Shakespeare, ein Macho?

Catharina: Pfui, pfui! Entrunzle diese drohnde Stirn,

Und schieß nicht zorn'ge Pfeil' aus diesen Augen,

Verwundend deinen König, Herrn, Regierer.

Das tötet Schönheit wie der Frost die Flur,

Zerstört den Ruf wie Wirbelwind die Blüten,

Und niemals ist es recht noch liebenswert.

Ein zornig Weib ist gleich getrübter Quelle

Unrein und sumpfig, widrig, ohne Schönheit.

Und ist sie so, wird keiner, noch so durstig,

Sie würd'gen, einen Tropfen draus zu schlürfen.

Dein Ehmann ist dein Herr, ist dein Erhalter,

Dein Licht, dein Haupt, dein Fürst, er sorgt für dich

Und deinen Unterhalt, gibt seinen Leib

Mühsel'ger Arbeit preis zu Land und Meer,

Wacht Nächte durch in Sturm, und Tag' in Kälte,

Wenn du im Hause warm und sicher ruhst;

Und fordert zum Ersatz nicht andern Lohn

Als Liebe, freundlich Blicken und Gehorsam.

Zu kleine Zahlung für so große Schuld.

Denn was der Untertan dem Fürsten schuldet,

Gehorsam, schuldet auch die Frau dem Gatten.

Und ist sie trotzend, launisch, trüb' und bitter,

Und nicht gehorsam billigem Gebot,

Was ist sie als ein tückischer Rebell,

Sünd'ger Verräter an dem lieben Herrn?

Wie schäm' ich mich, daß Frau'n so albern sind!

Sie künden Krieg und sollten knien um Frieden!

O daß sie herrschen, lenken, trotzen wollen,

Wo sie nur schweigen, lieben, dienen sollen!

Weshalb ist unser Leib zart, sanft und weich,

Kraftlos für Müh' und Ungemach der Welt,

Als daß ein weiches Herz, ein sanft Gemüte

Als zarter Gast die zarte Wohnung hüte?

O kommt, ihr eigensinn'gen, schwachen Würmer!

Mein Sinn war hart wie einer nur der euern,

Mein Herz so groß, mein Grund vielleicht noch besser,

Um Wort mit Wort, um Zorn mit Zorn zu schlagen: -

Jetzt seh' ichs, unsre Lanzen sind nur Stroh,

Gleich schwach wir selbst, schwach wie ein hilflos Kind,

Scheinen wir nur, was wir am mind'sten sind.

Drum dämpft den Trotz, beugt euch dem Mann entgegen

Ihm unter seinen Fuß die Hand zu legen: -

Wenn ers befiehlt, zum Zeichen meiner Pflicht,

Verweigert meine Hand den Dienst ihm nicht.

William Shakespeare: "Der Widerspenstigen Zähmung"

oder "The taming of the shrew" (1594)

Fünfter Aufzug - Zweite Szene

Anmerkung: Mein Vater, der Germanistik studierte, bevor es ihn zur erbärmlichen Juristerei verschlug, pflegte als die drei Größten der Weltliteratur zu benennen: Homer, Shakespeare und Cervantes. Die beiden zuletzt genannten verband ein eigentümliches Schicksal. Beide verstarben am 23.4.1616; Shakespeare in Stratford-on-Avon und Cervantes in Madrid.