Das schlechte Bildungsniveau von Jungen als Ergebnis systematischer Diskriminierung

In Deutschland haben Jungen das schlechtere Bildungsniveau, die geringere Bildungsbeteiligung und die höheren Schulabbrecherquoten im Vergleich zu den Mädchen. Zwei Drittel der Jugendlichen ohne Abschluss und drei Viertel der Sonderschüler sind männlichen Geschlechts,

Das hat Folgen: Laut eurostat wa­ren im April 2003 rund 43 Prozent mehr junge Männer arbeitslos als weibliche Jugendliche, Tendenz steigend. Zwölf Jahre zuvor war das Verhältnis noch fast ausgeglichen. Was ist da schief gelaufen?

Gar nichts! Die eklatante Benachtei­ligung von Jungen in der Schule ist offenbar gewollt. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf, wenn man die beharrliche Verweigerungs­haltung der politischen Entschei­der zur Beseitigung der Ursachen betrachtet.

MANNdat für Jungen

Das Kernproblem der Jungen ist ihre mangelhafte Lesekompetenz. Und die war Fachleuten schon vor der ersten PISA-Studie im Jahr 2000 bekannt. 2003 formulierte die OECD die Jungenleseförderung als primäres Bildungsziel weltweit. In der deutschen Version des Berichtes („Bildung auf einen Blick“) wird das Leseproblem der Jungen dagegen mit keinem einzigen Wort erwähnt.

Inwieweit jungenspezifische Belange in den deutschen Bildungsministe­rien überhaupt Berücksichtigung finden, hat die geschlechterpo­litische Initiative MANNdat e. V (www.manndat.de) im Frühjahr 2006 untersucht. Hierfür wurden alle zuständigen Ministerien ange­schrieben sowie deren Internetseiten durchleuchtet.


Kriterien waren u. a. die Jungenlese­förderung, männliche Lehrerquote, Förderung der Integration von Jun­gen in geschlechtsuntypische Berufe und die gleiche Teilhabe von Jungen am Zukunftstag.

Ignoranz oder Sabotage?

Die Ergebnisse sind verheerend: Eine Thematisierung der jungenspe­zifischen Leseproblematik wurde „immerhin“ noch in zehn von 16 Länderministerien gefunden, spe­zifische Jungenleseprojekte aber nur in zweien. Der stetig fallende Männeranteil bei den Lehrern ist kein Thema. In nur drei Ministerien wurde die Problematik überhaupt erwähnt. Konkrete Maßnahmen gibt es aber auch dort nicht.

Am deutlichsten tritt die regelrechte Jungenfeindlichkeit zutage, wenn es um deren Teilhabe am Zukunftstag geht. Von diesem wurden sie näm­lich von vornherein ausgeschlossen - daher auch der Name „Girls' Day“, der seit 2000 jährlich stattfindet.

Ein Jahr später forderte das „Forum Bildung“ die gleiche Teilhabe von Mädchen und Jungen an Maßnah­men zur Erweiterung des Berufs­wahlspektrums auf geschlechtsuntypische Berufe. Weitere vier Jahre verstrichen, bis ein erstes entspre­chendes Projekt auch für Jungen - „Neue Wege für Jungs“ - initiiert wurde. Ein Hoffnungsschimmer?

Mitnichten! Im Gegensatz zum Zukunftstag für Mädchen unter­stützt das Bundesbildungsminis­terium dieses Projekt nämlich nicht. In einigen Bildungsministerien der Länder gibt es noch nicht einmal einen Hinweis darauf. Von der hauptamtlichen Gleichstellungs­beauftragten des Landes Sach­sen-Anhalt wurde MANNdat e. V bezüglich der Jungenprojekte am Zukunftstag auf den „Girls' Day“ verwiesen.

Die falsche Übersetzung

 


Wie ist eine derart massive Diskri­minierung zu erklären? Der Schlüs­selbegriff heißt „Gender Mainstrea­ming“. Dahinter verbirgt sich die Verpflichtung der Politik, weibliche und männliche Belange gleicher­maßen zu berücksichtigen. Und selbstverständlich gilt das auch für die Bildungsministerien. In der Pra­xis aber wird „Gender Mainstrea­ming“ mit „Frauenförderung“ über­setzt. Beispiele gefällig?

Das Bundesbildungsministerium listet unter dem Titel „Gender Main­streaming“ ausschließlich Frauenprojekte auf. In Rheinland-Pfalz, wo Frauen- und Bildungsministerium unter einem Dach vereint sind, ist das Thema ausschließlich im Res­sort „Frauen“ aufgeführt.

In Sachsen-Anhalt und Bremen werden als geschlechtsspezifische Gleichstellungsmaßnahmen trotz der schlechteren Bildungssituation von Jungen ausschließlich Frauen- und Mädchenförderprojekte genannt.

Noch Fragen?

Den sprichwörtlichen Vogel aber schießt der Internet-Auftritt Schles­wig-Holsteins ab. Unter der Über­schrift „Das Ministerium für Bildung und Frauen und seine Auf­gaben“ heißt es wörtlich:


„Im Frauenministerium wird Politik gemacht für jene, die Unterstützung brauchen und für alle, die wollen, dass Frauen mehr Gestaltungsmög­lichkeiten in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft erhalten. Das Ministerium unterstützt Projekte, die Frauen mit neuen Ideen in der Ausbildung, im Beruf oder im öffentlichen Leben voranbringen.

Ziel ist hierbei vor allem, die eigen­ständige Existenzsicherung von Frauen zu fördern. Doch auch der Schutz von Familienmitgliedern vor Gewalt gehört zu den wichtigen Auf­gaben der Frauenministerin. Darüber hinaus werden hier alle Vorhaben der Landesregierung daraufhin geprüft, wie sie sich auf die Lebens­wirklichkeit von Frauen auswirken.“ (Kursivsetzung von der Redaktion)

Wenn die zuständige Ministerin Ute Erdsiek-Rave dann noch gegenüber dpa äußert, den Schulen gelinge es „häufig nicht, Mädchen und Jungen gleichermaßen zu fördern“, klingt das wie purer Zynismus. Was glaubt Frau Ministerin denn, woran das wohl liegt?


Systemfehler

Das Beispiel Schleswig-Holstein ist typisch für Deutschland. Es ist das Ergebnis von 30 Jahren uneinge­schränkter Frauenförderung, die jedes Maß verloren hat und mittler­weile auch die systematische Dis­kriminierung von Männern, männ­lichen Jugendlichen und Kindern einschließt.

Doch wer öffentlich Kritik an den katastrophalen Folgen eines Feminis­mus übt, der nichts - aber auch gar nichts - mit Gleichberechtigung zu tun hat, wird als Frauenfeind ver­schrien und mundtot gemacht.

Dabei ist es allerhöchste Zeit, den politisch Verantwortlichen klarzuma­chen, dass die Heranzüchtung lese­unfähiger Arbeits- und Zahlsklaven männlichen Geschlechts in Deutsch­lands staatlichen Schulen von der Gesellschaft nicht hingenommen werden kann.

Und wenn es dafür notwendig ist, den Anteil weiblicher Grundschul­lehrer, die (auch) den Jungen das Lesen beibringen sollen, von 90 auf 50 Prozent herabzusetzen, so muss das durchgesetzt werden.

 

Quelle: P.T. MAGAZIN für Wirtschaft, Politik und Kultur / Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung /Ausgabe 2 / 2007, S. 8 f