Hennecke Kardel: "BONNERSCHLAG gegen freie Meinung"

 

Vorbemerkung

 

Ein Buch-Prozeß wird volljährig! Im Jahre 1979 riß der verschwiegen zuschlagende Geheimdienst FD 7 mit zweiundzwanzig Mann im Hamburger Frei(!)hafen auf Bonner Weisung bei Nacht und Nebel meinen aus der Schweiz gekommenen Buchbestand von DM 243.335.- aus Holzkisten und Ölpapier. Die Druckwerke schmissen die Lederjacken aus dem Schupen 17 in Wasserlachen, Schneeregen und angesagten Orkan. "Früher Freuer - heute Wasser." "Hut ab, Ex-Bundeskanzler Schmidt! Ihre Regierung hatte Weisung gegeben, Bonns Zwing-Herren hatten gewirkt."

 

Wie heißt denn der heiße Titel, der beflissene bundesdeutsche Politiker angstvoll aus ihren Sesseln reißt? "ADOLF HITLER - BEGRÜNDER ISRAELS". Erschrocken weicht der Starke zwei Schritt zurück. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Man nehme für die eigentlich gar nicht so strittige These der ursprünglichen NSVertreibungspolitik drei Dokumente aus vielen:

 

+       den starken Fotoband des Herbert Sonnenfeld "Ein jüdischer Fotograf 1933 1938" (Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1990), der die fünfzehn Gutshöfe in Rudnitz, Schniebinchen, Fürstenwalde, Niederschönhausen und anderswo zeigt, wo jüdische Mädchen und Jungen - gesund an Körper, Geist und Seele vor ihrer Abreise aus dem Reich nach Palästina landwirtschaftlich ausgebildet wurden.

 

+       die Serie in der "Welt" -"Eine unheilige Allianz" -, in welcher von einem Dr. Deschner die enge Zusammenarbeit zwischen Eichmann und den späteren israelischen Präsidenten Levi Eschkol und Jitzhak Shamir beschrieben wird: "Wir von der SS machen Druck in Deutschland, und Ihr gründet Euren Staat in Palästina." -"Nächstes Jahr in Jerusalem, Shalom."

 

+       die Beschreibungen (in jeder besseren deutschen Staatsbibliothek versteckt) der im Zweiten Weltkriege noch offenen Fluchtwege für Westjuden über das Mittelmeer von Marseille und Triest, für Ostjuden über das Schwarze Meer von Galatz und Braila aus (die deutsche Kriegsmarine half durch die Minensperren, und sowjetische U-Boote versenkten unter anderen die mit Flüchtlingen vollbeladenen Transporter "Struma" und "Mefkure").

 

Für die in Europa Zurückgebliebenen wurde es schrecklich. Dabei bleibt die "Offenkundigkeit" der 6-Millionen-Zahl den Bonnern ein Meisterwerk aus Israel, auch wenn in Dachau das Schild von "265.000 Vergasten" ausgetauscht wurde gegen ein anderes "Dieser Bau war eine Kleiderentlausungsanstalt." Auch wenn die Polen jetzt die alte Auschwitzzahl von vier Millionen in die offizielle "eine Million Umgekommener" herunterstufen. Natürlich ist ein ermordeter Jude einer zuviel. Auch in Kriegen gibt es Recht, wenn auch nur das Kriegsrecht, und das verbietet Massaker. Mord ist Mord - immer und überall.

 

Für die Erweiterung dieser Schrift durch Günter Deckert und Hans Schmidt wird ein Verlag gesucht, der sich geistig nicht unterwarf. Meldung bitte beim Verantwortlichen im Sinne Pressegesetz (siehe vorne).

 

Januar 1997 Hennecke Kardel

 

Staatsschützer spielen Haudegen

 

Orkan war angesagt für Hamburg an der Elbe. Der Sturm peitscht schäumende Wellen auf dem Strom Richtung Hafen. Wassermassen schwappen bereits über die Kaimauern. Die Gelegenheit für eine dunkle Aktion ist günstig. Wir schreiben Ende November 1979, es ist Abend, Feierabend. Nach dem Tagewerk kämpfen die Männer sich durch die Böen an ihre Wagen, heim an den wärmenden Herd.

 

Der stämmige Lademeister Zakrzewski verriegelt gerade das letzte große Tor vom Freihafen-Schuppen 17 - da brausen sie heran, in drei grün-weißen Mannschaftswagen. Zweiundzwanzig Mann springen heraus im festen schwarzen Lederzeug: "Halt, Polizei!" Dem Verdutzten befehlen sie: "Aufschließen, los, los." Drinnen herrschen sie: "Wo sind die Bücher von Kardel?" "Dort im Verschlag, wo es trocken ist," weist mit der Hand der Verantwortliche für diesen Riesenschuppen, in dem gewaltige Baumstämme aus den Tropen, tonnenschwere Kabelrollen und mannshohe Container lagern.

 

Die paar Dutzend Kisten mit den Büchern "ADOLF HITLER - BEGRÜNDER ISRAELS" sind aus Holz, mit Eisenbändern umspannt, innen mit Ölpapier ausgelegt. Jeweils zehn Buchexemplare liegen in Pappkartons abgepackt in den Kisten, und der Lademeister kommt mit der Liste, auf der säuberlich die jeweilige Stückzahl festgehalten ist. "Wir durchsuchen alles," schickt der beamtenhafte Anführer Harder den Zakrzewski mitsamt seiner Liste in dessen Büro-Kabuff zurück. "FD 7 (das ist die Hamburger Fachdirektion 7, die Staatschutzpolizei) führt keinen Papierkrieg, der Kardel hält hier Waffen versteckt." "Hier werden Sie keinen Püster finden," versucht der Lademeister den aufgeregten Haufen zu beruhigen. "Machen Sie sich nicht zum Komplizen," bellt Harder zurück. Kein Schießeisen wurde während der nächsten fünf Stunden gefunden. Die Angaben auf der Liste hatten gestimmt. Kiste für Kiste packten sie aus, bis zum letzten der gut zehntausend Bücher. Mitgebrachte Scheinwerfer hatten das dunkle Geschehen erhellt, bei dem Beißzangen, Kuhfüße und Brecheisen den schwarzen Lederjacken zur Hand gegangen waren.

 

Durch nun folgende eineinhalb Jahrzehnte drängte ich bei Hamburger Gerichten, den Lademeister Zakrzewski als Zeugen zu vernehmen. Im fünfzehnten Jahr wird der endlich von der sogenannten Entschädigungskammer beim Landgericht gehört.

 

Diese Kammer hat einige hundert Wiedergutmachungsprozesse gleichzeitig zu bearbeiten -bekanntlich ist Hamburg die Hochburg der Kunstfehler. "Bürger gegen Staat, das läuft sehr langsam, allüberall," trösten die Anwälte während all dieser Jahre zwischen Hoffen und Bangen. An diesem stürmischen Novemberabend wurde nicht nur ein Bücherlager, es wurde vor allem eine Existenz zerstört mitsamt dem Glauben an den Rechts-Staat, mitsamt dem Glauben an Artikel fünf des Grundgesetzes von der Meinungsfreiheit in Wort, Schrift und Bild.

 

Der Zakrzewski ist inzwischen Buch- und Zeitschriftenhändler, vor Gericht sagt er: "Damals wurde gezielt zerstört. Wenn es meine Bücher gewesen wären, ich hätte mich empört. Die Beamten waren zum Teil frühere Kollegen von mir, Schauerleute hier aus dem Hafen. Einige von ihnen kannte ich. Sie waren aufgehetzt, sprachen laut und immer wieder vom Waffenhändler, schmissen dabei die Bücher in Öl- und Wasserlachen - die Gabelstapler hatten ja Schnee in den Schuppen geschleppt, wir hatten gerade die Tropenhölzer vom Schiff reinbekommen. Schließlich zerschlugen sie die Kisten, schmissen in Kette alle Bücher ins Freie, in den Orkan hinaus, an der Schuppenwand stapelten sie. Am nächsten Morgen konnte ich mit meinen Leuten notdürftig Planen darüber decken, aber die waren ja auch zerrissen, hatten Löcher. Erst Wochen später durften wir die Bücher in den Schuppen zurückschleppen. Da waren sie längst aufgeweicht, die oberen hätte man auswringen können."

 

In meiner Bürowohnung in Hafennähe am Kuhberg klingelte am Morgen nach dieser Vernichtungsaktion das Telefon sehr früh. "Schweinerei passiert," rief von Kühne & Nagel (der Schuppen 17 war in Händen dieses Speditionsunternehmens) der Abteilungsleiter Hey und erzählte. Fünf Minuten darauf saß ich in meinem Peugeot, der vor der Haustür geparkt war, raste zum Firmensitz nach Billbrook. Hey rief an bei FD 7, hatte einen Müller an der Strippe. "Ist der Kardel bei Ihnen im Raum?" wollte Müller wissen. "Nein," war die kundenfreundliche Antwort und ich hörte mit. "Alsdann," sagte der Staatsschützer am anderen Ende, "Waffen fanden wir bisher nicht. Wir suchen weiter. Über eine Freigabe entscheiden nicht wir, das liegt bei der Staatsanwaltschaft."

 

Zwanzig Minuten darauf war ich nach den Gesetzen der Logik an meinem Stadtlager in der Großen Elbstraße Altonas, wo ich in einem Lagerhaus (heute Speicher am Fischmarkt) einen verschließbaren Raum gemietet hatte, in dem einige hundert Bücher verpackt zur Postauflieferung bereit lagen. Gegenüber lebten in einer Wohngemeinschaft junge Musikusse, die zu allen Schandtaten bereit waren. Nach einer knappen Stunde war der Buchbestand ausgelagert.

 

Wiederum nach Feierabend, als der Lagermeister Peters gerade die elektronisch gesicherte Anlage verschloß, kamen sie mit ihrem Schlachruf "Halt, Polizei!" Auch an diesem Tage fuhren sie mit zweiundzwanzig Mann, der Müller war diesmal der Anführer, vor. Eingedrungen, ließen sie sich den von mir gemieteten Raum zeigen, befahlen dem Peters "Aufschließen!"

 

Dieser Zeuge wurde bereits nach sechs Jahren, im Februar 1985, erstmals gehört. Vorsitzender war ein Richter Gierga. "Ich hatte," sagte Peters aus, "keinen Schlüssel für den Raum. 'Kuhfuß' befahlen sie mir. Ich weigerte mich, wies hin auf den Schlosser von gegenüber. Dieses Schloß ließ sich mit jedem Dietrich öffnen. Mein Reden war vergeblich. 'Aufbrechen', befahl der Müller seinen Leuten und es ging mit Körperkraft und Tritten von Kampfstiefeln. Die Reparatur von Rahmen und Tür hat uns später sechshundert Mark gekostet. Der Staat zahlt ja nicht für seine Schäden." "Was fand die Staatsschutzpolizei?" begehrte Richter Gierga zu wissen. "Nichts," antwortete Zeuge Peters, "der Raum war ja leer. Nur Werbematerial lag herum, das sackten sie ein in Plastiktüten, nahmen es mit. Die Beschlagnahme der Papiere wollten sie mir nicht quittieren. 'Wir dürfen das', sagte Müller, 'wenn Gefahr im Verzuge'. Das mit der Gefahr," sagte Peters, "habe ich nicht verstanden." Und er sinnierte: "Der Staat darf ja vieles, wofür wir Bürger in den Knast kommen." Nach dieser Aussage war der Zeuge entlassen.

 

Beim Zuschlagen kamen sie als letztes zu mir in die Bürowohnung, wieder am späten Nachmittag, meine Sekretärin war gerade gegangen. Wie bei Schuppen 17 war wiederum Harder der Boß von diesmal acht Mann. An der Tür forderte ich richterlich unterschriebenen Durchsuchungsbefehl. 'Der liegt zuhaus', witzelte Harder und schon drangen sie ein. Das Gewühle ging los, in den Betten, unter den Betten, sie stocherten im Spülkasten des WC, rückten Schränke und Eisschrank von der Wand. Aus dem Papierkorb fischten sie zerrissenes, legten die Schnipsel mühevoll zusammen und am Ende fegte ich alles vom Schreibtisch: "Der Brief ist von einer Freundin." Schließlich zogen sie ab mit geringer Beute - einem Ordner mit 78 Blatt von Außenständen. Zurück davon kamen später über die Politische Staatsanwaltschaft 52 Blatt. Der Fehlbestand von 26 unterschriebenen Lieferscheinen mit Kundenanschrift wurde aktenkundig. Wer hat die gut fünfundzwanzigtausend Mark kassiert?

 

Am Buchbestand im Freihafenschuppen fehlten später einhundertundzehn "Begründer". Zweiundzwanzig Mann mit je fünf Exemplaren unter der Jacke ergeben diese einhundertundzehn Bücher. Welcher Zöllner filzt schon Kollegen von der Polizei beim Rausfahren? Nach siebzehnjähriger Prozessiererei sprach die "Entschädigungskammer" DM 14.000.- für "abhanden gekommenes" zu, bis heute wurde nicht gezahlt. Meine Strafanzeigen wegen der Beraubungen im Freihafenlager, im Stadtlager in der Bürowohnung wurden nie beschieden. Begünstigung und Strafvereitelung ziehen sich wie ein roter Faden durch das Prozeßgeschehen ins jetzige achtzehnte Jahr. "Doch wehe," meinte Brecht, "wenn der Staat sich irrt, wer bringt ihn vor Gericht?"

 

Es gibt ein "Gesamtverzeichnis indizierter Medien" der Bundesprüfstelle. Der "Begründer" war und ist nicht drin. Der Vorwand "Waffen" sollte Zensur und Vernichtung der Bücher vertuschen. "An Schießeisen," sagte in der Stadtwohnung der Anführer Harder, als ich mir in der Küche einen Grog aus Rotwein und Rum kochte, "glauben wir ja selber nicht. Aber das wissen Sie ja: Befehl ist Befehl. Der Klein hetzt uns ja immer wieder los." Wer ist Klein? Harder murmelte in den nicht vorhandenen Bart: "Der Politische Staatsanwalt." Waffen wurden also nirgend gefunden. Wohl auch deshalb nicht, weil ich als zwölffach verwundeter Infanterist viel gegen Waffenhändler habe, staatliche wie private.

 

Um den "Waffenhändler Kardel" doch noch herbeizuzaubern, sprang ein Kröger von FD 7, Sohn eines 1945 ausgeschiedenen Polizei-Gewaltigen, in die Bresche. Das heißt, er schlenderte durch Hamburgs Innenstadt, sah im Tabakwarenladen neben dem Postamt Mönckebergstraße französische Karabiner von Anno Dunnemals, die als Blickfang im Schaufenster aushingen. Kröger ließ seiner Phantasie freien Lauf und sein dienstlicher Bericht lautete: ich halte die Gewehre für verwendungsfähig. Geschäftsführer Albermann sagte mir, er habe sie von einem Typ Kellner und der habe sie von einem Kardel bezogen. Herr Albermann versprach Nachricht, sobald der Typ Kellner wieder auftaucht." Als dieser Bericht später in der Akte eingesehen wurde, suchte und fand ich Albermann von der Mönckebergstraße. "Kein Jota stimmt," sagte der. "Dieser Kröger war hier, der kauft bei uns öfter mal was. Wir sprachen über Rudi Carell, den wir beide am Vorabend in der Glotze gesehen hatten. Der Name Kardel ist nicht gefallen und mir unbekannt."

 

Bis dahin hatte ich nicht geglaubt, daß es bei Hamburger Polizei polnische Wirtschaft gibt. Im Jahre 1946 saß ich im verlorenen Ostpreußen bei polnischer Geheimpolizei UB im tiefen Keller. Regelmäßig in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag wurden Bäuerchen eingeliefert, die sich nicht hatten kollektivieren lassen. "Sie kamen," erzählten die polnischen Neusiedler alle das gleiche, "in der Nacht, sturzbesoffen, rissen mich aus dem Bett, stießen mich zum Heuhaufen. Dort fingerten sie eine Pistole heraus, die ich zuvor nie gesehen hatte. Jetzt werden sie mir zehn oder fünfzehn Jährchen geben und meinen Acker bin ich los."

 

Meine Strafanzeige gegen den FD 7-Mann Kröger wurde von der Hamburger Staatsanwaltschaft so beschieden: "Herr Kröger hat pflichtgemäß in Ausübung seines Dienstes gehandelt." Nach dieser amtsbegünstigenden Antwort bin ich überzeugt, daß der "Typ Kellner" ein Vertrauensmann von FD 7 war.

 

Den Jagdeifer finden wir bei Staatsanwälten und Geheim-Polizisten besonders dann, wenn sie Söhne einstiger wilder Verfolger sind.

 

Hintermänner werden enttarnt

 

Nach den drei Raubüberfällen auf Freihafenlager, Stadtlager und Bürowohnung lief ich in den Gerichtsgebäuden am Sievekingplatz von Pontius zu Pilatus, um die Bücher für das Weihnachtsgeschäft doch noch frei zu bekommen. Aufträge über insgesamt viertausendfünfhundert Exemplare lagen vor, etwa zweitausend der dreitausend Buchhändler der Bundesrepublik kannten das Werk bereits durch Bezug vom Verlag, der in der Schweiz saß. Diese Kunden waren gerade in einer Werbeaktion angeschrieben worden. Keiner im Zivil- und Strafjustizgebäude war "zuständig". Der vom FD 7-Mann Harder benannte Politische Staatsanwalt Dietrich Klein befand sich an einem Tage "in einer Sitzung", war am nächsten "zu einer Vernehmung im Gefängnis Fuhlsbüttel" und am übernächsten "an Grippe erkrankt". Schließlich bekam ich von einem grün uniformierten Gerichtsdiener den Hinweis auf das unter dem Dach des Strafjustizgebäudes versteckt liegende Kasino der Richter und Staatsanwälte. Erkennbar war es an der Tür durch Großbuchstaben "Unbefugten ist der Zutritt verboten".

 

Der lange Raum war blaugrau vom Rauch der Zigarren, in den Mief mischten sich Gerüche von Kaffee und Bier. Durch den Nebel rief ich: "Wer ist hier Klein?" Aus der fröhlichen Runde erhob sich einer: Ich bin Einsfünfundachtzig" und ein anderer bekundete "Einsachtundsechzig". Stikum drängte sich durch den Türrahmen ein Mann an mir vorbei. Dem also nach auf dem breiten Flur, auf dem der Kerl im grauen Anzug enteilte: "Herr Klein!" Der lange Typ Staatsanwalt mit dem glatten Blondscheitel blieb stehen: "Sie wünschen?" Mit Namen stellte ich mich vor, sagte es deutlich: Meine Bücher wünsche ich." "Zu mir," bat er höflich, ging voraus und schloß am Ende des langen Ganges eine Tür aus dickem Panzerglas auf. Wir betraten den Sicherheitstrakt des Strafjustizgebäudes. "Ihre Akte," wies er in seinem Zimmer auf einen Tisch mit einem halbmeterhohen Stapel von Heftern und Ordnern.

 

"Wir haben ein Grundgesetz," begann ich, und das hat einen Artikel 5 von der Meinungsfreiheit und der hat einen Absatz 1: Eine Zensur findet nicht statt." Mir bekannt," behauptete der Polit-Staatsanwalt, "aber ich habe Weisungen." "Von wem bitte?" hakte ich nach. "Vom Präses der Justizbehörde selbst," war die Antwort. Diese Junggesellin Eva Leithäuser hatte sich gerade in einem Steuerverfahren mit einhundertunddreißigtausend Mark unterworfen. Damit und mit dem roten Parteibuch war sie etwa zehn Tage zuvor als geeignet befunden worden, die Hamburger Justiz-Senatorin zu machen. Von einer früheren Führerschaft im BDM der Hitler-Jugend war nicht mehr die Rede, dafür umsomehr von einer jüdischen Großmutter. Wie ich später erfuhr, stand als Talisman auf ihrem Schreibtisch ein Talmud in Kleinausgabe. "Die Frau Leithäuser," meinte ich, "war bei der ersten Aktion im Freihafen gerade drei Tage im Amt. So schnell konnte sie sich mit Sicherheit nicht eingearbeitet haben. Da stecken welche dahinter." "Wer denn," entgegnete der Staatsanwalt Klein, "wer steckt nach Ihrer Meinung dahinter?" "Da haben Sie die Auswahl," erwiderte ich, erklärte durch eine gute Stunde die Vorgeschichte.

 

Da wurde als erster Werner Nachmann genannt, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. In seinem "Jüdischen Pressedienst" hatte er ausgeführt, das Buch "Adolf Hitler -Begründer Israels" sei geschrieben worden, "um neue Judenmorde auf der ganzen Welt hervorzurufen." Nachdem dieser Präsident auf nichts antwortete, erstattete ich mit Ablichtung des Nachmann-Artikels Selbstanzeige bei der Generalstatsanwaltschaft in Düsseldorf, die zuständig war. Die ließ sich prompt das Werk kommen, das nach vierzehn Tagen an mich zurückgelangte: "Derartiges steht nicht im Buche. Die Anwürfe sollten jedoch hingenommen werden. So wie wir uns von der Sonne Goethes und Beethovens bescheinen lassen, so müssen wir uns in Anbetracht des schweren Schicksals von Herrn Nachmann auch in den Schatten stellen lassen."

 

Was war nun das schwere Schicksal des Herrn Nachmann gewesen? Während des Zweiten Weltkriegs ging der Junge als Elsässer unauffällig munter seines Weges, half den Eltern beim Schrottgroßhandel, Abnehmer war die deutsche Rüstungsindustrie. Über den Rhein kam der Werner bei Kriegsende als Nachschubsoldat französischer Verbände. Woraus er dann einen "capitaine" - also Hauptmann - machte. Die Bundeswehr merkte nicht oder wollte nicht merken, daß es einen Neuzehnjährigen "capitaine" kaum gegeben haben konnte, machte den Besatzer zu ihrem Major honoris causa. Die ersten Nachkriegsjahre waren dem deutsch- und französischsprachigen Umerzieher in beschlagnahmten Villen vergangen. Geschäfte aller Art, für die Deutsche keine Genehmigung bekamen, hatten den Beweglichen in Atem gehalten. Er endete so: Von den 400 Millionen Mark, die für jüdische Härtefälle geflossen waren, hatte dieser Nachmann als der Große Vorsitzende 40 Millionen über die Grenze auf Nummernkonten in der Schweiz verschoben. Auf Konten, über die nur er und nahe Familienangehörige verfügten. Eine deutsche Kontrolle über die deutschen Zahlungen gab es nicht, das Vertrauen war groß. Als der Schwindel endlich aufflog, da mordete Nachmann - sich selbst. Die Seinen verschwanden über alle Berge, zurück kam nichts.

 

Eng verbunden war in diesen Jahren dem Präsidenten Werner Nachmann der deutsche Pressezar Axel Springer, der einer Madame Francoise Giroud, Herausgeberin des französischen "Express", erklärt hatte: "Zionist Springer - diese Art Titel gefällt mir." Die Nebel um den "deal" von 1945, wo ein zionistischer control-officer Huijsman den Schwiegersohn Springer des SS-Generals Werner Lorenz quasi die Genehmigung zum Gelddrucken gegeben hatte, lichten sich nur langsam. Der Auserwählte bekam die Hörfunk-Programme, die Maschinen vom verblichenen "Hamburger Fremdenblatt", Papier und Druckerschwärze - alles umsonst. Dafür verpflichtete Springer jeden damaligen und künftigen Redakteur, das "essential" zu unterschreiben: "Nie ein Wort gegen Juden, nie ein Wort gegen den Zionismus - komme was da wolle." Der jüdische Professor Kessler erklärt 1934 in einer Veröffentlichung, die er in der Emigration schrieb, in den "Familiennamen der deutschen Juden", den Vornamen Axel als Eintauschnamen für Asher und den Familiennamen Springer mit dem jüdischen Gauklerberuf (auf Volksfesten sprang der Spaßmacher durch aufgestellte brennende Holzreifen). Neben seinem bundesdeutschen besaß Springer einen israelischen Paß auf den Namen Bloch. Nach Erscheinen des Buches "Begründer" ging die Springer-Presse in die vollen, orakelte wochenlang "Kardel - ein Agent zwischen Braun und Rot", "In Tanger war der Verfasser Waffenhändler ... .. ist aus seinem Refugium wieder aufgetaucht mit wildem antizionistischen Buch ... .. erscheint als seltsamer Kamerad unter dem Hakenkreuz." "Meine Strafanzeige, Herr Klein," sagte ich an diesem Mittag dem Polit-Staatsanwalt, "ist zwischen Hamburg, Bonn und Düsseldorf so lange hin- und hergeschoben worden, bis 'verjährt' war. Und nun," sagte ich, "kommt es."

 

Ich führte aus: "Vor wenigen Wochen, im Oktober diesen Jahres 1979, war ich mit dem 'Begründer' auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Ironisch gemeint, verlieh mir das 'Börsenblatt des deutschen Buchhandels' den Ersten Preis für den größten Wirbel. Täglich kam 'Springers man of London' (seine Selbstbezeichnung) mit Aktionen an den Stand. Es handelt sich um einen gewissen Ross, der als jüdischer Junge 1938 aus Wien mit den Eltern in die britische Hauptstadt emigriert war. Clownhaft aufgemachte blonde Mädchen, die meinen Stand kichernd und glucksend besetzten, schickte Ross alle naslang vorbei. Von einer Ecke aus beobachtete er, wie zwischendurch immer wieder Rabauken meine Bücher auf den Gang und in die Gegend warfen. Schließlich kam er selbst und drohte: Vernichten Sie diesen Buchbestand, oder - Sie sind es, der zerstört wird. Unser Arm ist sehr lang. Mit Nachmann und Springer bin ich befreundet. Wir haben gute Drähte nach Bonn.`

 

Den Punkt aufs "i" setzte die Justiz-Senatorin Leithäuser auf einer Veranstaltung im Schlachter-Innungshaus am Heiligengeistfeld. "Angeschossen" wie zumeist, bestätigte sie: "Gelesen habe ich das Buch nicht, aber von Ihrer Zielrichtung weiß ich aus Bonn."

 

"Wenn ich nicht," beschied ich den Staatsanwalt Klein, "zehn Tage vor Weihnachten die Bücher frei habe, dann haben diese Hintermänner, dann hat die Dreierbande Nachmann, Springer, Ross gewonnen, dann ist meine Existenz vernichtet." Der Polit-Staatsanwalt Klein erhob sich aus seinem Sessel, wanderte zum Fenster, aus dem er auf den Innenhof des Strafjustizgebäudes blickte, drehte sich herum, blieb vor mir stehen und zeigte auf den Aktenstapel "Kardel". Er sagte: "Dort sind Ihre Angaben bestätigt. Wollen Sie denn zerstört werden?" Klein machte eine Pause: "Ich befolge nur meine Weisungen. Sie haben ein Angebot: Ihr gesamter Buchbestand wird übernommen und bezahlt. Neu auflegen dürfen Sie nicht - damit sind Sie ein gemachter Mann." "Ich bin nicht käuflich," entgegnete ich dem Staats-Juristen, der sich da vor mir aufgebaut hatte. "Das Buch ist geschrieben worden, um das deutsche Volk vom Vorwurf seiner Alleinschuld rein zu waschen. 'Jüdische Mitschuld' ist da ein Hauptthema: Hitlers Gesellen im Osten waren gleich ihm sämtlich teiljüdisch, behaftet wie er selbst mit der Verwandten-Haß-Psychose, dem Haß auf den eigenen

jüdischen Blutsanteil: Rosenberg, Minister für die besetzten Ostgebiete, dessen Eltern beide noch die Synagoge in Estland besucht hatten. Frank, Polen-Gouverneur, dessen jüdischer Vater im Dritten Reiche als Anwalt in Bamberg unbehelligt blieb. Heydrich, Organisator der 'Endlösung', dessen Erzeuger als Süß geboren wurde, dessen Großmutter Sarah auf dem Jüdischen Friedhof in Leipzig liegt. Auf den Juden, dessen Familie beim Konvertieren zum Christentum von Samuel zu Eichmann wurde, weise ich am Rande hin."

 

"Ich habe," sagte der Polit-Staatsanwalt Klein, "Ihr Buch gelesen. Israel kann damit nicht einverstanden sein. Ein weiteres mal werde ich es lesen müssen. Der Richter Dr. Lau hat die Durchsuchungs- und Beschlagnahme-Beschlüsse unterschrieben. Mit ihm werde ich über Ihren Fall sprechen." Damit wurde ich an die Panzerglastür begleitet, war - immer noch an die Objektivität eines Staatsanwaltes glaubend - auf dem Wege an die frische Luft.

 

Juristen sind unser Unglück

 

          Über den vom Staatsanwalt Klein ins Spiel gebrachten Richter Dr. Lau machte

ich mich kundig. "Bei uns war er gefürchtet wegen seiner Todesurteile," meinte ein

Alter namens Händler, Mitglied der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.

Das von Klein bekannte Versteckspiel begann aufs neue. Im Geschäftszimmer wird beschieden "zu einer Besprechung," "in einer Verhandlung, die dauern kann",

"an Grippe erkrankt". Am vierten Suchtag heißt es plötzlich, der Richter Dr. Lau habe

einen mehrwöchigen Urlaub angetreten. Geboten wird sein Vertreter.

 

Dieser Jugendliche war gerade von einer Wehrübung zurück, hatte es dabei zum Leutnant der Reserve gebracht. Das erfuhr ich als erstes. "Dieser Dr. Lau ist es nicht, den man Ihnen beschrieben hat," meint er, "das ist der Sohn." "Familientradition," werfe ich ein. "Ich hole," sagte der Sportliche, "mal Laus Verfügung, damit wissen wir mehr." Das Papier ist in der Tat ein Zeitdokument, es beweist, daß es am Sievekingplatz zugeht wie in einem Freudenhaus. Die Verfügung rätselt: "§86 Absatz 1 Ziffer 4 Strafgesetzbuch kann vorliegen." Dort heißt es: "Wer Progagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes verbreitet oder einführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft." Aus der Strafprozeßordnung wird der § 98 Absatz 2 bemüht, der da lautet: "Der Beamte, der einen Gegenstand ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die richterliche Bestätigung beantragen."

 

Gesetze lassen sich ganz offenbar wie in diesem Falle amtsrichterlich außer Kraft setzen. Für derartiges steht dem Kollegen Polit-Staatsanwalt ein williger Vollstrecker zur Seite. Richter Dr. Lau geht in seiner Verfügung so an den Fall heran: "Eine Prüfung der Bücher kann in der gesetzlichen Drei-Tage-Frist nicht bewältigt werden. Der Beschuldigte Kardel kann sich nicht darauf berufen, daß diese Bücher seit längerem vertrieben werden. Es kann nicht von den Ermittlungsbehörden verlangt werden, daß sie jedes erscheinende Buch prüfen, ob Gesetzesverstöße vorliegen." Weder Klein noch Lau hatten demnach das Buch gelesen. In einem Baltenwitz geht es so: -.. und da mein Vater ihn nicht kannte, schoß er ihn tott."

 

Tief holte ich Luft: "Damit ist Artikel 5 Grundgesetz 'eine Zensur findet nicht statt' außer Rand und Band. Dieses hier," ich zeigte auf die Verfügung, "ist glatter Amtsmißbrauch des Dr. Lau - oder Schlimmeres wie Verfolgung Unschuldiger. Sie kennen sich da besser aus. Hunderttausend Bücher kommen Jahr für Jahr neu auf den Markt. Gegen Porno und Kriegsverherrlichung haben wir eine Bundesprüfstelle. Freie Meinung prüft sie nicht. Was geht das einen Richter an?" "Ich kopiere," sagte der Jungrichter und damit gelangte das Papier in meine Akte. Geprüft wurde nicht durch drei Tage, sondern durch Jahre bis Mitte 1987. Auch danach waren die wassergeschädigten Bücher an keinen Verramscher loszuschlagen. Die Firma Pfannenstiel prüfte, nahm nicht ab, "weil die Bücher weiterhin gewissen Beschränkungen unterliegen."

 

Alle Eingaben prallten ab an Staatsjuristen, die Hornhaut auf der Seele haben. Das Argument 'Existenzvernichtung' wirkte überhaupt nicht. Eher war das Gegenteil der Fall - diese Vernichtung war ja gerade das Ziel der Übung. Der Polit-Staatsanwalt Klein nahm sich zunächst ziemlich genau die drei Jahre, die ihm bis zur Anklageerhebung erlaubt sind. Mir verging die Zeit mit einigen Dutzend Eingaben, die in Ablagen oder Kellern der Justiz verschwanden. Die Jahre plätscherten dahin, auch mit Prozessen - den Nebenkriegsschauplätzen der Verfolgungsjustiz -, bei denen ich in der Erstinstanz bestraft und in der zweiten freigesprochen wurde.

 

Aus der Fülle seien zwei Beispiele gezogen. Der Justizsenatorin Leithäuser hatte ich wegen der Beraubungen geschrieben, nach meiner Meinung handele es sich bei der Staatsschutzpolizei "wohl eher um eine Räuberbande." Öffentlich hatte ich das nicht geäußert. Diese Beurteilung gab die Dame an den Polizeipräsidenten mit der Empfehlung, Strafantrag gegen mich zu stellen. Und so geschah es. Dann kam die Sache mit dem FD-7-Mann Müller. In Wahrheit sollte der Mann Möller heißen und auch hier gab es ein Verfahren wegen Falschbeschuldigung mit schließlichem Freispruch in der Zweitinstanz. Kurz: Bis zur Anklageerhebung war es den vereinten Kräften nicht gelungen, aus mir einen Vorbestraften zu machen.

 

Im September 1982 war es soweit. Der große Tag der Hauptverhandlung vor dem Hamburger Amtsgericht war da. Zu meinem Glück gab es hierbei noch keinen Anwaltszwang, mit dem der Bürger in unserem 'Rechts-System' so gerne und gekonnt entmündigt wird. Selbst war der Mann. Polit-Staatsanwalt Klein flüsterte, erklärte das mit Heiserkeit. Von den vollen Zuhörerbänken kam es -"lauter bitte." Aus dem Kleinschen Gemurmel tropfte schließlich der § 130 des Strafgesetzbuches: "Aufstachelung von Teilen der Bevölkerung zum Haß." Für den "Begründer" erdichtete Klein einen nazistisch gedunkelten Hintergrund. Besonders hatten es ihm meine Vorträge - durch Buchhandlungen ermöglicht - ins Flensburg, in Heide, Lüneburg und sonstwo angetan.

 

Mit dem Paragraphen der Volksverhetzung hatte ich leichtes Spiel: "Der Anwalt des Staates hat erstens nazistisch klingende Zitate in das Buch gefälscht. Ich habe beantragt, ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen. Offenbar vergeblich. Das von ihm erfundene Wort 'Volksgemeinschaften' kommt im ganzen Buch nicht vor. Zum zweiten hat die AO, die Auslandsorganisation der NSDAP, Sitz USA, mich 'zum Tode verurteilt wegen Verunglimpfung des Führers.' In der Tat ist ein Klaus-Ludwig Uhl auf mich angesetzt und in München von der Polizei im Straßenkampf erschossen worden." Das Papier reichte ich hinauf zum Richtertisch. "Drittens," sagte ich, "berichtet der 'Spiegel' auf neun Seiten über die Verfilmung des 'Begründers' in der Sowjet-Union." Auch diese Blätter gab ich hin. Mit dem vorausgegangenen Stunk in der Schweiz, wo das Justizministerium sich für das Buch entschieden hatte ("entspricht der historischen Wahrheit") schloß ich und fragte: "Sind denn die Sowjets und die Schweizer auch alle alte Nazis?" Den Beifall aus dem Publikum verbat sich der Vorsitzende, mußte er wohl auch.

 

Amtsrichter Brüchner machte einen Vorschlag zur Güte: "Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld." Fragend blickte er zum Staatsanwalt: "Ich brauche Ihre Zustimmung." Der stotterte etwas herum, beantragte dann eine Pause und entschwand eiligen Schrittes. "Zum Telefon," mutmaßten die Zuhörer in dieser Pause auf dem Flur, "der holt sich eine Weisung."

 

Die Verhandlung ging in die letzte Runde. Der bleich zurückgekehrte Polit-Staatsanwalt Klein war wiederum leise, er flüstere: "Ich kann nicht zustimmen." Darauf wußte der nunmehr ungeduldig gewordene Amtsrichter eine Antwort: "Der Angeklagte Kardel wird freigesprochen. Er ist zu entschädigen sowohl für seinen vernichteten Buchbestand als auch für seine zerstörte Existenz. Kosten trägt die Staatskasse." Die mitgebrachten roten Rosen wickelte ich aus dem weißen Papier, legte sie dem Klein auf seinen Tisch, den er gerade abräumte: "Rosen für den Staatsanwalt." der gleichnamige Film über einen Ex-Nazi-Staatsanwalt lief gerade in den Lichtspielhäusern. Der Saal freute sich unverschämt laut und Klein flüsterte etwas zum Richter hinauf. Der wiegelte ab: "Lassen Sie die Blumen liegen für die Raumpflegerinnen. Die sollen hier mal ordentlich lüften."

 

Diesen Entschädigungsanspruch hatte das Hanseatische Oberlandesgericht - im Volksmund Hans Olg - abzusegnen und tat es auch: "Rechtskräftig, obwohl die Staatsanwaltschaft in die Berufung gegangen ist." Der Druck auf Hans Olg dauerte drei Wochen. Dann befanden die selben drei Richter: "Das Oberlandesgericht kann an seiner früheren Auffassung nicht festhalten." Seitdem erzähle mir keiner mehr etwas von der 'richterlichen Unabhängigkeit'. Das Katz und Mausspiel ging in eine weitere Runde, die erneut drei Jahre bis zur neuen Verhandlung vor dem Landgericht währte. Termine wurden angesetzt, verlegt und wieder abgesetzt. Richter oder Schöffen erkrankten in dieser Zeit reihenweise und im übrigen lief damals Hamburgs berühmt gewordenes 'Schöffen-Theater'. Alles war fest in Juristenhand - keiner wußte was los ist.

 

Vor dem Landgericht herrscht Anwaltszwang, der von Bürgern, die sich selbst verteidigen können, als Zwangsjacke empfunden wird. Der jetzt beigeordnete Rechtsanwalt Knott verfaßte einen Entschädigungsschriftsatz von 13 Seiten über DM 748.335.- und nach zweieinhalb Jahren, als nichts vorangekommen war, gab er auf: "Bei Prozeßkostenhilfe, wie in Ihrem Falle, werden uns Anwälten lediglich 25% der Gebührenordnung erstattet. Unterschreiben Sie mir einen Schuldschein über DM 5.000.-, zahlbar nach Erhalt der Entschädigung, dann sind wir quitt. Mir macht auch meine Epilepsie wieder zu schaffen." Zwar soll man Pferde im Strom nicht wechseln, andererseits nützt ein Anwalt, den man zu Gericht tragen muß, wenig. So wurde nach einem neuen Rechtsanwalt gesucht.

 

Es kam zum "Stern"-Prozeß und dabei ging es um die gefälschten 'Hitler-Tagebücher'. Kujau und Heidemann langweilten ahnungslose Presseleute und wissende Zeitzeugen nicht. Ankläger im Plenarsaal Sievekingplatz 1 war der Polit-Staatsanwalt Klein, sein Gehilfe ein Jung-Staatsanwalt Lund. Meine Flugblätter richteten sich gegen den Bock, der hier zum Gärtner gemacht wurde: "Fälscher-Staatsanwalt Klein Ankläger im Fälscher-Prozeß." Am elften Verhandlungstage erschien während einer Pause mit zwei Leibwächtern der Präsident des größten Landgerichts der Bundesrepublik, ein Roland Makowka. Er stellt sich vor: "Hier bin ich der Hausherr. Im Gebäude untersage ich Ihnen das Verteilen. Ich zeige Ihnen wo Sie können." So stapften wir die ausgetretenen Steinstufen hinunter, bis vor die große Eichenholztür. Makowka zeigte auf die drei Stufen vor der Tür: "Diese gehören noch zu meinem Bereich. Ab da unten dürfen Sie verteilen." Klein werde Strafantrag stellen, meinte der Landgerichtspräsident, als wir wieder noch oben stiefelten. "Wird der nicht," war ich sicher, "dabei käme heraus, was, wie und wo er gefälscht hat. Bis jetzt hält dieser Klein, der - da es politische Justiz nicht geben soll - sein Geschäftszimmer mit einem Schild 'St.-Pauli-Sachen A-Z' tarnt, mich durch über fünf Jahre im Schwitzkasten." So verabredeten wir uns für den nächsten Tag, einem trüben Dezembermorgen, im Dienstraum des Präsidenten hinten im Anbau Ziviljustizgebäude Sievekingplatz.

 

Kaffee reichte eine der Vorzimmerdamen herein. Kekse und Zigaretten standen zur Verfügung auf dem runden Tisch in der Ecke, an den wir uns setzten. Gummibäume vor den Fenstern zierten den großen Raum. "Nahezu sechs Jahre," tat der Landgerichtspräsident Makowka erstaunt. "Wer steckt dahinter?" Die alte Platte legte ich auf: "Nachmann mit seinem 'Jüdischen Pressedienst', Springer mit seinem Konzern und schließlich der bedrohliche Ross." Danach griff der Korpulente zum Telefon, hatte den Richter Gierga von der "Kleinen Elf", der Strafkammer 11, an der Strippe: "Sagen Sie, hat Hamburgs Justiz es nötig, sich durch sechs Jahre am Fall Kardel festzuhalten?" Makowka kehrte an den runden Tisch zurück: "Gleich Anfang nächsten Jahres. Hat Gierga mir soeben fest zugesagt." Ein Gespräch über Ostpreußen schloß sich an. Der damals fünfzehnjährige Junge hatte 1945 Königsberg mit der Panzerfaust gegen die anrollenden T 34 verteidigt, ich war in jenen Tagen dort bei Elbing verwundet in sowjetische Gefangenschaft geraten.

 

In der Tat kam es Anfang Februar 1985 zur erneuten Verhandlung, die auf zwei Tage angesetzt war. Das Gericht tagte abseits, in einem Altbau am benachbarten Holstenwall. Ein Dutzend Zeugen war geladen worden, nacheinander. Der wichtige Lademeister Zakrzewski ist nicht darunter. Als Anwalt hat das Gericht mir einen Schwarz beigeordnet, der vieles durcheinander bringt und von dem sich später herausstellt, daß er garnicht zugelassen ist. Mit unbekanntem Ziel verduftete er. Vollkommen vergeblich hatte ich mich gegen diese Entmündigung des Bürgers qua Zwang zum Anwalt gewehrt.

 

Der Zuhörerraum wurde "wegen Überfüllung geschlossen". Der angereiste "Rebell aus dem Remstal", Helmut Palmer, ist gerade noch eingelassen worden. Das Gericht ist noch nicht da. Der Polit-Staatsanwalt Klein hat seinen Gehilfen Lund vorgeschickt und der blättert in seiner Akte. So sitzen wir herum in froher Erwartung von Richtern und zwei Schöffinnen, am draußen aufgehängten Schild erkennbar als Justiz-Angestellte. Palmer, Sohn eines jüdischen Vaters mit einer eigenen Verfolgungsgeschichte, zieht sich eine schwarze Robe über, auf der ein grosses rotes Hakenkreuz prangt. Er demonstriert in freier Rede. Jeder versteht, was hier nazistisch verseucht, wer hier Hakenkreuzlehrling ist. Hochroten Kopfes stürmt der Lund aus dem Raum, kehrt zurück und gerade, als die Verhandlung beginnt, fällt ein Trupp Grünuniformierter in Kampfstiefeln - Ballermänner am Koppel - ein. Zunächst reißen sie mich vom Stuhl, dann lassen sie ab und greifen sich den Helmut Palmer, schleppen ihn ab. Die Prozeßbeobachter sitzen offenen Mundes da, "Bild" berichtet am nächsten Morgen: "Rollkommando im Gericht."

 

"Dieses Theater," kläre ich den Richter Gierga auf, "hat nach der jahrelangen Schöffen-Gaudi der Staatsanwalt Lund verschuldet. Der hat den Verein herbeitelefoniert. Ich sage keinen Ton, solange Freund Palmer nicht wieder im Raum ist." Der Gerichtsdiener wird losgeschickt, wenig später haben wir den Kämpfer zurück. Sein schwarzer Talar gammelt noch heute in der Asservatenkammer der Gerichte.

 

Die Zeugenvernehmungen konnten beginnen. Abteilungsleiter Hey von Kühne & Nagel empörte sich: "Dafür bin ich nun heute morgen aus Hong Kong zurückgekommen, um als erstes diese Ladung zu lesen, nur um hier jetzt das zu sagen, was ich doch schriftlich längst von mir gegeben habe. Bei FD-7 waren alle auf Tauchstation gegangen. Ums Verrecken waren die Bücher nicht frei zu bekommen." Der Lagermeister Peters war ebenfalls nicht erbaut: "Alles habe ich längst klargestellt und Waffen habe ich nirgend gesehen. Die Polizei hat den Raum aufgebrochen wie die Wilden und gegenüber hat ein Schlosser seinen Betrieb. Es lief ab wie bei den Chaoten von der Hafenstraße."

 

Am zweiten Verhandlungstag saßen vor dem Gerichtssaal die FD-7-Beamten auf den Bänken mit eingezogenen Köpfen wie die Hühner auf der Stange. Sehr bald schickten sie ihren Kröger, Hamburgs Polizeimeister im Boxen, rein in die Verhandlung. Der flüsterte mit dem Staatsanwalt Lund und der tuschelte dann mit dem Vorsitzenden Gierga und der machte einige leise Andeutungen zu den beiden Schöffinnen, die rechts und links von ihm dösten. Der Richter sprach eindringlich: "Herr Kardel, wollen Sie nochmals sechs Jahre auf Ihr Geld warten? Hier habe ich einen Vorschlag, dem Sie zustimmen können. An Ihrer Entschädigungssumme wird es keinerlei Abstriche geben. Sie wird wesensgleich der von 1982 sein. Wir stellen das Verfahren ein nach §153 der Strafprozeßordnung, das ist Nichtverfolgung von Bagatellsachen. Ich sehe schon, der Staatsanwalt stimmt zu. Nehmen auch Sie das Angebot an. Ihr Anspruch wird um nichts gekürzt und der Paragraph sagt 'nicht anfechtbar'. Das gilt für die Staatsanwaltschaft und damit kommen Sie endlich an Ihre Entschädigung, die ja kein Kleingeld sein wird."

 

"Eine Stunde Pause," bat ich und ein Haufen von dreißig Zuhörern zog in die nächste Kneipe an der Ecke am Holstenwall. Der Rechtsanwalt Schwarz, der keiner war, und die Beobachter des Geschehens rieten ausnahmslos: "Nimm an! Nicht nochmal sechs Jahre!" So kam es später im Saal zu meinem Ja-Wort. Die von der Staatsschutz-Polizei wurden nicht mehr gehört. Mit freudig erregten Gesichtern zogen sie ab Richtung Fahrstuhl, zu neuen Taten.

 

Der eigentliche Hammer kommt erst jetzt: Das Oberlandesgericht hatte bei dem ganz offenbar sehr schwierigen Entschädigungsrecht vor Abgabe an die zuständige Landgerichtskammer zu bestätigen und - tat dieses nicht. Aus meiner Zustimmung drehten sie mir diesen Strick: Mit dem Ja-Wort sollte ich eine Schuld anerkannt haben und damit sei der "nicht anfechtbare Beschluß" abzuändern. Mit diesem neuen Beschluß, mit diesem Staatsbetrug, der jedem ehrlichen Bürger unglaubhaft ist, verlor ich alles und habe - um es gleich zu sagen - noch draufzuzahlen. Das ist der laut Helmut Schmidt "beste Rechts-Staat der Deutschen Geschichte" in Reinkultur: Der staatsgeschädigte Bürger gewinnt "dem Grunde nach" und "der Höhe nach" verliert er Haus und Hof. Wir werden sehen, wie das im einzelnen geht, wie das geschoben wird.

 

Zunächst machte ich mich mit diesem neuen Trick des Oberlandesgerichts, das ja schon früher an seinem Beschluß "nicht festhalten" konnte, auf den Weg zum Landgerichtspräsidenten Makowka. Nach kurzem Telefonat war er in der nächsten halben Stunde gesprächsbereit. "Das ist doch hanebüchen," befand er, "die Entschädigungskammer hier beim Landgericht hat sich an den Spruch der Kleinen Strafkammer 11 zu halten. Ganz klar. Hier, nehmen Sie Papier und Bleistift," die Sachen schob Makowka mir über den runden Tisch. In diesem Fall tue ich etwas, das unüblich ist. Ich diktiere Ihnen einen Schriftsatz an die Entschädigungskammer, an der die sich Hände und Füße wärmen können." So geschah es. Das Diktierte tippte ich in meine Schreibmaschine und das Papier lieferte ich eingangsbestätigt bei Gericht ab. Nach fünf Tagen war - ungewöhnlich schnell - die Antwort da: "Unverständliche Ausführungen," hieß es darin und "nicht nachvollziehbar." Der Vorsitzende dieser Kammer, die im Volksmund Nicht-Entschädigungs-Kammer ist, heißt Seelemann. Mit seiner besonderen Antwort ging es nochmals zum Präsidenten Makowka. Der las und dann entfuhr es ihm: "Mensch, müssen die einen Schiß haben. Bin ich froh, wenn in einigen Jahren der Scheiß hier für mich vorbei ist. Ich dampf dann ab, weit weg, gen Süden, nach Spanien, Frankreich oder Italien." Im Schnitt einmal pro Woche beklagte zu jener Zeit dieser Präsident die Zustände bei der Hamburger Justiz, die sogenannten "Hamburger Verhältnisse" öffentlich. Seine Bezeichnung "Chaos" war dabei eine der harmloseren.

 

Beigeordnet wurde im Rahmen der Prozeßkostenhilfe nunmehr ein Rechtsanwalt Stange, der zunächst einmal beklagte, die nur fünfundzwanzig Prozent der sonst geltenden Gebühren zu erhalten. Nach dem Verbrauch meiner Ersparnisse hatte ich den bitteren Gang zum Sozialamt antreten müssen, lebte von den monatlichen DM 530.- Hilfe zum Lebensunterhalt mehr schlecht als recht. Zeitungen und Zeitschriften konnte ich mir nicht mehr kaufen und die gesellschaftliche Ächtung begann sehr bald und spürbar. Ich erspare mir die Schilderung der Begebenheiten. Schon in der nächsten Apotheke beginnt es bei ärztlich verschriebenen Medikamenten: "Keine Zuzahlung. Ist ja vom Sozialamt." Die übrige Kundschaft sieht verstohlen hin. Hauptsächlich französische Freunde im 'Midi', für die das ganze "des querelles allemandes" waren, hielten zu mir und luden mich ein, für Wochen und Monate. Den Strich durch die Rechnung machte mir sehr bald das Hamburger Verwaltungsgericht: "Ein Sozialhilfeempfänger hat die Leistung an dem Ort auszugeben, an dem er sie empfängt." Jahrgangskamerad Egon Bahr, den ich von den früheren Frankfurter Buchmessen her kannte und der meine Amtsverfolgung von Beginn an mitbekommen hat, setzte sich ein. Vier Wochen Abwesenheit pro Jahr wurden schließlich gewährt. Ein Rentner aus der damals noch vorhandenen DDR hatte größere Freiheiten, mehr Reisefreiheit.

 

Die Justizsenatorin Eva Leithäuser war zurückgetreten worden. Das "Hamburger Abendblatt" hatte berichtet über mit Likör verschmierte Aktenstöße, die neu geschrieben werden mußten; "rien ne va plus - nichts geht mehr, Eva." Der "Stern" berichtete von einer Sause in einem Lesbenlokal am Hauptbahnhof so: "Sturzbesoffen und ohne Geld." Auch in dieser Nacht war Frau Senatorin, wie manchesmal zuvor, mit einem Rettungswagen zur Ausnüchterung ins Karolinenviertel verbracht worden. Ihr Nachfolger wurde ein Rechtsanwalt Curilla.

 

"Den kenne ich aus der Schulzeit," fand eines Nachmittags der neue Rechtsanwalt Stange heraus. "Außerdem sind wir in der gleichen Partei (mithin SPD), mit dem kann ich. Eine dreiviertel Million ist im Spiel. Sie sollten mit der Hälfte zufrieden sein, mit Zinsen bekommen Sie bei meinem Vorschlag eine halbe Million auf die Hand." "Also los." "Alles klar," erschien drei Tage darauf der Stange in seinem Besprechnungsraum, "da gibt es nur zwei kleine Bedingungen: zu keinem ein Wort über diesen Handel und Sie lassen sich nieder außerhalb Europas. Lange lebten Sie in Marokko - ein schönes Land." "Wo es in den Bergen gelegentlich einen Autounfall ohne Zeugen gibt," sagte ich. "Für Ihre Bemühungen danke ich. Aber abgelehnt. Jetzt wird die Klage durchgezogen."

 

Rechtsanwalt Stange formulierte die neue Entschädigungsklage auf 31 Seiten und kam dabei auf die gleiche Summe einer Dreiviertelmillion wie zuvor der Rechtsanwalt Knott. Geltend machte er auch die Zinsen ab 1. Januar 1980, mein Gewerbe hatte ich an diesem Datum mangels Masse abmelden müssen. Bis zur Vernichtung meines Bücherlagers waren in den drei Monaten September, Oktober, November 1979 ziemlich genau DM 53.000.- an Zoll und Steuern abgeführt worden. Auch diese Angaben waren in dem 3 1 -Blatt-Schriftsatz enthalten.

 

Für die Anfechtung, Abänderung vom "nicht anfechtbaren Beschluß" der Gierga-Kammer, hatte der Stange dabei klare Worte gefunden: "Verstoß gegen die Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns," "Verstoß gegen Treu und Glauben," "gerichtlicher Prozeßbetrug." Beigefügt hatte dieser Anwalt seiner Entschädigungklage die schriftlichen Erklärungen vom Verwaltungsangestellten Thomas Kummrow, von der Kauffrau Eva Hoffmann, vom Außenhandelskaufmann Arno Voelkening, vom Verleger Heinz W. Hass, vom Maschinenschlosser Lothar Brandscheid, vom Oberstleutnant der Bundeswehr Günther Lange, vom Grafiker August Moritz und vom Schiffskoch Uwe Krüger. Sämtlich bestätigten sie übereinstimmend: "Der Einstellung des Verfahrens nach dem Bagatell-Paragraphen hat Herr Kardel nur zugestimmt, nachdem der Vorsitzende Gierga mehrfach zugesichert hatte 'Entschädigungsanspruch in voller Höhe, wesensgleich dem von 1982, ohne Abstriche, nicht mehr anfechtbar.`

 

Durch weitere Jahre verharrte die Entschädigungskammer des Timmermann in Untätigkeit. Der Rechtsanwalt Stange verlegte sein Büro und bei dieser günstigen Gelegenheit wurde er mich los, gab er mir das Mandat zurück, ohne daß es Streit gegeben hatte. Seinen Vater, einen früheren Schiffsoffizier auf den Weltmeeren, kannte und schätzte ich von Begegnungen bei Nagel am Hauptbahnhof. In seinem schönen Heim an der Elbchausse trafen wir uns nach dieser Fehlentwicklung. "Schade," meinte der alte Stange, "aber mein Sohn ist Freimaurer. Von daher weht wohl der Wind."

 

Sehr bald stand ich - auf der Suche nach neuem Anwalt - mit gelben Flugblättern wiederum vor dem Zivil- und Strafjustizgebäude am Sievekingplatz. Die Zahl "12" der amtsverfolgten Jahre war umrankt von einem Lorbeerkranz und die fette Überschrift hieß "Die Juristen sind unser Unglück." Richter, Staatsanwälte, nach ihrem Recht suchende Bürger bekamen das Blatt in die Hand, Morgen für Morgen, Ungefähr beim siebentausendsten Zettel sprach mich vor dem Strafjustizgebäude der Rechtsanwalt Strate an, der im Norden unserer Republik - wie Bossi im Süden - als Staranwalt gilt. Die "Hells Angels'' aus Hamburg, die Weimar aus Fulda, die Tennisspielerin Monica Seles aus den USA, der CDU-Spion Gerd Dörfer aus der Hamburger Bürgerschaft - sie alle gehörten oder gehören noch zu seiner Klientel. "Zwar bin ich Strafverteidiger," erklärt Strate in seinem Büro am Grindel, "und dieses ist jetzt reine Zivilsache. Sie jedoch - Sie brauchen einen Anwalt, der nicht die Flinte ins Korn schmeißt. Und der bin ich." Strates schwarze Möbel aus Tropenhölzern und die beiden weißen Papageien am Fenster passen zusammen.

 

Zur gleichen Zeit nahm mich ein anderer Strafverteidiger, der Rechtsanwalt Sempell, aufs Korn. "Der Zettelverteiler hat sich mir in den Weg gestellt, mich behindert," zeigte er an, wo in Wahrheit rechts und links meterweit Platz war. Mit dieser Erfindung hatte ich sehr bald beim Richter Tempke -"Scharfrichter" nannte ihn Presse - ein Verfahren am Hals. Amtsrichter Tempke strafte doppelt, am gleichen Tage. Aus der Verhandlung heraus wurde eine "Ordnunghaft" von drei Tagen vollstreckt, ohne Zahnbürste und ohne was. An die dreißig Uniformierte waren herangestürmt. Strafrichter haben unter dem Tisch den Knopf für eine Sirene und Tempke hatte draufgedrückt. Durch den ganzen Bau hatte es geheult. Für später gab es drei Monate Gefängnis wegen Beleidigung eines Anwalts. Die drei Hafttage Ende 1988 waren Folter: Die Einzelzelle war verschmutzt und verkotet, ohne Heizung bei nicht verschließbarem Fenster, mit starker Neonbeleuchtung auf den Schädel durch die ganze Nacht wegen Selbstmordgefahr". Nachtwäsche oder eine zweite Decke gab es nicht. Mauereinritzungen deuteten auf afrikanische Drogen-Dealer als Vorgänger: "Coming from Ghana for helping a friend."

 

Sechs Monate nach Verbüßung dieser Tempkeschen "Ordnungshaft" hörte in der Berufung ein Richter Stello Zeugen der vorherigen Verhandlung, auch den Staatsanwalt Moser und die Protokollführerin Eggers. Übereinstimmend sagten alle "Sowas hat Herr Kardel gar nicht gesagt. 'Es geht hier zu wie bei Freisler', das habe ich nicht gehört." Und die Eggers ergänzte: "Ich darf ja nicht protokollieren, was ich höre, sondern nur das, was der Richter mir diktiert." Richter Stello hörte auch den Richter Tempke, der sich an rein garnichts erinnern wollte. Stello konnte nicht anders, er mußte mich nachträglich freisprechen. Für eine Haftentschädigung war die bereits bekannte Kammer 3 zuständig und der Vorsitzende Seelemann fand heraus: "Für zu Unrecht erlittene Ordnungshaft sieht das Gesetz eine Entschädigung nicht vor." Der Tempke bleibt in richterlicher Unabhängigkeit weiter auf das Volk losgelassen. Seine weiteren drei Monate Gefängnis, die er mir aufgebrummt hatte, wurden in zweiter Instanz aufgehoben. "Womit war der Rechtsanwalt Sempell überhaupt beleidigt worden?" fragte die Richterin in den Raum. Nachzutragen bleibt, daß der Staatsanwalt Moser einen Freispruch beantragt hatte. "Den Richter Tempke," sagte er, "habe ich überhaupt nicht verstanden." Über diesem Tempke - nur der blaue Himmel.

 

Der gute Draht zum Landgerichts-Präsidenten Makowka riß im Plenarsaal des Ziviljustizgebäudes. Dr. Ingo Müller von Bremens Landesvertretung in Bonn hatte ein Buch geschrieben: "Furchtbare Juristen." Der Saal war gerammelt voll von Richtern, Staats- und Rechtsanwälten, einige standen an den Wänden. Als der Verfasser seinen Vortrag beendet hat, ruft Hausherr Makowka auf zur Diskussion. Ich springe auf: "Der Vortrag endete bei 1945 - ich habe da ein Beispiel von später. Von hier und heute." Dr. Makowka greift ein: "Hier ist nicht der Ort für Ihren Einzelfall." Rufe kommen aus dem Publikum: "Doch!" "Wolln wir hören." "Freie Rede." Das kommt von Frauen und Jüngeren. Doch Makowka bleibt stur. Ich gehe und es geschieht, was keiner erwartet hat: Dr. Ingo Müller geht mit. Am nächsten Abend hält er seinen Vortrag im Audimax, dem großen Hörsaal der Hamburger Universität. Seine Ausführungen enden so: "Im Falle Kardel habe ich mich sachkundig gemacht. Hier in Hamburg gibt es heute wieder furchtbare Juristen."

 

Mit denen gehen weitere Jahre ins Land. Während meiner vierwöchigen angemeldeten Abwesenheit zu den Jahresendfesten in Südfrankreich gibt es im fünfzehnten Jahr die erste und einzige Vernehmung des Lademeisters Zakrzewski, ich kann nicht und der Rechtsanwalt Strate stellt keine Fragen. 1979 hatte der Lademeister im Schuppen 17 das Zerstörungswerk beobachtet und der erinnerte sich noch gut, wie es hier zuvor beschrieben worden ist: Der Rauswurf der Bücher in Sturm, Hagel und Schnee. "Jetzt gibt es die Kohle," sagte Strate, als ich zurückkehrte. Er sagte das irrtümlich oder - wie ich heute glaube - zur Täuschung.

 

Zugesprochen wurden zwei Jahre später von der Entschädigungskammer ganze DM 14.000.-. "Die Bücher," das war die Weisheit des Gerichts, "hätte der Entschädigungskläger trocknen können. Seine Existenz hätte er durch den Neudruck der Bücher retten können." Dieses Entschädigungsurteil erklärt sich keineswegs aus der Welt- und Lebensfremdheit bundesdeutscher Richter. Es hat zu tun mit den Weisungen der beklagten Justizbehörde, ist nur verständlich mit dem Druck dieser Behörde auf die Richterschaft. Bei Licht betrachtet hat die Täter-Justiz in Selbst-Justiz gerichtet, einen Menschen hingerichtet. Vorsitzender des Richter-Wahlausschusses ist der Justiz-Senator selbst in Personalunion. Er befördert seine Richter oder - nicht. Das wußten bei der Kammer 3 auch die Richter Seele- und Timmermann. Bei diesen beiden Richtern (der dritte vorgeschriebene Richter wechselt häufig) ist der Stadtstaat Hamburg sich sicher - vor allem bei den vielen Kunstfehlerprozessen -, daß der Bürger zweiter Sieger bleibt.

 

Mit dem Vernichtungsspruch ging der Rechtsanwalt Strate nach Karlsruhe, zum Bundesgerichtshof. Dort beauftragte er einen Anwalt Professor Dr. Nirk, der falsch ausführte, wo es nur ging. Das meiste davon wird von Strate gekommen sein. So wurden plötzlich versehrte Buchumschläge in den Prozeß eingeführt, die es nie gegeben hatte. Den Richtern mußte sich die 79er-Aktion als einigermaßen harmlos darstellen - lediglich Schutzumschläge seien eingerissen worden. Der Rechtsanwalt Strate wünschte nicht, daß ich den Nirk berichtige. Ich schrieb dennoch und dabei wuchs das Mißtrauen. Heute zähle ich diesen Staranwalt zu den "furchtbaren Juristen". Wegen Parteienverrats habe ich diesen Mann bei der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer angezeigt. Zwei- oder dreimal war zu dieser Zeit Strate laut Presse im Gespräch für den Posten des Hamburger Justiz-Senators. Am 30. August 1995 balkte das "Hamburger Abendblatt": "Kommt jetzt Gerhard Strate?". Seit dem Abgang vom Curilla ist dieser Posten häufiger zu haben. In diesen Staats-Angeboten finde ich die Erklärung für Strates allmächtiges Hilfsangebot bei der Flugblattverteilung am Strafjustizgebäude.

 

So erhellt sich mir auch, daß Strate mich bei der Lademeister-Vernehmung nicht dabei haben wollte. Ich hätte Fragen stellen können. So begreife ich weiter, daß Strate mich veranlaßte, "für Karlsruhe" eine Kollekte in meinem Freundeskreis für die Gerichtskosten zu veranstalten. Summen von DM 1.000.-, 500.- und kleinere gingen auf sein Konto für den guten Zweck. Keine müde Mark kam nach Karlsruhe. Die Justizbeitreibungsstelle des Bundesgerichtshofs bestätigt mir im Februar 1996 "wunschgemäß, daß auf die Kostenrechnung bisher weder von Ihnen noch von dritter Seite eine Zahlung erfolgt ist." Dieserhalb angeschrieben, erklärt Strate mit einem Unmutsbrief: "Ich bedaure, Ihnen jemals die Hand gegeben zu haben." Eine andere Erklärung folgt nicht. Seitdem ruht der ganze Vorgang beim Bundesverfassungsgericht, wo es dann wieder den Zwang zum Anwalt nicht gibt und wo Bürgerklagen in 99% der Fälle nicht angenommen werden und das restliche eine Prozent in aller Regel auf der Strecke bleibt. Es gibt mehr Sechser im Lotto als Bürger, die beim Karlsruher Verfassungsgericht mit ihrer Klage durchgekommen sind.

 

In Hamburg ist der Stand der Dinge: Die zugesprochenen DM 14.000.- für "abhanden gekommenes" - das ist das von der Staatschutzpolizei Geklaute - sind voll an das Rechtsanwaltsbüro Scholle & Scholle gegangen, das während der zwölf Jahre das Vertragsbüro der Justizbehörde war und seit 1945 weiter ist. "Diese Sozietät," so erzählt der bereits erwähnte VVNler Händler, "die war im Dritten Reiche schon das Vertragsbüro der Justiz. Ein berüchtigter Laden. Der alte Scholle brachte uns Widerständler reihenweise ins KZ." So ist das Geschäft mit kritischen Bürgern ein Erbhof wie wir ihn von anderen Justizposten im Übermaß kennen.

 

Für die nicht zugesprochene eingeklagte Entschädigungssumme macht - auch dieses in schöner Selbst-Justiz - die beklagte Justizbehörde Gerichtskosten geltend in Höhen, die schwindlig machen. Die Obergerichtsvollzieherin Kirchner, der Gerichtsvollzieher Funck und die Gerichtsvollzieherin Sievers geben sich mit Haftbefehlen die Klinke in die Hand. Noch bin ich trotz allen Jagens frei, zum einen weil nicht pfändbar und zum anderen weil nach ärztlichem Urteil durch die Hatz "nicht haftfähig." So ist der Stand der Dinge im achtzehnten Prozeßjahr: 1979 Geborene werden gerade volljährig.

 

Politiker schaffen Verdruß

 

Am Anfang und am Ende dieses Schlußkapitels wird das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland der Wirklichkeit gegenüber gestellt. Der Artikel 1 lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Kein Inhaber der Gewalten kann oder will erklären, ob dieser achtzehnjährige Prozeß wegen eines Buches mit abweichender freier Meinung gegen die Würde des Menschen verstößt oder nicht. Die Besitzer dieser Gewalten sind in aller Regel Juristen und entsprechend sind ihre Antworten ausweichende, werden von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt.

 

Sitz der "Welt", die in Serie gegen mich und das Buch gehetzt hatte ("Agent zwischen Braun und Rot"), ist Bonn. Der Präsident des Zentralrats der Juden, der im ,jüdischen Pressedienst" gegen den "Begründer" zu Felde gezogen war ("geschrieben worden, um neue Judenmorde auf der ganzen Welt hervorzurufen"), sitzt in Bonn. Aus dieser Kapitale wurde das Zerstörungsunternehmen gegen das Werk gesteuert, das gewidmet ist "der Meistverfolgten unserer Zeit: der Wahrheit." Der Buchmesse-Ross behauptete 1979, wie wir heute wissen, zu Recht: "Unser Arm ist sehr lang." Jetzt kommen aus dem Bundeskanzler- und dem Bundespräsidialamt, wo Juristen das Sagen haben, auf die Frage nach der Würde gleichlautende, verweisende Antworten: "Die Justiz ist Ländersache. Eine Stellungsnahme ist daher im Ramen der Gewaltenteilung nicht möglich." Der eine meint, die Richtlinien der fremdgesteuerten deutschen Politik zu bestimmen. Der andere macht den Frühstücksdirektor, der bei allen passenden Gelegenheiten genau das redet, was das Volk an seine Souveränität glauben macht.

 

Übrige Bonner Gestalten verkriechen sich bei der Frage nach der Würde hinter ihren Aktenstapeln. Der Bundesinnenminister Kanther: "Das Bundesministerium des Innern äußert sich grundsätzlich nicht zu Gerichtsverfahren, die von Bürgern vor deutschen Gerichten geführt werden." Angefragt wird danach beim Bundesminister der Justiz. Herr Schmidt-Jortzig läßt antworten: "Das Bundesministerium der Justiz ist nicht befugt, Rechtsrat oder Rechtsauskünfte bezogen auf konkrete Einzelfälle zu erteilen." So wird die Frage an den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages gestellt. Die Bescheidung ist: "Was Ihre Empörung im Hinblick auf das von Ihnen angesprochene Verfahren anbetrifft, so kann Frau Prof. Dr. Süssmuth Ihnen nur raten, sich anwaltlich vertreten zu lassen." Demnach hat sich der Zwang zum Anwalt ab Zweitinstanz, die Entmündigung des Bürgers auf diesem schlüpfrigen "Rechtsweg", bisher noch nicht bis zur obersten Dame der Republik herumgesprochen.

 

Zur Tatzeit 1979 waren in Bonn und in Hamburg Sozialdemokraten die "Ersten" - Helmut Schmidt und Klaus von Dohnanyi. In ihrem Sinne erteilt jetzt Herr Scharping seine Antwort: "Der SPD-Parteivorstand kann zu den geschilderten Vorgängen keine Stellung nehmen. Bitte wenden Sie sich an die zuständigen Stellen Ihres Bundeslandes." Genossin Heidemarie Wieczorek-Zeul wird kumpelhaft in ihrem lieblichen Briefchen: "Inzwischen habe ich Ihr Schreiben an meinen Kollegen Hans Ulrich weitergeleitet. Es war zur Zeit der von Ihnen geschilderten Vorkommnisse Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Haben Sie bitte Verständnis für diese arbeitsteilige Vorgehensweise. Der Umfang der hier eingehenden Post läßt leider keine Alternative zu diesem Verfahren zu. Mit freundlichen Grüßen Ihre Heidi." Gemeint ist vermutlich ein Hans Ulrich Klose, Jurist wie sein Nachfolger von Dohnanyi und Hamburgs jetziger "Erster Bürgermeister" Voscherau. "Hans Ulrich" antwortete übrigens nie.

 

In der Wirtschafts- und Hafenstadt Hamburg besetzt mit diesem Voscherau der siebente Jurist hintereinander den Platz des "Ersten". Der Gegenkandidat Ole von Beust von der CDU ist vom gleichen Berufsstand. Juristen, Juristen. So geht es auch in den Nachbarländern, wo in Niedersachsen der Ministerpräsident Schröder und der andere Amtsbewerer von der CDU beide von der Gilde der Rechtsanwälte sind. Aus Hannover antwortet die Justizministerin: "Auf Eingabe zu Sachverhalten, die außerhalb der Kompetenz der niedersächsischen Landesregierung liegen, kann ich Ihnen eine Antwort nicht in Aussicht stellen."

 

Aus der Sächsischen Staatskanzlei kommt von Kurt Biedenkopf: "es ist mir versagt, zu Fragen Stellung zu nehmen, die in die Zuständigkeit einer anderen Landesjustizverwaltung fallen." Rheinland-Pfalz antwortet: "Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt." Aus Brandenburg klingt es so: "Es steht einem Bundesland nicht zu über die Justiz eines anderen Landes zu urteilen." Das Schwabenland formuliert ähnlich: "Eine Stellungnahme zu Ihren Anschuldigungen gegen die Hamburger Justiz ist mir nicht möglich." Aus Nordrhein-Westfalen läßt "Bruder Johannes" bescheiden: "Leider sieht der Herr Ministerpräsident Rau beim besten Willen keine Möglichkeit, Ihnen im Sinne Ihrer Erwartungen zu helfen."

 

Aus Hamburg selbst antwortet auf die Frage nach der Würde des Menschen der gewesene Justizsenator Curilla, ein Rechtsanwalt, der das Verfahren durch all die Jahre schleppen ließ, so: "Ich bitte Sie um Verständnis, daß es mir wegen des noch schwebenden Verfahrens nicht möglich ist, eine für Sie wichtige, günstigere Behandlung der Angelegenheit zu erreichen." Der Hamburger CDU-Gegenkandidat, der Jurist Ole von Beust, erstrebt für das Jahr 1997 die große Koalition im Rathaus und folgerichtig erwidert der Rechtsanwalt mit der gebotenen Vorsicht: "Da Ihr Fall schon 18 Jahre zurückliegt, halte ich eine Senatsanfrage für nicht mehr aussichtsreich."

 

Sehr langsam und möglicherweise nicht zu spät wächst bei den Bürgern die Erkenntnis, daß wir in Deutschland von einer Einheits-Partei der Jurokraten aller Farben und eben nicht von in der rauhen Wirklichkeit Bewährten regiert werden. Mit diesen juristischen Amtsinhabern blühen und gedeihen Schein-Asylantentum durch Betrug, Organisierte Kriminalität durch Mord- und Drogenbanden aus dem wilden Kurdistan, aus Rußland und vom Balkan, die "Neue Armut" deutscher Schaffender durch das Hereinströmen aus Billig-Lohn-Ländern. Keines dieser Probleme bekommen Juristen-Politiker in den Griff. Aus einem einst steuerehrlichen Volk machten sie Meister des Steuerbetrugs. Mit aller Gewalt und viel Propaganda sind nur noch etwa fünfzig Prozent an die Wahlurnen zu bringen. Die Parteien-, die Politiker-Verdrossenheit breitet sich aus, Tendenz steigend. Alles wird verdrängt, weggeschoben, in jeder Debatte wird geheuchelt.

 

Nur als Beispiel für Lügenhaftigkeit diene Hamburgs jetziger Erster, der Henning Voscherau. Wir begegneten uns oft, als der Mann noch Fraktionsvorsitzender der Hamburger SPD war. Ende 1982, als das Hanseatische Oberlandesgericht auf Befehl umgefallen war ("kann an seiner früheren Meinung nicht festhalten"), erregte er sich künstlich über die Länge des Verfahrens, zunächst mündlich, dann aber auch brieflich: "Gestatten Sie mir, den Eingabenausschuß zu informieren und einzuschalten, in Ihrer Sache offizielle Anfragen an den Senat zu richten, bevor ich 'loslege'." Es kam zu nichts. Wie andere zu Neujahr Glückwünsche verschicken, so habe ich dieses Muster eines Juristen-Politikers an sein "Loslegen" einmal im Jahr erinnert völlig vergeblich. Antworten kommen nicht mehr.

 

Bekanntlich ist die alte Bundesrepublik aus "Trizonesien" entstanden und bei Beginn von zwei abgefeimten Juristen auf den rechtsunsicheren Weg gebracht worden. Erster Kanzler wurde ein altgedienter Verwaltungsjurist, der durch die Jahre von Hermann Göring geschützte Konrad Adenauer. Als Haupthelfer bei dem Marsch in die Jurokratie, als Graue Eminenz, stellte er einen Hans Maria Globke ein, der zuvor als Verfasser der antijüdischen Nürnberger Rassegesetze sein Brot staatskriminell verdient hatte. Diesen beiden haben wir zu verdanken, daß wir statt Volksvertretungen Juristen-Parlamente, statt Persönlichkeitswahlen ParteienWahlen mit dem Vorzugsparagraphen 33 Beamtenrechtsrahmengesetz bekamen - statt einer Demokratie die heutige Juristen-Hoheit über das Volk. Unser Volk, das damals mit dem Wiederaufbau vollauf beschäftigt war, konnte sich nicht kümmern. In diese Lücke stießen die beiden Ausgeruhten, sie stellten die Weichen. Von Jahr zu Jahr verstärkten sie ihren Apparat klamm und heimlich. Heute haben Juristen alle wichtigen Posten in Regierung, Parlament und Verwaltung fest in der Hand. Auch Sprecher, persönliche Referenten, wissenschaftliche Mitarbeiter sind von dieser Staatsfakultät, nahezu alle. Justizmord ist an der Tagesordnung: Wer frank und frei andere Meinung als die durch die vierte Gewalt der Medien verordnete äußert, der wird hingerichtet. Scheibchenweise - so merkt es keiner.

 

"Wo man Bücher vernichtet, da vernichtet man am Ende auch Menschen" - sie wissen was sie tun. Die "biologische Lösung" ist in Fällen anderer Meinung ihre juristisch abgesicherte Waffe, jedenfalls eine ihrer Hauptwaffen. Abgewrackte, die sich in Ämtern oder Gewerkschaften nicht angepaßt verhielten, findet man ohne viel zu suchen in Hinterhöfen: "Die im Dunkeln sieht man nicht." Beim Start meiner Verfolgung 1979 war ich kerngesund, hatte nur Typhus und Malaria in der sowjetischen Gefangenschaft überstanden. Mit dem zwölften Verfolgungsjahr kamen die Erkrankungen am Herzen und Kreislauf, stieg der Blutdruck. Ärzte und Amtsärzte befinden: "Ursache ist das lange Verfahren, das Sie täglich in der Schwebe hält, das Sie nicht losläßt." Die Ämter zahlen inzwischen ein Pflegegeld von monatlich fünfhundet Deutschmark. Dem Justizminister in Bonn versuche ich bei Anleierung eines Verfahrens dieser Schädigungen wegen klar zu machen: "Da kann doch die Hamburger Justiz, die mich seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten so fest im Griff hat, nicht in Selbst-Justiz urteilen." Ungerührt kommt der Bonner mit der Zuständigkeit jener Hamburger Justizbehörde, die von mir seit 1982 mit "rechtskräftiger", später "nicht anfechtbarer Entschädigung" beklagt wird. Ganz folgerichtig landet diese Klage wegen Zerstörung der Gesundheit dort, wo wir nicht lange zu raten brauchen - bei der NichtEntschädigungskammer 3 des Hamburger Landgerichts unter dem ewigen Timmermann. Der ist dann auch am 14. November 1996 schnell mit einem Beschluß bei der Hand: "Das zugrundliegende Begehren des Antragstellers ist nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vor Jahren beschieden worden. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht wird die beabsichtigte Rechtsverfolgung abgelehnt." Mit diesem Hamburger Beugen des Rechts, mit dieser Rechtsverweigerung kann Bonn wieder einmal seine Hände in Unschuld waschen.

 

Der das achtzehnjährige Prozeßgeschehen beherrschende "Volksverhetzungsparagraph 130" ist witzigerweise auf den Tag genau fünfzehn Jahre nach dem Selbstmord des "Führers", nämlich am 30. April 1960, durch die Bonner in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. In jenen Tagen begegnete ich einmal wieder dem Händler von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der gerade enttäuscht von einer Reise in die DDR nach Hamburg heimgekehrt war. "Die Nazis," sagte er, "hatten das Heimtückegesetz, drüben heißt es Boykotthetze und mit diesem Paragraphen 130 haben die Bonner jetzt gleichgezogen. Maulkorb früher wie heute, drüben wie hier. Wir leben in Deutschland."

 

In der Tat läßt sich mit dem Paragraphen 130 alles und bei Bedarf auch nichts machen. Nichts -wenn ein US-amerikanischer Goldhagen mit lärmender Hetze durch Deutschlands große Städte zu Kundgebungen und Fernsehauftritten zieht. "Hitlers willige Vollstrecker" heißt das Pamphlet. Der rote Faden des Machwerks ist: "Die Deutschen konnten zum Massenmord nein sagen. Sie haben sich dazu entschlossen, ja zu sagen." Der Chefredakteur einer in Bonn erscheinenden Zeitung bespricht den Schmäh auf seine Art: "Die Deutschen haben sich geändert. Die Großeltern waren grauenhaft. Die Enkel sind nur noch erbärmlich." Die mit dem Paragraphen "Volksverhetzung" in Karlsruhe, Bonn und Berlin angerufenen Justizherren setzen in diesem Falle das Gesetz außer Kraft. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe: "Die von Ihnen erhobenen Beschuldigungen erfüllen den Tatbestand des § 130 StGB nicht. Ich rate Ihnen daher ab, Strafanzeige bei den Staatsanwaltschaften Berlin und Bonn zu erstatten. Der Inhalt Ihres Schreibens gibt zudem Anlaß, sich ausdrücklich von Ihren ideologisch geprägten Ausführungen zu distanzieren."

 

In Bonn ist der Bundesjustizminister am Abwiegeln: "Sie sind in der Form korrekt und inhaltlich zutreffend vom Generalbundesanwalt beschieden worden." Die Staatsanwaltschaft Bonn antwortet nicht. Die Staatsanwaltschaft 1 in Berlin weiß wenigstens dieses: "Bei Durchsicht des Buches konnten volksverhetzende oder verunglimpfende Passagen nicht festgestellt werden."

 

So läßt sich mit pflaumenweichen Bescheiden trefflich neuer Antisemitismus züchten - von staatswegen in beamtenhafter Feigheit und offener Verkennung der Wirklichkeit. Der Volksverhetzungsparagraph trifft als Bundesacht wie eine Keule nur diejenigen, die unter Berufung auf Artikel 5 Grundgesetz ihre Meinung immer noch frei heraus sagen und schreiben.

 

Der Volksverhetzungparagraph ist nur dann in der Versenkung verschwunden, wenn gegen das deutsche Volk gehetzt wird: -.. die Enkel sind nur noch erbärmlich." Der britische "Observer" weiß demgegenüber genau, wie und wo Goldhagens Pamphlet einzustufen ist: "This work is a single hymn of hate against the Germans." Für bundesdeutsche Juristen bleibt der faule Schinken die Bibel.

 

Der alte Ernst von Weizsäcker warnt in seinen "Erinnerungen", herausgegeben vom Sohne Richard: "Einsichtige Juden gaben schon vor 1933 beunruhigt zu, daß sie bei ihren großen Chancen in der Weimarer Republik ihr Konto überzogen hatten." Die Geschichte lehrt, daß aus der Geschichte nicht gelernt wird.

 

Anwendung und Nichtanwendung des Paragraphen 130 lassen sich erklären mit der Politik der angeblich freien Hand, die in Wahrheit den Bonnern von fremden Zwingherren geführt wird. Die Einführung dieses Paragraphen in das Strafgesetzbuch soll bewirken, daß der Bürger nicht mehr aufmuckt, schweigt, Angst bekommt, zum idealen Untertan wird, der selbst bei gröbsten Beleidigungen nicht hinhört. Diejenigen, die bei Rushdie Krokodilstränen vergießen, sind soweit gebracht, daß sie wegschaun, wenn einer der Eigenen scheibchenweise hingerichtet wird.

 

Die in München erscheinenden "Staatsbriefe" befinden 1995: "Aus dem § 130 StGB läßt sich nicht mehr herausinterpretieren, was eigentlich verboten ist, dafür aber alles mögliche hineininterpretieren, was dazu führt, daß jede Auseinandersetzung über politische, wirtschaftliche und soziale Themen durch die generalpräventive Anwendung von § 130 StGB verhindert werden kann. Hierdurch wird die durch Artikel 5 GG garantierte Meinungsfreiheit in allen ihren Facetten in diesem Bereich praktisch außer Kraft gesetzt." Dazu kennen wir bereits aus der Vorbemerkung dieser Streitschrift das bemerkenswerte Eingeständnis des amtierenden Bundesjustizministers Schmidt-Jortzig: "Wir werden über die Vereinten Nationen eine Rüge bekommen, weil wir die Meinungsfreiheit einschränken." Allein an diesem einen Satz erkennen wir, daß unsere Spitzen-Juristen, unsere Politiker ganz hoch droben, bis weit in die 70er-Jahre von furchtbaren Juristen des Dritten Reiches ausgebildet worden sind - der Schoß ist fruchtbar noch.

 

So wird diese Schrift recht verstanden, wenn der weithin unbekannte Artikel 20 des Grundgesetzes bei Berufsverbot der hier geschilderten Art, bei Existenz- und physischer Vernichtung, in das Bewußtsein der Bürger dringt: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand."

Jede Verbreitung von Informationen ist geschützt, unabhängig davon, wie volkstümlich, wie geschmacklos oder wie gegensätzlich diese zur allgemeinen Meinung sind. Grundsätzlich ist jeder Versuch, mit Worten oder Aktionen, Meinungen zu unterdrücken oder solche Personen für solche Meinungen zu bestrafen, ein Angriff auf die Redefreiheit. Ohne Frage ist die Androhung von kriminellen Verfahren ein Angriff auf die Redefreiheit.

 

Bestimmte Teile unserer Gesellschaft haben ihre Forderungen dermaßen ausgeweitet, daß sie die Freiheit der anderen gefährden. Sie kritisieren nicht nur Darlegungen von Ansichten, die nicht mit den ihren übereinstimmen, sondern verlangen, daß entgegengesetzte Meinungen unterdrückt werden sollen. Sofern Richter entscheiden, was 'politisch richtig' erscheint, aber ungesetzlich ist, üben sie eine Zensur aus.

 

Alle Kommunikationen, die eine Ansicht vertreten, sind von der »Charter of Rights« verfasssungsrechtlich geschützt, sofern diese friedlich, ohne Gewaltanwendung vertreten werden. Der Inhalt der Kommunikation spielt keine Rolle. Grund oder Zweck dieser gesetzlichen Garantie ist es, eine freie Diskussion zu erlauben, mit dem Ziel, die Wahrheit zu vertreten und politische und soziale Mitgestaltung, sowie Selbstverwirklichung zu garantieren. Dieses Ziel schließt den Schutz für Ansichten von Minderheiten ein, welche die Majorität als nicht richtig oder falsch betrachtet.

 

aus der "Erklärung der Menschenrechte"

 

 

 

 

Hennecke Kardel wurde 1922 in Friedrichstadt (Schleswig-Holstein) als Sohn des Hebbel-Forschers Rudolf Kardel geboren. Kindheit an der Nordsee. In den dreißiger Jahren Schulzeit in Hamburg-Altona. Nach Kriegsabitur 1940 als Infanterist auf dem Balkan und in Rußland, Infanterie-Offizier, zwölf Verwundungen, Ritterkreuz vor Leningrad, nach Kriegsende Flucht aus dem sowjetischen NKWD-Zuchthaus Wilna, Partisan im Nachkriegs-Baltikum. In den fünfziger Jahren Kaufmann in Hamburg, Baubeschläge. In den sechziger Jahren Aufkäufer für Antiquitäten in der nördlichen Sahara, Logenplatz des Weltgeschehens in Tanger. Reisen in der "Dritten Welt" in den siebziger Jahren. Seit 1979 politische Verfolgung durch Hamburger Senat und Justiz: Beschlagnahme seiner Bücher im Hamburger Hafen und Vernichtung seiner Existenz.

 

Buch-Veröffentlichungen:

 

" Geschichte der 170. I.D. Das Tuch ", "Adolf Hitler - Begründer Israels Hitlers Verrat am Nationalsozialismus ", " Springers Nazionismus ", " Ein Zug durch Springers Gemeinde ", " Das Neutralistische Manifest Das öffentliche Ärgernis

 

" Rechts-Staat - links der Elbe

 

Schriften über:

 

Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker Klaus von Dohnanyi, Henning Voscherau, Michael Gorbatschow. Abhandlung "out of area " und Übersetzung von Solschenizyns " Ostpreußischen Nächten".