Wolfgang Grams
Ebenso wie die rechtsradikale NPD nach wie vor eine mit Spitzeln und Einflussagenten in- und ausländischer Dienste (Gründungsikone Adolf von Thadden arbeitete beispielsweise für den britischen Geheimdienst MI6) durchsetzte „Agentur des Parteienstaates“ ist, war die RAF eine teils vom Mossad gelenkte und teils vom Verfassungsschutz durch aufgedrängte Waffenlieferungen (man denke nur an den V-Mann Peter Urbach) in die Gewaltbereitschaft dirigierte Absplitterung der grundsätzlich friedlichen 68er-Bewegung. Axel Cäsar Springer – wegen seiner die tumben Bevölkerungskreise verhetzenden Presseagitation bevorzugtes Hassobjekt der rebellischen Studenten – war nach seriösen amerikanischen Quellen ein von der CIA im Anfangsstadium mit sieben Millionen US-Dollar ausgestatteter Knecht fremder Mächte, der einst SA-Uniform trug und später neben dem deutschen auch einen israelischen Pass besaß. So überrascht es nicht, dass einschließlich Wolfgang Grams sieben RAF-Mitglieder bei der ansich geplanten Verhaftung getötet wurden. In einem zu vermeidenden Prozess hätten sie ja Dinge ausplaudern können, die das korrupte Schweinesystem in ernste Bedrängnis hätte bringen können. Gibt es etwas entlarvenderes als die Aussage des später von der RAF erschossenen Generalbundesanwalts Buback (der sich übrigens als Knecht des Systems maßgebliche Meriten während der staatsterroristischen SPIEGEL-Affäre verdiente) bezüglich der Sonderakte der Hamburger Polizei über die Aussage des Gerhard Müller: „Wenn diese Akte bekannt wird, können wir alle unseren Hut nehmen.“ Selbstverständlich wurde diese alle bisherigen Erkenntnisse auf den Kopf stellende Akte auch dem Gericht im Baader-Meinhof-Prozess in Stuttgart-Stammheim vorenthalten, dessen Vorsitzender durch eine offenkundige Manipulation der Geschäftsverteilung bestimmt wurde. Insoweit von einem „Schweinesystem“ zu sprechen ist also keinesfalls abwegig oder bösartig, sondern tatsachen- und wertungsadäquat.
IN MEMORIAM Wolfgang Grams
Opfer eines politischen Mordes
(...) Man denke nur an den
unangenehmen Fall Grams. Wer der westdeutschen Rechtsstaatlichkeit am Zeug
flicken will, könnte sich keinen neuralgischeren Punkt aussuchen. Christoph
Hein, jahrzehntelang im westlichen Landesteil verlässlich gelobt, solange er
Unrecht und Missstände in der DDR zur Sprache brachte, begibt sich erstmals
über die westdeutsche Schmerzgrenze und beginnt nun auch hüben zu bohren in
bewährter stiller Aufsässigkeit, aber diesmal ohne den gewohnten Beifall. Der
Unwille war vorhersehbar: Was erlauben Hein?
Er als Ostler habe sich
herausgenommen, einen RAF‑Roman schreiben zu wollen, tönte es sofort
missbilligend. Und schon dies ist ein grobes Missverständnis. «In seiner frühen
Kindheit ein Garten» folgt zwar kaum verhüllt, vielmehr akten‑ und
faktengetreu, dem gut dokumentierten Fall Grams und dessen gerichtlichem
Nachspiel; um einen RAF‑Roman indes handelt es sich mitnichten. Wohl aber
um Doku‑Fiction, ganz ähnlich dem dokumentarischen Roman «Mein Jahr als
Mörder», in dem Friedrich Christian Delius neulich einer Kette von West‑Berliner
Justizskandalen nachging, die so manches mit dem Fall Grams gemein haben.
Vertuschtes
Fahndungsdesaster
Zur Erinnerung: Am 27. Juni
1993 kam es auf dem Bahnhofsgelände von Bad Kleinen in Mecklenburg zu einer
chaotischen Fahndungsaktion gegen Mitglieder der RAF. Ein Schock Grenzschutz‑Beamte
versuchte das Terroristen‑Paar Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld
festzunehmen. Bei einem Schusswechsel wurden Grams und ein GSG‑9Beamter
tödlich verletzt. Wegen zahlreicher Ungereimtheiten geriet die Aktion alsbald
zum öffentlichen und niemals überzeugend aufgeklärten Skandal, der nicht nur
die Medien vehement beschäftigte.
Zur Frage, wer im Getümmel
durch wessen Kugel starb, gaben die Behörden widersprüchliche Darstellungen.
Die Informations‑Pannen nahmen ungewöhnliche Ausmaße an.
Grenzschutzbeamte und Polizisten bezichtigten erst einander und widerriefen
dann, die Aussagen unbeteiligter Augenzeugen, die eine regelrechte Hinrichtung
des verletzten Grams durch einen aufgesetzten Polizeischuss gesehen haben
wollten, wurden systematisch in Zweifel gezogen oder vertuscht, Beweismaterial
wurde unterdrückt oder vernichtet, Videoaufnahmen verschwanden, die Präsenz
eines dritten Terroristen ‑ in Wahrheit ein V‑Mann des
Verfassungsschutzes, der verabredungsgemäß flüchten durfte ‑ bei der
Bahnhofsaktion wurde verschleiert, Gutachten wurden durch Gegengutachten
konterkariert.
Der offizielle
Untersuchungsbericht schrieb schließlich die Version fest, der angeschossene
Terrorist Grams habe sich selbst getötet, durch einen Kopfschuss im
Rückwärtsfallen auf das Bahngleis. Eine Woche nach den Ereignissen von Bad
Kleinen trat der damalige Innenminister Rudolf Seiters zurück, tags drauf wurde
der Generalbundesanwalt und oberste RAF‑Fahnder Alexander von Stahl in
den Ruhestand entlassen, beides kommentarlos. Trotzdem wurde das
Ermittlungsverfahren eingestellt.
Ein
Michael Kohlhaas, gewaltfrei
Diese Ereignisse interessieren
Christoph Hein nur insofern, als sie die realen Eltern Grams zum Handeln
motivierten, womit sie ihm den kaum verschlüsselten Romanstoff lieferten. Heins
Protagonisten sind der pensionierte Gymnasialdirektor Richard Zurek und dessen
Frau, die Eltern des untergetauchten und dann erschossenen Terroristen, der im
Roman Oliver Zurek heißt. Hein erzählt, wie die fragwürdigen Todesumstände
Olivers seinen Vater dazu bringen, den Kampf gegen die Behörden aufzunehmen, um
Gerechtigkeit für seinen Sohn zu erstreiten, den Polizei, Justiz und
Radaupresse ohne Beweise zum «Polizistenmörder» gestempelt haben. Heins Buch
ist weniger ein RAF‑ als vielmehr ein Michael-Kohlhaas-Roman.
Richard Zurek ist allerdings
ein Kohlhaas minus Gewalttätigkeit ‑ nach Herkunft und Milieu ist er ein
treuer Staatsdiener, unkritisch und politisch naiv, fast preußisch
obrigkeitsfromm und ohne Ahnung von den Motiven, die seinen Sohn in die
Illegalität und die Staatsfeindschaft abdriften ließen. Erst nach Olivers Tod
liest er die linken Kampfschriften von Che Guevara bis Gramsci nach und findet,
sie seien «reine Lyrik, erbaulich und schön wie die Korintherbriefe. Das ist
die Bergpredigt, nichts anderes, samt einer Wollmaske mit Augenschlitzen». Er
kommt zu dem blauäugigen Schluss: «Das sind keine Terroristen, es sind Träumer,
nichts weiter.» Seine einfältigen Meinungen zum Terror der RAF sind als
ideologische Sollbruchstelle zu lesen ‑ als kleine Falle für Leser: Mal
sehen, ob sie reinfallen und den Autor mit der Figur verwechseln.
Dem Protagonisten Heins geht
es um die Ehre seines toten Sohnes. In immer neuen Beschwerden, die immer aufs
Neue abgewiesen werden, klagt er sich durch die Instanzen, bis hin nach
Straßburg. Er bittet den Innenminister in einem bewegenden Brief, ihm die
wahren Gründe seines Rücktritts zu nennen, und wird als Querulant brüsk
abgewiesen. Er erstattet Strafanzeige gegen den Bundeskanzler wegen des
Verdachts der üblen Nachrede und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener.
Der Kampf politisiert ihn, schärft und radikalisiert seine Ansichten. Jede
Niederlage vor Gericht steigert seine Empörung und entfremdet ihn Schritt für
Schritt dem Staat, dem er als vereidigter Beamter so lange gedient hat. Doch
Zurek gibt nicht auf, auch nicht um den Preis des Zerwürfnisses mit seiner Tochter,
einer unerbittlichen Vertreterin der Mehrheitsmeinung, wonach Oliver als
Mitglied einer Mörderbande auch selbst ein Mörder war und nur erntete, was er
gesät hatte.
Der
Chronist als Heißsporn
Am Ende kann der Alte sich in
seinem Kampf gegen den Staat zwar einen halben Sieg gutschreiben, zieht aber
für sich eine höchst querköpfige Konsequenz: Er entlässt sich selbst aus dem
Amtseid und scheidet sich von seinem Staat «Ich habe geschworen, das
Grundgesetz und alle Gesetze des Landes gewissenhaft zu wahren. Da der Staat
aber ..eine eigenen Gesetze nicht wahrt, bin ich von meinem Amtseid entbunden.»
Heins Romanhelden sind keine
lauteren Sympathieträger, zur Identifikation laden sie nicht unbedingt ein.
Auch den aufrechten Zurek, so wacker er sich schlägt, lässt Hein durchaus seine
krummen Touren fahren: Seinen Treueid auf Hitler hat er im Dritten Reich nur
allzu sehr gehalten, hingegen als Seitenspringer seiner Ehefrau den Treueid nur
allzu leicht gebrochen.
Aber wenn's drauf ankommt, ist
Richard Zurek doch ein Intellektueller nach Heins Herzen. Als Aufgabe des
Intellektuellen definierte Hein 1996 in einem Essay, er habe alles, worauf die
Gesellschaft sich gründet, «in Frage zu stellen im Namen des Humanen. Er hat
die Grundlagen und die Rücksichten, auf denen jede Gesellschaft gründet allein
daraufhin zu prüfen, wieweit sie gerecht und menschenwürdig sind».
Solche Prüfung wird sich nun
auch die Gesellschaft hüben von Christoph Hein gefallen lassen müssen. Aber wer
sagt denn, dass sich in einem kühlen Chronisten nicht ein moralischer Heißsporn
verbergen darf?
Quelle: Auszug aus "Literaturen" 03 II 2005 / S. Löffler
bespricht "In seiner frühen Kindheit ein Garten" von Christoph Hein,
Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005. 271 S., 17,90 Euro
Anmerkung: Weitere - bisher nicht veröffentlichte - Informationen zu den
Vorgängen auf den Gleisen von Bad Kleinen wird der geneigte Leser in dem
Kapitel 5 des zweiten Teils der "Rechtsbeugermafia" finden
("Staatskriminalität und Staatsterrorismus an den Beispielen Grams und
Hafenstraße"). Darin wird unter anderem beschrieben, wie das
"meineidige System" seine korrupten Helfer belohnt.
Wolfgang Grams (2)
(...) Die Ermittlungen nach
der blutigen Polizeiaktion von Bad Kleinen vom 5. Juli 1993, in deren Verlauf
der mutmaßliche Terrorist Wolfgang Grams und der Polizeibeamte Michael
Newrezella getötet wurden, haben gezeigt, daß aus dem Fall Schmücker immer noch
keine Konsequenzen gezogen worden waren. Wieder mußte die Justiz mühsam
versuchen, Klarheit zu schaffen: Es galt, eine Tötung aufzuklären. Es war den
Angaben eines anonymen Zeugen aus Polizeikreisen nachzugehen, der dem Spiegel offenbart hatte: »Die Tötung des
Herrn Grams gleicht einer Exekution«. Wieder mauerten die anderen staatlichen
Behörden. Sie waren nicht an Aufklärung interessiert, sondern an Verschleierung
‑ weil ihre Mitarbeiter auf fragwürdige Weise in den Tatablauf verwickelt
waren. Deshalb verfügten sie Sperrerklärungen: Zeugen durften nicht aussagen;
der V‑Mann mußte schweigen. Deshalb behinderten Polizei und Verfassungsschutz
die Ermittlungen in jeder Weise, und deshalb fielen sie der Justiz in den Arm.
Die Justiz mußte in der ersten Etappe der Ermittlungen von den Häppchen leben,
die auf ihr Bitten und Betteln hin von Polizei und Verfassungsschutz
gnädigerweise herausgerückt wurden. Eine ausreichende Aufklärung des Geschehens
war nicht mehr zu erreichen: Zuviel an Spurensicherung war versäumt, zu viele
Beweismittel waren blockiert und vernichtet worden. (...)
Quelle: "Deutschland leicht entflammbar" von Heribert Prantl,
Carl Hanser Verlag, München Wien 1994, S. 202
Anmerkung: Weitere - bisher nicht veröffentlichte - Informationen zu den
Vorgängen auf den Gleisen von Bad Kleinen wird der geneigte Leser in dem
Kapitel 5 des zweiten Teils der "Rechtsbeugermafia" finden
("Staatskriminalität und Staatsterrorismus an den Beispielen Grams und
Hafenstraße"). Darin wird unter anderem beschrieben, wie das
"meineidige System" seine korrupten Helfer belohnt.
Wolfgang Grams (3)
Staatliche Hinrichtung trotz abgeschaffter Todesstrafe
oder
Wo wir sind, ist das Recht
Die Verhaftung der
mutmaßlichen RAF‑Terroristen Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams hätte
eine neue Sternstunde für die Anti-Terrorgruppe GSG 9 werden können, doch die
Aktion endete mit einem blutigen Showdown auf dem Bahnhofsareal im
mecklenburgischen Bad Kleinen. 44 Schüsse fielen, ein GSG‑9‑Beamter
und Wolfgang Grams starben, zwei Personen wurden verletzt und ein V‑Mann
»verbrannt«. In 25 Sekunden war alles vorbei, die Rekonstruktion der Ereignisse
ließ allerdings acht Monate auf sich warten. Der Bericht darüber war trotzdem
nicht in der Lage, alle Zweifel über den Hergang des Geschehens auszuräumen.
Grams und Hogefeld hatten
einen Kurzurlaub geplant und sich am Sonntag, dem 27. Juni 1993, mit einer
dritten Person namens Klaus Steinmetz im Billard‑Cafe auf dem
Bahnhofsgelände in Bad Kleinen getroffen. Klaus Steinmetz operierte als V‑Mann
und hatte bereits am 17. April seinem rheinland‑pfälzischen Dienstherrn
vom bevorstehenden Urlaub der RAF‑Aktivisten berichtet. Informiert waren
auch Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, die Präsidenten des
Bundeskriminalamtes (BKA), Hans‑Ludwig Zachert, und des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, Eckhart Werthebach, Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU)
und die Justizministerin Sabine Leutheusser‑Schnarrenberger (FDP).
Seit 1984 hatte es keinen
Fahndungserfolg mehr gegen die Rote Armee Fraktion gegeben; ihre Morde an
Siemens‑Manager Karl Heinz Beckurts, Diplomat Gerold von Braunmühl,
Bankchef Alfred Herrhausen und Treuhand‑Boß Detlef Karsten Rohwedder
waren ungeklärt. Die Zeit schien reif für einen Großeinsatz von 54 GSG‑9-Beamten,
der bis ins Detail geplant wurde. Seit Mitte Mai wurde das Gelände um den
Schweriner See durchkämmt, minuziöse Einsatzpläne wurden erarbeitet. Die Aktion
»Weinlese« sollte das Renommée der betroffenen Behörden auf Hochglanz polieren,
endete aber in einem Fiasko.
Als Grams und Hogefeld in der
Unterführung zu den Gleisen verschwanden, war der Zeitpunkt zum Zugriff für die
Beamten gekommen. Beamter »Nummer 4« ‑ die Namen wurden bewußt nicht
genannt ‑ hatte allerdings einen Funkspruch mißverstanden und dachte, die
Aktion sei bereits gelaufen. Er rannte nach unten, vorbei am nichtsahnenden
Grams, und eröffnete ihm so einen Fluchtweg. Sekundenbruchteile später erklang
das Kriegsgebrüll acht herbeistürmender GSG‑9‑Beamten, die Birgit
Hogefeld und den V-Mann überwältigten. Grams flüchtete zu den Gleisen 3/4 und
schoß mit seiner Pistole vom Typ Czeska 75 (»Brünner«) auf die Verfolger. Dabei
wurde der Polizist Michael Newrzela tödlich und ein zweiter Beamter leicht
verletzt. Die Beamten reagierten mit einer wilden Schießerei, innerhalb derer
auch eine Zugbegleiterin verletzt wurde. Grams, von fünf Kugeln getroffen,
stürzte rückwärts auf das Gleis. Es folgte ein Kopfschuß, Grams starb gegen
18.00 Uhr in der Universitätsklinik Lübeck. Er war das siebte RAF‑Mitglied,
das bei seiner Verhaftung getötet wurde.
Noch am selben Abend
informierte Generalbundesanwalt von Stahl die Öffentlichkeit, allerdings
stimmten nicht alle Details seiner Ausführungen. Erst in den folgenden Tagen
wurde publik, daß Hogefeld das Feuer nicht eröffnet und Grams den GSG‑9‑Beamten
erschossen hatte. Trotzdem feierte Innenminister Seiters die Aktion »Weinlese«
als Erfolg. Auf wessen Konto Grams' Tod ging, wurde zunächst nicht erörtert. Am
1. Juli 1993 berichtete das ARD‑Magazin Monitor von einer Zeugin, der Besitzerin des Bahnhofskiosks, Joanna
Baron, die eidesstattlich versicherte, ein GSG‑9‑Beamter habe den
wehrlosen Grams in den Kopf geschossen. »Die Tötung des Herrn Grams gleicht
einer Exekution«, verbreitete auch der Spiegel.
Zwei GSG‑9‑Beamte hätten den verletzten Grams erreicht, der
nicht mehr fliehen wollte, bezeugte ein Sicherheitsbeamter, der namentlich
nicht genannt werden wollte. Damit bestätigte er zwar die Aussage der
Kioskbesitzerin, widersprach jedoch den Aussagen von sechs GSG‑9‑Beamten.
Rudolf Seiters fiel aus allen Wolken, Staatsanwälte aus Schwerin sollten
ermitteln. Vielleicht hatte er sich ja auch selbst erschossen?
Doch dafür gab es zunächst
keine Beweise, statt dessen jede Menge Ungereimtheiten. Die zur Tat unmittelbar
anwesenden GSG-9‑Beamten erfanden im Laufe der Untersuchung diverse
Szenarien, wie es zu Grams' Kopfschuß gekommen sein konnte. Doch wollte keiner
hingesehen haben, als der entscheidende Schuß fiel. Auch die Spurensicherung
arbeitete skandalös schlampig. Statt alle am Tatort befindlichen Waffen
einzusammeln und zu versiegeln, war es möglich, daß einer der Beamten seine
Privatwaffe erst viel später abgab. Noch Tage darauf wurden auf dem Gelände
Projektilhülsen gefunden, sogar dort, wo Grams auf die Gleise gestürzt war.
Auch bei seiner Obduktion passierten Patzer. Zu viele Beamte waren mit der
Spurensicherung beschäftigt, so daß keiner wußte, welche bereits gesichert
waren. Da man vor der Obduktion sein Gesicht und seine Hände gereinigt und das
Kopfhaar vernichtet hatte, war nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehbar, ob
Grams tatsächlich Selbstmord begangen hatte. Als Todesursache wurde festgestellt,
»daß die tödliche Schußverletzung durch einen Aufsetzschuß oder durch einen
Schuß aus unmittelbarer Nähe in die rechte Schläfe erfolgt ist«. Am Montag nach
der Tat wurden die Pistolen zum Schußwaffenvergleich im Wiesbadener BKA
abgefeuert, ohne daß sie zuvor auf Gewebespuren untersucht worden waren, die
nach einem aufgesetzten Schuß vorhanden gewesen wären. Die schleppenden und
schlampigen Ermittlungen schürten den Verdacht, daß durch viele kleine Pannen
eine große vertuscht werden sollte.
Die Eltern von Wolfgang Grams
stellten Strafanzeige »wegen Verdacht des Mordes bzw. des Totschlags«. Mit der
Untersuchung seines Todes wurde die Stadtpolizei von Zürich beauftragt, die als
besonders sachkundig galt. Innenminister Seiters zog Konsequenzen aus den offensichtlichen
Fehlern und Koordinationsmängeln, die es bei den Bundesbehörden gegeben hatte,
und trat am 4. Juli zurück. Drei Tage später wurde auch von Stahl in den
vorzeitigen Ruhestand versetzt. Im Bundesinnenministerium wurde der zuständige
Abteilungsleiter für Polizeiangelegenheiten, Schreiber, in den Vorruhestand
abgeschoben; der BKA‑Vizepräsident Gerhard Köhler wurde ins
Innenministerium versetzt; nur in der Verfassungsschutzbehörde fanden keine
personellen Umstrukturierungen statt.
Endlich lag der
Abschlußbericht der Zürcher Untersuchungen vor. Darin hieß es, der tödlich
aufgesetzte Kopfschuß stamme aus Grams' Waffe. Des weiteren stellten die
Schweizer fest: »Es gibt keine neuen Erkenntnisse, die zwingend gegen eine
Selbstbeibringung des Nahschusses durch Grams sprechen würden.« Der Satz läßt
auch andere Folgerungen zu. Doch im Schlußbericht der Bundesregierung im März
1994 wird von einer eindeutigen Selbsttötung Grams' gesprochen und das
Verfahren eingestellt. Seine Eltern legten dagegen Beschwerde ein.
Wissenschaftliche Unterstützung fanden sie beim Direktor des
Rechtsmedizinischen Instituts in Düsseldorf, Wolfgang Bonte. Er war zu dem
Schluß gekommen, daß Grams seine Waffe entwunden worden war, bevor er den
Kopfschuß erhielt. Die Frage, ob Selbstmord oder Mord Grams' Tod herbeigeführt
hatte, wurde zuletzt vom leitenden Oberstaatsanwalt in Schwerin zur
Glaubenssache erklärt.
Es gab nicht wenige wie den
Fraktionsvorsitzenden der hessischen Grünen, Rupert von Plottnitz, denen die
Aktion in Bad Kleinen Anlaß gab, sich auf konservative
Strafverfolgungstraditionen zurückzubesinnen. »Bei den Mitgliedern der GSG 9
handelte es sich offenbar mehr um Beamte, die als Soldaten für Einsätze gegen
militärische Gegner ausgebildet waren, als um Polizisten, die über Erfahrungen
bei der Festnahme mutmaßlich bewaffneter Verdächtiger verfügten«, schrieb
er in der Frankfurter Allgemeinen
vom 1. August 1993. »Eine Polizei, die sich mehr und mehr vermummt und auf
das rechtsstaatliche einst verbürgte offene Visier verzichtet, leistet keinen
Beitrag zur Sicherheit, sondern läuft Gefahr, selbst zum Unsicherheitsfaktor zu
werden.«
An sich stellt der Skandal von
Bad Kleinen nichts anderes dar als eine Fortsetzung der langen und nicht enden
wollenden Reihe polizeilicher Ermittlungs‑ und Verhaltenspannen, die ihre
Grundlage aus dem schlichten Selbstverständnis bezieht: Wo wir sind, ist das
Recht.
Quelle: Christina Moles Kaupp in "Was die Nation erregte",
München 1998, S. 148 - 152
Anmerkung: Weitere - bisher nicht veröffentlichte - Informationen zu den
Vorgängen auf den Gleisen von Bad Kleinen wird der geneigte Leser in dem
Kapitel 5 des zweiten Teils der "Rechtsbeugermafia" finden
("Staatskriminalität und Staatsterrorismus an den Beispielen Grams und
Hafenstraße"). Darin wird unter anderem beschrieben, wie das
"meineidige System" seine korrupten Helfer belohnt.
Des weiteren wird der Beitrag "R A F" - auf dieser
Weltnetzseite - in Erinnerung gerufen, der untermauert, daß auch die
angeblichen Selbstmorde von Stammheim keine Suizide, sondern vorsätzliche
Tötungsdelikte gewesen sein dürften und daß die erste Generation der RAF an den
Strippen des MOSSAD gehangen haben soll. Was lag näher, als auch Grams zu
exekutieren. Jahre später soll durch eine neue Analysemethode festgestellt
worden sein, daß ein Haar, welches am Ort der Schußabgabe auf Detlef Karsten
Rohwedder in einem Handtuch gefunden wurde, Wolfgang Grams zuzuordnen sei.
Dadurch wird alles klar, wenn man weiß, wem Rohwedder im Wege war und wer seine
Nachfolgerin werden sollte!
Anwälte der Eltern von Wolfgang Grams
I.
Nach gründlicher Auswertung der uns von der Staatsanwaltschaft Schwerin
aufgrund des Beschlusses des Landgerichtes Schwerin vom 30.12.1993 am
14.01.1994 zur Einsichtnahme überlassenen Ermittlungsakten und nach Einholung
weiterer wissenschaftlicher Gutachten halten wir den Schluß für zwingend, daß
Wolfgang Grams von Beamten der GSG 9 durch einen Kopfschuß aus der ihm
zugeordneten Waffe getötet worden ist.
Nachdem Birgit Hogefeld und der Verfassungsschutz-Mitarbeiter Klaus Steinmetz
im Tunnel unter dem Bahnhof Bad Kleinen von GSG-9-Beamten überwältigt worden
waren, rannte Wolfgang Grams die Treppe zum Gleis 3/4 hinauf. Ihm folgte ein
Spezialeinsatztrupp (SET) von GSG-9-Beamten, die bereits auf der Treppe das
Feuer auf Wolfgang Grams eröffneten. Wolfgang Grams erreichte den Bahnsteig und
bog um das linke Geländer des Treppenaufganges. Hier drehte er sich mit dem
Rücken zum Gleis 4 und der Vorderseite zum Aufgang. In dieser Position zog er
eine Pistole mit der rechten Hand. Auf dem Bahnsteig befand sich nun auch der
ihm nacheilende Polizeitrupp und feuerte auf ihn aus ca. 1,50 Meter Entfernung.
Wolfgang Grams wurde getroffen und rückwärts vom Bahnsteig auf das Bahngleis 4
vor die Bahnsteigkante geschleudert. Die GSG-9-Beamten Nr. 3 und 6 setzten
unmittelbar nach. Wolfgang Grams umklammerte zu diesem Zeitpunkt die Pistole
mit der rechten Hand. Sie wurde ihm von einem der beiden nachgeeilten
GSG-9-Beamten mit einem Entwindungsgriff abgenommen. Mit einem aufgesetzten
Nahschuß wurde ihm von diesem GSG-9-Beamten in die rechte Schläfe geschossen.
Der Schuß war tödlich. Der GSG-9-Beamte Nr. 3 verließ das Gleisbett. Der
GSG-9-Beamte Nr. 8 trat an das Gleis heran. Das gesamte Geschehen dauerte
wenige Sekunden.
II.
Die staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung geht in ihrem Abschlußvermerk
von folgendem festgestellten Sachverhalt aus: Wolfgang Grams habe sich die
Treppe zum Bahnsteig 3/4 hochbewegt. Die GSG-9-Beamten Nr. 2, 3, 5, 6, 7 u. 8
sowie Newrzella seien ihm nachgestürmt. Newrzella und der Zeuge GSG 9 Nr. 5
hätten die Verfolger angeführt. Wolfgang Grams habe sich auf dem Bahnsteig nach
links gedreht und Newrzella, der seine Pistole nicht gezogen gehabt hätte,
Schüsse in die Brust und beide Beine versetzt sowie einen Streifschuß an der
linken Gesäßpartie. Newrzella sei daraufhin am oberen Ende der Treppe zu Boden
gestürzt. Der GSG-9-Beamte Nr. 5 habe von Wolfgang Grams Schüsse in den
Oberschenkel, auf die Magazintasche und in den linken Oberarm erhalten.
Wolfgang Grams habe sich nunmehr auf dem Bahnsteig zwischen Treppengeländer und
Bahnsteigkante nach links (westwärts) bewegt und dabei weiter auf die die
Treppe heraufstürmenden GSG-9-Beamten geschossen. Diese hätten ihrerseits
während Wolfgang Grams Schüssen auf Newrzella das Feuer auf Wolfgang Grams
erwidert. Der GSG-9-Beamte Nr. 6 habe hinter einem Pfosten am linken Ende des
Aufganges auf der obersten Stufe Deckung gesucht. Wolfgang Grams habe bei
diesem 8 - 15 Sekunden dauernden Schußwechsel insgesamt 5 Treffer erhalten:
Schuß auf die Magazintasche, Beinsteckschuß, streifender Durchschuß,
Bauchsteckschuß, perforierender Schuß durch Hose und Portemonnaie ohne
Verletzung. Er sei rückwärts auf das Gleis gestürzt, wo er liegenblieb. Noch
bevor die GSG-9-Beamten ihm nachgesetzt hätten, habe er sich in Suizidabsicht
einen Kopfdurchschuß versetzt. Erst etwa 30 bis 60 Sekunden nach Beendigung der
Schußabgabe sei der GSG-9-Beamte Nr. 6 zu Wolfgang Grams auf das Gleis getreten
und habe diesen mit der beidhändig auf dessen Kopf gerichteten Dienstwaffe
gesichert. Wenig später sei der Beamte GSG 9 Nr. 8 ebenfalls zu Wolfgang Grams
ins Gleisbett getreten. Weitere Schüsse seien nicht gefallen.
Der vorgenannte Sachverhalt wird von einer verständigen Würdigung der
Ermittlungsergebnisse nicht getragen.
1. Die dem Einstellungsergebnis der Staatsanwaltschaft zugrundegelegten
Gutachten werden in wesentlichen Punkten durch die von uns anliegend
vorgelegten Gutachten widerlegt.
2. Der von der Staatsanwaltschaft festgestellte Sachverhalt steht darüber
hinaus mit einer Ausnahme in eklatantem Widerspruch zu den Aussagen der nicht
am Schußwechsel beteiligten unmittelbaren Zeugen St., J., D., T. und W.
3. Die Staatsanwaltschaft hat schließlich eine Reihe von sich aufdrängenden
Ermittlungsmaßnahmen unterlassen bzw. nicht zu Ende geführt, soweit diese das
von ihr vorgelegte Ergebnis hätten desavouieren können.
III.
Unter der Überschrift "objektive Beweismittel" hat die
Staatsanwaltschaft in ihrem Abschlußvermerk versucht, ihre Selbstmordtheorie
mit Ergebnissen verschiedener rechtsmedizinischer Untersuchungen und Gutachten
zu belegen. Zusammenfassend wird in Hinblick auf den tödlichen Kopfdurchschuß
u.a. behauptet, daß aufgrund der Blutspuren an der Wolfgang Grams zugeordneten
Waffe und seiner Kleidung feststehe, daß dieser sich selbst erschossen habe.
Die Unterzeichner haben zur Überprüfung der der Beurteilung der
Staatsanwaltschaft zugrundeliegenden Gutachten ihrerseits den Direktor des
Instituts für Rechtsmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Herrn
Prof. Dr. med. W. Bonte beauftragt. Dieser hat das Ergebnis seines Gutachtens
wie folgt zusammengefaßt:
"Hauptziel aller durchgeführten Untersuchungen war festzustellen, ob der
tödliche Kopfschuß von Herrn Grams selbst abgegeben wurde oder von einem der
GSG-9-Beamten. Alle Gutachter gehen übereinstimmend davon aus, daß der Schuß
aus der Brünner CZ 75 kam. Hieran ist nicht zu zweifeln. Indes beweist dieses
nicht, daß Herr Grams diese Waffe bei Schußabgabe geführt hat.
Die Untersuchungen wurden durch strategische Fehler erheblich gestört, wodurch
wichtige Rückschlüsse nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich waren.
Dieses wurde insbesondere von Züricher Gutachtern verdeutlicht. Sie sahen sich
zu einer sicheren Differenzierung zwischen Selbst- und Fremdtäterschaft nicht
in der Lage.
Eine sichere Beurteilung wurde ausschließlich von Prof. Brinkmann vorgenommen.
Er stützt die Annahme einer Selbsttäterschaft im wesentlichen auf zwei
Argumente:
1. Die Waffe muß so schnell zu Boden gefallen sein, daß sie diesen erreichte
oder nahezu erreichte, bevor ein zunächst nach oben spritzender Spray aus Blut
und Gewebeteilen darauf herabregnen konnte. Nach Ansicht von Prof. Brinkmann
wird diese Bedingung nur erfüllt, wenn man davon ausgeht, daß eine sofort
einsetzende atonische Lähmung die Waffe aus der Hand freigab. Damit sei
Selbsttäterschaft bewiesen.
2. Bei Fremdtäterschaft hätte die Bekleidung des Täters mit solchen Partikeln
bespritzt werden müssen; die entsprechenden Untersuchungen hätten aber ein
negatives Ergebnis gehabt. Folglich sei Fremdtäterschaft auszuschließen.
In der vorliegenden Stellungnahme wurden insbesondere diese Argumente einer
eingehenden Analyse unterzogen. Sie kam zu dem Ergebnis, daß beide Argumente
nicht zwingend oder falsch sind:
1. Die Waffe wurde im Augenblick des Einschusses bespritzt. Alle Gegenargumente
sind sicher widerlegbar. Ein Rückschluß auf Selbsttäterschaft ist
wissenschaftlich nicht haltbar.
2. Anders als bei Prof. Brinkmann verliefen die Untersuchungen bei Prof. Bär
positiv. Die Interpretation dieses Befundes ist allerdings durch fehlerhafte
Handhabung erschwert. Fremdtäterschaft ist nicht zwingend abzuleiten.
Keinesfalls ist sie auszuschließen.
Entgegen der Annahme von Prof. Brinkmann ist also weder Selbsttäterschaft
bewiesen, noch Fremdtäterschaft ausgeschlossen. Eine sichere Differenzierung
ist anhand der vorgelegten Untersuchungsergebnisse nicht möglich.
Es erscheint lohnenswert, der Ursache der charakteristischen Hautabschürfungen
auf dem rechten Handrücken von Herrn Grams experimentell nachzugehen
(Entwindungsgriff?) und die wissenschaftlich angreifbare Schußentfernungsbestimmung
zu überprüfen".
Die zuvor angesprochene charakteristische Hautabschürfung auf dem Handrücken
von Wolfgang Grams wurde erstmals im Gutachten des IRM Zürich vom 15.11.1993
mit dem Tatgeschehen in Zusammenhang gebracht.
Dieses führte am 30.11.1993 zu einer Beauftragung des Rechtsmediziners Prof.
Dr. med. Sellier, der bereits am 12.12.1993 sein Gutachten erstattete. Hierin
führte er als Ergebnis aus, "am ehesten bietet sich an, diese
Hautveränderung durch Einwirkung von Schotter zu erklären...". Dieses
Ergebnis führte dazu, daß die Frage der Hautabschürfung im
staatsanwaltschaftlichen Abschlußvermerk keine weitere Erwähnung fand.
Prof. Dr. Bonte ging im Auftrag der Unterzeichner der charakteristischen
Verletzung der rechten Hand in einem Ergänzungsgutachten weiter nach, das er
wie folgt zusammenfaßte:
"Die auf dem rechten Handrücken von Wolfgang Grams festgestellte
bogenförmige Hautabschürfung und -rötung läßt sich widerspruchsfrei durch einen
streifenden Kontakt mit dem Hahnende im Rahmen eines Entwindungsgriffs
erklären. Form und Aussehen der Hautveränderung sind im Experiment in
weitestgehender Annäherung reproduzierbar. Auch beim Herausziehen der zwischen
Schotterbett und Gesäß eingeklemmten Hand hätte es im Prinzip zu einer Verletzung
am gleichen Ort kommen können. Es ist unwahrscheinlich, daß dabei eine
regelmäßige viertelelliptische Rötung ohne durchgehend sichtbare
Hautabschürfung entstanden wäre. Mit Sicherheit wäre es zu einer umschriebenen
Hautabschürfung in der Nähe des Daumengrundgelenks gekommen, nicht aber im
handgelenksnahen Bereich, wie im vorliegenden Fall."
Die beiden von Herrn Prof. Dr. Bonte erstatteten rechtsmedizinischen Gutachten
vom 29.03.1994 und vom 19.05.1994 werden anliegend vorgelegt. Auf den Inhalt
wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Aufgrund der vorgelegten Gutachten ist die Behauptung der Staatsanwaltschaft,
wonach Wolfgang Grams zwingend Selbstmord begangen haben soll, nicht mehr zu
halten. Vielmehr besteht der hinreichende Verdacht, daß Wolfgang Grams die ihm
zugeordnete Waffe entwunden worden ist, wodurch die charakteristischen
Verletzungen an seiner rechten Hand entstanden.
IV.
Um die vorliegenden Zeugenaussagen zu objektivieren, setzen wir uns zunächst
mit den verschiedenen Bekundungen von fünf Zeugen auseinander, die nicht selbst
unmittelbar in das Zugriffsgeschehen verwickelt gewesen sind. Dies sind die
Zeugen St. (BKA Nr. 12), T., J., L. D. und W..
1. Direkte Zeugen
Der Zeuge St., Beamter des BKA, hat sich auftragsgemäß als Beobachter auf dem
Stellwerk ca. 300 Meter westlich des Bahnhofes Bad Kleinen in angeblich ca. 20
Meter Höhe aufgehalten. Er schildert während zweier Vernehmungen und in einem
Vermerk seine Wahrnehmungen. "Beobachten konnte ich, wie eine
Personengruppe vom Aufgang kommend sich der Bahnsteigkante näherte. Eine Person
drehte sich dann in Richtung des Aufganges um. Zeitgleich mit dem Umdrehen
hörte ich zwei Schüsse, auf die dann mit sehr kurzer zeitlicher Unterbrechung
eine Salve von Schüssen folgte. Während die Schüsse fielen, wurde eine Person
rückwärts auf die Gleise geschleudert, wo sie auf dem Rücken liegen blieb. Zwei
Personen sprangen ihr nach und blieben neben der Person stehen". "Ich
möchte auch noch einmal erwähnen, daß ich diese Beobachtungen vom geöffneten
Fenster des Stellwerkes aus gemacht habe. Dieser von mir geschilderte Ablauf
spielte sich nach meiner Schätzung innerhalb von 10 bis 15 Sekunden ab ".
Der Zeuge Martin J., BGS Beamter in Ausbildung und dienstlich wohl nicht in den
Einsatz involviert, befand sich am Übergang des Bahnsteiges 3/4 zum Bahnsteig
5. Auch der Zeuge J. beobachtete zunächst, daß "mehrere Zivilisten aus dem
gleichen Aufgang auf den Bahnsteig stürmten. Eine einzelne Person, die zuerst
aus der Unterführung kam, drehte sich um und ging rückwärts in Richtung
Gleisanlage 4. Unmittelbar nachdem die Person sich umgedreht hatte, zog sie
eine Waffe und schoß auf die Personen, die sie verfolgten. Diese einzelne
Person (männlich) ging langsam rückwärts weiter und stürzte dann rücklings auf
die Gleise und blieb regungslos liegen... Die erste Person, die sich dann
rückwärts in Richtung Gleise bewegte und dann auch schoß, wurde meiner Meinung
nach von ca. 7 männlichen Personen verfolgt. Diese Personen konnte ich auf dem
Bahnsteig sehen... Zwischen der rückwärts gehenden Person und den Verfolgern
befand sich meiner Meinung nach ein Abstand von ca. 150 cm. Diese
Abstandsangabe zwischen den Personen kann ich deshalb ziemlich genau schätzen,
weil das Geländer vom Niedergang bis zu den Gleisen ca. 3 Meter beträgt, der
erste Verfolger sich ungefähr in der Mitte zwischen Geländer und Bahngleisen
befand... Unmittelbar nach dem Sturz auf die Gleise war ein Verfolger bei der
Person, d.h. diese Person sprang auch auf die Gleise und hielt eine Waffe in
Kopfhöhe des Liegenden. Diese Person, die die Waffe in der Hand hielt, stand
seitlich zu mir gerichtet... Die ganze Aktion verlief in
Sekundenschnelle". Die vorstehenden Angaben machte der Zeuge J. während
seiner ersten Vernehmung am 04.07.1993. Später rückte er von diesen Angaben zum
Teil ab.
Die zum Tatzeitpunkt einundsiebzigjährige Zeugin Lisbeth D. befand sich mit
ihrem Ehemann und einer weiteren älteren Frau zwischen Treppenaufgang und
Bahnhofshäuschen auf dem Bahnsteig 3/4. Nach ihrer Beobachtung bekam ein junger
Mann, der ein Funkgerät in seiner rechten Hand trug, folgende Mitteilung:
"Jetzt kommen sie zum Treppenaufgang". Einige Sekunden später lief
der junge Mann vom Bahnsteighäuschen direkt in gebückter Haltung an ihr vorbei.
Dabei konnte sie erkennen, daß er eine Pistole in der Hand hielt. Während der
Mann auf den Treppenaufgang zulief nahm sie den Beginn der Schießerei wahr.
"Ich weiß auch nicht, wo die vielen Leute so schnell herkamen; sie standen
jedenfalls aus meiner Sicht auf der linken Seite des Treppenaufganges. Ich kann
auch nicht genau sagen, welche Personen gezielt auf andere Personen geschossen
haben. Plötzlich nahm ich rechts von den Treppen mehrere Personen wahr, von
denen eine männliche Person über das Gleis 4 in Richtung Gleis 5 (unvollständig).
Auf dem Gleis wurde er dann - wie ich meine - von einem Schuß in den Rücken
getroffen. Noch in dem selben Moment ist er aus meiner Sicht rückwärts auf das
Gleis gefallen und liegen geblieben...Die Schießerei hörte dann auf. Ich bin
mit meinem Mann und der Frau sofort von unserem Standort schnell weggegangen in
Richtung Bahnsteighäuschen "
Der Zeuge T. befand sich als Lokomotivführer an dem dem Gleis 4 zugewandten
linken Fenster der Lokomotive auf Gleis 5 und unterhielt sich mit der dort
stehenden Zugführerin, der Zeugin Sigrid H. "Während dieses Gespräches
hörte ich aus dem Fußgängertunnel laute Rufe und Geräusche, die mich an
Knallkörper oder KK-Gewehre erinnerten. Unmittelbar danach sah ich mehrere
Personen aus dem Aufgang Richtung Aufsicht laufen. Die Person, die den
Bahnsteig als erste erreichte, drehte sich, nachdem sie den Bahnsteig erreicht
hatte, sofort um und schoß in Richtung Aufgang... Diesen Mann habe ich nur von
hinten gesehen. Ich habe gesehen, daß dieser Mann mehrmals geschossen hat und
sich dabei rückwärts in Richtung Bahngleis bewegte". In einer weiteren
Vernehmung führte der Zeuge T. aus: "Ich hörte laute Rufe, was gerufen
worden ist, kann ich nicht sagen. Weiterhin hörte ich auch etwas knallen. Zu
diesem Zeitpunkt befanden sich noch keine Personen auf dem Bahnsteig 3/4... Auf
nochmalige Nachfrage gebe ich an, daß ich mir hundertprozentig sicher bin, daß
ich noch keine Personen auf dem Treppenaufgang des Bahnsteiges 3/4, Richtung
Wismar gesehen (von meinem Standort), aber gleichzeitig schußähnliche Geräusche
wahrnahm".
Schließlich ist der Zeuge W. anzuführen, der sich am 02.07.1993 an das BKA
wandte. Dort bekundete er, sich zwanzig bis dreißig Meter von dem
gegenständlichen Treppenaufgang entfernt aufgehalten zu haben. "Ich habe
mich dann sofort umgedreht, und in die Richtung geschaut, aus der die Schüsse
kamen. Es war eine sehr schnelle Abfolge von Einzelschüssen, die nicht aus
einer Maschinenpistole stammten. Von meinem Standpunkt aus konnte ich lediglich
eine Person sehen, die mit einer Pistole Schüsse abgab... Ich habe ihn (gemeint
ist Wolfgang Grams) zum ersten Mal bewußt wahrgenommen, als er schon fast an
der Bahnsteigkante war. Zuvor habe ich noch eine Pulverdampfwolke wahrgenommen.
Ich sah, wie Grams rückwärts gehend vom Bahnsteig hinunter in den Gleisbereich
trat und von dort aus in leicht geduckter Haltung in Richtung Treppenaufgang
schoß. Ich kann nicht sagen, ob er mit einer Hand oder beidhändig schoß. Ich
kann auch nicht sagen, wieviele Schüsse er abgegeben hat. Während ich versuchte
zu erkennen, wer die anderen Schützen waren, bzw. auf wen Grams schoß, fiel er
nach hinten über und blieb mit dem Kopf auf den Schienen liegen. Genau zu
diesem Zeitpunkt brach die Schießerei ab. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich auch
keine weiteren Schützen gesehen... Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen,
daß, nachdem Grams nach hinten umgefallen war, kein weiterer Schuß gefallen
ist... Meiner Erinnerung nach hat der Schußwechsel ca. 5-10 Sekunden gedauert.
Eine deutliche Zeit später, wie ich mich zu erinnern meine, etwa eine Minute
später, kamen zwei männliche Personen in mein Blickfeld auf den Bahnsteig. Sie
hielten in ihren Händen Pistolen. Sie gingen hintereinander versetzt in
Richtung Grams. Der hintere der beiden verharrte auf dem Bahnsteig in
beidhändigem Anschlag, wobei er auf den Bauch/Brustbereich von Grams zielte.
Der Vordere stieg in den Gleisbereich und ging auf Grams linker Seite um diesen
herum. Dabei hatte er ständig seine Waffe auf dessen Kopf gerichtet".
Die Angaben des Zeugen W. und das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft
Schwerin stimmen in den wesentlichen Punkten überein. Wolfgang Grams soll sich
also allein auf dem Bahnsteig befunden und als erster geschossen haben. Dann
soll Wolfgang Grams laut dem Zeugen W. in das Gleisbett 4 getreten sein und von
dort weiter in geduckter Haltung geschossen haben. Nach seinem Zusammenbrechen
soll er dort bis zu einer Minute allein gelegen haben, bevor der erste
GSG-9-Beamte zu ihm ins Gleisbett trat. Dieser sei durch einen weiteren Beamten
an der Bahnsteigkante gesichert worden. Schüsse seien nicht mehr gefallen.
Dagegen stehen die im wesentlichen übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen
St., J., D. und T., soweit deren Beobachtungen reichten. Sie schildern, daß sie
durch Lärm und Schüsse auf eine Gruppe von Personen aufmerksam werden, die die
Treppe vom Tunnel zum Bahnsteig 3/4 heraufstürmen. Wolfgang Grams biegt auf dem
Bahnsteig als erster nach links um den Pfosten am Geländer, dreht sich mit dem
Rücken zum Gleis 4 und zieht eine Waffe. Die Verfolger erreichen unmittelbar
danach den Bahnsteig. Aus einer Gruppe von 5 bis 7 Beamten wird in Richtung
Wolfgang Grams geschossen. Dieser wird daraufhin mit Wucht rückwärts auf das
Gleis 4 geschleudert und bleibt dort quer zum Gleis regungslos liegen.
Unmittelbar danach springen wenigstens zwei der Verfolger mit gezogenen und auf
Kopf und Körper gerichteten Schußwaffen ins Gleis. Der gesamte Vorgang dauert
nach übereinstimmenden Aussagen 8 - 15 Sekunden.
Besondere Beachtung ist hierbei den Angaben des Zeugen St. zu widmen. Er war
als Mitglied des BKA-MEK als professioneller Beobachter des Geschehens auf
einer Aussichtsplattform eingesetzt. Als Beamter des BKA-MEK ist er auch ein
geschulter Zeuge, der anders als sog. "Trouble-Zeugen" nicht in gleicher
Weise affektgeladen am beobachteten Geschehen beteiligt war. Zudem befand er
sich an einer ausgesprochen sicheren Stelle, im Gegensatz zu den übrigen
Zeugen, die sich direkt im Bereich einer möglichen Schußeinwirkung aufgehalten
haben. Soweit also dem Zeugenbeweis zur Ermittlung eines strafrechtlich
relevanten Geschehens überhaupt eine Bedeutung eingeräumt werden kann, handelt
es sich insoweit bei Herrn St. um einen geradezu klassischen Zeugen, dessen
Aussage besonderes Gewicht zukommt. Dies wiegt umso schwerer, als die Angaben
des Zeugen St. in den entscheiden Punkten von den genannten Zeugen J., D. und
T. bestätigt werden. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht
schließlich, daß der Zeuge über sämtliche Vernehmungen hinweg und unter Druck
und Verdächtigungen seine Aussage in allen entscheidenden Punkten aufrecht
erhalten hat.
Das weitere Geschehen kann durch diese Zeugen nicht aufgehellt werden. Der
Zeuge St. wandte seine Aufmerksamkeit ab diesem Zeitpunkt der Fahndung nach der
angeblich flüchtigen sog. Zielperson 2 zu und blickte ins weitere Umfeld. Der
Zeuge J. wurde durch einen in Kopfhöhe zur Linken von Wolfgang Grams stehenden
Beamten in seiner Sicht behindert. Die Zeugin D. suchte unmittelbar nach dem
Sturz von Wolfgang Grams auf die Gleise zusammen mit ihren Begleitern Deckung
hinter dem Bahnsteighäuschen. Der Zeuge T. beobachtete das Geschehen bis zum
Schußwechsel auf dem Bahnsteig. Noch bevor Wolfgang Grams auf die Gleise
stürzte, wandte der Zeuge seine Aufmerksamkeit der von einer Polizeikugel
getroffenen Zugführerin zu.
Die Aussage der Zeugin D. wird in dem Abschlußvermerk der StA Schwerin an einer
für den zeitlichen Ablauf des Geschehens nicht unbedeutenden Stelle verfälscht.
Dort heißt es: "Nachdem eine Weile Ruhe geherrscht habe, habe sie hinter
dem Bahnsteighäuschen hervorgeschaut und gesehen, wie eine Person vom Bahnsteig
an die auf dem Gleis liegende Person herangetreten sei...". Tatsächlich
hat die Zeugin D. ausweislich des Vernehmungsprotokolls ausgesagt:
"...Nachdem wir dann nichts mehr gehört hatten, traute ich mich wieder
hinter dem Häuschen hervor und ging in Höhe des Häuschens dem Bahnsteig zu. Von
dort konnte ich sehen, wie ein Mann mit einer Pistole in der Hand vor dem quer
über dem Gleis liegenden Mann stand."
Durch die verfälschte Aussage wird suggeriert, daß die Zeugin erst nach einer
Weile den ersten GSG-9-Beamten auf Wolfgang Grams habe zugehen sehen. Diese
Darstellung entspricht zwar dem gewünschten Ergebnis, wonach die ersten
GSG-9-Beamten erst nach 30 bis 60 Sekunden an Wolfgang Grams herangetreten
seien, hat mit der tatsächlichen Beobachtung der Zeugin aber nichts mehr zu
tun.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Staatsanwaltschaft Schwerin in Kenntnis
der vorzitierten Bekundungen der Zeugen einseitig der Aussage des Zeugen W.
folgt, während sie die weitgehend übereinstimmenden Aussagen der Zeugen St.,
J., D. und T. ignoriert. Dieses ist auch nicht mit der geänderten Aussage des
Zeugen und BGS-Anwärters J. zu erklären, der seine anfänglich präzisen und
detaillierten Angaben während der Vernehmungen am 17.08.1993 relativierte und
dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis anpaßte.
Grundsätzlich gilt für die tatnächste Aussage eines Zeugen die Annahme der
größten Authentizität. Nach seiner ersten Vernehmung am 04.07.1993 durch das
LKA MV bestätigte der Zeuge am 12.07.1993 vor dem LKA MV nochmals ausdrücklich
seine Angaben vom 04.07.1993. Er betonte, "obwohl ich mir nach diesem
Ereignis immer wieder Gedanken gemacht habe, kann ich nur den von mir in meiner
Vernehmung geschilderten Ablauf wiederholen". Erst in der Vernehmung der
Staatsanwaltschaft Schwerin vom 17.08.1993 rückte der Zeuge in entscheidenden
Details von seinen früheren Angaben ab. Zwischenzeitlich war die öffentliche
Diskussion um die Ereignisse von Bad Kleinen fortgeschritten und es liegt nahe,
daß diese Diskussion das Aussageverhalten des Zeugen nicht unerheblich
beeinflußt haben dürfte.
Als Fazit ist festzustellen, daß sich aufgrund des überwiegenden Teils der
Zeugenaussagen für den Zeitraum bis unmittelbar vor dem tödlichen Kopfschuß
schlüssig nur ein anderer als der von der Staatsanwaltschaft festgeschriebene
Tatablauf ergibt.
2. Zeugin Baron
Einzige namentlich bekannte Tatzeugin der Tötung von Wolfgang Grams ist derzeit
die Zeugin Baron. Ihrer Aussage ist daher besonderes Gewicht beizumessen. Trotz
der folgenden Kritik an der staatsanwaltschaftlichen Bewertung der
Zeugenaussage bleibt vorauszuschicken, daß sich die Zeugin bei der Wahrnehmung
der Ereignisse in einer Situation befand, in der massiver Streß ausgelöst
wurde. In der forensischen Wahrnehmungspsychologie existieren bis heute kaum
fundierte Erkenntnisse über die exakten Auswirkungen von Streß und Erregung auf
Zeugenbeobachtungen. Es ist aber davon auszugehen, daß massiver Streß mit hoher
Wahrscheinlichkeit die Verarbeitung von Informationen beeinträchtigt und die
Aussageleistung reduziert.
Trotz verschiedener Inkonsistenzen der Aussage der Zeugin bleibt bedeutsam, daß
die Kernaussage über die verschiedenen Befragungszeitpunkte gleich bleibt.
Diese besteht im folgenden Ablauf: Feuer; dann eine Person auf dem Gleis
liegend; ein Mann der dabeistand; erneutes Mündungsfeuer; ein weiterer Mann,
der hinzukam; Schußgeräusch, daß sich vom vorherigen unterschied.
Die Tatsache, daß diese Konstanz bezüglich des Kerngeschehens vorliegt, obwohl
im Anschluß an den Vorfall alle möglichen Hergangsversionen öffentlich
diskutiert wurden und auch von Medienvertretern direkt mit der Zeugin erörtert
wurden, spricht für einen realen Wahrnehmungshintergrund. Das soll heißen, daß
die diskutierten unterschiedlichen Versionen die Darstellung der Zeugin Baron
nicht beeinflußt haben. Die Aussage gegenüber Monitor, daß auf den Kopf
von Herrn Grams geschossen worden sein soll, kann nicht herangezogen werden, da
diese von Frau Baron nicht selbst geäußert wurde, auch wenn sie sie später
unterschrieb. Die Tatsache, daß sie sich in späteren Vernehmungen immer von der
ihr zugeschriebenen Äußerung distanzierte, zeigt eher, daß ihre Erinnerungen
nicht durch Dritte beeinflußt wurden.
Im folgenden sollen beispielhaft Wertungen der Staatsanwaltschaft bezüglich der
Aussagen der Zeugin Baron untersucht und kritisch gewürdigt werden.
Ohne genaue Fundstelle zitiert die staatsanwaltschaftliche Abschlußverfügung:
"Unerklärlich ist, wie die Zeugin in diesem Zusammenhang zu der
Formulierung "nicht mehr" kommen konnte. Am 09.08.93 hat sie unter
Eid erklärt, die erste Person, bei der sie überhaupt eine Pistole wahrgenommen
habe, sei der zuletzt hinzutretende Beamte gewesen. Bei dem ersten Beamten habe
sie die Pistole erstmals gesehen, nachdem sie das "Feuer" und
insgesamt vier Knallgeräusche wahrgenommen hatte und beide Beamte bei Grams
standen. Die Formulierung "nicht mehr" deutet jedoch darauf hin, daß
sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Waffe gesehen hat. Gleichermaßen
nicht nachvollziehbar ist die von der Zeugin in derselben Vernehmung gewählte
Formulierung, sie habe anschließend bei dem zweiten Schuß des ersten Beamten
"wieder Feuer" gesehen, wenn sie bei diesem Beamten zuvor überhaupt
noch kein Mündungsfeuer gesehen hatte."
"Nicht mehr" bezieht sich offensichtlich auf
"Mündungsfeuer" und nicht auf "Pistole", wie sich auch aus
dem vorherigen Abschnitt der staatsanwaltschaftlichen Beweisführung ergibt.
Nachdem die Zeugin doch im Zusammenhang mit der ersten bei den Gleisen
stehenden Person von Mündungsfeuer gesprochen hatte, erscheint es überhaupt
nicht widersprüchlich, später Mündungsfeuer "nicht mehr" bzw.
"wieder Feuer" gesehen zu haben. Die Zeugin differenzierte explizit
zwischen der Wahrnehmung von Mündungsfeuer einerseits und von einer Pistole
andererseits. Die Schilderung, zunächst Feuer gesehen und dann später die
Pistole wahrgenommen zu haben - die Zeugin hat niemals gesagt: "Ich habe
Mündungsfeuer aus dem Lauf der Pistole gesehen", wie die Formulierung des
staatsanwaltschaftlichen Abschlußvermerkes nahelegt - spricht keineswegs gegen
die Richtigkeit der Aussage, sondern fast eher für die Wiedergabe von einzelnen
Beobachtungen, die nicht im nachhinein durch logische Verbindungen
zusammengeführt wurden.
Ein typischer Wahrnehmungsfehler wäre dagegen beispielsweise: Zeuge A sieht
Person B mit Pistole in der Hand, hört einen Schuß und gibt später an, gesehen
zu haben, daß B schoß. Die Gefahr, daß zwei Beobachtungen miteinander verknüpft
werden, weil dies plausibel erscheint, ist groß. Die Tatsache, daß Frau Baron
angibt, die Pistole erst später wahrgenommen zu haben, spricht insofern dafür,
daß solch ein Interferenzfehler von ihr nicht gemacht wurde.
Die Schlüsse der Staatsanwaltschaft bezüglich der Anzahl der von der Zeugin
Baron im Gleisbett wahrgenommen Personen sind nicht nachvollziehbar: "Die
von der Zeugin gewählten Bezeichnungen 'erste', 'zweite' Person usw. deuten
darauf hin, daß sie insgesamt vier Personen auf dem Gleis gesehen haben will.
Bei der neben dem Liegenden stehenden Person handelt es sich anscheinend nicht
um die zuerst allein wahrgenommene stehende und 'ballernde' Person. Andernfalls
hätte die Zeugin von einer Person sprechen müssen, die neben der ersten Person
gelegen habe. Es handelt sich mithin bei der zunächst allein neben Grams
stehenden Person um insgesamt die dritte von ihr beobachtete Person. Bei der
schließlich hinzutretenden weiteren Person handelt es sich folglich um
insgesamt die vierte Person".
Es ist nicht richtig, daß jemals von vier Personen gesprochen wurde. Vielmehr
ist es so, daß mit "erster Person" einmal die auf dem Gleis liegende
Person (= Wolfgang Grams) bezeichnet wurde und ein anderes Mal die erste im
Gleis stehende Person, um die herum das erste Feuer wahrgenommen wurde, gemeint
waren.
Vor diesem Hintergrund kann auch die Schlußfolgerung nicht nachvollzogen
werden: "Mithin müßte es eine weitere (dritte) ebenfalls mit einer
weinroten Jacke bekleidete Person gegeben haben".
"Erkennbar weinrot gekleidet war, wenn auch mit T-Shirt und Pullunder,
lediglich Grams.". Diese Feststellung der Staatsanwaltschaft ist
unzutreffend.
Der Zeuge GSG 9 Nr. 3 war mit einem rosaviolett-farbenen Sweatshirt bekleidet
(= weinrot), der Zeuge GSG 9 Nr. 8 trug ein weinrotes Sweatshirt, das
bezeichnenderweise von dem Zeugen nie zur kriminaltechnischen Untersuchung
abgegeben worden ist. Weinrote Jacken im eigentlichen Sinn hatte ohnehin
niemand der Beteiligten an. Das im Abschlußvermerk angeführte Rettungspersonal
kann ernst gemeint außer Betracht bleiben. Diese Überlegung ist abwegig, da das
Rettungspersonal in einem komplett anderen Kontext agiert hat und die Farbe
ihrer Bekleidung grell orange war.
Die staatsanwaltschaftlichen Tautologien setzen sich mit folgender Feststellung
fort: "Eine Erklärung, wie Grams zu einem auf dem Gleis stehenden um sich
schießenden Polizeibeamten gelangt sein könnte, ist nicht erkennbar, zumal er
zu dieser Zeit zumindest auf Newrzella und den GSG-9-Beamten Nr. 5 geschossen
haben muß...". Tatsächlich hat die Zeugin immer gesagt, daß sie die
liegende Person auf dem Gleis erst wahrgenommen hat, als sie bereits dort lag.
Selbst die Tatsache, daß sie die liegende Person erst kurze Zeit nach der
stehenden Person wahrgenommen hat, bedeutet keineswegs, daß sich die liegende
nicht bereits vorher dort befunden hat. Hätte die liegende Person sich zuvor an
der schießenden Person vorbeibewegt, hätte das die Zeugin sicher wahrnehmen
müssen. Eine entsprechende Äußerung wurde von ihr nie gemacht.
Bei der Beurteilung der Zeugin Baron zeigt die Staatsanwaltschaft wenig
Differenzierungsvermögen, wenn sie feststellt: "Die Zeugin ist offenbar
nicht in der Lage, logische Brüche in ihren Aussagen oder immanente
Widersprüche zu erkennen und ihre Aussage unter diesem Aspekt kritisch zu
überprüfen. So macht die kausale Verknüpfung 'keine Erinnerung an Schüsse' mit
'keine Mündungsfeuer gesehen' keinen Sinn. Entweder hat die Zeugin vergessen
('weiß nicht mehr'), ob geschossen worden ist, oder sie kann nicht sicher sagen,
ob geschossen worden ist, weil sie sich daran erinnert, nur Knallgeräusche
gehört, aber keinerlei Mündungsfeuer gesehen zu haben. In keinem Fall ist die
sichere Erinnerung daran, kein Mündungsfeuer gesehen zu haben, ein
nachvollziehbarer Grund für einen Erinnerungsverlust hinsichtlich der
Schußabgabe".
Zu den Grundsätzen der Verwertbarkeit einer Zeugenaussage zählt zuvorderst, daß
der Zeuge zwischen eigenen Wahrnehmungen und Schlußfolgerungen unterscheidet.
Fehler in Zeugenaussagen treten gerade dann auf, wenn eigene Wahrnehmungen
reflektiert und Wahrnehmungs- oder Erinnerungslücken "logisch"
ausgefüllt werden bzw. vermeintliche Widersprüche im Nachhinein abgeleitet
werden.
Wenn für die Zeugin Baron ein beobachtetes Mündungsfeuer ein sicheres Indiz ist,
daß an dieser Stelle geschossen wurde, scheint es durchaus plausibel, daß sie
die bloße Wahrnehmung eines Knalles ohne Mündungsfeuer als nicht ausreichend
betrachtet, um sagen zu können, ob diese Person geschossen hat oder nicht. Es
wird ein recht hoher Anspruch an die sprachliche Differenziertheit der Zeugin
gestellt, wenn die Äußerung "ich weiß nicht mehr" nicht als mögliches
Synonym für "ich weiß nicht genau" betrachtet wird. Inwieweit die
Tatsache, daß die Zeugin erst seit 1972 in Deutschland lebt, bei der Frage
etwaiger sprachlicher Unschärfen zusätzlich zu berücksichtigen ist, läßt sich
ohne Kenntnis der Zeugin und sachverständige Würdigung ihrer verbalen
Fähigkeiten nicht ausreichend beurteilen.
Die staatsanwaltschaftliche Bewertung der Aussage der Zeugin Baron ist auch zu
kritisieren, wenn sie feststellt: "Selbst Ereignisse, die nicht im
unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schußwechsel auf dem Bahnsteig stehen,
schildert sie in ein und derselben Vernehmung in einander logisch
ausschließenden Varianten. So hat sie erklärt, dem Zeugen S. gegenüber am
27.07.1993, also drei Wochen, nachdem sie spätestens im Rahmen der Vernehmung
vom 05.07.93 darauf aufmerksam geworden war, daß in der eidesstattlichen
Erklärung sowohl der von ihr angeblich beobachtete Sturz einer Person auf das
Gleis als auch die Schußabgabe auf den Kopf entgegen ihren damaligen Angaben
gegenüber dem Zeugen S. zu Unrecht aufgeführt worden sind ..., bestätigt zu
haben, daß sie zu der eidesstattlichen Erklärung nach wie vor stehe (...). Andererseits
will sie dem Zeugen S. gegenüber betont haben, daß sie von Schüssen auf den
Kopf nichts gesehen habe; diesen Einwand habe der Zeuge S. mit dem Einwand
beiseite gewischt, es sei 'richtig so, es hätte ja auch der Kopf sein können'.
Daß sie zumindest in diesem zentralen Punkt keineswegs zu dem Inhalt der
Erklärung steht, ist der Zeugin offenbar entgangen".
Aus der Tatsache, daß die Zeugin Baron möglicherweise nicht immer in der Lage
ist, die logischen Konsequenzen einer Äußerung zu durchschauen, ergibt sich
nicht, daß sie nicht in der Lage wäre, Beobachtungen zutreffend wiederzugeben.
Die Äußerungen der Zeugin zu den eidesstattlichen Erklärungen lassen sich im
übrigen durchaus so verstehen, daß sie im Prinzip zu der Erklärung stehe,
lediglich von Schüssen auf den Kopf nie gesprochen hat.
Die Staatsanwaltschaft hat unzutreffende Vorstellungen über die
Wahrnehmungsfähigkeit von Trouble-Zeugen: "Es ist jedoch kaum
nachvollziehbar, daß die Zeugin sich, falls sie tatsächlich beobachtet hätte,
wie die beiden bei Grams stehenden Personen auf diesen schießen, ausgerechnet
und ausschließlich auf die Jacke des ersten der beiden Schützen konzentriert
haben will. Das Richten der Aufmerksamkeit auf bestimmte Umstände ('sich auf
etwas konzentrieren') ist ein willensgesteuerter Vorgang, der sich gewöhnlich
auf als wesentlich oder wichtig eingeschätzte Umstände oder Gedanken richtet.
Welchen Grund ausgerechnet die Jacke einer der auf dem Gleis stehenden Personen
für die Zeugin Baron von solch außergewöhnlicher Bedeutung sein sollte, daß sie
unter Vernachlässigung aller anderen Umstände ihre gesamte Aufmerksamkeit
gerade auf diese Jacke hätte richten sollen, ist unerfindlich".
Die Aussage: 'Ich habe nur auf die Jacke geachtet', bedeutet wohl keineswegs,
daß die Aufmerksamkeit im Rahmen eines willensgesteuerten Vorganges auf ein
bestimmtes Detail gerichtet wurde, sondern läßt sich ebenso gut verstehen, daß
dieses Detail lediglich wahrgenommen wurde.
Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß die Bewertung der Aussagen der
Zeugin von der Staatsanwaltschaft in kaum nachzuvollziehender Weise
mißinterpretiert und verkürzt worden sind, um sie schließlich als unglaubhaft
abzutun. Angesichts der Tatsache, daß es sich bei Frau Baron um die derzeit
einzige bekannte Tatzeugin handelt, weckt diese Vorgehensweise den Verdacht,
daß sie systematisch demontiert werden sollte.
Dieser Verdacht wird dadurch bestärkt, daß die Staatsanwaltschaft den sich
aufdrängenden Fragen aus den Vernehmungen der Zeugin nur in oberflächlichster
Weise nachgegangen ist bzw. diesen gar nicht nachgegangen ist.
So verfügte der ermittelnde Staatsanwalt an den Unterabschnitt Ermittlungen des
LKA MV u.a. die Fragen:
"a) Ist unter den Beleuchtungsverhältnissen, wie sie am Ereignistag gegen
15.15 Uhr auf den Gleisen Bahnsteig 3/4 Bahnhof Bad Kleinen geherrscht haben,
Mündungsfeuer bei aus den Waffen der GSG-9-Beamten (P7) und der Waffe des Grams
abgegebenen Schüssen bei Verwendung der festgestellten Munition sichtbar? Falls
ja: wie stellt sich das Mündungsfeuer dar? Die Zeugin hat es als etwa 20 cm
lange Flamme geschildert.
b) Sind die Schußgeräusche, die sich bei Schußabgabe aus den Waffen P 7 bzw.
Brünner (Grams) ergeben, bei Verwendung der festgestellten Munition von
einander unterscheidbar? Nach Angaben der Zeugin klangen die Schüsse des
hinzutretenden Beamten leiser".
Das LKA MV (Dez. 600) wies die Staatsanwaltschaft darauf hin, daß die
Beantwortung der obigen Fragen anhand der vorliegenden Informationen nicht
möglich sei. Insbesondere fehlten Informationen über die
Beleuchtungsverhältnisse am Ereignisort, den Standort der Schützen, eingeordnet
in den Handlungsablauf, örtliche und zeitliche Zuordnung der Waffen etc. Das
LKA schlug daher eine Nachstellung am Ereignisort vor.
Aus den Akten ergibt sich, daß die Staatsanwaltschaft diesen sachdienlichen
Anregungen nicht gefolgt ist. Am 30.08.93 legte das LKA MV der
Staatsanwaltschaft die Ergebnisse unter folgenden Einräumungen vor: "Die
Untersuchungsergebnisse haben somit nur hinweisenden Charakter und können nicht
auf die konkreten Verhältnisse von Bad Kleinen zum Ereigniszeitpunkt
interpoliert werden".
Zusammenfassend wurde die Frage a) wie folgt beantwortet: "Abhängig von
den Leuchtdichten der Betrachtungsflächen (Hintergrund) ist es möglich, daß
Mündungsblitze aus den Waffen P 7 und CZ wahrgenommen werden können. Die P 7
hatte mit ca. 15 cm den längsten Mündungsblitz. Die Waffe P 7 war von der CZ
anhand der Form und der Größe des Mündungsblitzes unterscheidbar..."
Die Frage b) wurde wie folgt beantwortet: "Die Untersuchungen erfolgten
unter Freifeldbedingungen. Die Ergebnisse sind somit nicht auf die Verhältnisse
von Bad Kleinen (Reflektionen, auch Abschattungen, Richtungsabhängigkeiten)
übertragbar. Die subjektiven Einschätzungen wurden von Probanden vorgenommen, die
im Bereich Schußwaffen- Schußwaffenuntersuchungen arbeiten. Nicht alle
Probanden waren in der Lage, die Waffe P 7 von der Waffe CZ akustisch zu
unterscheiden...
Schlußfolgerungen: Eine Rekonstruktion der optischen und akustischen
Wahrnehmungen am Ereignisort scheint sinnvoll...".
Eine Staatsanwaltschaft, die sich auf die Selbstmordtheorie versteift hatte,
ging dieser Anregung wiederum nicht nach, ebenso wie die reduzierten Ergebnisse
der Versuche im Abschlußvermerk keinerlei Erwähnung fanden.
Die Staatsanwaltschaft hatte sich schnell in ihrem Vorurteil gegen die
Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugin Baron dermaßen festgelegt, daß sie
wichtige Ermittlungsmaßnahmen unterlassen hat. In ihrer Vernehmung am
05.07.1993 gab die Zeugin auf die Frage nach dem Aussehen der verdächtigen
Personen im Gleis an: "Die erste Person, die bei dem Liegenden stand, kam
mir nicht sehr groß vor; der zweite war wesentlich größer und kräftiger...Bei
dem Mann der zuerst dort stand, bin ich ganz sicher, daß er nicht maskiert war,
aber sein Gesicht beschreiben, könnte ich auch nicht. Bei dem zweiten Mann
könnte ich nicht einmal ausschließen, ob er eine Maske getragen hat".
Mit Schriftsatz vom 30.07.1993 hatte der unterzeichnende Rechtsanwalt Andreas
Groß beantragt, für den Fall, daß noch keine Lichtbildmappe von den bei dem
Einsatz in Bad Kleinen eingesetzten Polizeibeamten angelegt worden ist, dies
unverzüglich nachzuholen und diese Lichtbildmappe gemäß den Richtlinien für das
Straf- und Bußgeldverfahren der Zeugin vorzulegen und begründet, daß der
Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich wenigstens ein Name der als Täter in
Betracht kommenden Zeugen bekannt sei. Zuvor hatte Rechtsanwalt Groß bereits am
gleichen Tage telefonisch eine Gegenüberstellung der Zeugin Baron mit dem
GSG-9-Beamten verlangt. Mit Verfügung vom 04.08.1993 teilte die
Staatsanwaltschaft mit, eine Gegenüberstellung oder eine Wahllichtbildvorlage
sei nicht beabsichtigt. Aus den Aussagen der am Schußwechsel beteiligten
Beamten ergebe sich die gesicherte Erkenntnis, um welche Beamte es sich dabei
handele. Für die Frage, ob die Zeugin den übrigen Geschehensablauf richtig
beobachtet und wiedergegeben habe, sei ein etwaiges Wiedererkennen der Beamten
auf Lichtbildern oder bei einer Gegenüberstellung ohne Bedeutung. Daß eine Zeugin
eine Person wiederzuerkennen vermöge, bedeute nämlich nicht, daß sie auch in
der Lage sei, einen Geschehensablauf richtig zu beobachten und wiederzugeben.
Zudem sei nicht zu erwarten, daß die Zeugin einen Beamten wiedererkenne, weil
sie während der Vernehmung vom 05.07.93 ausgesagt habe, das Gesicht nicht
beschreiben zu können.
Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ist aber gar nicht mehr so sicher, wer die
von der Zeugin beobachteten Beamten im Gleis 4 gewesen sind. Besser gesagt, es
spricht vieles dafür, daß anstelle oder neben den von der Staatsanwaltschaft
unterstellten GSG 9 Nr. 6 und 8 sich zumindest auch noch der GSG 9 Nr. 3
während des Todesschusses bei Wolfgang Grams befand. Die Unterlassung der
beantragten Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage erweist sich somit als
schwerer Fehler, weil eine wichtige Möglichkeit zur Identifizierung der
Personen im Gleis 4 vertan wurde. Im übrigen ist das von der Zeugin am
05.07.1993 benannte Unvermögen, das Gesicht der Person zu beschreiben natürlich
kein Argument gegen eine Gegenüberstellung oder eine Wahllichtbildvorlage, weil
somit eine Möglichkeit des Wiedererkennens oder der Erinnerung fahrlässig
ausgeschlossen wurde. Dies bestätige sich bereits fünf Tage nach der
staatsanwaltschaftlichen Verfügung, am 09.08.1993, als die Zeugin Baron in
einer weiteren Vernehmung aussagte: "Die erste Person würde ich vielleicht
an ihrer Figur und der Kleidung wiedererkennen. Beim Gesicht würde ich nein
sagen." Frage des Staatsanwaltes: "Konnten Sie das Gesicht sehen?"
Antwort:" Ja, er hat ja in meine Richtung gesehen. Vielleicht würde ich
das Gesicht wiedererkennen". Es braucht hier kaum noch erwähnt zu werden,
daß die Staatsanwaltschaft an ihrer vorgefaßten Auffassung - keine
Gegenüberstellung, keine Wahllichtbildvorlage - festhielt.
3. GSG 9-Zeugen
Nach wiederholter Durchsicht der Akten stellt sich die Frage nach der
Täterschaft der vorsätzlichen Tötung an Wolfgang Grams für die Unterzeichner
grundsätzlich neu.
Aufgrund der vorstehend zitierten Bekundungen der Zeugen St. (BKA Nr. 12), J.,
D. und der Zeugin Baron sowie inzident der Aussagen der am Zugriff beteiligten
GSG 9-Beamten steht für die Unterzeichner fest, daß sich der Zugriff
einschließlich des Nachsetzens durch die GSG 9-Kräfte als ein durchgängiger
Handlungsablauf von 10 bis 15 Sekunden abgespielt hat. Die nacheilenden
Polizeikräfte befanden sich während der Schießerei noch vor dem Sturz von
Wolfgang Grams auf dem Bahnsteig vor und neben dem Treppenaufgang. Nachdem
Newrzella und GSG 9 Nr. 5 durch Schußverletzungen ausgefallen waren, sprangen
die direkt an der Spitze des SET befindlichen Beamten GSG 9 Nr. 3 und Nr. 6 zu
Wolfgang Grams ins Gleis. Wolfgang Grams wurde die Waffe entwunden. Es folgte
der tödliche Schuß. GSG 9 Nr. 3 verließ das Gleisbett, während GSG 9 Nr. 8 an
das Gleis herantrat.
Da dieser tödliche Schuß in unmittelbarer Nähe und vor den Augen der
GSG-9-Beamten Nr. 2, 3, 6, 7 und 8 gesetzt wurde, sofern sie nicht selber als
direkte Täter in Betracht kommen, sind die übrigen vorgenannten Beamten als
Mittäter wegen Handelns durch Unterlassen strafrechtlich verantwortlich.
Diese Beurteilung der Unterzeichner ergibt sich aus den Zeugenaussagen der
beschuldigten GSG-9-Beamten hinsichtlich ihrer Positionen während des
Zugriffsgeschehens, ihrer Bekleidung, den Aussagen der vorgenannten Zeugen,
insbesondere der Zeugin Baron und aus Mitteilungen über das Verhalten einzelner
GSG-9-Beamten unmittelbar nach der Erschießung Wolfgang Grams'.
GSG 9 Nr. 2 hat während seiner Vernehmungen wiederholt angegeben, daß er in dem
SET im letzten Viertel des Treppenaufganges, Wolfgang Grams an fünfter Stelle
nachgeeilt sei. Vor ihm hätten sich die GSG-9-Beamten Newrzella, Nr. 5, 3 und 6
befunden. Ihm seien zwei Kollegen gefolgt. Nachdem Newrzella und GSG Nr. 5
verletzt worden waren, befanden sich vor dem Zeugen demnach nur noch die
Beamten GSG 9 Nr. 3 und Nr. 6.
GSG 9 Nr. 3 beschreibt seine Position als den Dritten oder vierten der
Verfolger auf der Treppe. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt im oberen Viertel
der Treppe. Über die Position der Nachfolgenden weiß er nichts zu berichten. Er
gibt seine Funktion im SET als Führer und als für die Überwältigung vorgesehen
an. Seine Kleidung am Einsatztag gibt er wie folgt an: Turnschuhe Marke Adidas,
Farbe schwarz-silber, Blue-Jeans Farbe hellblau, weinrotes Sweat-Shirt sowie
hauptsächlich blaue Regenjacke mit einer weißen Polizeiarmbinde am linken obere
Ärmel.
GSG 9 Nr. 5 beschreibt seine Position beim Nacheilen hinter Newrzella und neben
GSG 9 Nr. 3 an dritter Stelle. Er wurde von drei Schüssen getroffen und konnte
auf dem Bahnsteig wegen der nacheilenden Polizeikräfte keine weiteren Schüsse
abgeben, um die Kollegen nicht zu gefährden. GSG 9 Nr. 3 sei am oberen
Treppenende abgetaucht.
Der GSG 9 Nr. 7 gibt während seiner Vernehmungen keine klare
Positionsbestimmung innerhalb des SET an und beschreibt lediglich, neben einem
Kollegen noch aus dem Treppenaufgang heraus durch das Gitter auf Wolfgang Grams
geschossen zu haben. Nach seinen Angaben befanden sich bei seinem Eintreffen
auf dem Bahnsteig vor ihm schon Kollegen und es sicherte GSG 9 Nr. 6 Wolfgang
Grams. GSG 9 Nr. 7 trug ein violettes T-Shirt, das er nicht zur KT-Untersuchung
abgab. "Das getragene T-Shirt sollte nicht mit eingepackt werden, da es
nicht zur Oberbekleidung mitgezählt werden sollte".
GSG 9 Nr. 6 gibt seine Position im SET als Dritten an, nach Newrzella und GSG 9
Nr. 5. Er will am linken Pfeiler des Treppenaufganges oben am Bahnsteig Deckung
genommen und vier Schüsse in Richtung Grams abgegeben haben. Grams sei rückwärts
auf das Gleis gestürzt. Danach sei er für ihn nicht mehr zu sehen gewesen und
es sei kein Schuß mehr gefallen. Er sei als erster Beamter bei Grams im Gleis
gewesen. Ihm sei unmittelbar ein Kollege gefolgt. Die maximale Zeitspanne vom
Sturz des Wolfgang Grams auf die Schienen bis zu dessen Sichern durch ihn habe
unter zehn Sekunden betragen. "Es ist ein Ausbildungsgrundsatz, daß einem
schießenden Gegner sofort nachgesetzt wird, um ihn in Handlungszwang zu
bringen, um die weitere Schußabgabe auf eigene Kräfte zu verringern". GSG
9 Nr. 6 beschreibt die Lage der rechten Hand von Wolfgang Grams im Zeitpunkt
des eigenen Herantretens wie folgt: "Die rechte Hand lag näher am Körper
in Richtung des Gürtels auf Höhe des Nierenbereiches irgendwie eigenartig verdreht.
In der Ursprungslage konnte ich die Hand nicht sehen, als ich auf die ZP 2
zukam". Nachdem GSG 9 Nr. 6 bereits am Tattag eine handschriftliche sowie
eine maschinenschriftliche Äußerung zum Geschehen getätigt hatte, erfolgte am
01.07.1993 eine Anhörung durch den BGS, am 05.07.1993 eine weitere durch den
Präsidenten des Bundesverwaltungsamtes Grünig und am gleichen Tag eine
Vernehmung durch den Generalbundesanwalt. Erstmalig am 07.07.1993 gab er bei
dem LKA MV zu Protokoll, daß es sich bei dem zweiten Kollegen, der Wolfgang
Grams mit gesichert habe, um den GSG 9 Nr. 8 handele.
GSG 9 Nr. 8 war nach seinen Angaben im SET der letzte der nacheilenden Beamten.
Er habe Wolfgang Grams zwei Meter hinter dem GSG 9 Nr. 6 erreicht. Im Rahmen
seiner Aussage vor der Bundesanwaltschaft hat der Zeuge seine Aussage wie folgt
präzisiert. Er sei zur Bahnsteigkante gelaufen, sogleich auf das Gleisbett
gesprungen und sei ca. 2 Meter hinter einem Kollegen bei Grams angekommen.
Nachdem GSG 9 Nr. 8 zunächst die Lage der Hand von Wolfgang Grams wie der GSG 9
Nr. 6 beschrieben hatte, nur daß er dies auf die linke Hand bezog, korrigierte
er sich während der Vernehmung am 07.07.1993 und räumte nach Vorhalt des Fotos
5 ein, daß es sich um den Arm und die Hand handelte, um die später eine
Manschette gelegt worden war, also die rechte. Der GSG 9 Nr. 8 war nach seinen
Angaben unter einer braunen Nappalederjacke mit einem weinroten Sweat-Shirt und
weinroten Jeans bekleidet. Das weinrote Sweat-Shirt wurde nicht zur
KT-Untersuchung abgegeben.
In ihrer Würdigung der Aussagen der GSG 9 Nr. 6 und Nr. 8 führt die
Staatsanwaltschaft aus: "Die Schilderung des Beschuldigten GSG 9 Nr. 6,
aus welchem Grund Grams seinem Blickfeld zeitweise entzogen gewesen sein soll,
zeigt sich nach einer Inaugenscheinnahme des Ereignisortes als gänzlich abwegig
und reines Phantasieprodukt. Es ist unerklärlich, daß er Grams während seiner
Annäherung nicht im Blickfeld gehabt haben will. Schon ein Beobachter, dessen
Augen sich nur wenige Zentimeter über Bahnsteigniveau befinden, hätte sowohl
vom Standort des Beschuldigten GSG 9 Nr. 6 als auch von der Treppe aus ohne
weiteres Grams auf dem Gleis liegen sehen. Eine nachvollziehbare Erklärung
dafür, daß keiner der Beschuldigten von seinem Standort Grams auf dem Gleis hat
liegen sehen, haben beide nicht gegeben. Dem Umstand, daß Grams nach dem Sturz
auf das Gleis aus seinem Blickfeld verschwunden gewesen sei, führe er nunmehr
darauf zurück, daß ihm möglicherweise beim Aufrichten hinter dem Pfeiler dieser
die Sicht verdeckt habe. Das Bemühen beider Beschuldigter, möglichst alle
Widersprüche zwischen ihren Angaben sowie denen der übrigen Zeugen, soweit sie
ihnen aus Vorhalten oder sonst bekannt gewesen sind, zu vermeiden durch
allmählich hinzugefügte Ergänzungen und wiederholte Vorname von Änderungen in
den Aussagen, ist unübersehbar. Die Aussagen der beiden Beschuldigten sind
jedenfalls hinsichtlich der Annäherung an Grams, des Aufnehmens von dessen
Waffe und dessen Lage auf dem Gleis uneinheitlich und wechselhaft und unterliegen
schon allein deswegen zumindest bezüglich der Einzelheiten des
Zugriffsgeschehens im Zusammenhang mit dem Nachsetzen und Sicherstellen der
Waffe des Grams erheblichen Zweifeln...".
Es fragt sich, weshalb die Staatsanwaltschaft die von ihr herausgearbeiteten
Widersprüche in den Aussagen der Beschuldigten nicht in einen direkten
Zusammenhang mit dem Tatvorwurf stellt, sondern sie auf dem Nebengleis des
Vertuschens dienstlicher Schlechtleistungen ("Feigheit vor dem
Feind", unprofessionelles Verhalten) abhandeln will. Dieses scheint um so
befremdlicher, als die eingangs zitierten Zeugen übereinstimmend mit den
Aussagen der GSG-9-Beamten einen durchgängigen Geschehensablauf ohne
Verzögerungen bekundet haben.
In Hinblick auf die objektiven Befunde, aufgesetzter Kopfschuß und
nachweisbarer Entwindungsgriff ist vielmehr evident, daß die eingesetzten
Beamten das tatsächliche Geschehen wahrnehmen mußten.
Die Auflösung der Widersprüche besteht schlicht und einfach darin, daß die als
Zeugen oder als Beschuldigte vernommenen GSG-9-Beamten als Täter der
vorsätzlichen Tötung von Wolfgang Grams in das Geschehen involviert waren und
jede wahrheitsgemäße Bekundung dies hätte offenkundig werden lassen.
Schließlich unterläßt es die Staatsanwaltschaft in nicht nachvollziehbarer
Weise, die Angaben der GSG 9 Nr. 6 und Nr. 8 zur Lage des rechten Armes von
Wolfgang Grams unter seinem Körper in ihrem Ermittlungsergebnis zu
berücksichtigen. Diese Angaben der Beschuldigten werden im übrigen auch durch
ein aus dem Videofilm gewonnenen Foto bestätigt. Die Angabe des GSG 9 Nr. 15
bestätigt diese Wahrnehmungen: "Zur Lage des Verletzten kann ich nur
sagen, daß er linksseitig lag. Aufgefallen ist mir eine abnorme Haltung des
rechten Armes, das rechte Handgelenk war angewinkelt".
Folgt man der Darstellung der Staatsanwaltschaft, wonach Wolfgang Grams sich
auf dem Rücken liegend selbst erschossen hat, muß anschließend sein rechter Arm
neben dem Körper gelegen haben. Da sich aber seine rechte Hand und ein Teil des
rechten Unterarmes tatsächlich unter seinem Körper befunden haben, ist dies mit
dem unterstellten Suizid nicht in Einklang zu bringen und wird im
Ermittlungsergebnis schlicht unterschlagen.
Die Staatsanwaltschaft will in ihrem Abschlußvermerk auch das an der Bekleidung
von GSG 9 Nr. 6 aufgefundene Spurenbild mit erstaunlicher Oberflächlichkeit als
unbeachtlich abtun: "Es handelt sich um eine Wisch- oder Kontaktspur an
der Rückseite des rechten Ärmels... Eine Entstehung durch das unmittelbare
Schußgeschehen durch Aufspritzen bei Abgabe des Schusses oder Herabregnen
unmittelbar danach scheidet...aus. Derartige Spuren wären jedoch im Falle der
Abgabe des Kopfschusses durch den Beschuldigten GSG 9 Nr. 6 sicher zu erwarten
gewesen, da ein Ausweichen nicht möglich ist...".
Bezüglich der Bekleidung des GSG 9 Nr. 6 schlußfolgerte Prof. Dr. Brinkmann:
"Zusammenfassend ergibt sich, daß nur an der Jacke 6.1 humanes Blut
nachgewiesen werden kann, welches Herrn Grams zugeordnet werden kann. Die
kontaktartige, formlose Ausprägung dieser Spur und ihre Lokalisation an der
Rückseite des rechten Ärmels weisen nicht zwangsläufig auf einen bestimmten
Entstehungsmechanismus hin". Zu den festgestellten Blutanhaftungen fügt
Prof. Bär in seinem Gutachten hinzu: "Weitere Untersuchungen an kleinsten,
nur bei Lupenbetrachtungen erkennbaren aus dem Institut für Rechtsmedizin
Münster entnommenen Klebefolien ab der Vorderseite der Jacke Ass. 6.1, resp.
der Hose Ass. 6.2 herauspräparierten Gewebe- und Blutkrüstchen, ergaben nach
"PCR-Analytik (System TC 11) eine Mischspur. In dieser Mischspur kann
anteilmäßig Grams nicht ausgeschlossen werden, da er zwei der drei Merkmale
auch besitzt". Folglich sind die von Herrn Prof. Brinkmann mitgeteilten
Negativ-Ergebnisse irrelevant. Auch das von Prof. Bär festgestellte Ergebnis besagt
nicht mehr, als daß die Bekleidung des GSG 9 Nr. 6 nicht nur an der Rückseite
des rechten Ärmels, sondern auch an der Vorderseite von Jacke und Hose
Blutspuren aufweist, die Herrn Grams zugeordnet werden können. Ob es sich
ursprünglich um geringste Blutmengen oder um umfangreiche Anspritzungen
gehandelt hat, ist angesichts der im Gutachten von Prof. Dr. Bonte Seite 26 ff.
dargelegten insuffizienten Handhabungen bereits im Vorfeld der Untersuchungen
nicht mehr zu entscheiden. Auf diesem Hintergrund kommt dem
"Verschwinden" der Jacke des GSG 9 Nr. 6 aus dem IRM Zürich eine
besondere Indizwirkung zu.
Besondere Beachtung verdienen die Feststellungen zum Verhalten des GSG 9 Nr. 3.
Dieser Beamte, Führer des SET, befand sich nach eigenen Angaben und den Bekundungen
seiner Kameraden mit Newrzella und GSG 9 Nr. 5 an der Spitze der nacheilenden
Polizeikräfte. Er beschreibt seine Funktion im Einsatz als "für die
Überwältigung vorgesehen". Nach dem Ausfall von Newrzella und GSG 9 Nr. 5
befand er sich gemeinsam mit GSG 9 Nr. 6 an der Spitze des SET, während sich
GSG 9 Nr. 8 am Ende der Gruppe befand.
GSG 9 Nr. 3 trug, wie bereits ausgeführt, ein weinrotes Sweat-Shirt, das er
frisch gewaschen zur KT-Untersuchung ablieferte. Daß er während des direkten
Zugriffsgeschehens darüber die oben beschriebene Regenjacke mit der
Polizeiarmbinde getragen haben will, ist zu bezweifeln, weil dadurch ja die
ansonsten hochgehaltene Tarnung des Zugriffstrupps als harmlose Zivilpersonen
am einem Sonntag zerstört worden wäre.
GSG 9 Nr. 3 hat angegeben, sich zu der im Tunnel befindlichen Birgit Hogefeld
begeben zu haben und ihr anstelle der Kapuze Ihres Anoraks seine eigene
schwarze Gesichtsmaske verkehrt herum über den Kopf gezogen und diese mit
Klebeband fixiert zu haben. GSG 9 Nr. 4 berichtet ebenfalls, gemeinsam mit GSG
9 Nr. 3 Birgit Hogefeld gefesselt zu haben. Birgit Hogefeld hat dieses
Zusammentreffen mit dem GSG 9 Nr. 3 wie folgt beschrieben: "Die vom
Greiftrupp kamen mir spätestens seit der Schießerei, aber eigentlich auch schon
vorher bei dem Gerenne, total nervös und hektisch vor - einer z.B. lief dann zu
mir, hob meinen Kopf hoch und haute mir ins Gesicht; von der ganzen Art her kam
der mir mehr durchgeknallt als brutal vor. Mir wurden die Hände auf den Rücken
gefesselt - sie sind jetzt noch taub, geschwollen, eingeschnitten - und eine
schwarze Kapuze über den Kopf gezogen. Die Kapuze haben sie mehrere Runden mit
Klebeband in Mund-Nasenhöhe festgeklebt, so daß ich sehr schlecht Luft gekriegt
habe" (Brief von Birgit Hogefeld, taz vom 02.07.1993).
Daß GSG 9 Nr. 3 psychisch angeschlagen war, wird auch noch aus einem anderen
Sachverhalt deutlich: Durch Telefonat teilte der unterzeichnende Rechtsanwalt
Groß der Staatsanwaltschaft Schwerin mit, er habe erfahren, daß ein Beamter der
GSG 9 unmittelbar nach dem Zugriff aus dem Geschehen herausgelöst und einer
"Sonderbehandlung" zugeführt worden sei. Hierin verbarg sich nach
Auffassung der Staatsanwaltschaft die Vermutung, der betreffende Beamte der GSG
9 sei noch vor Ort einer psychologischen Betreuung zugeführt worden. Bei diesem
Beamten könne es sich möglicherweise um den "Todesschützen" gehandelt
haben. GSG 9 Nr. 3 gab hierzu an: "...Als ich ca. eine halbe Stunde nach
dem Zugriff auf dem Bahnsteig stand, bekam ich so etwas wie einen Weinkrampf.
Grund dafür war, die zu diesem Zeitpunkt schwere Verletzung von Herrn
Newrzella. Dabei wurde ich von einem Beamten meiner Einheit etwas abseits
geführt. Ich glaube es war der Zeuge Nr. 9. Er hat beruhigend auf mich
eingeredet. Das dauerte ca. 1 Minute. Ich stand dann in dieser Phase abseits in
Höhe des Kiosks zum Bahnsteig 4 hin. Danach schloß sich die Situation an, in
der unser stellvertretender Einsatzführer uns empfahl, an Ort und Stelle ein
Gedächtnisprotokoll für den persönlichen Gebrauch anzufertigen. Hierzu gingen
wir in das Billard-Cafe und ich fertigte dort dieses Protokoll an".
Bei GSG 9 Nr. 9 handelte es sich um den Einsatzleiter der GSG 9 Kräfte. Dieser
wird richterlich wie folgt befragt: "Hat es Auffälligkeiten hinsichtlich
Ihrer Kameraden der GSG 9 während und nach dem Einsatz gegeben, die eine
spezielle Betreuung erforderlich machten?" Antwort: "Auffälligkeiten
nahm ich insoweit wahr, daß die Stimmung extrem niedergeschlagen war nach dem
Einsatz durch die schwere Verletzung, die bei Newrzella zu erkennen war. Nach
dem festgestellten Tod steigerte sich dieses noch." Vorhalt: "Durch
den Anwalt der Familie Grams wurde mitgeteilt, er habe aus einer nicht näher
bezeichneten Quelle erfahren, daß ein Beamter der GSG 9 unmittelbar nach dem Zugriff
aus dem Geschehen herausgelöst und einer "Sonderbehandlung" zugeführt
worden sei. Hier hinter verbirgt sich nach Auffassung der StA die Vermutung,
der betreffende Beamte der GSG 9 sei noch vor Ort einer psychologischen
Betreuung zugeführt worden. Bei diesem Beamten kann es sich möglicherweise um
den "Todesschützen" gehandelt haben." Antwort: "Ich bin mir
100%ig sicher, daß so etwas nicht stattgefunden hat ..."
Ausweislich des Akteninhaltes trafen die vorbeschriebenen Auffälligkeiten
ausschließlich auf den GSG Nr. 3 zu. Die unwahrhaftige Antwort des GSG 9 Nr. 9
auf die richterlichen Fragen verdeutlicht, daß ein unbefangener Umgang mit dem
tatsächlichen Geschehen für diesen Zeugen nicht in Betracht kam.
Die bisherige Annahme, daß dem GSG 9 Nr. 6 unmittelbar GSG 9 Nr. 8 gefolgt sei,
ist nicht länger zu halten. GSG Nr. 8 hätte sich als letzter des SET zum
Erreichen des Gleises erst durch die vor ihm stehende Kollegengruppe begeben
müssen. Die Zeugen haben aber berichtet, daß zwei Beamte unmittelbar innerhalb
von Sekunden in das Gleis zu Wolfgang Grams sprangen. Es liegt sehr viel näher,
daß es sich bei diesen beiden Männern um GSG 9 Nr. 6 und Nr. 3 gehandelt hat.
Auch GSG 9 Nr. 3 trug die von der Zeugin Baron beschriebene weinrote
Oberbekleidung, die sie dem Todesschützen zuordnet. Als Überwältigungskraft
entsprach das unmittelbare Nacheilen auch seinem Einsatzauftrag, während GSG 9
Nr. 8 als Sicherungskraft nach hinten eingeteilt war. GSG 9 Nr. 3 zeigte nach
dem Zugriff psychische Auffälligkeiten und unkontrolliertes Verhalten. Er
schlug die am Boden liegende Birgit Hogefeld ohne Grund ins Gesicht und
fesselte sie brutal. Er erlitt einen Weinkrampf und wurde von seinem
Vorgesetzten aus dem Einsatz herausgelöst. Das Zusammentreffen dieser Faktoren
führt zu der Beurteilung, daß es sich bei GSG 9 Nr. 3 um einen der beiden
Beamten gehandelt hat, die direkt zu Wolfgang Grams in das Gleisbett traten.
Nachdem Selbstmord ausscheidet, ist einem dieser beiden Beamten der tödliche
Schuß zuzurechnen, wobei aufgrund der Beobachtungen der Zeugin Baron der
Verdacht in erster Linie auf den mit dem weinroten Sweat-Shirt bekleideten GSG
9 Nr. 3 fallen muß.
Diese Einschätzung wird auch durch das Aussageverhalten der GSG 9 Kräfte
bestätigt, die allesamt GSG 9 Nr. 6 als die erste Person bezeichnen, die zu
Grams ins Gleis sprang, während sie sich in Bezug auf die Person des zweiten
Beamten zunächst nur merkwürdig unkonkret äußern und erst ab dem 07.07.1993
unisono den GSG 9 Nr. 8 als den zweiten Beamten bei Wolfgang Grams bezeichnet
haben. Beispielhaft ist das Aussageverhalten des GSG 9 Nr. 2, der nur von einem
Kollegen spricht, der mit gezogener Waffe auf Wolfgang Grams zuging, um zu
sichern. Von einem zweiten Kollegen habe er nur erfahren. Angaben über den
Standort des sichernden Kollegen, also GSG 9 Nr. 6, könne er nicht machen. GSG
9 Nr. 7 macht dagegen ständig widersprüchliche Angaben zum Standort des ersten
und des zweiten später hinzutretenden Beamten im Gleis, will dort aber GSG 9
Nr. 8 wiederum überhaupt nicht wahrgenommen haben. Das Aussageverhalten der
GSG-9-Beamten ist insgesamt davon geprägt, die Einzelheiten so lange als
möglich unkonkret zu belassen und nichts einzuräumen, bevor es nicht ohnehin
nachgewiesen werden kann.
Da GSG 9 Nr. 3 neben GSG 9 Nr. 6 und Nr. 8 als der direkte Täter des tödlichen
Schusses in Betracht kommt, sind die übrigen anwesenden GSG-9-Beamten aufgrund
ihrer Garantenstellung wegen Handelns durch Unterlassen als Mittäter anzusehen.
V.
1. Wieviele Polizeibeamte befanden sich vor Zugriff auf Bahnsteig 3/4?
Während seines Wartens auf den Zug auf Bahnsteig 3/4 fiel dem Zeugen W.
"an dem ersten Schuppen eine männliche Person auf, die eine Sporttasche
dabei hatte, in die er hineinsprach, "An alle, die drei betreten den
Tunnel, an alle, die drei betreten den Tunnel". Dieses Hineinsprechen war
ca. 2 - 3 Minuten, bevor die Schießerei losging... Der schon erwähnte
MEK-Beamte, der in die Tasche sprach. Dieser Mann ist zu Beginn der Schießerei
aus meinem Blickfeld verschwunden. Ihn habe ich später noch einmal in der
Gruppe der Beamten auf dem Bahnsteig stehen sehen". Diese Person
beschreibt der Zeuge in seiner Vernehmung durch das LKA MV am 12.07.1993 wie
folgt: "- Alter 30 - 35 Jahre, eventuell älter - dünner Schnauzbart - er
trug eine blau-gräuliche Sporttasche an einem Schulterriemen gerade über die
Schulter herunterhängend. Ich schätze die Tasche auf die Maße 40 x 25 x 30 cm.
- Der Mann war ansonsten von einer eher unauffälligen Erscheinung... Ich sah
ihn erst später nach dem Schußwechsel in einer Gruppe von Männern stehen, die
um zwei liegende Personen auf dem Bahnsteig 3/4 standen".
Die Beobachtung des Zeugen W. korrespondiert mit einer Angabe der Zeugin D.:
"...Ich drehte mich in diese Richtung um und sah einen jungen Mann an der
Frontseite des Bahnsteighäuschens gegenüber dem Treppenaufgang mit einem
Funkgerät in der Hand stehen. Er hatte das Funkgerät in seiner rechten Hand am
rechten Ohr. Eine Stimme hatte über Funk folgendes sinngemäß gesagt:
"Jetzt kommen sie zum Treppenaufgang". Einige Sekunden später lief
der junge Mann vom Bahnsteighäuschen direkt in gebückter Haltung an mir vorbei
und ich konnte erkennen, daß er eine Pistole in der Hand hielt... Er lief auf
den Treppenab- bzw. aufgang zu und dann begann auch schon die Schießerei".
Nach den Angaben der GSG 9 Zeugen und den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft
müßte es sich bei dem von den Zeugen beobachteten Beamten nur den Beamten GSG 9
Nr. 4 gehandelt haben, da dieser sich als einziger Beamter bis kurz vor dem
Zugriff auf Bahnsteig 3/4 aufgehalten habe. GSG 9 Nr. 4 soll dann die Treppe
hinunter gegangen sein und Birgit Hogefeld festgenommen haben. Diese
Feststellungen stehen im Widerspruch zu den Beobachtungen der beiden Zeugen,
wonach zum einen der beschriebene GSG-9-Beamte mit gezogener Waffe an Wolfgang
Grams vorbei auf Birgit Hogefeld zugegangen sein müßte und dann später, obwohl
er mit der Sicherung von Birgit Hogefeld befaßt gewesen ist, von dem Zeugen W.
bei den um Newrzella stehenden Beamten gesehen worden ist. Auch die zeitliche
Abfolge der Beobachtung der Zeugin D., wonach die Schießerei schon begann, als
der beobachtete Beamte mit gezogener Waffe auf den Treppenabgang zulief, lassen
Zweifel an den staatsanwaltschaftlichen Feststellungen aufkommen. Schließlich
beschreibt der Zeuge W. einen Beamten, der in eine Sporttasche spricht, während
die Zeugin D. eine Beamten wahrnahm, der das Funkgerät direkt am Ohr hatte. Es
fragt sich auch insoweit, ob es sich demnach um mehrere Beamte auf dem
Bahnsteig 3/4 handelte.
In diesem Zusammenhang ist das Aussageverhalten des GSG 9 Nr. 8 bedeutsam. Auf
die Frage: "Warum waren nur im Bereich der Treppe zum Bahnhofsvorplatz und
im Bereich des Zuganges zum Bahnsteig 1/2 Zugriffskräfte postiert und nicht
auch auf Bahnsteig 3/4? Damit bestand für die Zielpersonen ja von vornherein
die Möglichkeit, während des Zugriffs auf Bahnsteig 3/4 zu fliehen, wo zu
diesem Zeitpunkt nur Zeuge Nr. 4 postiert war." antwortet er,
"Hierbei handelt es sich um taktische Maßnahmen, über die ich keine
Aussage machen darf".
Die Ermittlungsbehörden haben es unterlassen, die sich auftuenden Widersprüche
aufzuklären bzw. die sich aufdrängenden Fragen überhaupt zu stellen.
2. Unvollständige Erfassung sämtlicher mitgeführter Waffen und
Munitionsbestände,
mangelhafter Soll-Ist-Abgleich
Der Zeuge GSG 9 Nr. 2 hat während der Schießerei einen Magazinwechsel
durchgeführt. Diesen Sachverhalt gab er weder in seiner Niederschrift vom
01.07.1993), noch in seiner dienstlichen Erklärung vom 04.07.1993, weder in
seiner Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft vom 05.07.1993, noch in seinem
handschriftlichen Festnahmebericht vom 27.06. 1993 an. Während der vorgenannten
Bekundungen räumte er jeweils lediglich ein, sechs Schüsse auf Wolfgang Grams
abgegeben zu haben.
Erst während seiner Vernehmung durch das LKA MV vom 06.07.1993 antwortete er,
nachdem er den Schußwechsel im Gesamten geschildert hatte, ohne seinen
Magazinwechsel zu erwähnen, auf die Frage.: "Haben Sie, nachdem der
Schußwechsel beendet war, Geräusche wie ein "Klicken" oder "Klacken"
wahrgenommen?" Antwort: "Ja das habe ich. Hierfür gibt es eine simple
Erklärung, alle meine Kollegen und ich haben bei diesem Einsatz die Pistole P 7
geführt. Bei dieser Waffe entstehen beim Vorspannen, das heißt, wenn die Waffe
schußfertig gemacht wird, klickende Geräusche. Ebenso entstehen diese Geräusche
beim Entspannen. Dazu kann ich erklären, daß ich, nachdem ich sechs Schuß
abgefeuert hatte, einen Magazinwechsel durchgeführt habe, wobei auch ein
einrastendes, klickendes Geräusch entsteht". In seiner richterlichen
Vernehmung vom 06.08.1993 präzisierte er auf die Frage nach einem
durchgeführten Magazinwechsel: "Ich wußte zu dem Zeitpunkt nicht, wieviel
Schuß ich bereits abgegeben hatte. Anhand des Zustandes der Waffe erkannte ich,
daß noch mindestens ein Schuß im Rohr war. Ich habe dann vorsichtshalber einen
Magazinwechsel durchgeführt. Daß ich 6 mal geschossen habe, habe ich später
anhand meiner Restmunition errechnet".
Dieses von dem Zeugen erwähnte Magazin taucht aber bei den Asservaten nirgendwo
auf. Erstaunlicherweise gab GSG 9 Nr. 2 seine Pistole Nr. 76 837 in folgendem
Zustand ab: "1 HK Nr. 76837 geladen, gesichert. Munition: 1 Magazin mit 2
Patronen + 1 im Lauf". Folglich muß der Zeuge vor der Abgabe seiner Waffe
einen weiteren Magazinwechsel durchgeführt haben, um den angeblich
ursprünglichen Zustand (sechs abgegebene Schüsse) wiederherzustellen oder er
hat noch einmal sechs Schüsse abgegeben und das erste Magazin verschwinden
lassen. So oder so fehlen aber immer das erste oder das zweite Magazin.
Der GSG Nr. 3 gab dagegen zwei Magazine ab, ein leergeschossenes und eines in
seiner Pistole. In einem Vermerk des LKA MV vom 04.07.1993 heißt es dazu:
"...sind bei den Trägern der anderen o.a. Waffen keine weiteren Magazine
sichergestellt worden [außer HK 76 840 = GSG Nr. 3].
Es ist nun zu fragen, weshalb nicht sämtliche im Einsatz befindlichen Magazine
eingesammelt worden sind und eine akkurate Munitionsbilanz erstellt wurde.
Diese umfaßt selbstverständlich auch die Reservemagazine, um sämtliche
mitgeführte und verschossene Munition abzugleichen und zu überprüfen. Dabei
wäre es natürlich von besonderem Interesse gewesen, ob auf seiten der GSG 9
nicht doch auch Vollmantelgeschosse im Einsatz gewesen waren.
Es besteht in diesem Zusammenhang hier bis auf weiteres der Verdacht, daß
entsprechende aufgefundene Munitionsteile nicht korrekt aufgesammelt und in den
Spurenplänen erfaßt worden sind.
So gibt z.B. ein Zeuge, der Notarzt Dr. G. von der Luftrettung Eutin an, er
habe eine Vielzahl von Patronenhülsen auf dem Bahnsteiggelände und weitere
Patronenhülsen am unteren Treppenende bzw. an der Ecke zur Unterführung
wahrgenommen. Im Spurenplan - Spurenbereich 1.1 - liegt in der Unterführung
überhaupt keine Hülse, lediglich auf der zweituntersten Treppenstufe liegen
zwei Hülsen (57 und 58), die nächsten Hülsen liegen erst wieder auf Stufe 11
(42) und 12 (37). Da der Treppenaufgang 18 Stufen hat, kann man die Stufe 11
beim schlechtesten Willen nicht mehr als unteres Treppenende bezeichnen. Wohin
sind also die Patronenhülsen, die der Zeuge Dr. G. gesehen hat, verschwunden?
Des weiteren ist zu beachten, daß der verletzte Zeuge GSG Nr. 5 am Tattag seine
Pistole mit Magazin abgegeben haben soll. Am 06.07.1993 gingen dem LKA MV
siebzehn Papiertüten mit sichergestellten Bekleidungsgegenständen, die die
Beamten der GSG 9 während des Einsatzes in Bad Kleinen getragen haben wollen,
ein. Der Zeuge GSG Nr. 5 gab als einziger eine Magazintasche mit noch zwei
weiteren Magazinen und 16 Patronen ab. Möglicherweise ist es nicht mehr
gelungen, den Zeugen GSG 9 Nr. 5 zu informieren, was aus Sicht der GSG 9
sinnvollerweise abzugeben ist, weil er sich aufgrund seiner Verletzungen noch
im Krankenhaus befand. Fest steht zudem, daß die Magazine und ihr Inhalt zu
diesem Zeitpunkt schon längst hatten ausgetauscht werden können.
Die Staatsanwaltschaft muß sich der Tatsache stellen, daß alle GSG-9-Beamte
drei Magazine hatten. Der Zeuge GSG 9 Nr. 18, Verbindungsbeamter zum sog.
Polizeiführer, bekundete: "Im Vorfeld des Einsatzes wurde angeordnet, daß
jeder eingesetzte Beamte seine persönlich zugewiesene Faustfeuerwaffe P 7 mit
jeweils drei Magazinen à 8 Patronen bei sich führt. Eines dieser Magazine
befand sich jeweils in der Waffe dazu zusätzlich eine weitere Patrone bereits
im Patronenlager. Das heißt, daß jeder der eingesetzten Beamten 25 Patronen der
zugewiesenen Actionmunition zu Verfügung hatte...Zusätzlich war jeder Trupp
ausgestattet mit je einer MP 5 S 2 und MP 5 SD".
Dagegen gibt der Zeuge GSG Nr. 19 an: "Ich habe für meine Dienstwaffe P 7
insgesamt 2 Magazine mitgeführt mit jeweils 8 Schuß". Daß der Zeuge GSG 9
Nr. 3 nur zwei Magazine angegeben hat, wurde vorstehend bereits dargelegt.
Daß entgegen den GSG 9-Angaben auch Maschinenpistolen mitgeführt wurden,
bestätigen die Bekundungen von zwei Ärzten aus den Flugrettungsteams Güstrow
und Eutin, die jeweils mitteilten, eine Maschinenpistole in der Nähe des
Treppenaufganges an einem Gitter liegen gesehen zu haben. Dr. B. teilte dazu
mit, " daß diese Waffe ein langes Rohr als Lauf hatte und zwei Griffe".
Dr. G. berichtete: " Habe ich eine Maschinenpistole wahrgenommen. Diese
Waffe war ca. 40 - 50 cm lang". Der Zeuge würde die Waffe seiner Meinung
nach auch wiedererkennen. Eine entsprechende Vorlage wurde aber nach Aktenlage
nicht veranlaßt.
Nicht alle am Zugriffsgeschehen beteiligten GSG-9-Beamten mußten im übrigen
ihre Waffen abgeben. Im Verzeichnis des BKA über sichergestellte Gegenstände
fehlen die Waffen und die Munition von GSG 9 Nr. 1 und GSG 9 Nr. 4. Diese
beiden Beamten sollen zwar nach dem Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft
die Zeugin Hogefeld und den Verfassungsschutzspitzel Steinmetz festgenommen
haben. Diese Angaben unterliegen allerdings, wie bereits ausgeführt, gewissen
Zweifeln
Selbst wenn sie zuträfen, hätten die Beamten ihre Waffen, Magazine oder
Munition mit anderen GSG-9-Beamten unmittelbar austauschen können. GSG 9 Nr. 8
berichtet dann auch, daß er sich von GSG 9 Nr. 4 ein volles Magazin mit
Actionmunition ausgeliehen und dieses später zurückgegeben haben will. GSG 9
Nr. 8 ist immerhin Beschuldigter in einem Mordverfahren.
Vorliegend kommt erschwerend hinzu, daß sogar unter GSG-9-Beamten kursierte,
daß es sich bei GSG 9 Nr. 4 um den Todesschützen handele: "Am 08.07.1993
berichtete mir Herr Salewski (Psychologe der GSG 9) folgenden Sachverhalt: Er
wurde am 07.07.93 von einem Redakteur der Focus-Redaktion angerufen. Der
Anrufer teilte mit, er kenne den Namen des Todesschützen und bat um weitere
Auskünfte. Der Todesschütze sei nach seinen Informationen Herr [geschwärzt]
(GSG 9 Nr. 4) genannt [geschwärzt]. "Er ist ja damals schon in Beirut
aufgefallen". Auf Nachfrage von Herrn Salewski von wem er die Information
erhalten habe, teilte der Focus-Redakteur mit, daß Herr (geschwärzt)
(ehemaliger Angehöriger der GSG 9) einen Informanten innerhalb der GSG 9 hätte.
Herr Salewski teilte dem Anrufer mit, daß er sich einen neuen Informanten
suchen solle, da die Information absolut falsch sei".
Daß es sich bei der Nichtsicherstellung von Waffe, Munition und Magazinen um
einen weiteren gravierenden Ermittlungsfehler handelt, wird spätestens klar,
wenn die Aussagen der Zeugen D. und W. über einen oder mehrere Beamte auf dem
Bahnsteig 3/4 doch noch Berücksichtigung finden sollten.
Daß Ermittlungsergebnissen des BKA hinsichtlich der Munitionsausstattung nicht
zu trauen ist, hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Abschlußvermerk selber
festgehalten. Darin wurde dargelegt, daß zwischen den zugeordneten
Munitionstypen nach dem Vermerk des BKA und denen nach dem Vermerk des WD
Zürich starke Divergenzen auftauchen, so daß die angeblich im Einsatz nicht
verwendete DAG-89-6 Munition eben doch zum Einsatz gekommen ist.
Eine weitere Merkwürdigkeit ist zu verzeichnen. Im Asservatenverzeichnis des
LKA MV wird aufgeführt: (ohne Asservatennummer) 1 Patrone 9x19 mm "action"
übergeben vom Zeugen Nr. 3 (BGS) sicherstellender Beamter Ko.,KOK, am 06.07.93
. Das LKA MV war bereits seit dem 01.07.1993 mit den Ermittlungen beauftragt.
Warum übergab ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt noch ein GSG-9-Beamter noch eine
Patrone? Angeblich waren die Munitionsteile doch schon asserviert. Wo hatte der
SET-Führer GSG 9 Nr. 3 die Patrone her? Das LKA MV hatte jedenfalls die bei
seinen sog. Nachuntersuchungen auf dem Bahnhof von Bad Kleinen seine eigenen,
neu gefundenen Spuren mit LKA 1, LKA 2 usw. bezeichnet.
Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf die angeblich im Treppenbereich
und der Unterführung sichergestellten 57 Geschoßteile hingewiesen, von denen 39
Teile aus der Wolfgang Grams zugeordneten Waffe stammen sollen. Wenn sich in Magazin
und Patronenlager der Wolfgang Grams zugerechneten Waffe fünf Schuß noch
befunden haben sollen, weitere 5 Schuß in die Körper der GSG-9-Beamten
Newrzella und Nr. 5 und einer in den eigenen Kopf gelangt sein sollen, könnten
theoretisch maximal weitere 6 Projektile in den Bereich
Treppenaufgang/Unterführung gelangt sein. Die Staatsanwaltschaft will in ihrer
Abschlußverfügung die im Treppenbereich gefundenen Geschoßteile lediglich drei
Projektilen der Wolfgang Grams zugerechneten Munition zuordnen. Diese drei
Projektile müßten sich dort bei Auftreffen in die 39 Teile zerlegt haben.
Dieses ist aber von der Geschoßgeschwindigkeit (= VO), die bei einem Schuß aus
der Brünner CZ 75 entwickelt werden kann, schlichtweg nicht möglich. Vielmehr
werden Geschoßgeschwindigkeiten, die Vollmantelprojektile bei Auftreffen auf
Beton oder Stahl entsprechend zerlegen, erst von Maschinenpistolen oder
Gewehren erreicht. Dies wäre gegebenenfalls experimentell nachzuweisen.
Daraus folgt, daß in den Treppenbereich Projektile gelangt sind, die aus
Maschinenpistolen oder Gewehren stammen. Sie können deshalb unmöglich Wolfgang
Grams zugerechnet werden. Der hier erteilte Hinweis müßte bei der
Bundesanwaltschaft zu einer Neuaufnahme des Ermittlungsverfahrens zum Nachteil
Newrzella führen.
Schließlich soll auch an die ungeklärte Herkunft eines Projektils erinnert
werden, dessen Existenz die Staatsanwaltschaft der Öffentlichkeit verschweigen
wollte und dessen Bekanntmachung durch den unterzeichnenden Groß
bezeichnenderweise herangezogen wurde, um diesem bis zum bitteren Ende des
Ermittlungsverfahrens sein Recht auf Akteneinsicht vorzuenthalten, daß dann
zusätzlich auch noch auf den unterzeichnenden Rechtsanwalt Kieseritzky
sozusagen per Fernwirkung ausgeweitet wurde.
Der WD Zürich faßte seine Erkenntnisse bezüglich. des Asservates Nr. LKA 5 wie
folgt zusammen: " ... halten wir fest, daß das Asservat Nr. LKA 5, weder
aus einer der von uns untersuchten Waffe der Einsatzkräfte, noch aus der von
Wolfgang Grams bzw. Birgit Hogefeld mitgeführten Waffe verfeuert wurde"
(Schreiben WD Zürich an das LKA MV vom 14.10.1993). Auf dem Schreiben befand
sich der Vermerk: "NB: Auf Anordnung von Herrn Oberstaatsanwalt Schwarz
werden die oben aufgeführten Erkenntnisse in den Teilergebnissen Nr. 4 vom
18.10.1993 nicht aufgeführt". Bei dem Asservat handelte es sich um ein
Vollmantelgeschoß vom Kaliber 9 x 19 mm, Gew. 8,0 gr. Dieser Munitionstyp wird
nach Feststellungen des WD Zürich aus diversen Selbstladepistolen, dem Revolver
FN-Browning und diversen Maschinenpistolen verfeuert, wobei diese Auflistung
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Die Staatsanwaltschaft glaubt dieses sich auftuende Problem mit folgender
Bemerkung ignorieren zu können: "...Aufgrund dieses Befundes sowie des
Umstandes, daß das Geschoß erst mehrere Wochen nach dem Schußwechsel in einem
Bereich aufgefunden worden ist, der ausweislich der benachbarten roten
Farbmarkierungen bei der Spurensicherung sorgfältig abgesucht worden und
überdies am oberen Ende der Treppe für jedermann gut einsehbar ist, ohne daß es
bereits vor dem Zeugen G. jemandem aufgefallen wäre, steht außer Zweifel, daß
dieses Geschoß mit dem Einsatz auf dem Bahnhof in keinerlei Zusammenhang steht.
Es muß vielmehr angenommen werden, daß es nachträglich dort hingelangt ist".
Oder Herr G. hat genauer hingeschaut als die Polizei erlaubt.
3. Verschwundene GSG-9-Beamte
Nach Aktenlage sind drei GSG-9-Beamte mit den fortlaufenden Nummern 20, 21 und
22 nie in das Ermittlungsverfahren, sei es durch Vernehmungen, sei es durch
andere Aufführung, einbezogen worden. Eine Erklärung findet sich hierfür nicht.
Dies gibt zu weiteren Fragen Anlaß.
Auf Seite 20 des Abschlußvermerkes findet sich zunächst die Bemerkung,
Bekleidungsstücke des verstorbenen Beamten Newrzella (GSG 9 Nr. 18) wurden
nicht übersandt. Nun wird auch der sog. Verbindungsbeamte zum Polizeiführer als
GSG 9 Nr. 18 geführt. Hier fragt sich zunächst, ob lediglich ein Schreibfehler
vorliegt oder die Staatsanwaltschaft insoweit im eigenen Abschlußvermerk die
Übersicht verloren hat. Unzweifelhaft hat jedenfalls nach Aktenlage am
07.07.1993 ein Beamter unter der Legendierung GSG 9 Nr. 18 eine Vernehmung
bestritten, in der er sich als Verbindungsbeamter bezeichnete.
Wegen der von der Zeugin Baron und vom Zeugen T. im Bereich der auf Gleis 5
stehenden Lokomotive wahrgenommenen vermummten Beamten, die möglicherweise mit
Maschinenpistolen bewaffnet waren, ergibt sich wiederum die Frage, ob es sich
bei diesen um die in den Ermittlungen verschwundenen GSG-9-Beamten handelt. Zu
fragen ist jedenfalls, warum diese Personen nicht aufgeführt und vernommen
worden sind.
4. Spurenvernichtung in Lübeck
Zu den rätselhaftesten Spurenvernichtungen des Ermittlungsverfahrens gehört die
von den BKA Beamten A. und F. veranlaßte Reinigung der Hände angeblich zum
Zwecke der Identifizierung. Der Beamte A. gab an, zusammen mit seinem Kollegen
um 21.00 Uhr aus Bad Kleinen kommend in der Uni-Klinik Lübeck angekommen zu
sein.
In diesem Zusammenhang fragt sich zunächst, welcher Auftrag den beiden Beamten
erteilt worden war und wer den Auftrag erteilt hat. Ferner fragt sich, wie weit
die Beamte zuvor über die Geschehnisse in Bad Kleinen im einzelnen informiert
gewesen sind. Es fragt sich auch, ob die beiden BKA-Beamte ständig im
Erkennungsdienst tätig sind oder in welchen Funktionen sie noch eingesetzt
werden und in Bad Kleinen konkret eingesetzt worden sind. Angesicht der
verheerend unprofessionellen Vorgehensweise muß auch die Frage nach der
Erfahrung als Erkennungsdienstbeamte und ihre diesbezügliche Qualifikation
erfragt werden. Schließlich drängt sich die Frage nach den Namen und dem Grund
der Anwesenheit der BKA Beamten auf, die sich zur Zeit des Eintreffens von A.
und F. bereits bei Wolfgang Grams befunden haben sollen.
Da sich zwischen den Angaben des Zeugen A. und denen des Dr. K. entscheidende
Divergenzen ergeben, hätten diese unbedingt aufgeklärt werden müssen. Hierzu
wäre zunächst eine Vernehmung des BKA Beamten F. erforderlich gewesen. Darüber
hinaus hätte eine Vernehmung der übrigen, hier namentlich nicht bekannten
"BKA Beamten aus Wiesbaden" vorgenommen werden müssen.
Bei dem im Raume stehenden Verdacht, wonach die in Lübeck durchgeführten bzw.
angeordneten Maßnahmen der Spurenvernichtung gedient haben, ist es
unverständlich, daß den sich in diesem Zusammenhang aufdrängenden Fragen durch
die Staatsanwaltschaft Schwerin offensichtlich nicht nachgegangen worden ist.
Die Staatsanwaltschaft hat auch nicht aufgeklärt, um wen es sich bei dem von
dem Zeugen Gernot Sch. im Hubschrauber Christoph 34 benannten BKA Beamten
gehandelt hat und mit welchem Auftrag dieser Beamte mitflog. Über den weiteren
Verbleib des Beamten in der Uni-Klinik in Lübeck und dessen weitere Tätigkeit
vor Ort wurden ebenfalls keine Ermittlungen angestellt.
5. Fehlende Berichte und Vernehmungen in den Ermittlungsakten
Daß angeordnete Berichte sich nicht bei den Akten befinden, wird von der
Staatsanwaltschaft im Abschlußvermerk nicht moniert: "Durch mich wurde am
15.07.1993 veranlaßt, daß die Personen, die Festnahmen durchführten, einen Festnahmebericht
zu fertigen haben und daß Kopien davon mit ausgeschwärzten persönlichen Angaben
an das BKA zu übersenden sind". Es wird angeregt, die fehlenden von GSG 9
Nr. 9 angeordneten Berichte der GSG 9 Nr. 1 und Nr. 4 beizuziehen.
Aus den Akten ergibt sich, daß die Zeugin L., der Zeuge B. am 30.06.1993 und
22.07.1993 sowie der Zeuge P. am 14.10.1993 und ein Ehepaar N. vom BKA
vernommen worden sind. Niederschriften dieser Vernehmungen sind dem LKA MV bzw.
der Staatsanwaltschaft Schwerin übergeben worden, befinden sich jedoch nicht
bei den Akten. Die Bedeutung dieser Vernehmungen für das Ermittlungsergebnis
kann von den Unterzeichnern daher nicht eingeschätzt werden.
Am 09.07.1993 meldete sich um 11.00 Uhr im BMI telefonisch ein Herrn Ja. aus K.
(Insel ...) und erklärte, Augenzeuge des Geschehens in Bad Kleinen gewesen zu
sein. Er gab ferner an, Polaroidbilder von dem Geschehen gefertigt zu haben und
sich gegenüber anwesenden GSG-9-Beamten als Zeuge angeboten zu haben. Daraufhin
habe man ihm zu verstehen gegeben, wenn er sich äußere, sei er ein toter Mann.
Derselbe Ja. scheint am gleichen Tag gegen 11.10 Uhr bei der EG Bad Kleinen
angerufen zu haben. Anfängliche Ermittlungen führten zu dem Auffinden eines
Herrn Gerhard Ja. Dieser ist die einzige gemeldete Person namens Ja. auf der
ganzen Insel ... Ein vernommener Herr Andreas Ha., gab an, keine derartigen
Informationen an die Behörden gegeben zu haben. An dieser Stelle enden die
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin aus nicht nachvollziehbaren Gründen.
Ebenso fehlen die Vernehmungen des Sanitäters Matthias Fi., Crewmitglied des
Rettungshubschraubers SAR 63, Lufttransportgeschwader; des Piloten des
Rettungshubschrauber Christoph 12, Matthias Ti.; des Bordwartes von Christoph
12, Stefan Hs. ; des Walter Ba., Pfleger der Uniklinik Lübeck und des
Radiologen der Uniklinik Lübeck, Dr. Z. , ohne daß ein Grund hierfür
nachzuvollziehen ist.
Der Zeuge Achim B. hat als Notarzt des Rettungshubschraubers Christoph 34 über
die Lage von Wolfgang Grams eine vorgefertigte Skizze ergänzt. Diese Skizze ist
nicht zur uns vorliegenden Akte gelangt. Auf fernmündliche Nachfrage des
unterzeichnenden Rechtsanwaltes Groß am 08.05.1994 hat Dr. B. erklärt, diese
Skizze beim LKA MV hinterlassen zu haben.
6. Die daktyloskopische Spurensicherung an der Tatwaffe
Bei der Wolfgang Grams zugeschriebenen Waffe ist unverständlicherweise die
daktyloskopische Spurensicherung erst zu einem so späten Zeitpunkt veranlaßt
worden, daß jede brauchbare Spur längst vernichtet war. Am 05.07.93 unterrichtete
der KK P. das LKA MV darüber, daß die Waffe im BKA keiner daktyloskopischen
Untersuchung unterzogen worden ist . Die Staatsanwaltschaft unterrichtete
daraufhin am 06.07.1993 um 12.30 Uhr telefonisch den WD Zürich und wies darauf
hin, daß die Sicherung von Fingerspuren für das Verfahren von außerordentlicher
Bedeutung sei. Der WD wurde beauftragt, eine Untersuchung der Waffe auf
Fingerspuren zu veranlassen. In seinem Gutachten qualifiziert Prof. Dr. Bonte
das Fingerabdruckproblem wie folgt: "Auch der Versuch, auf der Tatwaffe
Fingerabdruckspuren nachzuweisen, hat ein negatives Ergebnis gebracht. Dieses
erstaunt, da doch sicher davon ausgegangen werden kann, daß mehrere Personen
die Waffe in der Hand gehabt haben. Offenbar ist ein weiterer Fehler dafür
verantwortlich, der deutlich wird, wenn man nachliest, in welcher Reihenfolge
die verschiedenen Untersuchungen an der Waffe vorgenommen wurden. Sie ging
zunächst zum BKA, wo sie beschossen wurde. Ferner wurden spurenkundliche
Untersuchungen durchgeführt. Die Waffe wurde danach an Prof. Brinkmann
weitergereicht. In Münster wurde eine ausführliche spurenkundliche Untersuchung
durchgeführt, bei welcher u.a. biologische Spuren für analytische Zwecke
abgenommen wurden. Sie wurde dann nach Zürich gebracht. Der WD asservierte
zunächst biologische Spuren. Die Waffe wurde dann mit Klebeband abgetupft und
an Prof. Bär weitergereicht, der wiederum biologische Spuren abnahm. Erst
danach wurde sie einer daktyloskopischen Untersuchung unterzogen. Dabei bleibt
unklar, ob der Züricher Beschuß der Waffe womöglich auch noch vorausging.
Bedenkt man, daß es infolge der Spurenabnahme zu einer Spurenausdünnung
gekommen sein muß und daß die Waffe hierzu ja auch von zahlreichen Händen
angefaßt wurde - wohl mit Schutzhandschuhen, sonst müßten ja Fingerabdrücke der
Untersucher vorhanden gewesen sein - dann bleibt nur eine Erklärung für den
Negativbefund: ursprünglich vorhandene Fingerspuren wurden im Laufe der
diversen Untersuchungen beseitigt". Dem ist nichts hinzuzufügen.
7. Die Sicherstellung der Kleidung der am unmittelbaren Zugriff auf Wolfgang
Grams
beteiligten GSG-9-Beamten.
Am 03.07.93 verfügte die Staatsanwaltschaft, daß die Oberbekleidung sämtlicher
am Einsatz auf dem Bahnhof Bad Kleinen bei der Festnahme Grams/Hogefeld beteiligten
Beamten des BGS zu Beweiszwecken beschlagnahmt wird. Die Vollstreckung der
Verfügung sollte durch das LKA MV erfolgen. Das LKA MV ersuchte am gleichen Tag
das PP Bonn um Amtshilfe. Am 03.07.93 wurde die GSG 9 in St Augustin
aufgesucht. Herrn Bi. von der GSG 9 wurde der Beschlagnahmebeschluß
ausgehändigt. Nach seinen Angaben sollten die betreffenden GSG-9-Beamten jedoch
kurzfristig nicht zu erreichen sein. Er ging davon aus, daß die Beamten ihre
Kleidung nach Rückkehr aus dem Einsatz mit nach Hause genommen hätten. Sie
seien über das gesamte Bundesgebiet verstreut. Nach Angaben von Herrn Bi.
wurden nahezu alle betroffenen GSG-9-Beamten im Laufe der folgenden Woche
zurückerwartet. Nach Rücksprache mit den Beamten werde er dann in
Zusammenarbeit mit dem PP Bonn die Oberbekleidung unter Nummern asservieren. Am
06.07.93 wurden dem LKA MV Tüten mit den Nummern 1 bis 19 mit Ausnahme Nr. 5
und 18 übergeben. Dabei handelte es sich um die sichergestellte Bekleidung.
Die staatsanwaltschaftliche Verfügung zur Beschlagnahme der Bekleidung der
verdächtigen GSG-9-Beamten und deren Ausführung bieten ein anschauliches
Beispiel für uninteressiertes und nicht sachgerechtes Ermitteln. Zuerst bot
schon die Verfügung nicht in hinreichender Bestimmtheit Kriterien für das, was
unter Oberbekleidung überhaupt zu verstehen ist. Dies ermöglichte den
vollstreckenden Polizeibeamten und letztlich dem Kommandeur der GSG 9 zu
definieren, welche Kleidungsteile überhaupt sicherzustellen waren. Konkret
wurde offenbar bei der GSG 9 die Parole ausgegeben, T-Shirts seien nicht
abzugeben, da sie nicht zur Oberbekleidung zu zählen seien. Da andere Beamte
ihr T-Shirt/Sweat Shirt abgaben, wurde die Entscheidung darüber offenbar ins
Belieben der jeweiligen Beamten gestellt. So wurde von GSG 9 Nr. 8, immerhin
Beschuldigter, das weinrote getragene Sweat-Shirt nicht abgegeben. In der
Kaserne des BGS wurde auch keineswegs Nachschau gehalten, ob sich die Kleidung
der Beamten noch in deren dienstlichen Unterkünften befand. Auf die bloße
Vermutung des Herrn Bi. hin, die Bekleidung sei nach Hause mitgenommen worden,
gab man sich mit dieser Auskunft zufrieden und vereinbarte, daß die GSG 9 die
zu beschlagnahmende Kleidung selbst zusammenstellt und durch BGS-Hubschrauber
nach Rampe überbringt, anstelle konkrete Sicherstellungsmaßnahmen bei den
GSG-9-Beamten Zuhause zu veranlassen. Damit war der willentlichen oder
unwillentlichen Spurenvernichtung Tür und Tor geöffnet. So haben fast alle
Beteiligten gereinigte Kleidung abgegeben. Wesentliche KT-Maßnahmen konnten
daher nicht mehr effektiv durchgeführt werden. In vergleichbaren Fällen von
Schwerstkriminalität wird - auch nach Erfahrung der Unterzeichner - mit
erheblich engagierteren Schritten für die Beweismittelsicherung von
Spurenträgern Sorge getragen, notfalls mit bundesweiten Durchsuchungsaktionen
bei einer Vielzahl von Privatwohnsitzen Verdächtiger.
8. Handhabung der Gewährung der Akteneinsicht
Nachdem gegen die GSG 9 Nr. 6 und Nr. 8 mit Verfügung vom 10.08.1993
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der vorsätzlichen Tötung von Wolfgang
Grams eingeleitet worden waren, machten diese ab diesem Zeitpunkt von ihrem
Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Auf Antrag ihrer Verteidiger wurde diesen
mit Verfügung vom 17.09.1993 umfassend Akteneinsicht gewährt. Dieses geschah
somit lange vor Abschluß der Ermittlungen am 13.01.1994 und noch während die
Ermittlungshandlungen und Vernehmungen von Zeugen fortgesetzt wurden. Am
08.12.1993 wurde der Verteidigerin des Beschuldigten GSG 9 Nr. 8 ergänzende
Akteneinsicht gewährt.
Dagegen wurden von der Staatsanwaltschaft sämtliche Anträge der anwaltlichen
Vertreter der nebenklageberechtigten Verletzten auf Gewährung der Akteneinsicht
abgelehnt, bis auf Antrag der Unterzeichner das Landgericht Schwerin mit
Beschluß vom 30.12.1993 dem ein Ende machte und gem. 406 e Abs. 4 die Gewährung
der Akteneinsicht zum 14.01.1994 anordnete. Das Ermittlungsverfahren gegen die
Beschuldigten wurde von der Staatsanwaltschaft daraufhin mit Verfügung vom
13.01.1994 eingestellt. In dem Antragsverfahren auf gerichtliche Entscheidung
über die Gewährung der Akteneinsicht hatte die Staatsanwaltschaft gegenüber dem
Gericht eingeräumt, die Akten gegenüber den Vertretern der
nebenklageberechtigten Verletzten auf Intervention des Bundesinnenministeriums zurückgehalten
zu haben.
Mit der Versagung der Akteneinsicht hat die Staatsanwaltschaft den Geschädigten
und ihren Anwälten für die Dauer des Ermittlungsverfahrens die Möglichkeit
genommen, dieses gedanklich zu begleiten und ihrerseits Anregungen zu geben,
die wahrscheinlich geholfen hätten, eine Reihe von Stümpereien und
Unterlassungen zu verhindern. Die unterschiedliche Handhabung der Gewährung der
Akteneinsicht gegenüber Beschuldigten und Geschädigten ist evident und ließ das
gefundene Ermittlungsergebnis erwarten.
Rechtsanwalt Andreas Groß
Rechtsanwalt Thomas Kieseritzky
06.06.1994
Namen gekürzt, Aktenverweise getilgt
Max-Planck-Str.13
23568 Lübeck
Tel/Fax: 0451-32990
Herrn Rechtsanwalt
Thomas K.
- persönlich / vertraulich -
Wolfgang
Grams - anwaltliche Vertretung seiner Eltern
Sehr geehrter Herr Kollege,
in der Annahme, daß Sie seinerzeit die
Eltern von Wolfgang Grams vertreten haben, erlaube ich mir diese
Kontaktaufnahme, nach dem ich Herrn Kollegen Andreas Groß nicht ausfindig
machen konnte.
Kurz - damit Sie wissen, mit wem Sie es
zu tun haben - meine Vorstellung: Ich war seit 1977 als Rechtanwalt - und
später auch als Notar - in Lübeck tätig. Im September 1997 habe ich meine
Zulassung wegen ungeheuerlicher Rechtsbrüche innerhalb der
schleswig-holsteinischen Justiz unter Protest zurückgegeben. Danach habe ich -
mit Dr. Edmund Haferbeck als Mitautoren - "Die Rechtsbeugermafia"
verfaßt, die 1999 als Buch erschien und in 2. Auflage im Internet auf der o. g.
Seite bereit steht. Im Nachwort der "Rechtsbeugermafia" wurde der
Inhalt eines zweiten Bandes angekündigt und skizziert; das Kapitel 5 soll
beinhalten: "Staatskriminalität und Staatsterrorismus an den Beispielen
Grams und Hafenstraße". Bei der "Hafenstraße" geht um den bis
heute ungesühnten Mord an zehn Asylbewerbern, die keine drei Kilometer von
meiner Wohnung entfernt jämmerlich verbrannten oder sich zu Tode stürzten.
Auch deshalb habe ich gestern mit großem
Interesse den Schlüsselroman von Christoph Hein "In seiner frühen Kindheit
ein Garten" gelesen.
Eine Nachsuche im Internet führte mich
zur Begründung der Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens
gegen zwei GSG 9-Beamte durch die Staatsanwaltschaft Schwerin und damit auch zu
Ihrem Namen.
Sofern Sie es ebenfalls für angezeigt
halten, möchte ich Sie bitten, eine Kopie dieses Schreibens den Eltern von
Wolfgang Grams zuzuleiten.
Wie dem Roman von Christoph Hein zu
entnehmen ist, hat sich Herr Grams senior als pensionierter Oberstudiendirektor
intensiv mit den Medienveröffentlichungen im Zusammenhang mit der Tötung seines
Sohnes beschäftigt, so daß ich natürlich Gefahr laufe, "Eulen nach Athen
zu tragen". Gleichwohl halte ich es für möglich, daß meine Information
möglicherweise noch nicht bekannt ist:
Dr. Hans-Jürgen F. war Staatsanwalt in
Lübeck und machte unter Berücksichtigung seiner bescheidenen juristischen
Kenntnisse und Fähigkeiten eine erstaunliche Karriere. Einer seiner Förderer
war der LOStA Oswald Kleiner (Rotarier + CDU), der nach Barschels Willen als
Nachfolger von Teschke (LIONS-Club) Generalstaatsanwalt hätte werden sollen.
Die SPD Landesregierung unter Engholm entfernte beide aus dem Dienst. Dr. F.
war jedoch schon Oberstaatsanwalt; zuerst mit einer sog. Leerstelle bei der
Staatsanwaltschaft Itzehoe und dann als stellvertretender Pressesprecher der
Generalsbundesanwälte Kurt Rebmann (LIONS-Club) und Alexander von Stahl
(Rotary); außerdem war er für Spionagesachen zuständig. In dieser Eigenschaft
war er in Bad Kleinen dabei und ich habe es mit eigenen Ohren gehört, wie er -
auf Vorhalt zu dem Skandal und seinem Schweigen - sagte, er habe keine Lust
gehabt, für den Rest seines Lebens zusammen mit Frau Baron Fritten im Bahnhof
von Bad Kleinen zu verkaufen. Rebmanns Vertrauen in ihn war so groß, daß er ihn
sogar mit der fürsorglichen Betreuung der "Unperson" Dr. Alexander
Schalck-Golodkowski betraute. Noch als Pensionär blieb Rebmann ihm verbunden
und versuchte sogar, ihm durch persönliche Vorsprache in Hamburg dort zum
Generalstaatsanwalt zu machen; allerdings vergeblich. Später wurde Dr. F. unter
der Regierung Manfred Stolpe (LIONS-Club) Ministerialdirigent und Chef des
krisengeschüttelten brandenburgischen Verfassungsschutzes, dann
Polizeipräsident von Brandenburg-Süd und dann wurde er stellvertretender
Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium (Bekämpfung des Rechtsextremismus).
Ein erneuter Behördenwechsel soll angeblich zurück zur
Generalbundesanwaltschaft bevorstehen.
Dr. F. war höchstwahrscheinlich der
Zeuge, den der SPIEGEL hinsichtlich der Tötung Grams an der Hand hatte und den
der SPIEGEL vergeblich zu bewegen versuchte, mit seinen Wahrnehmungen als Zeuge
aufzutreten. Langjährig enge Beziehungen zwischen Dr. F. und dem SPIEGEL sind
belegt.
Wenn ich mich richtig entsinne, war
Leyendecker der zuständige SPIEGEL-Redakteur, der sich sehr in die Sache
verbissen hatte und dann wenig später den SPIEGEL verließ. Heute schreibt er
wohl überwiegend für die Süddeutsche Zeitung.
Es wird Ihnen sicher nicht verborgen
geblieben sein, daß man später versucht hat, Wolfgang Grams die Ermordung des
Chefs der Treuhand, Detlev Karsten Rohwedder in die Schuhe zu schieben (vgl.
etwa DER SPIEGEL 21/2001/32-36). Es mag dahinstehen, ob daran etwas ist oder ob
man nur einen Mythos zerstören wollte. Auch posthum gilt die Unschuldsvermutung
und zwar noch verschärft, denn Wolfgang Grams kann sich nicht mehr wehren.
Wenn man die vielfältigen Mosaiksteine
zusammenfügt, ergibt sich ein Bild, daß einen unweigerlich zum
Verschwörungstheoretiker abstempelt, wenn nicht sogar zum Idioten und/oder
Antisemiten:
1) Barschel wurde
nach Aussage des Ex-Mossad-Majors Victor Ostrovsky vom israelischen
Geheimdienst ermordet, was allerdings nichts mit dem Fall "Grams" zu
tun hat, aber Macht und Skrupellosigkeit beweist. Immerhin hat die
Staatsanwaltschaft Lübeck dazu geschwiegen und die entsprechende Akte wurde
beim Verfassungsschutz vernichtet.
2) Die erste
Generation der RAF wurde trotz eindeutig proarabischer und antizionistischer
Ausrichtung letztendlich vom MOSSAD geführt, wofür es Beweise gibt. Die
Parallelen zum Massaker des "Schwarzen September" in München und zum
11. September 2001 (vgl. den BND-Bericht vom 5.4.2002) sind im übrigen
überdeutlich.
3) Rohwedder wollte
als Chef der Treuhand nationale deutsche Interessen vertreten, wurde deshalb
liquidiert und durch Birgit Breuel ersetzt, die mehrheitlich andere Interessen
bevorzugte und außerdem die einzige deutsche Frau im B'nai B'rith sein soll.
Einige signifikante Charakteristika zum B'nai B'rith können in den Ansprachen
des verstorbenen Erzbischofs Marcel Lefebvre nachgelesen werden.
4) Rotary und LIONS
wurden vor etwa 90 Jahren in den USA im Auftrag des B'nai B'rith gegründet.
5) Der KoKo-Chef
Dr. Schalck-Golodkowski hat kofferweise Bargeld, das zuerst der DDR und dann
der BRD zustand, nach Israel geschafft.
6) Dr. F ist ein
Philosemit wie er im Buche steht. Die Deutschen sind ziemlich pauschal alles
Nazis und Verbrecher. Seine großen Vorbilder sind I. Bubis (LIONS-Club), R.
Giordano, H. Broder usw. ............
Zur Klarstellung: Ich stehe politisch
links und bin alles andere als ein Antisemit. Nur ist der oberste Grundsatz
aller Wissenschaft Vorurteilslosigkeit und Voraussetzungslosigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Max-Planck-Str.13
23568 Lübeck
Tel/Fax: 0451-32990
JUNGE FREIHEIT
Fax: 030 - 86 49 53 - 14
10713 Berlin
"Abgesang
auf eine Verschwörungstheorie"
JF
vom 7.7.2006 / S. 8
Sehr geehrte Damen und Herren!
Entgegen dem gewohnten Niveau Ihrer
Zeitung steckt der Artikel über den Tod von Wolfgang Grams voller Fehler und
unvertretbarer Wertungen. Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, daß
Wolfgang Grams von einem GSG9-Mann vorsätzlich getötet wurde, auch wenn nicht
nur Herrn von Stahl ein anderes Ergebnis sicherlich besser in die Biographie
passen würde. Nicht nur die kritische Beurteilung der forensischen Ergebnisse
(trotz der Vernichtung von Spuren/Beweismitteln) spielen dabei eine Rolle,
sondern auch die Aussagen von zwei Tatzeugen. Nicht nur Frau Baron hat den
Vorfall als vorsätzliche Tötung Grams wahrgenommen, auch der von Ihnen
diskreditierte weitere "angebliche Antiterrorspezialist", dessen
Identität auch keinesfalls unklar ist. Es handelte sich nämlich mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen Beamten der
Bundesanwaltschaft, also einen Mitarbeiter von Rebmann und von Stahl, der -
nach seinen eigenen Worten - "keine Lust verspürte, für den Rest seines
Lebens zusammen mit Frau Baron Fritten in Bad Kleinen zu verkaufen".
Leyendecker hatte diese Person seinerzeit schon fast so weit, öffentlich als
Zeuge aufzutreten. Da jedoch maßgebliche beamtenrechtliche Nachteile drohten,
die DER SPIEGEL im Extremfall nicht auffangen konnte, blieb der Zeuge stumm.
Mit freundlichen Grüßen