Bibelforscher gegen Dr. Fehrmann
Eine
vor dem St. Gallener Bezirksgericht Anfang 1924 angestrengte Klage gestattet
uns einen Blick hinter die Kulissen der Wachtturm‑Gesellschaft.
Am 21. Januar hatten die
Protestanten in St. Gallen eine Protestversammlung gegen die stark angestiegenen
Aktivitäten der Bibelforscher in der Schweiz abgehalten. Professor Köhler von
der Zürcher theologischen Fakultät hatte in seinem Vortrag erklärt, daß es ihm
ein Rätsel sei, woher die Bibelforscher die reichen Geldmittel zu ihrer
Propaganda bezögen. Dr. Fehrmann, ein in St. Gallen bekannter Arzt, behauptete
daraufhin, daß sie sehr viel Geld vom internationalen freimaurerischen Judentum
erhielten, um Verwirrung in die westeuropäische Christenheit hineinzutragen.
Der Vorsitzende der Ernsten Bibelforscher, Konrad C. Binkele, verlangte
sofortigen Widerruf dieser Behauptung. Dr. Fehrmann aber blieb bei seinem Wort,
worauf die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher gerichtliche Klage
gegen ihn erhob.
Vor Gericht führte Dr.
Fehrmann als Hauptbeweis einen Brief an, der vom 27. Dezember 1922 datierte und
von einem amerikanischen
Hochgradfreimaurer des 33.
Grads aus Boston an einen Schweizer Bruder geschrieben worden war. Dieser Brief
hatte u.a. folgenden Wortlaut:
"Ihre zweite Anfrage betrifft die Internationale Gesellschaft der ErnstenBibelforscher,
die ihren Hauptsitz in Brooklyn, N.Y., hat.
Gewiß sind uns diese Leute sehr von Nutzen. Wir geben ihnen auf dem
bekannten indirekten Wege viel Geld durch eine Anzahl Brüder, die während des
Krieges sehr viel Geld gewonnen haben; es tut ihrem dicken Portefeuille nicht
weh! Sie gehören zu den Juden. Im nächsten Frühjahr vielleicht wird ein
bedeutender Jurist nach Europa kommen. Er war schon mehrere Male in Europa.
Mister Rutherford wird eine Propaganda durch Vorträge unternehmen. Ich benütze
jetzt die Gelegenheit zu einer Bitte an Sie, geliebter Bruder, wollen Sie
bemüht sein, daß die Zeitungen der Schweiz keine Artikel bringen, die gegen
diese Vorträge gerichtet sind! Sie haben doch unter den Brüdern der Schweiz
viele Leute der Tagespresse. Auch bitte ich zu sorgen, daß die Tätigkeit der
Ernsten Bibelforscher in den Zeitungen nicht ungünstig beurteilt wird. Wir
haben diese Leute sehr nötig, sie müssen uns Pioniere sein. Was soll ich Ihnen
mehr sagen! Sie wissen alles selbst.
Das Prinzip, ein Land zu erobern, ist, seine Schwächen auszunützen und seine
Säulen zu untergraben. Unsere Feinde sind die Protestanten ebenso wie die
Katholiken in Europa, ihre Dogmen sind unseren Plänen lästig, deshalb müssen wir
alles tun, ihre Anhängerzahl zu vermindern und sie lächerlich zu machen."
Dieser
Brief war am 18. Mai 1923 im katholischen Tageblatt für den Kanton Solothurn
"Der Morgen" veröffentlicht worden, was eine Aufforderung zum
Widerruf mit Klageandrohung seitens der Ernsten Bibelforscher nach sich zog. "Der
Morgen" antwortete mit folgender Stellungnahme.
"In Nr. 116 veröffentlichte ich im Auszug einen Brief eines
amerikanischen Freimaurers, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, daß die
Bestrebungen der Ernsten Bibelforscher von der Weltfreimaurerei finanzielle und
moralische (sofern man hier, bei der Weltfreimaurerei das Wort 'moralisch'
anwenden darf!) Unterstützung erhalten. Eine Beleidigung oder Verdächtigung der
Ernsten Bibelforscher hat mir fern gelegen. Es sollte durch Veröffentlichung
jenes Schreibens nur die Wühlarbeit der Weltfreimaurerei charakterisiert
werden. Ich habe nicht gesagt, daß die Ernsten Bibelforscher, soweit die
Schweizer Gesellschaft in Frage kommt, ein Bündnis mit der Freimaurerei
geschlossen haben. Klar geht aus dem fraglichen Aufsatz hervor, daß die
Weltfreimaurerei jede Bewegung benutzt, um der katholischen Kirche zu schaden."
Da das
Gericht in den Äußerungen keine Ehrverletzung der "Internationalen
Vereinigung Ernster Bibelforscher" zu erblicken vermochte, wurde Dr.
Fehrmann freigesprochen. Die Wachtturm‑Gesellschaft wurde zur Zahlung
einer Entschädigung in Höhe von 450 Schweizer Franken an Dr. Fehrmann
verurteilt. Auch nachdem sie Berufung eingelegt hatten, verloren die
Bibelforscher den Prozeß; diesmal mußten sie 1.313,55 Franken an Dr. Fehrmann
zahlen.
Quelle: "Die geheime Macht hinter den Zeugen
Jehovas" von Robin de Ruiter, Durach 1995, S. 149 - 152 i