern sie
einen hohen Prozentsatz stellten, vor allem in den entscheidenden und
ideologisch vor 1933 aufbauenden Ämtern, so daß man nicht zu Unrecht sagen
darf, daß der Nationalsozialismus eine starke katholische Wurzel hat. So waren
von den 26 NS‑Reichsleitern, also der höchsten Führungsstufe der Partei,
12 bis zuletzt bekennende Katholiken, d. b. 46 % bei 1931 rd. 32 % Katholiken
im deutschen Volke. Nennen wir nur Namen wie Hitler, den ehemaligen Chorknaben
der Benediktiner, und Dr. Goebbels, der einst als katholischer Unitas‑Student
hatte Kardinal werden wollen.
Der Reichsführer SS Heinrich Himmler
war der Sohn eines extrem klerikalistischen Bayerischen Geheimrates und
Prinzenerziehers sowie der Tochter eines italienischen Gemüsehändlers; als
Taufpate des Erzbischofs von Bamberg wurde er streng katholisch erzogen und hat
seiner SS trotz späterer Ablehnung des Christentums viel katholisch‑jesuitischen
Geist übermittelt; Reichsleiter Gregor Strasser der fromme Bruder eines
Jesuitenpaters; Reichsleiter General Ritter von Epp wurde wegen seiner
Frömmigkeit der "Muttergottesgeneral" genannt; Reichsleiter Hermann
Esser pilgerte zusammen mit seinem Führer Adolf Hitler 1934 zu den
Passionsspielen nach Oberammergau; Gauleiter Simon pilgerte 1933 mit Hitlers
Intimus und Vizekanzler von Papen, dem Geheimen Kammerherrn des Papstes, zur Heilig‑Rock‑Wallfahrt
nach Trier; Alt‑Pg. Dr. Buttmann war Mitunterzeichner des Konkordats von
1933; Gauleiter Josef Wagner, dessen Frau vor dem Papst in Rom auf die Knie
fiel, wollte Rosenbergs "Mythus" einstampfen lassen und verbot seiner
Tochter die Heirat mit einem "heidnischen" SS‑Mann; Gauleiter
und SS‑Obergruppenführer Albert Forster‑Danzig hörte täglich die
Messe ‑ während besagter Ritter von Epp regelmäßig geistliche Exerzitien
in Altötting absolvierte; Reichsminister und SS‑Obergruppenführer Dr.
Arthur Seyß‑Inquart beichtete regelmäßig und nahm ebenfalls an Exerzitien
teil, ebenso wie der Feldmarschall und Blutordensträger Ferdinand Schörner ein
praktizierender Katholik war; der Generalgouverneur von Polen und Reichsleiter
Hans Frank II betete im römischen Petersdom und wurde als frommer Katholik
ebenso gehenkt wie der SS‑Obergruppenführer Oswald Pohl,
Mitverantwortlicher für die KZs, der noch in Landsberg das mit kirchlicher
Druckerlaubnis erschienene Buch "Credo ‑ mein Weg zu Gott"
schrieb und mit dem telegrafischen Segen des Papstes versehen unter dem Galgen
stand. Zu den frommen Katholiken zählten die Gauleiter und SS‑Obergruppenführer
Dr. Gustav‑Adolf Scheel (einst NS‑Reichsstudentenführer) und Konrad
Henlein, NS‑Reichsleiter für den Reichsarbeitsdienst Konstantin Hierl und
der führende NS‑Jurist und Staatsrechtler, Staatsrat Professor Dr. Carl
Schmitt; der einstige OSAF und SA‑Obergruppenführer Franz Pfeffer von
Salomon, 1933/34 Beauftragter des Führers für Kirchenangelegenheiten, NS‑Ministerpräsident
Dr. Frantzen‑Braunschweig, Gauleiter Adolf‑Wagner‑München,
Dr. Wacker‑Karlsruhe, NS‑Gauredner Pater Jungbluth SJ und viele
andere, vor allem aus der SS. Für sie alle möge ein Wort des NS‑Reichstierärzteführers
und Blutordensträgers stehen, des Ministerialdirektors und SS‑Gruppenführers
Professor Dr. Friedrich Weber, der seinem Duzfreund Adolf Hitler am 30. 1. 1933
zur Machtübernahme nach Berlin telegrafierte: "Gottes reichsten Segen Dir
zum Heile Deutschlands!" Aus dieser Haltung heraus ist es auch zu verstehen,
wenn bei der Abstimmung über das Konkordat Preußens mit dem Vatikan im
preußischen Landtage 1929 in einer für Deutschland so schwerwiegenden
Entscheidung, welche wie jedes Konkordat der protestantischen Volksmehrheit
schweren Schaden zufügte, von den 6 nationalsozialistischen Abgeordneten 4
"auf Reisen befindlich" fehlten. Diese treukatholische Politik und
Einstellung führender Nationalsozialisten war es, die den General Ludendorff
1931 veranlaßte, hiergegen einen äußerst vehementen Angriff mit den beiden
Broschüren "Weltkrieg droht auf deutschem Boden" und "Hitlers
Verrat der Deutschen an den römischen Papst!" zu führen, den Rosenberg
erwiderte. Ludendorff behauptete, die bewußten und treugläubigen Katholiken der
NS‑Führung wollten aus der NSDAP einen "Teil, und zwar den treuesten
Teil der überstaatlichen Organisation der römischen Kirche" machen; die
"überstaatlichen Mächte" schickten "in Ausnutzung des deutschen
Freiheitsdranges Nationalsozialisten in großer Zahl in den Reichstag, um das
Hineinführen Deutschlands in den Krieg zu ermöglichen"; Rom habe
"eine eigene Organisation" haben wollen, die "einen wirklichen
ernstlichen Kampf gegen die Herrschaftsansprüche des Papstes nicht" führe,
und Hitler habe die NSDAP "zu einem solchen Werkzeug" ausgebildet ‑
und dergleichen Behauptungen mehr, für die es schwierig sein dürfte, exakte
Beweise herbeizubringen.
Aus diesem christlichen und vor
allem katholischem Geiste der frühen Anhängerschaft Hitlers ging die
"Gildenschaft" hervor, eine aus den Freikorps von Epp und Oberland
und der Jugendbewegung stammende völkische Studentenverbindung. Sie wollte die
politische Erneuerung Deutschlands aus einer religiösen Erneuerung hervorgehen
lassen und darin tief begründen. Hierzu sollten ihre "Ideenträger" in
das politische Leben selber einsteigen und dort wirken ‑ wozu ihnen die
NSDAP einzig und allein geeignet erschien. Sie traten ihr daher 1929 großteils
bei mit der Absicht, sie zugleich zu kritisieren und zu verbessern. Damit kam
man aber trotz aller Förderung durch General von Epp und Gregor Straßer, die
beiden fromm katholischen Reichsleiter, nicht sehr weit. 1930 schlossen die
Gilden mit dem Jugendführer Baldur von Schirach einen Vertrag zur Umbildung des
NS‑Studentenbundes im christlichen Gilden‑Sinne und forderten
schließlich sogar den Rücktritt Schirachs. Hitler aber verlangte, wie er das
meist bei schwierigen Entscheidungen tat, daß alles beim alten bleibe. Ostern
1931 wurden dann zwei "Rebellen" aus der Partei ausgeschlossen. Die
Gildenschaft selbst wurde 1936 mit der Begründung aufgelöst, daß die Partei
keine geschlossenen Organisationen dieser Art und keine Opposition in ihren
Reihen dulden könne. Inzwischen war aber auf Initiative und unter der
Schirmherrschaft von Hitlers Vizekanzler, dem päpstlichen Kammerherrn Franz von
Papen, am 3. 4. 1933 unter dem Namen "Kreuz und Adler" eine
Organisation von konservativen Katholiken gegründet worden, unter deren
Mitgliedern sich bekannte Theologen wie Otto Schilling und Theodor Brauer sowie
Journalisten wie Emil Ritter und Eugen Kogon (späterer KZ‑Insasse, heute
Professor, Mitherausgeber der "Frankfurter Hefte", bedeutsamer
Mitarbeiter an Funk und Fernsehen der BRD). In einem Aufruf forderten diese
Herren die deutschen Katholiken auf, eifrig am Aufbau des Reiches mitzuhelfen,
das die von Gott gewollte Sendung des Deutschtums verkörpere. Auf der ersten
öffentlichen Versammlung von "Kreuz und Adler" am 15. 6. 1933 in
Berlin bezeichnete Papen das Dritte Reich Hitlers als eine christliche
Gegenbewegung zu 1789!"
Wenn die katholische Wurzel des
Nationalsozialismus so besonders bedeutsam gewesen ist, so lag das nicht
zuletzt mit daran, daß der Führer der NSDAP Adolf Hitler ein frommer Christ war
und wohl bis an sein Lebensende gewesen ist ‑ vielleicht nicht immer im
dogmatischen Sinne der Kirche ‑ in einem Volke mit evangelischer Mehrheit
in großer Vorsicht, aber doch in so vielen Zeugnissen klar erkennbar, daß aus
ihrer Fülle nur einige wenige ausgewählt seien. Alle Behauptungen, er sei der
Antichrist und ähnliches gewesen, sind Unfug. Sicher hat er im politischen
Bereich die Macht abgegrenzt und der römischen Kirche nicht jene umfassende
Gewalt im deutschen Staatswesen gegeben, wie das unter General Franco oder
Konrad Adenauer geschah. Aber er hat ihren Bestand nie ernstlich angetastet und
ihr mit dem Reichskonkordat vom 20. 7. 1933 ein Geschenk gegeben, wie es die
Romkirche sich nicht besser wünschen konnte. Wer will ihr verübeln, daß sie
Hitler daher stets dankbar war und ihn auch ihrerseits nie ernsthaft bekämpft
oder gar gebannt oder exkommuniziert hat ‑ sondern nur jene kleinen
Plänkeleien für die Öffentlichkeit zum besten gab, die auch der Führer der
Partei ihr gegenüber liebte. Schwere Auseinandersetzungen haben sich zwischen
beiden Mächten fast nie im ideologischen Raum, sondern nur im staatspolitischen
abgespielt, wo es um tatsächliche Macht ging. Daß Hitler seine Kirche im
stillen bewunderte und sich als Organisation in manchem zum Vorbild nahm, geht
aus den Worten hervor: "Die katholische Kirche ist schon etwas Großes.
Herr Gott, ihr Leut', das ist eine Institution, und es ist schon was, an die
2000 Jahre auszudauern. Davon müssen wir lernen. Da steckt Witz und
Menschenkenntnis drin. Die kennen ihre Leute! Die wissen, wo sie der Schuh
drückt." Versuche, Hitler gegen das Christentum zu beeinflussen, sind nie
wirklich von Erfolg gewesen. So hatte z. B. ein abgefallener römischer Priester
namens Grill es versucht, der Sohn eines polnisch‑russischen Rabbiners,
der als Jude im katholischen Kloster erzogen war und einen ähnlichen Typ wie
der Abenteurer Trebitsch‑Lincoln darstellte. Er wohnte mit Hitler
zusammen im Wiener Männerheim in der Meldemannstraße und wollte eine Religion
der reinen Nächstenliebe und ohne einen kirchlichen Amtsapparat stiften. Er
nahm Hitler auch zu jüdischen Rabbinern mit, um ihn von seinem Antisemitismus
zu heilen ‑ aber beides war vergeblich: Hitler blieb Katholik und
Antisemit. Von Hause aus entstammte er einer gut katholischen Familie und sang
als Knabe im Chor des Benediktinerklosters Lambach, dessen Äbte in ihrem Wappen
seit Jahrhunderten das Hakenkreuz führten ‑ merkwürdiges Zusammentreffen
und Ironie der Geschichte? Der Politiker Hitler sagt am 12. 4. 1922 in einer
Münchener Rede: "Ich wäre kein Christ ... wenn ich nicht, wie einst vor
2000 Jahren unser Herr, Front machen würde gegen die, die dieses arme Volk
heute ausplündern und ausbeuten!" Etwas später bekennt er seinem Intimus
Hermann Esser, wie dieser auf einer Rede im Münchener Bürgerbräu‑Keller
kundtut: "Eines schmerzt mich, daß ich als Katholik gerade von
katholischer Seite so niederträchtig angegriffen werde. Das schmerzt mich um so
mehr, weil wirklich keine Bewegung mehr für das Christentum eintritt als die
unsere, und weil ich derjenige bin, dessen Arbeit es mit zu verdanken ist, daß
sich das Christentum wieder so entfalten kann!" Aus dieser letztlich
christlich‑katholischen Haltung heraus hat Hitler den Kampf gegen die
Juden, Freimaurer, Sozialisten und Bolschewisten geführt, wie er an mehr als
einer Stelle bekannte. Für einen so frommen Mann war es selbstverständlich, daß
er auch das Freidenkertum ablehnte. Als er in München einmal von dieser Seite
eingeladen wurde, seine Stellungnahme zur Freidenkerei abzugeben, da ließ er
ein Gegenplakat mit dem Text anschlagen: "Die Münchener Freidenker, d. h.
Nichtdenker, haben meinen Namen mißbraucht ... Ich fordere alle
Nationalsozialisten auf, die Münchener Freidenker allein weiterdenken zu
lassen!" Die christliche, wenn auch nicht immer kirchentreue Gefühlswelt
Hitlers zeigt sich dann in seinem Buche "Mein Kampf", das er auf der
Festung Landsberg verfaßt und 1925 herausgibt. Wir zitieren also (Seiten 127 u.
715):
"Die Bewegung lehnt jede
Stellungnahme zu Fragen, die entweder außerhalb des Rahmens ihrer politischen
Arbeit liegen oder für sie als nicht von grundsätzlicher Bedeutung belanglos
sind, entschieden ab. Ihre Aufgabe ist nicht die einer religiösen Reformation,
sondern die einer politischen Reorganisation unseres Volkes. Sie sieht in
beiden religiösen Bekenntnissen gleich wertvolle Stützen für den Bestand
unseres Volkes und bekämpft deshalb diejenigen Parteien, die dieses Fundament
einer sittlich-religiösen und moralischen Festigung unseres Volkskörpers zum
Instrument ihrer Parteiinteressen herabwürdigen wollen ... Dem politischen
Führer haben religiöse Lehren und Einrichtungen seines Volkes immer unantastbar
zu sein, sonst darf er nicht Politiker sein, sondern soll Reformator werden,
wenn er das Zeug hierzu besitzt! ... Bis das Angstgebet unserer heutigen
Vereinspatrioten 'Herr, mach uns frei!' sich in dem Gehirn des kleinsten Jungen
verwandelt zur glühenden Bitte: 'Allmächtiger Gott, segne dereinst unsere
Waffen; sei so gerecht, wie Du es immer warst; urteile jetzt, ob wir die
Freiheit nun verdienen; Herr, segne unseren Kampf!'"
Hitlers Bündnis mit Rom beginnt mit
seiner Entlassung aus der Landsberger Festungshaft am 20. 12. 1924 ‑
Biograph Konrad Heiden berichtet darüber. Hitler tritt einen Canossagang an und
geht alsbald zu dem vielgeschmähten und als Statthalter des Papstes in Bayern
und Steigbügelhalter der politischen Priesterherrschaft verschrieenen
Ministerpräsidenten (seit 1924) Geheimrat Dr. Heinrich Held, ehemaliger
Zentrumsmann und Gründer der Bayerischen Volkspartei, um ihm ein Bündnis
anzubieten. Der Putsch vom 9. 11. 1923 sei ein Fehler gewesen, von nun an wolle
die NSDAP legal zur Macht zu kommen versuchen und demokratisch um sie kämpfen.
Er befeinde den Marxismus und stehe auf seiten des deutschen Katholizismus.
Niemals werde er sich gegen eine bürgerliche Partei wenden. Von diesen
Versprechungen mehr oder weniger beeindruckt, sichert Held die Wiederzulassung
der verbotenen Partei Hitlers zu und hebt das Verbot des "Völkischen
Beobachters", der als "Großdeutsche Zeitung" weiterhin
ungehindert erschienen war, auf ‑ wobei Helds Freund, der bayerische
Justizminister (ab 1922) und Katholik Dr. Dr. h. c. Franz Gürtner (1881/1941)
beste Schützenhilfe leistet; Hitler nennt diesen Deutschnationalen seinen
"stillen Schutzengel" und übernimmt ihn später als
Reichsjustizminister (ab 1932). Die Kapitulation des Parteiführers vor dem
Vertrauensmann der Kirche ist natürlich seinem scharfäugigen alten Mitkämpfer
General a. D. Erich Ludendorff nicht verborgen geblieben und hat beide Männer
von nun an getrennte Wege gehen lassen. Hierüber berichtet Mathilde Ludendorff
im 4. Bande ihrer 1956 erschienenen "Lebenserinnerungen". Hitlers an
Held gerichtete Worte. "Mein Versuch, illegal zur Macht zu kommen, ist
gescheitert. Ich muß legal zur Macht kommen, und das kann ich nicht ohne Roms sehr
gründliche Hilfe" hallen noch in Ludendorffs Ohren, als er Hitler Ende
1924 empfängt, der seinen Mitmarschierer vom 9. November erst so spät aufsucht.
Er fragt ihn: "Sie haben also dem Minister Held das schon so lange vom
Papst ersehnte, für ganz Deutschland gültige Konkordat versprochen. Es wird dem
Papst wohl größere Rechte sichern, als er sie in rein katholischen Ländern hat;
denn Rom läßt sich die Hilfe für Sie sicher sehr gut bezahlen." Hierbei
sei Hitler wieder zusammengezuckt, wie die Augenzeugin berichtet, und habe auf
jedes Bestreiten verzichtet. So spricht Ludendorff denn sein abschließendes
Urteil aus: "Die Romkirche ist stets der größte Feind völkischer Freiheit
der Deutschen gewesen, von ferner Heidenzeit an bis zur Stunde. Schon ein
Unterlassen des Kampfes gegen sie wäre eine sehr gefährliche Stärkung dieses
Gegners. Aber Ihr Bündnis mit Rom ist Unheil ... Hitler, gehen Sie Ihren Weg,
und ich gehe den meinen! Unsere Wege haben sich nun vollkommen getrennt!"
Wie sich damals der Christ und der Antichrist voneinander trennten, so geschah
es später wiederum aber in anderer Hinsicht. Adolf Hitler trennte sich von
seinem Mitkämpfer Arthur Dinter und schloß ihn aus der Partei aus, weil dieser
jeglichem Kirchen‑Christentum den Kampf angesagt hatte und als
Rassenfanatiker ein "arteigenes" Christentum anstrebte. Der 1876 in
Mühlhausen im Elsaß geborene antisemitische Oberlehrer, bereits 1924
Landtagsabgeordneter der Deutschvölkischen Freiheitspartei in Thüringen und
dort 1925-27 NS‑Gauleiter, gab ab 1928 die Monatsschrift
"Geistchristentum" heraus, verfaßte antijüdische Romane wie "Die
Sünde wider das Blut" (1918) und "Die Sünde wider den Geist"
(1920) sowie das Buch "War Jesus Jude?" (1934). Seine von ihm 1927
gegründete Deutsche Volkskirche wurde vom Reichsführer SS Himmler 1937
verboten. Dinter hatte bereits Ende 1928 in seiner Zeitschrift behauptet:
"Nur noch blinde, kritiklose Bewunderer Hitlers oder solche, . . . die die
Wahrheit nicht wahrhaben wollen, können noch daran zweifeln, daß die
Hitlerpartei eine Jesuitenpartei ist, die unter völkischer Flagge die Geschäfte
Roms betreibt!" In diesem Rahmen fügen sich nun auch eine Reihe von
christlichen Bekundungen Hitlers ein, von denen einige zitiert seien. Einer
seiner bekanntesten Sätze lautete: "Kirche und Politik haben nichts
miteinander zu tun. Angriffe auf die Kirche dulde ich nicht!" Oder:
"Möge es der nationalsozialistischen Bewegung gelingen, zwischen und mit
beiden Kirchen den Frieden herzustellen ... Ich erstrebe ein Christentum ohne
Unterschied der Konfessionen." Oder: "Der Nationalsozialismus wird
niemals antikirchlich oder antichristlich . . . Ich sehe die Zeit noch kommen,
da der Papst es begrüßen wird, wenn die Kirche vor den Parteien des Zentrums
durch den Nationalsozialismus dereinst in Schutz genommen wird! ... An der
weltanschaulichen Meinung des Heiligen Vaters ist keine Korrektur
erlaubt!"
Schließlich befindet sich im Besitze
des Verfassers jene bekannte Postkarte mit dem Konterfei Adolf Hitlers aus
jenen Jahren, auf welcher der Parteiführer in der Pose eines Frommen
dargestellt wird und dazu die Unterschrift gegeben hat:
"Herr, Du siehst, wir haben uns
geändert, das deutsche Volk ist nicht mehr ein Volk der Ehrlosigkeit, der
Schande, der Selbstzerfleischung, der Kleinmütigkeit und der Kleingläubigkeit.
Nein, Herr, das deutsche Volk ist stark geworden in seinem Geiste, stark in
seinem Willen, stark in seiner Beharrlichkeit, stark im Ertragen aller Opfer.
Herr, wir lassen nicht von Dir. Nun segne unseren Tag und unsere Freiheit und
damit unser deutsches Volk und Vaterland!"
All dies führte dazu, daß Gegner der
Partei die Abkürzung NSDAP bereits vor 1933 mit den Worten deuteten:
"Nationale Schutztruppe des Allerheiligsten Papstes". Als Hitler 1934
seinen erwähnten Besuch bei den Passionsspielen in Oberammergau vollzog,
erklärte er beruhigend: "Das Spiel bleibt bestehen wie wir ja überhaupt
bestrebt sein müssen, alle unsere alten Kulturgüter zu pflegen." Noch
intensiver tritt uns der Christ Hitler in seinem über alle deutschen Sender am
1. 2. 1933 gesprochenen Regierungsprogramm vor Augen:
"Seit diesen Tagen des Verrats
(1918) hat der Allmächtige unserem Volk seinen Segen entzogen ... Die
Klassenspalter mögen es mir glauben: solange der Allmächtige mich am Leben
läßt, wird mein Entschluß und mein Wille, sie zu vernichten ein unbändiger sein
... Durch Erziehung der Jugend in dem Glauben an Gott und unser Volk wollen wir
die Nation wieder zurückführen zu den ewigen Quellen ihrer Kraft ... Um Gott
und dem eigenen Gewissen Genüge zu tun, haben wir uns noch einmal an das
deutsche Volk gewendet ... Möge der allmächtige Gott unsere Arbeit in seine
Gnade nehmen, unseren Willen recht gestalten, unsere Einsicht segnen und uns
mit dem Vertrauen unseres Volkes beglücken ... Das ist mein Glaube: es wird
wieder auferstehen ein neues Deutsches Reich der Größe, der Ehre, der Kraft und
der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit! Amen!"
Noch kurz vor dem Krieg stellte
Adolf Hitler der evangelischen Kirche den Betrag von 20 000 Reichsmark für die
Evangelisationsarbeit in Palästina zur Verfügung, und zwar aus seiner
persönlichen Tasche, nicht aus Staatsmitteln, wie ein jetzt bekannt gewordener
Dankesbrief von Bischof Heckel vom 15. 5. 1939 an seinen Führer verrät! Dank
hat Hitler von den Kirchen nie erhalten ‑ und vielleicht auch nie
erstrebt, obwohl er der römisch‑katholischen Kirche im Deutschen Reiche
jährlich die riesige Summe von einer Milliarde RM zur Verfügung stellte. Es ist
bis heute nicht klar erwiesen, ob ihm im Zusammenhang mit der Unterzeichnung
des Reichskonkordats von 1933 vom Heiligen Stuhl zu Rom nicht die höchste
päpstliche Auszeichnung verliehen wurde, der Christus‑Orden, den vor ihm
zwar ein Kanzler wie Bismarck erhielt, aber danach Adenauer erst zu seinem
Rücktritt als Kanzler; damalige Pressemeldungen aus Rom besagten dies, aber die
katholische Kirche hat es nach dem Kriege abgestritten, allerdings in sehr
gewundenen Dementis, nie klar und eindeutig . . . Interessanter ist, daß der ehemalige
Chorknabe von Lambach als mächtiger Parteiführer in München nie auf geistlichen
Rat und priesterlichen Beistand verzichtet hat. Drei Männer, Priester der
römischen Kirche, müssen hier herausgestellt werden:
1. Albanus Schachleitner, aus Mainz
(1861/1937), Abt des Benediktinerklosters Emmaus in Prag (1908/20), der den
Nationalsozialismus von 1926 an unterstützte und seit 1932 mit seiner Kirche
deswegen viel Ärger hatte, da seine öffentliche Stellungnahme für Hitler im
"Völkischen Beobachter" vom 1. 2. 1933 nicht von allen
Kirchenbehörden gutgeheißen wurde. Als er starb, richtete man dem Träger des
Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP ein Staatsbegräbnis aus.
2. Pater Rupert Mayer SJ
(1876/1945), Sohn eines Stuttgarter Großkaufmanns und Priester seit 1899, Seelsorger
in München sowie im Ersten Weltkriege als Feldprediger mit dem Eisernen Kreuz
Erster Klasse und für den Verlust eines Beines mit dem Verwundeten‑Abzeichen
dekoriert, hat Hitler mehrfach beraten, wahrscheinlich als Beichtiger. Später
entwickelte er sich zum Gegner des Nationalsozialismus, wurde verhaftet und
sogar im Konzentrationslager Dachau eingesperrt. Am 1. 11. 1945 verstorben,
erhörte er dennoch bis 1945 über 2300 Gebete gläubiger Katholiken, so daß für
ihn in Rom ein Seligsprechungsprozeß eingeleitet ist.
3. Hitlers eigentlicher Beichtvater
und Berater im engeren Sinne war ein Pater des Hieronymiten‑Ordens,
Professor Dr. Bernhard Stempfle, der als rechtsstehender Journalist einst den
antisemitischen "Miesbacher Anzeiger" geführt hatte und nun in
München viele Jahre Hitlers Privatarchiv, die Sammlung Rehse, leitete. Er war
des Parteiführers Verbindungsmann zum Vatikan und zu den katholischen
Wittelsbachern, er hatte die Korrektur von Hitlers entscheidendem Buche
"Mein Kampf" vorgenommen, er war Logenbruder Hitlers in der Thule‑Gesellschaft.
Anläßlich der Röhm‑Revolte am 30. 6. 1934 wurde Pater Stempfle von der SS
erschossen ‑ ob aus Versehen oder mit Absicht, ob mit oder ohne Wissen
und Billigung seines Freundes Adolf Hitler, von dessen Geheimnissen er wohl bis
dahin am meisten wußte ‑ das kann niemand sagen. Jedenfalls rief Hitler,
als er vom Tode seines geistlichen Beraters und Seelenführers erfuhr, mit
tränenerstickter Stimme aus: "Sie haben meinen guten Stempfle
umgebracht!"
Quelle: Dietrich Bronder in "Bevor Hitler kam", 2. Auflage, Genf
1975, S. 263 ff