Springers Nazionismus

 

Kapitel 11: "RUDOLF DIELS"

 

Der 1901 Geborene war unter Abegg Leiter des politischen Dezernats, wurde nach seinem Verrat vom neuen preussischen Ministerpräsidenten Hermann Göring zum ersten Gestapo‑Chef gemacht. Diels war stolz darauf, dass er beim Gespräche mit Göring die Hände in den Hosentaschen hielt. Das war erlaubt ‑ für Busenfreunde. Später verwandelte sich "Opportunist Diels, adrett und umgänglich" (Sefton Delmer) zurück in einen Demokraten, in Nürnberg trat er auf ‑ als Zeuge der Anklage. 1957 löste sich bei der Jagd aus seiner Flinte ein Schuss, der ihn tödlich traf. Zeugen gab es nicht.

 

Aus seinem «Lucifer ante Portas ‑ Zwischen Severing und Heydrich», Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1950, Seiten 103/104 (mit 'er' ist, wie sich das aus dem Zusammenhang ergibt, Göring gemeint):

 

Schon wenige Wochen, nachdem er mir eine Stelle in seinem persönlichen Umkreis eingeräumt hatte, legte er mir ein umfangreiches Aktenstück des Innenministeriums vor mit der hintergründigen Frage: "Was sagen Sie dazu?"

In der weit sichtbaren Rundschrift der ministeriellen Kanzleien stand auf der Akte geschrieben "Hitlermeineid".

"Wenn der Inhalt dieser Akte bekannt wird, werden Sie auf offener Straße erschlagen werden."

Er schlug sie auf und deutete mit dem Finger Seite für Seite immer wieder auf meinen Namen, der als Sachbearbeiter auf den Schriftstücken aus der Zeit Severings zusammen mit denen der Ministerialräte Schönner und Janich und Oberregierungsrat Kempner, der zwölf Jahre später als amerikanischer Hauptankläger beim Internationalen Gericht in Nürnberg bekannt geworden ist, verzeichnet war. Das Aktenstück sollte seinerzeit unter Minister Severing den Nachweis fahren, daß der sogenannte Legalitätseid, den Hitler im Hochverratsprozeß gegen die Offiziere Scheeringer, Ludin und Wendt im Jahre 1931 vor dem Reichsgericht in Leipzig geschworen hatte, ein Meineid gewesen sei. Es ent­hielt eine Sammlung von Aufzeichnungen, aus der die um­stürzlerischen Absichten Hitlers und die finanziellen Unterstützungen, die ihm das Ausland gewährte, nachgewiesen werden konnten. Es hätte die Möglichkeit geboten, nicht nur die Ausweisung des Ausländers Hitler zu betreiben, sondern ihn auch zu einer längeren Freiheitsbeschränkung zu ver­urteilen.

 

Ich war mir im klaren, daß die Erörterung dieser hochgefährlichen Dinge, die mir Göring schwarz auf weiß vorhielt, das Frohlocken Dalueges, der mit seinen Kreaturen die Durchschnüffelung der alten Akten der politischen Gruppe betrieb, ausgelöst hatte. Wenn Göring mich schonte, so bedeutete das auch, daß meine anderen Mitarbeiter, besonders Janich und Kempner, unbelästigt bleiben würden.

 

Ich antwortete Göring:

 

"Ich habe Ihnen, als Sie sich entschlossen, mich auf meinem Posten zu belassen, nicht verschwiegen, daß ich gegen das Herankommen der Nationalsozialisten gearbeitet habe."

 

Göring: "Diese Akte sollte Ihnen eine Warnung zur allergrößten Vorsicht sein."

 

Er verschloß sie selbst schweigend in seinem Tresor. Daluege, Nebe, und wie sie alle hießen, warteten vergeblich auf die große Szene, und später hörte ich aus Heydrichs Munde, daß auch er von der Existenz des todeswürdigen "Vorganges" wußte. Doch Daluege kannte Göring nicht. Für diesen konnte solches Material nicht mein Dienstverhältnis erschüttern. Es war gerade das, was Göring brauchte, um Verläßlichkeit zu erzwingen.

 

Ich habe dann öfter die Geste beobachtet, mit der Göring Schriftstücke beiseite legte, die ihm ängstlichere Gemüter verpflichteten. Da war das Bündel Liebesbriefe, die der Vorkämpfer arischen Rassenstolzes, Alfred Rosenberg, an seine rothaarige, schöne jüdische Freundin Lisette Kohlrausch geschrieben hatte. Auf die flehentlichen Bitten Rosenbergs ließ er die verhaftete Dame frei, nachdem er sich an deren Geständnissen über den Liebeseifer des lichten Enthüllers der jüdisch‑etruskischen Sexualgreuel geweidet hatte......