Wissenschaft des Onanismus

 

von Mark Twain (Freimaurer)

 

Mein [begabter] Vorredner hat Sie vor dem »gesellschaftlichen Übel ‑ Ehebruch« gewarnt. In seinem gekonnten Vortrag hat er das Thema erschöpfend behandelt; absolut nichts mehr kann dem hinzugefügt werden. Aber ich möchte seine gute Arbeit im Dienste der Moralität fortsetzen, indem ich Sie vor jener als »Selbstmißbrauch« bekannten Art von Erholung warne, der Sie, wie ich merke, [zu] sehr zugetan sind. Alle großen Schriftsteller, die über Gesundheit und Moral geschrieben haben, alte und moderne, haben mit diesem erhabenen Thema gekämpft ‑ das unterstreicht seine Würde und Bedeutung. Einige dieser Schriftsteller haben sich für die eine Seite entschieden, einige für die andere.

 

Im zweiten Buch der »Ilias« sagte Homer mit schönem Enthusiasmus: »Gib mir Masturbation oder gib mir den Tod.« Caesar sagt in seinen Kommentaren: »Dem Einsamen ist sie Gesellschaft; dem Verlassenen ein Freund; dem Alternden und dem Impotenten ein Wohltäter. Die Mittellosen sind nichtsdestoweniger reich, da sie noch diese großartige Ablenkung haben.« An anderer Stelle führt dieser erfahrene [vorzügliche] Beobachter aus: »Es gibt Momente, wo ich sie der Sodomie vorziehe. «

 

Robinson Crusoe sagte: »Ich kann nicht beschreiben, was ich dieser edlen Kunst schuldig bin. « Königin Elisabeth sagte: »Sie ist das Bollwerk der Jungfräulichkeit.« Cetewayo, der Zulu‑Held, bemerkte: »Ein Schwanz in der Hand ist besser als zwei Tauben im Busch.« Der unsterbliche Franklin hat gesagt, »Masturbation ist die Mutter der Erfindung.« Er sagte auch: »Masturbation ist die beste Politik. «

 

Michelangelo und all die anderen alten Meister ‑ »alte Meister«, möchte ich anmerken, ist eine Abkürzung, eine Kontraktion ‑ haben sich ähnlich ausgedrückt. Michelangelo sagte zu Papst Julius II.: »Selbst‑Verneinung ist edel, Selbst‑Bildung wohltätig, Selbst‑Beherrschung ist männlich; aber für die wahrhaft große und begeisternde Seele sind sie arm und zahm im Vergleich mit dem Selbst‑Mißbrauch.« Unser Mr. Brown hier verweist in einem seiner letzten und anmutigsten Gedichte auf ihn in einer beredten Zeile, die bis zum Ende der Zeiten Bestand haben wird ‑ »Niemand, der ihn kennt, liebt ihn nicht; niemand, der ihn nennt, preist ihn nicht.«

 

Solcherart sind die Äußerungen der erlauchtesten Meister dieser berühmten Wissenschaft und ihrer Apologeten. Die Namensliste derjenigen, die sie verdammen und bekämpfen, ist lang; sie haben starke Argumente vorgebracht und bittere Reden dagegen ausgestoßen ‑ hier ist aber nicht der Platz, sie im einzelnen zu wiederholen. Brigham Young, ein Experte von unbestreitbarer Autorität, sagte: »Verglichen mit der anderen Chose, ist es wie der Unterschied zwischen dem Glühwürmchen und dem Blitz.« Salomon sagte: »Nichts spricht dafür, als daß es so billig ist.« Galen sagte: »Es ist beschämend, jenes großartige Glied zu solch animalischem Gebrauch zu degradieren, jenes mächtige Mit‑Glied, welches wir Jünger der Wissenschaft den >Großen Kieferknacker< nennen ‑ falls wir ihn überhaupt nennen ‑, was selten ist. (Es wäre besser, den >Großen< zu enthaupten, als ihn so zu gebrauchen.) Es wäre besser, diesen Frontknochen zu amputieren, als ihn so zu mißbrauchen.«

 

Der große Statistiker Smith sagt in seinem Parlamentsbericht: »Meiner Meinung nach sind mehr Kinder auf diese Weise als auf irgendeine andere vergeudet worden.« Es kann nicht geleugnet werden, daß das ehrwürdige Alter [die hohe Autorität] dieser Kunst unseren Respekt verdient; aber gleichzeitig denke ich, daß ihre Schädlichkeit unsere Mißbilligung fordert. Mr. Darwin war bekümmert, daß er sich verpflichtet sah, seine Theorie aufzugeben, wonach der Affe das Bindeglied zwischen dem Menschen und den niederen Tieren sei. Ich denke, er war zu voreilig. Der Affe ist das einzige Tier, ausgenommen den Menschen, das diese Wissenschaft praktiziert; daher ist er unser Bruder; es existiert ein Band der Sympathie und der Verwandtschaft zwischen uns. Hat dieses erfindungsreiche Tier einmal eine geeignete Zuschauerschaft, dann wird es sogleich alle anderen Tätigkeiten ruhen lassen und sich scharfmachen; und an seinen Windungen und seinem ekstatischen Ausdruck kann man erkennen, daß er auf intelligente und menschliche Weise an seiner Vorstellung interessiert ist.

 

Anzeichen eines exzessiven Schwelgens in diesem zerstörerischen Zeitvertreib sind leicht auszumachen. Es sind: eine Neigung zu essen, zu trinken, zu rauchen, sich gesellig zu treffen, zu lachen, zu scherzen und unanständige Geschichten zu erzählen ‑ und vornehmlich ein Verlangen, Bilder zu malen. [Die Folgen der Unsitte sind: Gedächtnisverlust, Männlichkeitsverlust, Verdüsterung, Deprimiertheit, Charakterlosigkeit und Verlust der Nachkommenschaft.]

 

Von allen [vielfältigen] Formen sexuellen Verkehrs ist diese am wenigsten zu empfehlen. Als Unterhaltung ist sie zu flüchtig; als Beschäftigung zu ermüdend; als öffentliche Darbietung bringt sie nichts ein. Sie paßt nicht in den Salon; und in höchst kultivierter Gesellschaft ist sie seit langem vom Parkett verbannt. Zumindest ist sie in unseren Tagen des Fortschritts und der Verbesserung abgesunken zur Verwandtschaft mit dem Furzen. Unter den Besterzogenen wird diesen beiden Künsten jetzt nur privat gefrönt, obwohl es bei Übereinstimmung der ganzen Gesellschaft, wenn nur Männer anwesend sind, in besseren Kreisen erlaubt ist, das Ausfuhrverbot für den Seufzer par excellence aufzuheben.

 

Mein illustrer Vorredner hat Sie gelehrt, daß alle Formen des »gesellschaftlichen Übels« schlecht seien. Ich möchte Sie lehren, daß manche dieser Formen eher zu vermeiden seien als andere. Abschließend also sage ich: »Wenn Sie Ihr Leben schon sexuell verspielen müssen [müssen; kursiv], dann spielen Sie den Grand mit einer Hand nicht zu häufig.« Wenn Sie ein revolutionäres Aufbegehren in Ihrem Inneren spüren, dann bringen Sie Ihre Vendome‑Säule irgendwie anders runter ‑ holen Sie sich keinen runter.