Rotarier Karl Diehl

 

Der ehemalige Chef der bekannten Rüstungsfirma Diehl und umstrittener Ehrenbürger der Stadt der Reichsparteitage, Nürnberg, ist nicht nur dem Insider kein Unbekannter. Karl Diehl war Rüstungsfabrikant und zweifelhafter Ausbeuter von Zwangsarbeitern bereits unter den Nationalsozialisten. Nach Kriegsende musste er zwar kurzfristig abtauchen, stieg aber wie Phoenix aus der Asche mit der Gründung der Bundeswehr wieder auf. Er stürzte sich sofort erneut ins Waffengeschäft ‑ war er doch intimer Freund und sogar Trauzeuge des damaligen Kriegsministers Franz Josef Strauß. Schon in frühen Jahren gab es Gerüchte um Verwicklungen Diehls in die berüchtigten "Strauß'schen Affären", Beweise hierzu gab es allerdings nie (so richtig).

 

Der zig‑Millionenschwere Diehl ist mit seinen nunmehr 94 Jahren ein "alter Knabe" geworden, zieht aber im Hindergrund noch immer die Fäden und bekommt vor allem den Rachen nicht voll. Offenkundig hat der Diehl‑Familienclan bei der Umwidmung von Betriebs‑ in Privatvermögen dem Fiskus DM 60.000.000,00 an Steuern vorenthalten. Lediglich dem Eifer einer kleinen Finanzbeamtin war es zu verdanken, dass die Sache aufgedeckt wurde. Für die Ex‑Diehl‑Prüferin Ingrid M. hatte dies fatale Konsequenzen: Ihr wurde der Fall Diehl von der obersten bayerischen Finanzbehörde entzogen und der minenproduzierende Diehl‑Clan strich DM 60 Millionen ein. Im nachhinein bestätigte dann auch noch die Bundesfinanzbehörde des Finanzministers Eichel (Lions-Club, d.V.) die Richtigkeit des Vorganges und eine Untersuchung des CSU‑dominanten bayerischen Landtages ergab, dass hier alles rechtens und tadellos vonstatten ging und nicht die Rüstungsfirma, sondern die Finanzbeamtin im Unrecht sei.

 

Seitdem ist diese Steueraffäre das Tagesgespräch auf den Fluren der Finanzämter (nicht nur) in Nordbayern. Der Name Diehl wird dabei nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt ‑ schliesslich haben die Wände Ohren (heisst es); und nicht nur, weil ein hoher Beamter der Oberfinanzdirektion (OFD) eine Diehl‑Cousine geheiratet habe; nicht nur, weil ein Ex‑Sachgebietsleiter der Steuerfahndung, der als Steuerbevollmächtigter zu Diehl ging, noch immer gern gesehener Gast in der Finanzkantine Nürnberg‑West sei; nicht nur, weil Diehl senior Mitglied der ersten Stunde im Rotary‑Club ist, genauso wie Günther Weihrauch (Ex‑Präsident der OFD) und sein späterer Stellvertreter Müller‑Faßbender; nicht nur, weil bei Festen im Diehl‑Konzern die Spitze der örtlichen Finanzverwaltung dabei ist (vom Finanzamtchef bis hin zu OFD‑Präsident Seelig, der auch Rotarier ist) sowie daneben Vertreter des Bundesamtes für Finanzen. Ja, auch die streitbare Steuerprüferin war einst geladen, wird aber vermutlich auf künftigen Gästelisten fehlen. Natürlich wurde hier niemand geschmiert, keine politischen Pressionen ausgeführt nein, nein, wo kämen wir da hin? Korruption gibt es bei uns im Lande nicht, keinesfalls werden schwarze Koffer hin‑ und hergetragen ‑ und was sind schon lächerliche DM 60 Millionen?

 

Selbst die Staatsanwaltschaft in Nürnberg hat abgewunken, als ihre Düsseldorfer Kollegen sie aufforderten, eine Durchsuchung bei Diehl vorzunehmen. Steuerfahnder zucken hilflos mit den Achseln: Eine Durchsuchung müsse bei der OFD angemeldet werden und "irgendwelche OFD­Mitarbeiter" würden umgehend den Diehl‑Konzern davon unterrichten ‑ so jedenfalls die Gerüchte. Da der Diehl‑Konzern traditionell beste Beziehungen zur bayerischen CSU pflegt, bedarf es eigentlich keiner weiteren Erläuterungen. Die Finanzverwaltung weist solches natürlich vehement zurück.

 

Die Kleinen hängt man und die Großen...

Bei uns geht es stets korrekt zu. Da ist es für den Staat schon simpler woanders an Schotter zu kommen. Zum Beispiel bei einem Sozialihilfeempfänger, der auf die Idee kommt, er brauchte DM 50,00 für Sonderwünsche (etwa ein Geburtstagsgeschenk für die Kinder). Nachdem man ihm mindestens sieben Formulare hat ausfüllen lassen ‑ die er dann nach dem vierten Antrag genehmigt bekommt ‑ überprüfen drei unabhängige Instanzen das "Geschenk". Wo kämen wir auch hin, wenn uns einer, und noch dazu so einer, bescheißen will?

 

Nachtrag: Zum Neujahrsempfang der CSU lädt der bayerische CSU‑Minister jetzt rund 3.000 Gäste aus Politik, Kirche, Wirtschaft und Diplomatie nach Berlin ein. ‑ Schirmherr ist Ministerpräsident (und Möchtegernkanzler) Stoiber ‑ Sponsor ist die Diehl Stiftung.

 

Zu was DM 60.000.000,00 doch gut sein können...

 

Bleibt eigentlich nur noch zu hoffen, dass die streitbare Steuerprüferin, Ingrid M., wie nun aktuell angekündigt, Strafantrag gegen die Verantwortlichen in der Finanzverwaltung stellt. (H.F.)

 

Quellen: Tageszeitung "Nürnberger Nachrichten" vom 29./30.12.2001 und "KV‑Rundbrief" des PDS‑Kreisverbandes Nürnberg vom 18.12.2001