Eduard Dreher

 

Im Visier der »Blutrichter«‑Kampagne: Eduard Dreher Der erste Beamte des Bonner Justizministeriums, gegen den die DDR einen konkreten Vorwurf erhob, war Ministerialrat Eduard Dreher, der Generalreferent für die Strafrechtsreform. Bereits im Mai 1957 legte ihm der Ausschuß für Deutsche Einheit seine Tätigkeit als Erster Staatsanwalt am Sondergericht Innsbruck zur Last. In dieser Funktion hatte Dreher 1944 den 62jährigen Kaffeebrenner Anton Rathgeber angeklagt, der nach einem Luftangriff auf Innsbruck einige herumliegende Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände entwendet hatte. Dem Strafantrag des Staatsanwalts Dreher folgend, verurteilte das Sondergericht Rathgeber wegen Plünderung zum Tode, wenig später wurde er hingerichtet.

 

Bald nach der Veröffentlichung der DDR‑Broschüre verfaßte Dreher eine eidesstattliche Versicherung für seine Vorgesetzten, in der er zwar seinen damaligen Antrag auf Todesstrafe einräumte, darin aber keine Verfehlung sah. Vielmehr qualifizierte er den Verurteilten ‑ ganz im Sinne des NS­-Tätertyps »Volksschädling« ‑ als »15mal vorbestraft, darunter 6mal wegen Diebstahls«. Als Plünderer sei er daher »zu der gesetzlich allein vorgesehenen Todesstrafe verurteilt« worden. Zwei Jahre später konnte die DDR Dreher einen zweiten Antrag auf Todesstrafe nachweisen. Darin hatte der Staatsanwalt gefordert, den 57 Jahre alten Hilfsarbeiter Josef Knoflach hinzurichten, der ein Fahrrad und etwas Speck gestohlen hatte.

 

Daß diese Vorwürfe nur einen kleinen Teil der Todesurteile darstellen, an denen Dreher am Sondergericht Innsbruck tatsächlich mitgewirkt hatte, räumte er in einer vertraulichen Erklärung ein, die er im Anschluß an die Veröffentlichung des Falles Knoflach aufsetzte: Weitere Todesurteile habe er beantragt, in »drei Fällen ohne politischen Zusammenhang«, »ein Urteil gegen einen gefährlichen Gewohnheitsverbrecher« und »etwa zwei bis drei Fälle von Plünderung nach Fliegerangriff«. »Auch hier«, so die Rechtfertigung Drehers, »war nach der damaligen Rechtslage der Antrag auf Todesstrafe nicht zu umgehen und widersprach meines Erachtens auch nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.« Mit diesem Schreiben war die Angelegenheit erledigt. Dreher reüssierte mit seinem bekannten Kommentar zum Strafgesetzbuch und stieg in den sechziger Jahren zu einem der einflußreichsten westdeutschen Strafrechtler auf.

 

Quelle: Bundesarchiv, B 141/50449, eidesstattliche Versicherung Drehers, undatiert; Bundesarchiv, NL 1087/3, Erklärung Drehers, 21.4.1959

 

Übernommen aus: "Karrieren im Zwielicht - Hitlers Eliten nach 1945", Frankfurt am Main 2001, S. 205