Rechts und Links

 

Rechts sind Bäume, links sind Bäume,

und dazwischen Zwischenräume.

In der Mitte fließt ein Bach!

Ach!

 

Rechts hat man die Industriellen,

welche eine Presse wellen,

eine, die den Abonnenten

nationale fette Enten

täglich aufzubinden hat.

Und so fällt denn Blatt auf Blatt

in die Hände von Kartellen

unsrer Großindustriellen.

Und man schiebt sich dies und jenes,

weils bequem is und gemeen is.

 

Und die Aktie kommandiert —

die Verwaltung salutiert.

Helfferich ruft Weh und Ach . . .

In der Mitte fließt ein Bach.

 

Links hat man die neuen Helden,

die sich schon seit 18 melden,

wenns was zu vermitteln gibt.

(Dies Geschäft ist so beliebt.)

Barmat, Parvus, Sklarz Gebrüder —

Ei, man ist so brav und büder.

Die Regierung ist schockiert

und wird mächtig angeschmiert.

Manches Silber ist vernickelt,

mancher Handel ist verwickelt.

Reine Finger hab, wer kann!

Schlimmstenfalls zieh Handschuh an!


Rechts sind Schieber, links sind Schieber.

Jedes Antlitz ein Kassiber.

In der weiland großen Zeit

schob man Seins im grauen Kleid.

Sieh die Rechten, sieh die Linken —

und es will mich schier bedünken,

...

 

Rechts sind Bäume, links sind Bäume,

und dazwischen Zwischenräume.

In der Mitte fließt ein Bach —

Ach!

 

Kurt Tucholsky (1920)

 

Anmerkung: Zu den genannten Personen, die vielen Zeitgenossen nicht mehr geläufig sein dürften ...

Karl Helfferich (1872 – 1924); Politiker (DNVP), 1908 – 1915 Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, 1915 – 1916 Leiter des Reichsschatzamtes, 1916 – 1917 Staatssekretär des Innern und Vizekanzler, 1920 – 1924 Mitglied des Reichstags und als Führer der Deutschnationalen Sprecher der Rechtsopposition im Reichstag. Helfferich galt in Berlin als „Hochlobe-Protégé“ der jüdischen Bankgewaltigen. Ihm wurde vorgeworfen, nach dem Tode Rathenaus einen großen Teil des völkischen Flügels aus der DNVP hinausgedrängt zu haben.

Julius Barmat, geboren 1887, gab der sozialistischen Internationale in seinem Amsterdamer Geschäftshaus Quartier. Er besaß die Anteilsmehrheit an der sozialistischen Rotterdamer Zeitung „Voorwaarts“. Barmat wurde in einen politischen Skandalprozeß verwickelt, der zum Zusammenbruch seines Wirtschaftsimperiums führte. In der Ukraine und in Polen lebten fünf Gebrüder Barmat: Judko, David, Henry, Salomon und Isaak. Judko kam 1907 bettelarm nach den Niederlanden und nannte sich nun Julius. Im Rotterdamer Judenviertel wurde er anfangs als „Tagesser“ reihum mit durchgefüttert. Als 17jähriger machte er zusammen mit einem anderen Juden ein Lotteriegeschäft auf, aus dem jedoch niemand jemals einen Gewinn bezogen haben soll. Während des Ersten Weltkrieges machte Barmat mit Lebensmittelschiebereien ein Vermögen. Die Vereinigung holländischer Importeure verpflichtete ihre Mitglieder, jedes Geschäft mit Barmat abzulehnen, was seinen Geschäftspraktiken ein aussagefähiges Zeugnis ausstellte. In Berlin galt er später ebenfalls als Großschieber. Als ihm der Prozeß gemacht wurde, kamen korruptionsverdächtige Machenschaften an die Öffentlichkeit. Vor Gericht sagte er 1927: „Ich habe Autos gestellt für Herrn Reichskanzler Bauer und den Gesandten Dr. Gradnauer ... ich bin zu keinem Minister gegangen, sie sind zu mir gekommen, - dreißig, fünfzig Minister und Parlamentarier und haben Autos gestellt bekommen ... ich habe nicht nur für Sozialdemokraten Autos gestellt, sondern auch für deutschnationale Parlamentarier...“

Parvus (1867 – 1924) war das Pseudonym für Alexander Helphand, der eigentlich Israel Lasarowitsch hieß. Er wird vordergründig als deutsch-russischer sozialdemokratischer Journalist, Publizist und Politiker beschrieben, der u.a. für den „Vorwärts“ arbeitete. Hintergründig war eine wichtige Figur im Weltjudentum. Exakt 200 Jahre nach der Gründung der ersten Großloge in London ereigneten sich weltbewegende Dinge. Der mit einem amerikanischen Paß versehene Jude Trotzki machte sich 1917 mit 20 Millionen Dollar vom Bankier Jakob Schiff von New York aus auf den Weg, Rußland zu revolutionieren. Im gleichen Jahr wurde Lenin durch Mithilfe von Ludendorff und des Chefs des deutschen Geheimdienstes Warburg per Eisenbahn aus der Schweiz in die russische Revolution geschickt. Ludendorff wollte die Ostfront befrieden, um Truppen für die Westfront freizubekommen. Warburgs Pläne waren viel weiter gesteckt und Gegenstand jahrhundertealter Weltherrschaftspläne jüdisch-freimaurerischer Provenienz. Der Chef des deutschen Geheimdienstes war nämlich ein Bruder des damals zu den einflussreichsten amerikanischen Finanzkreisen gehörenden Bankiers und stellvertretenden Vorsitzenden des Federal Reserve Board, Paul Warburg. Max Warburg, ansässig in Berlin und an den Geschäften der Reichsregierung beteiligt, stellte Lenin über seinen Mittelsmann Alexander Halphand alias Parvus sechs Millionen Dollar in Gold zur Verfügung.

Mit „Sklarz Gebrüder“ meint Tucholsky sicherlich die Berliner Kaufleute Georg, Heinrich und Waldemar Sklarz. Heinrich Sklarz wurde 1926 wegen Veruntreuung und Erpressung verurteilt.