Welche Vorfahren Heydrichs waren Juden?
Daß es unter Heydrichs Vorfahren Juden gab, dürfte heute unbestritten
sein und zwar nicht nur wegen der belegten Äußerung seines Vorgesetzten
Heinrich Himmler, er (Heydrich) "habe den Juden in sich überwunden".
Nur vereinzelte Auftragsschreiber aus interessierten Kreisen bestreiten dies. Darüber,
wie stark jüdisches Blut in den Adern eines der brutalsten Schlächter der
Nazi-Clique vertreten war, gehen die Meinungen auseinander. Deshalb wollen wir
sukzessive die dazu auffindbare Literatur zusammenstellen.
Noch einmal schien Heydrichs
Weg nach oben für einen Augenblick gefährdet. Gerade als er Chef der gesamten
deutschen Sicherheitspolizei wurde, tauchten unbestimmte Gerüchte auf, daß mit
seiner Abstammung im Sinne des Dritten Reiches "etwas nicht in Ordnung"
sei. Ein biederer Bäckermeister in Halle a. d. Saale, der Geburtsstadt
Heydrichs, war die Quelle dieser Gerüchte. Er behauptete nämlich, genau zu
wissen, daß Heydrichs Vater, ein Musiklehrer, Halbjude gewesen sei, denn er
habe dessen Mutter Sarah H e y d r i c h, die später in Leipzig starb, noch
persönlich gekannt; es habe sich um eine Volljüdin gehandelt. Heydrich klagte
gegen den Bäckermeister und gewann den Prozeß, der dank der offiziellen
Presselenkung keinerlei Aufsehen erregte. Der "Verleumder" war nicht
in der Lage gewesen, Beweise für seine Behauptung zu erbringen. Als er in einem
Revisionsverfahren verlangte, daß die Kirchenbücher und Standesregister in
Halle nachgeschlagen würden, stellte es sich heraus, daß auf unerklärliche
Weise gerade der März 1904, der Geburtsmonat Heydrichs, fehlte.
Auch 1935 und 1937 mußte
Heydrich noch zwei Prozesse gegen Leute anstrengen, die seine jüdische
Abstammung behaupteten. Allerdings kam es nicht zu gerichtlichen Urteilen. Im
ersten Fall gab der Beklagte einen schriftlichen Widerruf und eine
Ehrenerklärung zugunsten Heydrichs ab und im zweiten Fall verschwand der
Beklagte, der sich erbötig gemacht hatte, exakte Beweise für die jüdische
Abstammung Heydrichs zu erbringen, für immer im Konzentrationslager. Heydrich hatte
einen vertrauten Mitarbeiter, einen SS-Hauptscharführer, den er bereits aus
seiner Hamburger Zeit kannte, damit beauftragt, sich durch einen Einbruch in
Halle in den Besitz sämtlicher Dokumente und Register zu setzen, aus denen die
Abstammung seines Vaters zu entnehmen war, und sie zu vernichten. Er hatte aber
an eines nicht gedacht: daß es nämlich in Leipzig einen Grabstein mit dem Namen
Sarah Heydrich gab. Als er später darauf kam, mußte der gleiche Mitarbeiter,
der den Einbruch in Halle ausgeführt hatte, auch diese Spur beseitigen. Eines
Nachts verschwand der Grabstein der jüdischen Großmutter. Er war auf einem
Lastkraftwagen vom Friedhof abgefahren worden und wurde unterwegs in einen Fluß
geworfen. Doch hatte Heydrich nicht vergessen, ihn durch einen neuen mit der
diskreteren Inschrift "S. Heydrich" ersetzen zu lassen; die Rechnung
dafür existierte bis 1945 bei der Adjutantur Heydrichs in Berlin. Waren hiermit
alle Spuren verwischt? Es bestehen Gründe zu der Vermutung, daß es nicht so
war. In Meißen, wo der Vater Heydrichs und dessen Mutter Sarah längere Zeit gelebt
haben dürften, müssen sich noch Unterlagen gefunden haben, aus denen die
jüdische Abstammung des Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei hervorging, und
diese scheinen in die Hände seines großen Gegenspielers Admiral C a n a r i s
gelangt zu sein. Wir werden später noch darauf zurückzukommen haben.
Quelle: "Die Geheime Front - Organisation, Personen und Aktionen des
deutschen Geheimdienstes" von Walter Hagen, Veritas Verlag, Stuttgart o.
J. (1952 oder früher), S. 20 f