Die Anfänge Lübecks - Helmold von Bosau
Im Jahre 1143 kam der Graf
Adolf an den Ort Buku und fand da den Wall einer verlassenen Burg, die einst
von dem Feinde Gottes Kruto erbaut worden war, und einen von zwei Flüssen
umspülten geräumigen Werder. An seiner einen Seite fließt die Trave, an der anderen
die Wakenitz vorbei, beide Flüsse haben sumpfige und unwegsame Ufer. Ein
ziemlich schmaler, dem Burgwalle vorgelagerter Hügel erhebt sich an der dem
Lande anstoßenden Seite. Da der Graf bei seiner großen Umsicht erkannte, wie
geeignet die Lage und wie trefflich der Hafen war, begann er hier eine Stadt zu
erbauen. Er nannte sie Lübeck, weil sie von dem alten Hafen und der alten von
Fürst Heinrich angelegten Stadt nicht weit entfernt war.
Hierauf sandte Adolf Boten an
den Obotritenfürst Niklot, um mit ihm Freundschaft zu schließen, und gewann
durch Geschenke alle Angesehenen des Landes, die nun wetteiferten, ihm sich
willfährig zu zeigen und sein Land mit ihm zu befrieden.
Im Jahre 1147 wurde die Stadt
Lübeck von feindlichen Slawen überfallen und die Burg zwei Tage lang belagert.
Als ein weiterer Slawenaufstand mit Hilfe des Fürsten Niklot im Jahre 1151
niedergeworfen war, blühte der Handel von Tag zu Tag mehr auf, und die Schiffe
der Lübeckischen Kaufleute wurden immer mehr.
Eines Tages sprach der Herzog
Heinrich (der Löwe) zum Grafen Adolf. »Vor längerer Zeit wurde uns berichtet,
daß unsere Stadt Bardowiek wegen des Marktes zu Lübeck viele Bürger verliert,
da alle Kaufleute dorthin übersiedeln. Ebenso beklagen sich die Lüneburger, daß
wegen des von Euch zu Oldesloe angelegten Salzwerkes unser Salzwerk (bei
Lüneburg) eingehe. Wir ersuchen Euch deshalb, uns den halben Anteil an Eurer
Stadt Lübeck und an Eurem Salzwerk zu überlassen, damit wir die Verödung
unserer Stadt leichter hinnehmen können. Tut Ihr dies nicht, so verbieten wir
künftighin den Handel zu Lübeck. Es wäre uns nämlich unerträglich, daß das Erbe
unserer Väter wegen fremden Vorteiles verkomme.«
Der Graf hielt es für
unvorsichtig, auf diesen Vorschlag einzugehen, und lehnte ihn deshalb ab, worauf
der Herzog den Markt zu Lübeck verbot und nur den Handel mit den für den
Lebensunterhalt unmittelbar notwendigen Nahrungsmitteln gestattete. Um seine
Stadt zu heben, befahl der Herzog, die Waren nach Bardowiek zu bringen; auch
ließ er die Salzquellen zu Oldesloe verstopfen. Dieser Befehl des Herzogs ward
unserem Grafen und dem Lande der Wagrier ein Ärgernis und hemmte den
Fortschritt.
(Im Jahre 1157) wurde die
Stadt Lübeck von den Flammen zerstört. Da schickten die Kaufleute und übrigen
Bewohner an den Herzog Boten mit folgendem Auftrage: »Seit langem ist durch
Euer Verbot der Markt zu Lübeck gesperrt. Wir sind bis jetzt in der Stadt durch
die Hoffnung festgehalten worden, das Marktrecht durch Eure Huld und Euer
Wohlwollen wiederzugewinnen, auch konnten wir uns nicht entschließen, unsere
mit so großen Kosten aufgeführten Gebäulichkeiten zu verlassen. Nachdem aber
nun unsere Häuser zerstört sind, hat es keinen Sinn, sie wieder an einem Orte
aufzubauen, an dem kein Markt abgehalten werden darf. Weise uns also einen Dir
genehmen Ort zu einer Stadtgründung an.«
Der Herzog ersuchte jetzt
abermals den Grafen Adolf um Überlassung des Hafens und des Werders von Lübeck.
Der Graf lehnte ab. Daraufhin gründete der Herzog eine neue Stadt an dem Flusse
Wakenitz unweit Lübeck im Lande Ratzeburg und begann dort mit dem Bauen von
Häusern und der Befestigung. Er nannte die Stadt nach sich Lewenstadt. Aber die
Stelle war für einen Hafen und eine Feste wenig geeignet, auch konnte man sie
nur mit kleinen Schiffen anfahren. Der Herzog begann darum mit dem Grafen neue
Unterhandlungen wegen des Hafens und Werders von Lübeck und machte ihm große
Versprechungen, falls er sich seinen Wünschen füge. Der Graf beugte sich
schließlich der Notwendigkeit und überließ dem Herzog Burg und Werder.
Sogleich verließen die
Kaufleute voll Freude auf Geheiß des Herzogs die ungeeignete neue Stadt,
kehrten nach Lübeck zurück und begannen mit dem Wiederaufbau der Kirchen und
Stadtmauern ...