Atomkraftwerke sind großer Mist

Vorwort: Der nachfolgende offene Brief wurde am 19.8.1982 von Herrn Professor em. Dr. Erich Huster an den damaligen Bundespräsidenten Prof. Dr. Karl Carstens gerichtet. Professor Huster war von 1959 bis 1978 Direktor des Instituts für Kernphysik der Universität Münster. Er ist am 20.11.1984 verstorben.

Nachdem die rot-grüne Koalition 1998 die 16 verlorenen und verkorksten Regierungsjahre des "Dicken aus Oggersheim" beendete, war eines der wichtigsten Amtshandlungen der zwischenzeitlich perfekte Ausstieg aus der Atomenergie. Da nun aber die CDU/CSU wiederholt angekündigt hat, im Falle eines Regierungswechsels die normativen Grundlagen zu ändern und zur Kernkraft zurückzukehren, ist der nachfolgende offene Brief nicht nur "Geschichte", sondern fortbestehende Mahnung, "den Geist in der Flasche zu belassen".

 

Offener Brief

Herrn Bundespräsident Prof. Dr. jur. Karl Carstens 5300 Bonn

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Am 28.2.1977 habe ich Ihrem Amtsvorgänger, Herrn Walter Scheel, in einem Offenen Brief meine schweren Bedenken gegen den weiteren Ausbau der Kernenergie dargelegt und zudem vorgeschlagen, zu eingehenden Sachdiskussionen nicht wie üblich nur "Experten" der Kernindustrie und der mit ihr verknüpften Institutionen, sondern verstärkt Fachleute heranzuziehen: Physiker, Chemiker, Biologen, Ökologen, Geowissenschaftler, usf.

Wie zu erwarten, sind weder dieser Vorschlag noch meine Ausführungen über die Lügen von Industrie und Ämtern zur Kernenergie ("keine andere Möglichkeit, billig, sauber, umweltfreundlich, praktisch gefahrlos, Entsorgung gesichert") amtlich beachtet worden. Nicht einmal der schwere Unfall in Harrisburg, der nur knapp an einer Katastrophe mit Millionen Opfern vorbeiführte, hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sonst könnten nicht einflußreiche deutsche Politiker den weiteren Ausbau der Kernenergie "ohne Wenn und Aber" fordern. Und Sie selbst hätten nicht sagen können, Ihr Besuch in Grafenrheinfeld habe Sie von der Ungefährlichkeit der Kernenergie überzeugt. Freilich hätten Sie das auch ohnedies schon vorher gewußt. Hierzu kann man nur sagen: Vor Radioaktivität warnt den Menschen kein Sinnesorgan. Und: Bevor sie hochfliegt, ist eine Dynamitfabrik ungefährlicher als eine Bäckerei.

Ich kann nicht erwarten, daß Sie meinen Brief an W. Scheel (noch) kennen und auch nicht meine Ausführungen zu Harrisburg. Deshalb füge ich je eine Kopie bei. Ich habe von den Texten nichts zurückzunehmen. Und darin, daß Kernenergie und Demokratie unvereinbar sind, kann ich Klaus Traube (s. Rückseite meines Harrisburg-Artikels) nur beipflichten.

In meinen Vorlesungen, Vorträgen und Schritten habe ich bisher vorwiegend die eingetretenen und zu erwartenden Gefahren für Gesundheit und Leben behandelt, die der Kernindustrie notwendig eigen sind; von der Förderung und Aufbereitung des Uranerzes, über Anreicherung des Uran-235, Brennelement-Herstellung, Reaktoren der 1. und vor allem der 2. Generation (Brüter, Hochtemperaturreaktor), Wiederaufbereitung, bis zur Endlagerung des "Atommülls"; im Normalbetrieb und bei Unfällen. Auf allen diesen Stufen der Kernindustrie werden radioaktive Stoffe abgegeben, die zunehmend zusätzliche Leukämien, Krebse, Erbschäden erzeugen. Ein schwerer Unfall kann das Ende der BRD bedeuten. (Man halte das nicht für übertrieben.) All das ist von fachkundigen Wissenschaftlern aus aller Welt in zahlreichen Arbeiten warnend dargestellt worden.

Deshalb möchte ich hier zunächst einiges zur Ökonomie der Kernindustrie sagen. Ich hoffe, daß wenigstens dies unseren Politikern einleuchten könnte, zumal in der Finanzflaute des Staates. Große wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse sind hierfür nicht erforderlich.

Das weit herausragende Beispiel gewissenloser Verschwendung von Steuergeldern ist der Schnelle Brüter" SBR-300 bei Kalkar. Veranschlagt auf 0,5 Milliarden DM hat er bisher über 6 Milliarden verschlungen, er wird sicher 7, vielleicht 10 Milliarden DM kosten. Machen wir jetzt einige völlig utopische Annahmen: 1) Der fertige Brüter, 300 MW = 300.000 kW, laufe stöhrungsfrei unter Vollast 7000 Stunden/Jahr. Erzeugung: 2,1 Miliarden kWh. 2)Der Strom koste ab Werk 0,10 DM/ kWh.Ertrag also 0,21 Milliarden DM /Jahr.

3) Der Brüter arbeite ohne jede Betriebskosten! D.h. Personal, Brennstoff, Reparaturen, Zinsendienst: alles kostenlos. 4) Wiederaufbereitung (Plutoniumgewinnung!), Abbruch, Endlagerung von "Atommüll" (incl. radioaktivem Abbruch-Schutt) kosten ebenfalls keinen Pfennig.

Dann, unter diesen hirnrissigen Voraussetzungen, muß der Brüter, kostet er 6,3 Milliarden DM, 6,3/0,21 = 30 Jahre, kostet er 8,4 Milliarden DM 8,410,21 = 40 Jahre störungsfrei laufen, bis der erste Groschen verdient ist!

Die Betreiber aber schätzen die Lebensdauer eines Brüters auf 10 Jahre. In 40 Jahren wären 3 bis 4 Neubauten erforderlich, ebenfalls zum Preise Null! Und dann hätte diese Folge von Brütern in 30 bis 40 Jahren bestenfalls genug Plutonium für einen neuen Brüter erzeugt! Freilich ist fraglich, ob der Brüter (falls ehemals funktioniert) 10 Jahre lebt. Bei Leichtwasser- Reaktoren erwartete man 40 Jahre Lebensdauer. Gundremmingen und Lingen starben beide nach 10,5 Jahren.

Und: Wie man das (vielleicht) erbrütete Plutonium aus den Brenn-Elementen herausholt, weiß niemand. Bisher funktioniert ja weltweit nicht einmal die Wiederaufbereitung bei unseren Leichtwasser-Reaktoren. (Das hatte sich im Vorjahr schon einmal bis zum Bundeskanzler herumgesprochen, der darob laut und öffentlich die Kernindustrie schmähte.) Beim Brüter ist sie ungleich schwieriger und gefährlicher. Und: Dazu angegebene Rezepte sind keine Fabrikationsverfahren.

Die Kosten einer solchen Anlage dürften erheblich über denen einer für Brennelemente aus Leichtwasser-Reaktoren liegen. Die hierfür in Hessen geplante Wiederaufbereitungsanlage sollte 1979 mal 4 Milliarden DM kosten, jetzt spricht man bereits von 8 bis 10 Milliarden. (Zu den Gefahren nur dies: Die vergleichsweise winzige Wiederaufbereitungsanlage im Kernforschungszentrum Karlsruhe gab mehr radioaktive Stoffe ab als jede andere kerntechnische Anlage in der BRD; s. Bericht der Bundesregierung vom 24.4.78.)

Kommen wir zum Hochtemperatur-Reaktor THTR-300 (bei Hamm) mit der gleichen elektrischen Leistung. Zu erwartende Baukosten 3, wahrscheinlich 4 Milliarden DM. Unter den gleichen Phantasie-Annahmen wie oben muß dann der THTR300 störungsfrei 14,3 bzw. 19 Jahre unter Vollast laufen. - Hier aber ist jede Prognose über die Lebensdauer unmöglich. Jeder Techniker, der die Schnittzeichnung sieht und die Materie kennt, schreit: "Fehlkonstruktion!" Denn man hat ("integrierte" oder "Einkavernen"-Bauweise) die Dampf- erzeuger mit in den Reaktorbehälter eingebaut. Ist der Reaktor angelaufen, kann der Behälter wegen der Radioaktivität nicht mehr betreten werden. Das hat schon 1976 Dr. H. Krolewski, Direktor der VEW Westfalen, in einem Vortrag scharf betont: "... die Vielzahl von Einzelteilen innerhalb des Behälters - einige Tausend - die unwiderruflich nicht mehr erreichbar sein werden."

Knapp 2 Monate nach diesem Vortrag wurde triumphierend gemeldet, der Druckbehälter sei fertiggestellt. Man kann also kaum annehmen, daß am Bauplan noch Wesentliches geändert werden konnte. Die Dampferzeuger (Wärmeaustauscher) mit ihren langen Schweißnähten sind die Schwachstelle jeden Reaktors. Reißt am THTR eine solche Naht, so ist eine Reparatur unmöglich. Außerdem schlägt dann der Wasserdampf des Turbinenkreises (160 atm.) durch das Helium im Reaktorkreis (40 atm.) auf die glühenden Graphitkugeln. Über die möglichen Folgen reden die Betreiber Beruhigendes. Prof. Dr. D. Smidt, Institut für Reaktorsicherheit im KFZ Karlsruhe, aber spricht in seinem Buch "Reaktortechnik", Bd. 2, S. 220/21, von "schwerwiegenden Folgen". Auf Grund seiner Tätigkeit muß man Prof. Smidt als kundigen Fachmann einstufen.

Wie die Brennelemente des THTR (Graphitkugeln von 6 cm Durchmeser, darin eingelagert 1 g Uran-235 und 10 g Thorium-232) wieder aufgearbeitet werden sollen, weiß niemand genau. Aber selbst die Betreiber betonen, daß ohne Wiederaufbereitung der HTR nicht wirtschaftlich sei. Nun, wie gezeigt: Er ist es ohnehin nicht.

Arbeiten aber wenigstens die bereits laufenden Reaktoren mit Gewinn? Werke wie Biblis, Brokdorf usw. mit 1300 MW müssen unter den gleichen utopischen Voraussetzungen wie oben bei den heutigen Baukosten von 4 Milliarden DM 41/2 Jahre laufen, bis 1 Pfennig verdient ist. Wie lange sie unter realen Bedingungen arbeiten müßten, läßt sich kaum abschätzen. Jedenfalls: Ein modernes Kohlekraftwerk mit Wirbelschichtfeuerung, ohne Emission von Stick- und Schwefel-Oxiden, kostet, bezogen auf 1300 MW, knapp halb so viel wie ein Atom-Kraftwerk, erzeugt keinen radioaktiven Müll, kostet auch bei schwersten Unfällen nur wenig Menschenleben und kann nicht ganze Landstriche für Jahrzehnte oder Jahrhunderte unbewohnbar machen.

Aber deutsche Politiker scheinen (wiedereinmal) am einmal begonnenen Unsinn hartnäckig festzuhalten. Den Brüter bezeichnete Prof. Eugen Wigner (USA), Reaktor-Spezialist, Nobelpreisträger, am 24.10.74 im Physikalischen Kolloquium an der Univ. Karlsruhe als"so gefährlich wie 3 Tonnen Typhusbazillen". Prof. Edward Teller, der "Vater der Wasserstoffbombe", sagte am 10.10.80 in Garching bei München dem Sinne nach: Hat man für ein Projekt wie den Brüter solche ungeheuren Mengen an Geld und theoretischen Leistungen investiert und dabei so wenig Fortschritte erzielt, sollte man sich endlich etwas anderes überlegen.

Zum Thema zurück: Atomstrom ist weitaus teurer als jeder andere industriell erzeugte Strom. Setzt man weiter auf ihn, wird unsere Wirtschaft konkurrenzunfähig. Sie muß endlich regenerierbare Energien, wie die vielen Formen der Sonnenenergie, mit aller Kraft vorantreiben. Das kostet wesentlich weniger Zeit und Geld als bei der Atomenergie und ist wirklich umweltfreundlich. (Man frage hierzu z.B. den berühmten Konstrukteur Ludwig Bölkow.) Die Gefahr besteht, daß auch hier wieder andere Völker schneller sind als wir. Die Japaner berichten von Siliciumzellen, die fast 25 % der Energie des Tageslichtes in Strom verwandeln. (Wirkungsgrad der Atomkraftwerke ohne Netzverluste und ohne Stillstandszeiten bis 32 %. Und: Uran ist teuer, mit Folgekosten sehr teuer, Tageslicht kostet nichts.) Ein Trost: Die IZE (Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft) hängt neuerdings in den IC-Zügen statt massiver Propaganda für Atomstrom einen Prospekt aus: "Energie von der Sonne". Im Literaturverzeichnis findet man sogar Prof. Justi, Braunschweig, der seit Jahrzehnten Stromgewinnung aus Wasserstoff-Zellen entwickelt hat. Beachtung fand er nicht bei uns, aber in USA, wo (in NY) auch eine Probeanlage für 5 MW gebaut wurde. Beginnt bei uns auch die Einsicht? Nötig wäre es: Denn hier gibt es die Arbeitsplätze, die die Atomindustrie nicht liefern kann. - Ebenso wichtig aber ist die Frage. Liefert ein Atomkraftwerk "unterm Strich" überhaupt Energie? Man hält das meist für selbstverständlich. Aber: Die RWE haben in einem ihrer Prospekte mitgeteilt, wieviel Beton, Stahl, andere Materialien in Biblis A verbaut wurden. Der Ing. (grad.) Richard Wahl (WSL), Trier, hat anhand technischer Literatur berechnet, wieviel Energie für Herstellung, Transport und Einbau aufzuwenden war. Ergebnis: Das Werk muß 29 Jahre störungstrei arbeiten, um die vorher aufgewandte Energie wieder zu erzeugen. (Herr Wahl hat über seine Rechnungen zahlreiche Lichtbildervorträge gehalten. Anwesende Techniker der RWE haben nie protestiert.)

29 Jahre aber hat noch kein AKW gelebt. Gundremmingen und Lingen liefen 10,5 Jahre, der Schwerwasserreaktor Niederaichbach lieferte 13 Tage Strom. 1981 wurde Stillegung aller vier noch verbliebenen SiedewasserReaktoren angeordnet (Würgasse, Philippsburg 1, Brunsbüttel, Ohu). Die Rohre und Ventile im nuklearen Teil (!), hergestellt aus ungeeignetem Feinkornstahl, sollen ausgewechselt werden. Das kostet Milliarden. Geschätzte Reparaturzeit über 1 Jahr. Nun, von Reparatur hat man früher auch bei Niederaichbach, Gundremmingen, sogar Harrisburg geredet. Deshalb ist bei Groß-Reparaturen im radioaktiven Teil Skepsis angebracht. Vielmehr dürften wir hiermit in der BRD sieben Ruinen kommerzieller AKW haben. (In Frankreich ist jetzt Fessenheim ausgefallen.) Die verbauten Milliarden sind abzuschreiben. Abbruch dürfte in etwa 100 Jahren möglich sein, mit unbekannten Kosten. Bis dahin muß man die Ruinen bewachen, auch nicht gerade billig.

Soviel zur Rentabilität des Atomstromes!

Aber: Bringt nicht der Export von atomaren Anlagen Riesengewinne (und Arbeitsplätze!)? Dazu nur 2 Beispiele, Iran und Brasilien. 1) Der Schah bestellte 2 AKW für 8 Milliarden DM. Mit seinem Sturz war das aus. Iran hat sehr viel Erdöl. Man darf deshalb schließen, daß der Schah die Atombombe im Auge hatte. Indien hatte sie ja auch über ein von Kanada geliefertes AKW bekommen. Wäre die Lieferung der AKW an Iran somit auf Hyperwaffen-Lieferung in ein Spannungsgebiet hinausgelaufen? Manche fragen das. 2) Zu Brasilien siehe Karl Rudolf Mirow: "Das Atomgeschäft mit Brasilien ein Milliardenfiasko", Campus-Verlag, Frankfurt; kurze Darstellung in "Diagnosen" 10/ 1981. Brasilien bestellte 1974 Atomkraftwerke mit Zubehör (Wiederaufbereitung, Anreicherung etc.). Auftragsbestand 1979: 45 Milliarden Dollar! "Vollbeschäftigung bei KWU für viele, viele Jahre!" Die USA protestierten anfangs, dann schwiegen sie. Sie wußten früher als Minister Genscher, daß Brasilien nicht zahlen konnte. Richtig, als 300 Millionen Dollar verbaut waren, ging der erste Wechsel über 2,5 Millionen DM zu Protest. Siemens und KWU schwiegen. Sie waren durch Hermes-Kredite abgesichert, mit 95 % (!); bei Iran waren es 80 %. D.h.: die Reaktorruinen bezahlt der deutsche Steuerzahler. Mehr zu solchen Problemen (und zum Niedergang der Atomindustrie in USA) ist im Harvard Business School Energie-Report nachzulesen (Hrsg. Stobaugh u. Yergin; C. Bertelsmann-Verlag), insbesondere S. 150 ff. "Das nukleare Patt". Leider gehören solche Bücher wohl nicht zur Pflichtlektüre unserer Energie-Verantwortlichen. Sonst müßten sie wissen: Die Kerntechnik ist klinisch tot, obwohl sie dank unserer Politiker noch auf der Intensivstation liegt. Die Kosten hierfür bedrohen unsere Volkswirtschaft in ihrem Kern. - In den USA ist man weiter, wie z.B. viele Aufsätze in "Science" zeigen.

Wir und viele Generationen nach uns werden noch mit den Folgen zu kämpfen haben, die uns der leichtfertige Ausbau der Atomenergie eingebracht hat und weiter einbringt. Man wollte und will ja den Atommüll zu Bestandteilen geeigneter Gläser machen und die Glassäulen in Salzstöcken versenken, "sicher für Jahrtausende". Dazu hätte man nicht inkompetente "Experten" wie Leiter von DWK, WAK etc. oder Theoretiker fragen sollen, sondern Fachleute, d.h. Geowissenschaftler. Von Mineralogen hätte man erfahren, daß das Salzgemisch in einem Salzstock zu den besten Mitteln gehört, Gläser "chemisch aufzuschließen", d.h. löslich zu machen. Damit aber müssen deren radioaktive Bestandteile früher oder später in die Biosphäre gelangen. Das hat die Geowissenschaftler schließlich veranlaßt, sich ungefragt zu äußern, so in der "Zschr. dt. Geol. Ges." 131, S. 339 - 559 (1980), 9 Arbeiten; der "Geol. Rundschau", und schließlich in einem ganzen Heft der Fortschritte der Mineralogie" 58, S. 131 -247, Dez. 1980 (Herausgeber Prof. Dr. Bambauer, Dir. Inst. f. Mineralogie, Univ. Münster). Aufmerksame Lektüre des Aufsatzes von Prof. Dr. Richter-Bernburg (früher Präsident d. Niedersächs. Landesamtes f. Bodenforsch., Präs. d. Bundesanst. f. Bodenforschung) "Sicher im Salz" in Bild d. Wiss. 12/1977 hätte ebenso warnen müssen wie die Ausführungen der Salzfachleute bei der Anhörung zur "Entsorgung von Kernkraftwerken" im Innenausschuß des Bundestages am 26./27.9.77.

Hätte man diese Fachleute rechtzeitig gefragt und auf sie gehört, so hätte der Staat sich die teuren Bohrungen und seinen Bürgerkrieg bei Gorleben ersparen können. - Und bevor man hohe Prämien für die Zerstörung von Kohlezechen zahlte, hätte man Geologen fragen müssen, wie lange das Erdöl reicht, und sich selber hätte man sagen müssen, daß wir auf der Kohle sitzen, Öl (und Uran!) aber in politisch sehr instabilen Gebieten liegt.

Facit: 1) Atomstrom ist der teuerste Strom überhaupt. Die in Entwicklung und Ausbau gesteckten Milliarden DM fehlen für vernünftige, brauchbare und ungleich weniger gefährliche Projekte. Das ruiniert unsere Volkswirtschaft. - Und: Was soll eine Energietechnik, die keinen Gewinn bringt und mehr Energie verbraucht, als sie erzeugt? 2) Das Problem der Entsorgung ist nicht gelöst, ein brauchbarer Ansatz nicht in Sicht Man weicht in Kompakt- und Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente aus und schiebt so das Problem der Zukunft zu. Das ist die Bankrott-Erklärung, zumal man weiß, daß in wenigen Jahren unsere Brennelemente unverarbeitet aus La Hague zurückkehren werden.

Als Minister Maihofer nach dem Verursacher-Prinzip Lösung der Entsorgungsfrage verlangte, bevor neue Atommeiler genehmigt werden könnten, konnte man (ein wenig) aufatmen. Denn unter Entsorgung verstand man damals: endgültige Beseitigung des Atommülls. Jetzt aber hat man umdefiniert: Die Entsorgung eines AKW gilt als "nachgewiesen", wenn angegeben werden kann, wo und wie die in den nächsten sechs Jahren anfallenden Abbrände gelagert werden können!! Das aber heißt doch nichts anderes, Herr Bundespräsident als: "Nach uns die Sintflut!" Man kann den Katzenjammer so zwar hinausschieben, aber nicht ohne ihn zu vergrößern. Und auf dieser Basis genehmigt man den Bau weiterer AKW, den Weiterbau von Brüter und Hochtemperaturreaktor, ja, jetzt auch noch den Bau einer Anreicherungsanlage für Uran-235 in Gronau, von vornherein eine (de facto) auf Riesenverluste programmierte (und zudem sehr gefährliche) Anlage!

Ich bin darauf gefaßt, daß dies alles bei "Betroffenen" auf Widerspruch stößt. Auf meinen Brief an Herrn Scheel (4 S.) würdigten mich Herren der Interatom eines Aufsatzes, (18 S.!) "Die Kernenergie und der Borkenkäfer" (1.11.77). Schon am 26.9.77 hatten sie allen Abgeordneten des Bundestages 4 Seiten über die Sicherheit des Brüters zugeleitet mit 106 Unterschreibern. Bei einem war die Zahl der Jahre von Erfahrungen mit Reaktoren und Brütern angegeben. Insgesamt ergab sich eine reaktortechnische Berufserfahrung von 1300, eine Schnellbrütererfahrung von 1000 Mannjahren. Seitdem dürfte die Brütererfahrung der Interatom auf ca. 1500 Mannjahre gestiegen sein. Nur: der Brüter ist dadurch zwar teurer, nicht aber sicherer geworden.

Ich muß aus meinem Aufsatz zu Harrisburg wiederholen: Unsere Regierenden haben auf das Grundgesetz geschworen, welches das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit garantiert. Und: daß sie Schaden von unserem Volk abwenden wollen. Förderung der Atomindustrie ist Bruch dieses Eides!

Das Schlimmste aber ist: Seit dem Nato-"Nachrüstungs"-Beschluß rechnen Politiker bei uns ernsthaft mit einem Krieg gegen "den Osten". Ganz Wahnsinnige, darunter "christliche" Politiker faseln gar von einem "atomaren Erstschlag". Weiß man denn bei uns immer noch nicht, was die Nato-Führung seit vielen Jahren weiß?: Die BRD ist wegen Ihrer AKW gar nicht zu verteidigen! (Vgl. hierzu: "Traumtanz der Technokraten", Atomkraft und Landesverteidigung im Widerspruch? Reinhard Spilker, WDR 3, 28.10.80).

Das gilt schon für einen "konventionellen" Krieg. Wird ein AKW oder eine Wiederaufbereitungsanlage durch Bomben, Granaten, eine einzige Neutronenbombe, einfache Sabotage oder Flucht der Bedienung "stillgelegt", was geschieht? Ohne sorgfältige Dauer-Überwachung arbeitet ein AKW nur ganz kurze Zeit. Bald fällt die Wasserkühlung aus, der Reaktorkern schmilzt. Die radioaktive Schmelze von 3000 Grad frißt sich schnell durch Stahl und Beton ins Grundwasser, eine riesige Dampfexplosion treibt den radioaktiven Inhalt ins Freie. Ober die Folgen lese man nach in "Die Auswirkungen schwerer Unfälle in Wiederaufbereitungsanlagen und Atomkraftwerken" (zu beziehen bei BBU- Info-Versand, Horstackerstr. 24, 6700 Ludwigshafen). Darin werden die (geheim zu haltenden) Berichte Nr. 290 und 293 des Inst. f. Reaktorsicherheit in Köln (1976) abgedruckt und kommentiert. Ergebnis: Ein Großunfall kann, je nach Windrichtung, allein in der BRD, 30 Millionen Menschen qualvoll in kurzer Zeit sterben lassen. Der Rest stirbt, qualvoller, später. - Der damalige Chef des IRS, Herr Franzen, versicherte in Schrift und Wort, das Ganze sei "nur theoretisch" und eigentlich "eine schlechte Doktorarbeit". Nun: die Schrift hat sechs Verfasser, darunter drei Doctores. Wenn Herr Franzen recht hat, war sein Institut eine Nietensammelstelle. Das aber wollen wir doch nicht behaupten.

Zu diesen bekannten Möglichkeiten von Katastrophen gibt es amtliche, geheim gehaltene Pläne. Man publiziere diese Pläne und setze eine einzige Probe an: Evakuierung von Millionen Menschen in wenigen Stunden, Versorgung der Opfer durch Ärzte, die zufällig nicht selbst Opfer sind, usw.: Eine einzige solche realistische Probe, und der Spuk der Kernenergie wäre zu Ende.

Millionen fragen bei dieser Lage: Warum zieht die Bundesregierung nicht endlich ihre Zustimmung zur "Nachrüstung" zurück? Warum wird man "antiamerikanisch" geschimpft, wenn man für Frieden wirbt? Sind Senator Kennedy, McNamara und ihre vielen Anhänger antiamerikanisch? Waren Hitler-Feinde alle antideutsch? Muß ein Christ Anti-Buddhist, Anti-Moslem sein? Und: Könnte die Aufstellung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern nicht vielleicht bewirken, daß man sich in Moskau auf das besinnt, was jeder Kanonier auf diesem Planeten in der Instruktionsstunde lernt, nämlich, daß man zuerst auf die Feuerstellungen des Gegners schießt, am besten, wenn sie "in Aufstellung" sind? Was im Kopfe eines Politikers vor sich geht, der für atomare Aufrüstung und zugleich für Atomenergie eintritt, ist mir unbegreiflich. Diese Leute sollten gründlich das Buch: Hiroshima-Nagasaki, Pictorial Record of the Atomic Destruction (Hir.-Nag. Publish. Committee, Tokio) und den Bericht an den Generalsekretär der UNO 1976 "An Introductory Report on the Damage and After-Effects of the Atomic Bombing of Hiroshima and Nagasaki" ansehen. Dabei sollten sie bedenken, daß es sich damals nur um zwei "kleine" Atombomben handelte, und daß unten keine Atommeiler standen.

Sie Herr Bundespräsident, haben zwar die Bergpredigt eine "tiefbewegende Mahnung zur Gewaltlosigkeit" genannt, aber als unerheblich für die Friedensbemühungen der Gegenwart bezeichnet. So jedenfalls sind Sie weithin verstanden worden. Sehr viele Christen aber meinen, da der Mensch fehlbar sei, daß eben damit heute die Anwendung der militärischen Vernichtungspotentiale in einer apokalyptischen Katastrophe wahrscheinlicher geworden sei als unser Überleben. Deshalb sei die Mahnung der Bergpredigt, die ersten Schritte zum Frieden selber zu tun, hier und heute besonders sinnvoll. Ohne solche ersten Schritte (von uns) könne der Marsch in die Weltkatastrophe nicht umgekehrt werden in einen Weg zum Frieden in dieser Weit. Hier scheint auch mir ein geschlossenes deutliches Eintreten der Kirchen für solche Schritte noch zu fehlen.

Meinen Brief an Ihren Vorgänger habe ich "in tiefer Sorge" unterzeichnet. Ich darf Ihnen versichern, daß in den seitdem vergangenen Jahren meine Sorgen bezüglich aller Anwendungen der Atomenergie und der Unbelehrbarkeit vieler Politiker darüber in unerwartetem Maße gestiegen sind.

Ihr sehr ergebener

Prof. Dr. Erich Huster

 

Als Erstunterzeichner schließen sich dem Inhalt dieses Schreibens an:

Prof. Dr. Karl Höll, Dr. Ing. E. h., Hannover

Prof. Dr. Herbert Jehle (Phys.)

George Washington University, Washington

Prof. Dr. Frenz Rauhut, Würzburg

Prof. Dr. theol. Herrmann, Münster

Prof. Dr. jur. Helmut Ridder,

Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Dr. Ekkehard Grimmel, Hamburg

Prof. Dr. H. P, Dürr (Phys.), München

Prof. Dr. Hans Ackermann (Phys.), Marb.

Prof. h. e. Günther Schwab, Salzburg

Dr. med. M. 0. Bruker, Lahnstein

Prof. Dr. Werner G. Haverbeck, Vlotho

Ursula Haverbeck-Wetzel, Vlotho

Dr. jur. Ewald Gaul, Pfinztal-Wöschbach

Dr. Erich Siefert, Northeim

Dr. Hildegard Hoppe-Strobel, Kaiserslaut.

Dr. Ing. H. Jäger, Berne

Dr. Martin Thurmann, Lüneburg

Richard Wahl, Ing. (grad.), Trier

Pfr. Georg Blattmann, Mannheim

Pfr. Dieter Hornemann, Stuttgart

Pfr. Christoph Rau, Nürnberg

Dr. Ing. Bernard Ortmann, Felsberg/Kassel

Gisela Ortmann-Scheer, Apoth., Felsberg

Dr. Ing. E. h. Rich. Reinhardt, Bad Pyrmont

Prof. Dr. Corn. Mayer-Tasch, Univ. München

Dr. rer. nat. Stefan Wellershaus, Bremerhv.

Ing. (grad.) Richard Höhne, Sarstedt

Theodor Werner, Hamburg

Dr. med., Dr. sc. pol. Horst Göttlg, Göttig für den ÄRZTEBUND Für UMWELTUND LEBENSSCHUTZ E.V.

Dr. Rudolf Keller, Freiburg/Brsg.

Dipl. Ing. Gerhard Döring, München

Dr. med. Walter Joppig, Stuttgart

Dr. Ing. habil. Walter Moll, Walsrode

Dr. med. Joachim Dreibholz, Walsrode

em. Prof. Dr. H. 0. Kneser, Stuttgart

Dr. jur. Anton Huber, Vilshofen

Stud. Rt. Brigitte Pollok, Vilshofen

Dr. med. Manfred Balluff Stuttgart AK Anthroposophen gegen Atomenergie

Dr. med. Johanna Grieger, Stuttgart

Dr. med. Joachim Weitzsäcker, Brackenheim

Dr. med. Klaus J. Seelig, Biersdorf/Bitb.

Dr. med. dent. Friedrich Seelig, Biersdorf

Dr. phil. Ingeborg Schönberg-Lothholz, Alkersum / Föhr

Dr. med. Irmgard van Zanten, Ditzingen

Margarethe Tress, Fellbach

Prof. Dr. Ing. Ulrich Betz, Darmstadt

Prof. Dr. Bernh. Grzimek, Frankfurt

Dr. med. Elisabeth Offenhäuser, Ditzingen

Dr. Gisela von Kügelgen, Stuttgart

Dr. Helmut von Kügelgen, Stuttgart

Dr. med. Martin Burmester, Hermannsbg.

Dr. med. Heide Evers, Oberkirch

Dr. med. Walter Baumhauer, Mannheim

Dr. med. Dr. phil. Gottfried Büttner, Kassel

Dr. med. Maria-Renate Büttner, Kassel

Dr. med. Christian Büttner, Kassel

Dr. rer. pol. Ernst W. Schiedewitz, Uelzen

Dr. med. dent. Alexander Schiedewitz Bad Zwischenahn

Dr. med. G. Kleinschmidt Trier

Prof. K. E. Lotz, Biberach / Riss

Dipl. Ing. Berthold Bode, Clausthal-Zellerfeld

Ernst-Otto Cohrs, Rotenburg (Wümme)

Pfr. Walter Schwab, Bad Dürkheim

Prof. Helmut Kohler, Neckarweihingen

 

für die BI Lüchow-Dannenberg:

Marianne u. Wilhelm von Alemann

Dr. Wolfgang Hertle, Wustrow

Undine von Blottnitz, Grabow

Marianne Fritzen, Kolborn

Prof. Dr. med. H. Begemann, München

Prof. Dr. Ing. Walter Helmbold, Unglinghaus.

Prof. Dr. 0. Wassermann, Universität Kiel

Gesellschaft für Lebens- und Umweltschutz e.V., Göttingen Erika Schröder,

Dr. Regine Wolf, Münster

Prof. Dr. med. Martin Schrenck, Homb./Saar

Rudolf Passian, Schriftsteller, Baumgarten

Prof. Dr. Peter Ecke (Phys.), Münster

Prof. Dr. Reiner Hamm, Kulmbach

Essener Aktion gegen Umweltzerstörung e.V., Dr. med. Pomp

Dr. med. M. Linder, Chur

Dipl. Ing. H. Gg. Schweppenhäuser, Freibg.

Dr. phys. Ingeb. Geese, Niestetal/Kassel

Gösta von Uexküll, Hamburg

Hans-Heinr. von Foerster, Wiesbaden

Dr. Walter Wirth, Oberneisen

Prof. Dr. med. Peter Petersen, Hannover

Gerda Degen, Ob. Stud. Dir. a. D., Moers