Wendehälse - oder der Lebenslauf eines Deutschen
1912
Im Jahre der Kaiserkrönung, 1888,
wurde ich als Sohn eines königlich-preußischen Lampenputzers geboren. Mein
Vater stürmte in der Schlacht bei Sedan mit
aufgepflanztem Bajonett gegen den Feind voran. In kühnem Handstreich nahm er 30
Franzosen gefangen. Ich diente zwei Jahre lang im preußisch-königlichen Heer und
brachte es zum Putzer eines Majors. Als gelernter Glaser rahmte ich mit
Vorliebe Kaiserbilder ein.
1919
Ich stamme aus einer
Proletarierfamilie. Mein Vater, ein klassenbewußter
Lampenputzer, machte aus seiner sozialistischen Gesinnung niemals ein Hehl.
Jede Art von Hurra- patriotismus lehnte er ab. In der
Schlacht bei Sedan ging er zum Gegner über, er geriet
jedoch in einen Trupp, der selbst überlief. In Verkennung dieses Sachverhalts
wurde zu den Kriegsakten gegeben, daß er 30 Franzosen gefangengenommen hätte.
Ich selbst wurde zwei Jahre zum Wehrdienst gepreßt, sechs Monate davon wurde
ich zum Putzer eines schikanösen Majors erniedrigt. Während des Weltkrieges
drückte ich mich als Kantinenverwalter herum. Als Glaser habe ich bereits in
meiner Lehrzeit ein Bild von Karl Marx eingerahmt.
1934
Meine Familie stammt aus einem
bodenverbundenen Geschlecht rein arischer Herkunft.
Mein Vater, als Sohn eines Landwirts aufgewachsen, wurde durch die Verarmung
des Bauernstandes (eine Folge der Judenherrschaft) dazu gezwungen, sein Brot
als Lampenputzer zu verdienen. 1870 eilte er im Geiste von Potsdam zu den
Waffen. Wie aus den Kriegsakten ersichtlich, nahm er 30 Franzosen gefangen. Mit
seinem Soldatenblut in den Adern rückte ich zur Ordonnanz eines Majors auf, der
heute das braune Ehrenkleid eines Hauptsturmführers der SA trägt. Am Weltkrieg
nahm ich in vorderster Front teil. Als Kreiswart der Fachschaft Glaserei habe
ich die Masseneinrahmungen von Hitlerbildern veranlaßt.
1946
Ich stamme aus einer
demokratisch eingestellten Familie, die stets jede Form von Gewaltherrschaft
und Militarismus abgelehnt hat. Mein Vater leistete bereits mitten in der
Schlacht von Sedan einen Beitrag zur europäischen Völkerverständigung,
indem er 30 friedliebende Franzosen dem Kriegsgeschehen entzog. Ich selbst
begnügte mich als Soldat ‑ wenn man mich unsoldatischen Menschen
überhaupt als solchen bezeichnen kann ‑ mit der Rolle eines Putzers, und
zwar bei einem Major, der heute als Dolmetscher bei der Militärregierung tätig
ist. Ich lege eine eidesstattliche Erklärung von ihm bei. Sie bestätigt, daß
ich mich als Putzer widerspenstig gezeigt und später abfällige Äußerungen über
die SA getan habe. Im zweiten Weltkrieg habe ich die Wehrkraft durch politische
Witze zersetzt. Das Einrahmen von Hitlerbildern ordnete ich nur an, um meine
wahre Gesinnung zu tarnen. Im Auftrage des Town-Majors
habe ich ein Bild von Feldmarschall Montgomery eingerahmt.
1956
Ich stamme aus einer
demokratischen Familie, die voller Verständnis für die heute in Illustrierten
abgebildeten Königshäuser aufgewachsen ist. Seit Generationen ist sie
einerseits für, anderseits gegen das Tragen von Waffen. Mein Vater, zwar
einfacher, aber immerhin königlicher Lampenputzer, hat in der Schlacht bei Sedan zwar mit Gegnern gekämpft, sich aber anderseits mit
ihnen verständigt. Ich selbst habe an beiden Weltkriegen teils an der Front
teilgenommen, teils hinter der Front dem Gedanken der europäischen Völkergemeinschaft
gedient. Das Einrahmen von Porträts bestimmter Persönlichkeiten lehne ich ab.
Ich fertige nur noch Wechselrahmen an.
Aus
den "Kieler Nachrichten" zitiert in "Schleswig-Holstein"
1959
Anmerkung: Dieses "Erlesene" erhielt
ich heute am 20. August 2003 von einem Herren, der ebenfalls einen Fotokopierer
in der Stadtbibliothek der Hansestadt Lübeck in der Hundestraße bediente. Jener
Herr lichtete eben die SPIEGEL-Serie "Juden in
Amerika" aus dem Jahre 1974 (Hefte 6 - 8) ab, während ich aus der von Frau
Professor Rita Süßmuth herausgegebenen Zeitschrift "Osteuropa" den
revolutionären Artikel des SPIEGEL-Redakteurs und Augstein-Freundes
Fritjof Meyer "Die Zahl der Opfer von
Auschwitz" (2002, 631 - 641) kopierte. So tauschten wir unsere
Erkenntnisquellen zur beiderseitigen Fortbildung aus und unterhielten und zwanglos,
was denn unsere Pauker auf Lübecks "HJ-Schmieden" auch nach 1945 noch
so alles vom Stapel gelassen hatten, wofür man heute wegen einer
verfassungswidrigen Ausweitung des § 130 StGB im Knast landen würde.
Wir beide waren uns unserer unerschütterlichen
Verfassungstreue bewußt und wenn uns noch irgend so ein degenerierter Fischkopp aus der Lübecker Sklerotiker-Elite
einen "Antisemiten" schimpft, wird jener Herr die Chefetage des SPIEGEL
involvieren und mir wird "Lovely Rita" sicher
gerne bestätigen, mit beiden Beinen fest auf der FDGO zu stehen, was man von
großen Teilen des Establishments und des "Systems" nun wirklich nicht
behaupten kann, ohne als Lügner verschrien zu werden.