Claus Möller - Volkskammerergebnisse für Altlasten
Die Entlassung von Claus
Möller als Energieminister 2003, der unseres Erachtens tief in die Vertuschung
von Plutonium‑Kontamination und Verursachern verstrickt ist, war mehr als
überfällig. Schon vor Jahren haben wir Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD)
auf dessen Interessenkollision und seine Verantwortung im Plutoniumskandal
hingewiesen. Möller war über Jahre Mitglied im Aufsichtsrat des
Nuklearunternehmens PreussenElektra und zeitgleich in
der Kieler Landesregierung zuständig für die Atomaufsicht über das gleiche
Unternehmen. Das nukleare Netzwerk zwischen Kiel und Berlin scheint bestens zu
funktionieren: Merkwürdigerweise darf sein Ex‑Pressesprecher Marco Carini in der taz just immer zum
richtigen Zeitpunkt über die von uns thematisierten Punkte Interessenkollision
und Plutonium‑Kontamination die Berichterstattung vollziehen (oder eher
schönen?).
Quelle: Bundesverband christlicher Demokraten gegen Atomkraft in einem
Brief vom 11. Februar 2005 an den SPIEGEL und dessen Chefredakteur Aust
Es gibt Momente in der
Politik, da genügt es, zur richtigen Zeit am richtigen Ort den richtigen Ton zu
treffen ‑ und unversehens steht man an der Spitze der Bewegung, selbst
wenn einen Affären belasten. Der schleswig‑holsteinische SPD‑Politiker
Claus Möller hat dies gerade erlebt.
Auf dem Parteitag am
vergangenen Wochenende in Bad Segeberg appellierte der Ex‑Finanzminister
in einer flammenden Rede an die Berliner Parteiführung, bei allem Reformeifer
den "roten Faden" der "sozialen Gerechtigkeiten" nicht aus
den Augen zu verlieren ‑ und sprach den Delegierten damit aus dem Herzen.
Ihr Dank: Sie wählten ihn mit überragender Mehrheit zum Parteichef ‑ 130
von 134 Stimmen. "Fast wie in der Volkskammer", frotzelte der 61-Jährige
über das Ergebnis.
Zuvor
hatte die erboste SPD‑Basis seinen Vorgänger Franz Thönnes
regelrecht weggeputscht. Der mausgraue Thönnes, Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundessozialministerium, stand in ihren Augen stellvertretend
für die Regierung Schröder und für den verhassten Reformkurs: Das reicht in
diesen Tagen für eine Abwahl.
Möller dagegen bietet mit
seiner bodenständigen Art genau das, was den Parteimitgliedern derzeit am
meisten fehlt: Nestwärme. Von der Wahl des Traditions-Sozis, seit 40 Jahren in
der Partei, erhoffen sich die Delegierten eine Aufbruchstimmung im Norden für
die Stimmung mag es reichen, für einen Aufbruch wohl kaum.
Denn mit Möller kommt
ausgerechnet ein Politiker an die Spitze, der vor kurzem noch als höchst
entbehrlich galt. Erst Anfang des Jahres hatte Ministerpräsidentin Heide
Simonis ihren langjährigen Finanzminister in den Ruhestand weggelobt.
In seinen zehn Jahren im Amt
hat er schließlich wenig zu Stande gebracht: Er schlitterte von einer Etatkrise
in die nächste und wusste sich oft nur noch mit Haushaltssperren zu helfen.
Schleswig‑Holstein ist das Flächenland mit der höchsten Pro‑Kopf-Verschuldung.
Deshalb veräußerte Möller in
großem Stil Landesvermögen, darunter Anteile an der
Landesentwicklungsgesellschaft LEG ‑ weit unter Wert, wie Kritiker
monieren. Gleichzeitig wollte er 1998 Landesimmobilien an die Investitionsbank
verkaufen, sie dann zurückmieten und mit dem Erlös Haushaltslöcher stopfen: ein
Trick, den das Bundesverfassungsgericht vereitelte. In einer Stellungnahme für
Karlsruhe verschwieg Möller zudem eine überraschende Millionen‑Einnahme ‑
was seinen Ruf als Trickser festigte.
Schwerer lastet derzeit aber
noch etwas anderes auf dem neuen SPD‑Chef: Seit knapp einem Jahr tagt in
Kiel der Filz-Untersuchungsausschuss, der Licht in zwei Affären bringen soll.
In beiden spielt Möller eine wichtige Rolle.
Bereits Anfang vergangenen
Jahres wackelte sein Stuhl gewaltig, nachdem der Rechnungshof die Vergabe eines
Großauftrags für Computer‑Software im Finanzministerium moniert hatte.
10,8 Millionen Euro kostete die Anschaffung eines SAP‑Systems, obwohl das
Angebot eines Mitbewerbers nur rund ein Drittel so teuer war. Der Rechnungshof
rügte "zum Teil gravierende Fehler" auf "nahezu jeder Stufe des Auswahlverfahrens". Möller spielte dies als
"handwerkliche Fehler" herunter und wies große Teile der Kritik
zurück.
Dann kam heraus, dass Finanzstaatssekretär
Joachim Lohmann, Möllers Behördenleiter, nach seinem Ausscheiden mit einem
Beratervertrag zu SAP wechselte. Weil er seinen Zusatzverdienst zur Pension
verschwiegen hatte, akzeptierte Lohmann einen Strafbefehl wegen Betrugs und
muss 20.400 Euro zahlen. Gegen ihn wird wegen Bestechlichkeit ermittelt.
Der Untersuchungsausschuss
soll nun klären, was Möller über diese Vorgänge wusste und wann er davon Wind
bekam. "In Sachen SAP wird es nicht einfach für Claus Möller, und bei
Lohmann wird es noch enger", sagt der FDP‑Fraktionsvorsitzende
Wolfgang Kubicki.
Auch
in der anderen Affäre, in der es um die Rolle der Landesregierung beim Verkauf
des Kieler Schlosses geht, macht Möller keine gute Figur. Die Vorgeschichte:
Der Landesbedienstete Karl Pröhl war bei Verkaufsverhandlungen
für die Immobilie mit von der Partie ‑ als designierter Vorstand im
potenziellen Käufer‑Unternehmen B & B. Die Ministerpräsidentin hatte
behauptet, sie habe nichts von Pröhls Doppelrolle gewusst,
lange sei ihr nicht einmal bekannt gewesen, dass B & B das Schloss kaufen
wollte.
Möller jedoch räumte im Januar
vor dem Ausschuss ein, dass ihm sowohl Pröhls
Vermittlerrolle beim Schloss als auch dessen Erwägung, dort zu arbeiten,
geläufig gewesen sei. Er könne sich aber nicht erinnern, Simonis darüber
informiert zu haben. Der Chef der Staatskanzlei, Klaus Gärtner, hatte wegen der
Affäre seinen Hut nehmen müssen, weil er, so seine Aussage, Pröhls
Aktivitäten übersehen hatte.
Die Genossen im Norden scheren
die politischen Altlasten ihres neuen Vorsitzenden offensichtlich wenig. Uwe
Döring jedenfalls, Staatssekretär im Finanzministerium, sieht die Zukunft der
SPD im Norden voller Optimismus: "Bisher waren wir im Keller, nun sind wir
immerhin im Erdgeschoss."
Quelle: CORDULA MEYER in DER
SPIEGEL 17 / 2003 / 42
Anmerkung: Trotz der Vielzahl von Affären und Anrüchigkeiten halten die
Drahtzieher in der logengesteuerten Stadt an der Trave eine solche „sozialdemokratische
Lichtgestalt“ für geeignet, den Posten eines Aufsichtsratsvorsitzenden der
Stadtwerke Lübeck auszufüllen. Eine entfernte Parallele könnte man in der
Person von Björn Engholm erkennen. Victor Ostrovsky –
ehemals Major im israelischen Auslandsgeheimdienst MOSSAD – schildert einen
Sachverhalt, nachdem man den ehemaligen schleswig-holsteinischen
Ministerpräsidenten wegen Beihilfe zum Mord an Barschel hätte vor Gericht
stellen können. Dem damaligen Leitenden Oberstaatsanwalt Heinrich Wille wurde
es verwehrt, Ostrovsky in Kanada zu vernehmen und
Engholm ist Aufsichtsratsvorsitzender der Lübecker Hafengesellschaft (LHG).