Imre Finta
Imre Finta, ein ehemaliger Hauptmann der ungarischen Polizei,
dem in Kanada Kriegsverbrechen vorgeworfen worden waren, starb kürzlich im
Alter von 90 Jahren. Finta musste sich im Zusammenhang mit der Deportation von
8.617 ungarischen Juden aus der Provinzstadt Szeged gegen die Vorwürfe Raub,
Freiheitsberaubung, Entführung und Totschlag verteidigen. Die während des
Verfahrens vorgelegten Beweise wiesen darauf hin, daß die Juden unter
inhumanen Bedingungen in versiegelten Frachtwaggons nach Auschwitz oder zu
Zwangsarbeit ins besetzte Europa deportiert worden waren. Viele starben auf
dem Weg dorthin. Eine Jury sprach Finta am 24.3.1994 in einer knappen
4:3-Entscheidung von allen Vorwürfen frei, was vom kanadischen Obersten
Gerichtshof bestätigt wurde. Laut Juristen setzte diese Entscheidung des
Obersten Gerichtshofs die
Maßstäbe für eine Verurteilung so hoch, daß es seither schier unmöglich sei,
eine Strafverfolgung gegen angebliche deutsche Kriegsverbrecher in Kanada
durchzuführen. Laut Gericht muß nicht nur nachgewiesen werden, daß der
Angeklagte die Intention hatte, ein Verbrechen zu begehen, wie etwa Mord oder
Entführung, sondern auch, daß der Angeklagte erkannte, daß sein Handeln Teil
eines Kriegsverbrechens war. Das
Gericht erkannte auch als Rechtfertigungsgrund das Befolgen von
Befehlen an. Das gilt freilich
auch für alle anderen Kriegsverbrechen - vergangene und zukünftige. Die
kanadische Regierung hatte erst vor wenigen Jahren das Strafrecht geändert, um
die Verfolgung von
Kriegsverbrechen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu erleichtern. Diese
Änderung ging auf die Empfehlung einer Kommission im Jahre 1986 zurück, die
ausschließlich die Verfolgung angeblicher Kriegsverbrechen der Achsenmächte zum
Ziel hatte. Finta war 1951 nach Kanada eingewandert, drei Jahre, nachdem ihn
ein ungarisches Tribunal in Abwesenheit wegen "Verbrechen
gegen das Volk" verurteilt hatte. 1956 erhielt er die kanadische
Staatsbürgerschaft. (Canadian
Jewish News, 1.1.2004)
Quelle: VffG – April 2004 / S. 123