Polnische Nazis?

 

Die Not der Menschen in Polen und Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg war durchaus vergleichbar, obwohl Polen nicht die schweinischen Reparationen zu stemmen hatte, die dem Reich in Versailles aufdiktiert worden waren. Hochinteressant ist, daß Polen bereits Jahre vor der Machtergreifung Hitlers Konzentrationslager eingeführt hatte und das „Lager von Großpolen“ - eine die ideologische Zielsetzung bestimmende Organisation – einen Plan zur Austreibung der Juden vorgelegt hatte.

 

(...) Die Gewinne in der polnischen Industrie reichten nicht aus, um nennenswerte ausländische Investitionen an­zulocken, obschon eine große Zahl von Unternehmen mit ausländischem Kapital arbeitete. Trotz eines 25prozentigen Anwachsens der polnischen Bevölkerung zwischen 1913 und 1938 wuchs die Industrieerzeugung erst 1938 über die von 1913 hinaus, wobei die Reallöhne jedoch nicht Schritt hielten. Infolge der wirtschaftlichen Stagnation hatte das neue Regime den Polen wenig zu bieten und vermochte ihre politische Unzufriedenheit nicht zu überwinden.

Diese ungünstigen Verhältnisse beleuchten die innenpolitische Lage, in der sich die polnische Regierung befand, und zeigen eine Parallele zu den wenig guten Beziehungen Polens zu seinen Nachbarn in den Jahren gleich nach 1926, vor allem hinsichtlich der Sowjetunion, Deutschlands, der Tschechoslowakei und Litauens. Die inneren und äußeren Vorgänge bewiesen eine ständige Krise, die die polnische Führung jedoch mit Gelassenheit hinnahm und eine erstaunliche Selbstzufriedenheit gegenüber den widrigen Zuständen entwickelte. Im Dezember 1926 ging Roman Dmowski von der inneren Front aus unvermittelt zum Angriff auf Pilsudskis Anspruch als Führer der Nation über durch die Gründung seines eigenen „Lagers von Großpolen“. Durch fast vier Jahre hindurch beherrschte diese Organisation die ideologische Zielsetzung. Sie verlangte eine Besserung der Beziehungen zu Rußland, den endgültigen Widerruf des Föderalismus, die Hebung des Nationalbewußtseins, ein Programm zur Assimilierung der Minderheiten und einen Plan zur Austreibung der Juden. (Stanislaw Mackiewicz, Historja Polski 1918 - 1939, London 1941, S. 199 ff)

Mit einer von Walery Slawek geleiteten Säuberung schlug Pilsudski erbit­tert am 10. September 1930 zurück. Niemand wagte, Dmowski zum Schweigen zu bringen, aber Pilsudski entzog ihm viele Anhänger, indem er einen großen Teil seiner Ideen übernahm. Die Verhaftung von Oppositionsführern, die Einführung von Konzentrationslagern und terroristischen Methoden wäh­rend der Wahlen schüchterte die Opposition zumindest vorübergehend ein. Einer neuen Koalition von Regierungsanhängern gelang es, im November 1930 von 444 Sitzen im Sejm 247 zu erringen. Es war der erste größere Wahl­sieg Pilsudskis. (Raymond Leslie Buell, Poland. Key to Europe, New York 1939, S. 94 ff; Pobog-Malinowski, Najnowsza Historja Polityczna Polski 1864 – 1945, Paris 1953, II, S. 576 ff)

(…)

 

Quelle: „Der erzwungene Krieg. Die Ursachen und Urheber des Zweiten Weltkrieges“ von David L. Hoggan, 15. Aufl., Tübingen 1997, S. 43 (Hervorhebungen vom Bearbeiter)

 

 

 


Halifax erörterte am 14. Dezember 1938 die Lage mit Raczynski in London und hoffte dabei insgeheim, mehr über die derzeitige Einstellung Polens zu einer Regelung mit Deutschland zu erfahren. Er leitete die Unterredung damit ein, daß er sich beklagte, die Polen hätten wenig geholfen, die Aufgaben des Völkerbundes in Danzig zu fördern. Raczynski erwiderte, daß Po­len die Bedeutung der Stellung des Völkerbunds anerkenne und eine Abberu­fung Burckhardts nicht wünsche. Dann fragte Halifax den polnischen Botschafter geradeheraus, ob sich Hitler kürzlich zur Frage der deutschen Ansprüche auf Danzig geäußert habe. Der Botschafter antwortete ausweichend. Er erklärte, Polens entscheidendes Problem sei zur Zeit, Hilfe von internationaler Seite zu bekommen, um sich der jüdischen Bevölkerung des Landes zu entledigen. Er versicherte Halifax, daß die Juden in Polen „eine wirklich schwerwiegende Frage“ bedeuteten. (British Foreign Policy, III, Bd. 3, Nr. 430)

 

Quelle: Hoggan a.a.O., S. 235 (Hervorhebung vom Bearbeiter)

 

Anmerkung: Halifax, Edward Wood, 1. Lord Irwin (1925), 3. Viscount Halifax (1934), 1. Earl of Halifax (1944) war 1938 – 1940 britischer Außenminister. Eduard Raczynski – seinerzeit ein junger vermögender Aristokrat – war polnischer Botschafter in London.

 

 

(...) Am 12. März 1939 hielt Joseph Beck eine Rede und betonte darin die polnische Sympathie für die Slowakei. Seine Ausführungen wurden von der Presse ausführlich wiedergegeben. In seiner Ansprache richtete er gleichfalls die dringende Aufforderung an die anderen Staaten, Polen zu helfen, sich seiner jüdischen Bevölkerung zu entledigen. Über deutsche Absichten in der Slowakei zeigte er keinerlei Besorgnis. (Internationales Militär-Tribunal 1945 – 1946, X, 344 ; XI 359)

 

Quelle: Hoggan a.a.O., S. 404

 

Anmerkung: Joseph Beck war 1932 – 1939 polnischer Außenminister