Typisch lübsch (106)

 

1945 bis 1993  -  keinen Dank für die Retter der Hansestadt Lübeck vor weiterer Zerstörung

 

Die sehr lesenswerte und insgesamt erfreuliche Beilage ("Lübeck 1143 + 850", LN vom 21.2.1993) weist eine bedauerliche Lücke auf: Unter den Lebensbildern derer, die sich "um die Stadt verdient gemacht" haben, fehlen die zwei Männer, denen Lübeck es zu verdanken hat, daß es nach dem Luftangriff 1942 vor weiteren, weitaus verheerenderen Zerstörungen verschont blieb.

 

Der Hamburger Bankier Eric Warburg, als Emigrant im Krieg Oberstleutnant im Nachrichtendienst der US-Luftwaffe, hatte sich als solcher erfolgreich dafür eingesetzt, daß nach 1942 weitere Bombardierungen Lübecks unterblieben. (Außerdem hatte er wahrscheinlich einen wesentlichen Anteil daran, daß Lübeck, zusammen mit Schleswig Holstein und Hamburg, nicht, wie schon beschlossen war, 1945 sowjetische Besatzungszone wurde.)

 

Generalmajor Kurt Lottner hatte als letzter Kampfkommandant Lübecks 1945 unter Gefahr des Todesurteils durch Erhängen verhindert, daß Lübeck "bis zum letzten Mann und Stein" verteidigt wurde, wie sein Auftrag lautete.

 

Auch im Rathaus haben diese beiden Retter Lübecks bisher keine angemessene Beachtung gefunden: Das Eintreten Warburgs für Lübeck wurde dort erst 1986 bekannt. Immerhin wurde er daraufhin sehr schnell geehrt, wenngleich nur mit dem angesichts seines Verdienstes lächerlichen, geradezu beleidigenden "Lübecker Golddukaten". Lottner scheint im Lübecker Rathaus auch heute noch unbekannt zu sein, obwohl seine Verdienste um Lübeck in den "Vaterstädtischen Blättern" bereits 1986 dokumentiert wurden. Dies ist um so bedauerlicher als er nach Kriegsende bis zu seinem Tod 1957 vom offiziellen Lübeck schändlich behandelt wurde.

 

In diesem Vergessen spiegelt sich letztendlich das wohl nur durch Verdrängungsmechanismen erklärliche Desinteresse der Lübecker Bürger wider. Das 850‑Jahr‑Jubiläum wäre ein Anlaß, hier zur Ehrenrettung Lübecks einiges, wiedergutzumachen. Zumindest sollte eine Straße die Namen dieser beiden Männer erhalten und auch ihrer posthumen Ernennung zu Ehrenbürgern sollte nichts, im Wege stehen. Es wäre schön, wenn die LN diese Anregung durch aufklärende Artikel unterstützten und wenn sie ein breites Echo in meiner Vaterstadt fände.

 

Quelle: Dr. Helmut Schumacher, Generaldirektor e. H. d. EG-Kommission. Buchenbach - Leserbrief in den Lübecker Nachrichten vom 10. März 1993

 

Anmerkung: Daß Eric Warburg nur mit dem "Lübecker Golddukaten" abgespeist wurde, ist um so beleidigender, als der Nazi-Blut-Richter Gerhard Gaul mit dem höchsten lübschen Orden behängt wurde, wobei es nur ein kleiner Trost ist, daß seinerzeit die SPD-Fraktion geschlossen die Bürgerschaftssitzung aus Protest verließ. Gaul war ein typischer Jurist und Rotarier: Brutal und vergeßlich stets mit der Verschwörung der Anständigkeit beschäftigt!

Späte Ehrung wurde Eric Warburg zu teil; die neu errichtete Brücke über die Trave im Bereich des Konstin-Kais wurde nach ihm benannt. Über eine Ehrung von Kurt Lottner ist der Redaktion nichts bekannt geworden. Selbst einen Arbeitsplatz wollte oder konnte die Hansestadt dem Beinamputierten nicht zur Verfügung stellen, obwohl ohne ihn wohl kein Weltkulturerbe mehr zu retten gewesen wäre.