Gulag-Guantanamo (2)

                      

WASHINGTON ‑ Während US­-Präsident George W. Bush auf seiner Südasienreise große Ziele verfolgte, braute sich im heimischen Washington erneut dunkles Gewölk zusammen. Nach vierjähriger Geheimhaltung musste das US-­Verteidigungsministerium die Namen hunderter Guantanamo‑Häftlinge offen legen. Das Pentagon war auf Grund einer Klage der Nachrichtenagentur The Associated Press (AP) per Gericht dazu verpflichtet worden. "Das ist ein Durchbruch im Bemühen, die Geheimhaltungsstrategie der US­-Regierung zu beenden", erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Washington hatte die Preisgabe der Namen mit dem Argument verweigert, dadurch werde die Privatsphäre der Betroffenen verletzt, sie und ihre Familien würden in Gefahr gebracht.

 

In Bedrängnis geraten dürfte nun aber erst einmal die US‑Regierung, nachdem AP erste Auszüge aus den Verhör‑Protokollen druckte. Beispiele:

 

Der Brite Feroz Ali Abassi beschwerte sich schriftlich, Militärpolizisten hätten vor seinen Augen Sex gehabt, um ihn vom Beten abzulenken. Er versuchte in den Anhörungen zu begründen, warum er als "Kriegsgefangener" und nicht als rechtloser "Feindlicher Kombattant" behandelt werden müsse. Reaktion des US‑Offiziers: "Mr. Abassi, Ihr Verhalten ist inakzeptabel, und dies ist die letzte Warnung an Sie. Ich kümmere mich nicht um das Völkerrecht", so das offizielle Protokoll.

 

Viele fühlten sich in den Verhören hilflos: Der Afghane Mohammed Scharif soll als Wächter in einem Taliban‑Lager gedient haben. Er sagt, er sei von den Taliban zur Arbeit gezwungen worden. Aus Angst vor Repressalien gegen seine Familie sei er nicht geflohen. Auf seine Frage nach Beweisen hieß es: "Was könnten Sie möglicherweise getan haben, dass wir entsprechende Fakten entdecken?" "Das ist es ja gerade", erwidert er. "Es gibt keine Fakten, das ist lächerlich. Ich weiß nur die Tatsache, dass es keine Beweise gegen mich gibt."

 

Quelle: Lübecker Nachrichten vom 5./6. März 2006 ("Protokolle rücken das Pentagon in schiefes Licht") - Hervorhebung vom Bearbeiter.