Risiko der freien Rede

Meinungsfreiheit: Wenn die freie Rede zu einem Risiko wird

Schriftsteller Martin Walser sieht Bürgerrecht gefährdet

Droht Deutschland eine Wiederkehr des totalitären Sozialismus? Große Teile der Medien und der Intellektuellen sind dabei, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung durch eine "antifaschistische-demokratische" Ordnung zu ersetzen. Konservative Intellektuelle, Journalisten und Politiker werden zunehmend ausgegrenzt und in die Nähe von Rechtsextremisten gerückt. "Unter der Parole des Antifaschismus wird eine Hexenjagd auf Konservative und demokratische Rechte betrieben."

So las man kürzlich im "Berliner Appell: Wehret den Anfängen!", unterschrieben von zahlreichen CDU- und F.D.P.-Mitgliedern des Bundestages und von Landesparlamenten, von Publizisten und Journalisten, von Professoren und Schriftstellern.

Jetzt wird diese Warnung verstärkt durch einen der bedeutendsten deutschen Schriftsteller unserer Zeit, durch Martin Walser. Unüberhörbar warnte er in seiner Rede anläßlich der Verleihung des Dolf-Sternberger-Preises, nachgedruckt im SPIEGEL, vor dem Schwinden der Meinungsfreiheit in Deutschland.

Gern hätte er, so Walser, über das Thema "Gewissen und Öffentlichkeit" frei gesprochen, doch sei diese freie Rede nicht mehr möglich. Was man heute sagen dürfe, "ist das Zurechtgemachte, das dem Soll Entsprechende". Der Dichter läßt keinen Zweifel daran, daß er nicht damit übereinstimmt, was in manchen festgeschriebenen Themenfeldern gesagt werden darf, und er nennt deren drei, die "abgefragt werden wie bei und in der Schule der Katechismus" und auf die man nur vorgestanzte und von den Meinungsmachern festgeschriebene Antworten geben darf. Es sind die Themen Frauen, Ausländer und Nazi-Vergangenheit.

Wenn man sich dazu nicht genau in der von den "straflüsternen Moralgiganten" vorgeschriebenen Form und mit dem angeordneten Inhalt antwortet, dann wird man ausgegrenzt, ja "erledigt". Walser erinnert an den Fall des ersten CDU-Bundespräsidentenkandidaten Steffen Heitmann, der von den "sogenannten Liberalen" erledigt wurde, indem man seine Worte umdrehte, Zusammenhänge verfälschte und ihn in einer Kumpanei verschiedener Medien förmlich hinrichtete. Walser: "In diesem Klima frei reden? ... Zur Zeit ist es der Tugendterror der political correctness, der freie Rede zum halsbrecherischen Risiko macht." Die Masse der Meinungsmacher zwingt Abweichler zur Anpassung, wenn sie nicht ausgegrenzt und kaltgestellt werden wollen.

"Es hilft mir nichts, wenn ich nachgebetet höre: die deutsche Schuld ist singulär; diese Deutschen sind die schlimmsten Menschen, die es je gab ... Ich suche immer nach Gründen: wie ist es passiert? Wie hat das geschehen können? Und ich komme zu keinem Ende."

Inzwischen sehe er jedem Gedenktag "mit krankem Gemüt" entgegen – und damit will er offenbar auf das Jahr 1995 hinweisen, in dem wir Deutschen uns auf eine Flut von Beschuldigungen, Beschimpfungen und Geschichtsverdrehungen gefaßt machen müssen, wenn der 50. Jahrestag der seit der Weizsäcker-Rede 1985 sogenannten "Befreiung" von den Siegern und ihren Spätsieger-Kumpanen in Deutschland gefeiert wird.

Wie manipuliert, verfälscht, fertiggemacht wird im alles beherrschenden öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das hat wohl jeder schon erlebt. Walser beschreibt es anschaulich: "Das Fernsehen, mit seiner Macht über die Schläfrigen, zeigt, wie man mit denen umgeht, die von den Zeitungen als inkorrekt ist gleich dumm ist gleich böse zur Weiterbehandlung angeliefert werden. Schnitt und Montage nach Goebbels‘ Art. Man kann dem Fernsehvolk nicht mit Nebensätzen kommen, also unterschneidet man eine Interviewantwort einfach mit Großaufnahmen marschierender Skinhead-Stiefel, dann ist schon alles klar."

In diesem wiedervereinigten Deutschland, in dem der Kommunismus trotz des von ihm ausgeübten Terrors aufgrund seines falschen Menschenbildes zusammengebrochen ist, breitet sich schleichend ein Klima der Meinungsunterdrückung aus für alle jene, die nicht links stehen, denken oder handeln. Eine "politisch-moralische Lynchstimmung" regiert, wie Martin Walser sie auch am Fall des ehemaligen Bundestagspräsidenten Jenninger in Erinnerung ruft, der selbst vor sechs Jahren zu dem Schluß kam, er habe nach seinem Sturz begriffen, daß es Dinge gebe, die man bei uns nicht sagen dürfe. Hätte sich nicht damals bereits ein Schrei der Entrüstung erheben müssen, war doch deutlich geworden, daß eines der Grundrechte, die eine Demokratie ausmachen, nämlich die Meinungsfreiheit, in akuter Gefahr ist? Nichts passierte. Die Situation wurde immer bedrückender.

Jetzt erhebt einer der großen deutschen Schriftsteller, Martin Walser, seine Stimme und ruft zum Widerstand gegen den Terror auf, indem er seine Rede schließt: "Glaubt nicht, ihr klimabeherrschenden Korrektheitsdesigner, daß ihr uns durch und durch klimatisiert habt. Je mehr ihr das Sagbare ritualisiert, desto lebendiger wird ihnen die freie Rede."

Quelle: Hans-Joachim von Leesen in "Ostpreußen-Blatt" vom 3.12.1994

Anmerkung: Martin Walser ist nicht nur ein bedeutender Dichter, sondern ein Held, der Zivilcourage vorlebt. Er ist ein würdiger Nachfolger im Geiste eines Martin Luther.

Auf das Material zur political correctness auf dieser Homepage wird ebenso hingewiesen wie auf bevorstehende Kommentare zur Patriotenverfolgung.