Rotarier Schwarz-Schilling

 

Dann haben wir noch den Unternehmer, Bundesminister a.D. und Menschenrechtsexperten der CDU Christian Schwarz‑Schilling vorzustellen, der sich ebenfalls der Mitgliedschaft im Rotary Club rühmen kann. Drei Episoden aus Rüdiger Liedtkes neuer Skandalchronik sollen dafür genügen:

 

1)   Seit Schwarz‑Schilling 1982 Bundespostminister wurde, drängen sich immer wieder Verquickungen zwischen seinen Forderungen und Aktivitäten als Postminister und seinen privaten Interessen auf.

 

Schwarz‑Schilling war bis zu seinem Amtsantritt a) Geschäftsführer der seiner Frau gehörenden Firma  "Sonnenschein",  an  der  die  die  Verkabelung    vorantreibende      ..Projektgesellschaft für Kabelkommunikationstechniken" (PKK) beteiligt ist; b) Vorsitzender der Enquete‑Kommission "Neue Kommunikationstechniken" des Deutschen Bundestages‑, c) Medienexperte der CDU. Obwohl Schwarz‑Schilling kurz vor seiner Vereidigung zum Bundespostminister seine Anteile an der PKY, an den Computerhersteller Nixdorf (der Konzernherr Heinz Nixdorf war übrigens auch Rotarier) verkauft hatte, sahen seine Kritiker einen direkten Zusammenhang zwischen der bundesweiten Totalverkabelung mit Kupferkabel, also dem "Ausverkauf" der Post zugunsten einer "Clique internationaler Kupferhändler", und seinem Engagement im Bereich der PKK.

 

Schwarz‑Schilling habe die Post der PKK geöffnet und ausgeliefert ‑ so seine Kritiker. Durch die längst als überholt geltende Breitbandverkabelung mit Kupferkabel (statt des zukunftsweisenden Glasfaserkabels) verschleuderte der Bundespostminister Steuermilliarden und damit die wirtschaftliche Basis der Bundespost. Schwarz‑Schillings Breitband-Verkabelung gilt mit Fug und Recht als einer der größten Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Um die Verkabelung voranzutreiben und der Industrie Milliardenaufträge zu sichern, setzte der Minister die Funktionsfähigkeit der Post aufs Spiel.

 

2)   "Gift frei Haus ‑ aus der Fabrik des Postministers", so schrieb das "Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt am 20.1.1985, als offenkundig wurde, was zahlreiche Berliner seit Jahren ahnten bzw. wußten. Gegen die der Familie des Bundespostministers gehörende Batterie‑ und Akkumulatorenfabrik "Sonnenschein" im Westberliner Stadtteil Marienfelde wurde von der Staatsanwaltschaft wegen des dringenden Verdachts der "umweltgefährdenden Beseitigung von Abfallstoffen" ermittelt. Starke Bleiimmissionen in der Umgebung der Batteriefabrik gefährdeten die umliegenden Neubausiedlungen mit vielen kinderreichen Familien. Darüber hinaus soll Christian Schwarz‑Schilling, der bis zu seiner Ernennung zum Postminister 1982, Geschäftsführer von "Sonnenschein" Berlin war, unter Umgehung von Umweltschutzauflagen zahlreiche Bleiöfen illegal installiert und die Aufsichtsbehörden bewußt hinters Licht geführt

haben ....... Während der Boden rund um die Berliner Batteriefabrik "Sonnenschein"

hochgradig bleiverseucht wurde, erhielt Schwarz‑Schillings Batteriefabrik in Landau (Pfalz)

die Genehmigung zu einer dritten "Bleischleuder" ihrer Art, direkt neben einem Wasserschutzgebiet zum Nulltarif und mit erheblichen Investitionszuschüssen der Gemeinde.

Mitte März 1989 waren "Sonnenschein" und der Postminister wieder in den Schlagzeilen. Bei

Routinekontrollen im Werk Weiden der Batterien‑Fabrik wurden bei zahlreichen Arbeitern

alarmierend hohe Bleiwerte im Blut entdeckt.

 

3) Der Präsident der Münchener Oberpostdirektion, Alfred Meier, war ein allseits geschätzter korrekter Beamter, nicht korrumpierbar, gewissenhaft, aber Sozialdemokrat. Als der Präsident von unkorrekten und einseitigen Praktiken seines für die Vergabe von Großbauten zuständigen Hochbauamtes erfuhr, von frisierten Angeboten, gefälschten Urkunden und Millionen‑Manipulationen, ordnete er eine eingehende Untersuchung an. In die Schußlinie gerieten Beamte, sowie die mit der CSU verbandelte Baufirma Alfred Kunz GmbH & Co. Im Aufsichtsrat saß der Strauß‑Vorgänger Alfons Goppel und die Firma spendete regelmäßig und ohne Aufforderung in die Parteikasse. 1986 wurde sie vom Bundeskartellamt wegen unerlaubter Preisabsprachen mit einem Bußgeld von rund drei Millionen Mark belegt. Die stattliche Summe wurde auf dem Instanzenweg und Justizsenator Rupert Scholz (Rotarier)...auf schließlich 600.000 DM reduziert. Über den windigen Bußnachlaß wundern sich Verfahrensbeteiligte noch heute. Der Präsident ließ trotz gegenteiliger Winke von ganz oben weiter forschen, Bundespostminister Schwarz‑Schilling ließ den tadellosen Beamten Meier von heut auf morgen wegen "innerdienstlicher Spannungen" versetzen. Mit der Versetzung sollte die Korruptionsaffäre, wie später heraus kam, vertuscht werden. So etwas kennen wir ja schon aus dem Flick‑Parteispenden‑Skandal unter Anführung des nunmehr vorbestraften Rotariers Graf Lambsdorff. Allerdings mußte sich Schwarz‑Schilling im Februar 1989 herbe Kritik vom Bundesrechnungshof gefallen lassen: Schwere Fehler in der Amtsführung und Vertuschung der Affäre.

 

Ganz besonders viel bilden die Rotarier sich auf ihre exquisiten Manieren ein. Eben solche stellte Schwarz-­Schilling kürzlich unüberbietbar unter Beweis, als er vor laufenden Kameras in der Nase popelte und das Ergebnis seiner Tiefbohrungen umgehend verspeiste (würg, kotz, ist mir übel ... ).

 

Quelle: Flugschrift Detlef Winter aus Lübeck

 

 

 

Wie geschmiert - Die Liste der von Leo Kirch bezahlten Abgeordneten um Altkanzler Helmut Kohl wird immer länger. Politiker aller Parteien fordern nun schärfere Regeln für die Parlamentarier.

 

Wenn es so etwas gibt wie einen politischen Ziehvater für das duale deutsche Fernsehsystem aus ARD, ZDF und den privaten Programmen, dann ist er für diesen Titel der heißeste Anwärter: Christian Schwarz‑Schilling, Bundespostminister von 1982 bis 1992, der für die CDU noch bis Oktober vorigen Jahres im Bundestag saß.

 

Sofort nach seinem Amtsantritt hatte er sich massiv für die Verkabelung der Republik stark gemacht und damit die Grundlage geschaffen für die schöne neue Fernsehwelt aus mehr als 30 frei empfangbaren Programmen. Über die Motivation seiner Regierung, das Mediensystem um einen kommerziellen Bereich zu erweitern, ließ Schwarz‑Schilling niemanden im Unklaren: In den siebziger Jahren seien von neun Chefredakteuren bei öffentlich‑rechtlichen Sendern sieben bis acht "Linke" gewesen, so Schwarz‑Schilling. "Wir wussten, dass wir das Monopol der öffentlich‑rechtlichen Nachrichtengebung nur durch Wettbewerb brechen konnten."

 

Schon Anfang der Neunziger sah er dieses Ziel erreicht: "Die Entautorisierung der öffentlich‑rechtlichen Anstalten, besonders der ARD", sei geglückt, freute er sich damals.

 

Freuen konnte sich darüber auch ein anderer, der dem dienstältesten deutschen Postminister seine Pioniertaten fürs kommerzielle Fernsehen offenkundig nicht vergaß: Leo Kirch ‑ dessen Karriere vom Filmhändler zum Medien‑Paten mit eigener Senderfamilie (Sat.1, ProSieben, Kabel1, DSF, N24) erst mit der Verkabelung der Republik so richtig beginnen konnte.

 

Nach SPIEGEL‑Informationen unterhielt Kirch mit Schwarz‑Schilling Mitte der Neunziger über mehrere Jahre rege Geschäftsbeziehungen, und zwar über dessen in seinem Heimatort Büdingen ansässige Firma "Dr. Schwarz‑Schilling & Partner GmbH".

 

Die Liste der von Kirch bezahlten Abgeordneten wird damit immer länger: Neben dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl war er mit mindestens fünf ehemaligen Ministern aus verschiedenen Kohl‑Kabinetten wirtschaftlich verbandelt (SPIEGEL 16/2003). Das Geschäft mit den geheimen Verträgen lief wie geschmiert.

 

Schwarz‑Schilling war zur Vertragslaufzeit noch Mitglied des Bundestags. Wie die Kirch­Berater Helmut Kohl und Ex‑Postminister Wolfgang Bötsch saß er zudem einst in einem wichtigen Gremium des ZDF: Schwarz-­Schilling leitete dort lange den einflussreichen "schwarzen Freundeskreis" im Fernsehrat. Das ZDF war seit seiner Gründung immer ein besonders wichtiger Kirch‑Kunde.

 

Schwarz‑Schilling bestätigte dem SPIEGEL, dass sein Unternehmen für die Kirch‑Gruppe "Mitte der Neunziger für zwei oder drei Jahre tätig war". Es habe sich in seinem Fall, auf diese Feststellung lege er Wert, aber nicht um einen "Pro‑forma‑Lobbyistenvertrag gehandelt", so Schwarz-Schilling. Vielmehr sei es um die "Weiterentwicklung oder sogar eine Alternative" für Kirchs Pay‑TV‑Decoder gegangen. Es habe also "eine ganz klare Aufgabenstellung, intensive Kontakte mit Kirchs Techniktochterfirma Beta und auch einen Abschlussbericht gegeben". Über die Höhe der Kirch‑Bezüge schweigt sich Schwarz-Schilling aus: "Dazu sage ich nichts."

 

Offiziell wollte in der vorigen Woche aus der christdemokratischen Führungsspitze keiner die dubiose Beratertätigkeit der ehemaligen Kabinettsmitglieder kommentieren. Womöglich, so die Vermutung von Parteigranden, liege hier der Schlüssel zu jenen anonymen Spenden über 2,1 Millionen Mark, die der Altkanzler einst gesammelt hatte. Das Geld hatte die Partei Ende 1999 an den Rand des Kollaps gebracht.

 

"Das war auch mein erster Gedanke", gesteht CDU‑Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Ein Ex­Mitglied aus dem Kabinett Kohl erregt sich: "Das ist der endgültige Beweis, wie eng Kohl und Kirch verbandelt sind." Die CDU sei "zum Anhängsel des Kirch‑Konzerns geworden", so der frühere Minister. "Die damalige Parteiführung hat sich verkauft."

 

Angesichts der satten Kirch‑Honorare des Altkanzlers, die nach SPIEGEL‑Informationen bei jährlich 600.000 Mark lagen, fragt man sich seit vergangener Woche im Berliner Konrad-Adenauer‑Haus auch, weshalb Kohl im März 2000 eigens eine Hypothek über 500.00 Mark auf seinen Bungalow in Lud­wigshafen‑Oggersheim aufge­nommen hatte, um jene Schäden auszugleichen, die der Partei durch die Strafgelder des Bundestagspräsidenten entstanden waren. Ex‑Finanzminister Theo Waigels Vertrag mit Kirch war ebenfalls mit 600.000 Mark dotiert, der von Wolfgang Bötsch immerhin mit 300.000.

 

"Unangemessen" nennt CDU-­Vorstandsmitglied Peter Rauen die Höhe der Honorare. "Ich kann mir nicht vorstellen", so der CDU‑Mittelständler, "wo angesichts eines solch hohen Betrages der Vorteil für ein Unternehmen liegen soll."

 

FDP‑Rechtspolitiker Max Stadler, der für seine Partei als Obmann im Kohl-­Spendenausschuss saß, fragt sich gar, ob "hier nicht ein reines Scheingeschäft vorliegt".

 

Die Enthüllungen über die geheimen Beraterverträge der ehemaligen Polit‑Granden werfen zudem ein Schlaglicht auf das undurchsichtige Doppelspiel vieler Parlamentarier zwischen freiem Mandat und Auftragslobbyismus. An die Unabhängigkeit der Mandatsträger glauben selbst Verfassungsromantiker nicht mehr.

 

"Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags", so Artikel 38, "sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Ein schöner Schein.

 

So bekleidet etwa der ehemalige Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) in insgesamt zehn Unternehmen verantwortliche Positionen, darunter in der Berliner Beratungsgesellschaft WMP Eurocom. Als Lobbyist unterstützte er den Plan der Energiekonzerne E.on und BP, die in einem umstrittenen Deal Aral‑Tankstellen gegen Anteile an der Ruhrgas tauschen wollten. Da spielte es auch keine Rolle, dass seine eigene Partei den Milliarden‑Deal ablehnte.

 

Der Wähler hat keinen Anspruch, von derartigen Abhängigkeiten zu erfahren. Das liegt an den äußerst schwammigen Verhaltensregeln, die der Bundestag sich selbst auferlegt Die wurden zwar erst im vergangenen Jahr verschärft, aber den Kern des Problems lösen sie nicht. Einkünfte aus dem Hauptberuf bleiben weiterhin Privatsache des Abgeordneten.

 

Zwar schreibt die Geschäftsordnung des Bundestags vor, dass jeder Volksvertreter "Verträge über die Beratung, Vertretung oder ähnliche Tätigkeiten" einschließlich der "Höhe der Einkünfte" beim Parlamentspräsidenten melden muss. Wenn die Aufträge indes in Ausübung eines bereits angezeigten Berufs ausgeführt werden, dürfen Abgeordnete sie verschweigen.

 

Es geht auch anders. In Italien sind seit 1982 alle Volksvertreter verpflichtet, ihre Steuererklärungen zu veröffentlichen. Sie liegen für jeden Bürger zur Einsicht aus bis hin zum detaillierten Aktienbesitz von Premier Silvio Berlusconi.

 

Aufgeschreckt von den dubiosen Kirch­-Verträgen, mehren sich jetzt auch in der Politik die Stimmen, die eine Offenlegung von Nebentätigkeiten fordern. "Die Transparenz‑Vorschriften sollten verbessert werden", fordert der SPD‑Abgeordnete Volker Neumann. "Eine Verquickung von Interessen ist nicht auszuschließen", sagt Unions-Fraktionsvize Bosbach und mahnt: Jeder sollte nur die Tätigkeit ausüben, die er in der Öffentlichkeit vertreten kann."

 

"Man hat zweierlei Loyalitäten", gesteht auch Hans‑Peter Repnik, der neben seinem Bundestagsmandat Vorstandsvorsitzender des Dualen Systems Deutschlands ist. Zwar seien Beraterverträge nicht per se zu verbieten, so der CDU‑Mann, "aber dort, wo jemand entsprechend tätig ist, sollte Transparenz herrschen".

 

"Man wird bei der Offenlegungspflicht noch einmal nachbessern müssen", sagt der Vizefraktionschef der Grünen, Hans-Christian Ströbele. Strafbar ist derzeit in Deutschland nur der Kauf einer Abgeordnetenstimme bei einer konkreten politischen Entscheidung. Im EU‑Parlament diskutieren die Abgeordneten bereits, ob dieser Straftatbestand nicht ausgeweitet werden muss. Der Rechtsausschuss des Bundestags setzte das Thema schon mal auf die Tagesordnung.

 

Auch der Fall Kohl könnte den Bundestag noch einmal beschäftigen. In seinem Abschlussbericht empfahl der Untersuchungsausschuss, "die Aufklärungs-bemühungen des Parlaments auch in der nächsten Legislaturperiode in geeigneter Form fortzusetzen". "Jetzt haben wir einen neuen Ansatzpunkt", sagt Grünen-­Politiker Ströbele. "Der Verdacht liegt nahe, dass hier im Nachhinein etwas beglichen wurde, wofür man dankbar war." Auch der Ex-Ausschussvorsitzende Neumann will wissen: Welche Gegenleistung hat Kohl dem Kirch‑Konzern erbracht?"

 

Die Antwort dürfte auch Kirch nicht leicht fallen. Im November 2001 kommentierte er Kohls Eignung als Geschäftsmann vor dem Spendenausschuss des Parlaments noch so: "In geschäftlichen Dingen hat er nie etwas verstanden. Er wollte es nicht verstehen." Zu dem Zeitpunkt muss der Medienmogul, wenn er vertragsgemäß und pünktlich zahlte, bereits mehr als eine Million Mark an den Unternehmensberater Dr. Helmut Kohl überwiesen haben.

 

Quelle: MARCEL ROSENBACH, CHRISTOPH SCHULT in DER SPIEGEL 17 / 2003 / 128 + 130