Kloaken-Koks

 

250 Gewässerproben zwischen Hamburg und München offenbaren ein gern verschwiegenes Problem: In Deutschland wird wesentlich mehr „gekokst“ als offiziell zugegeben.

 

Im Abwasser lassen sich die Lebens­gewohnheiten der Anwohner her­auslesen wie aus einer Visitenkarte. Kokain, Cannabis und Extasy lassen sich eindeutig identifizieren. So kann der Konsum der Bevölkerung relativ fehlerfrei errechnet werden.

Mannheim „Spitze“

Nach der Auswertung von 250 zeit­versetzten Flussproben zwischen Hamburg und München erstell­ten Wissenschaftler des Nürnber­ger Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) bereits Ende 2005 den ersten „Koksatlas Deutschland“. Frankfurt am Main nimmt den sechsten Platz von den insgesamt zwölf Teststellen ein, mit der angenommenen Anzahl von 1,86 Lines Kokain (je 25 Milli­gramm Kokain) pro tausend Einwoh­ner und Tag. Den ersten Platz belegte Mannheim: Hier ist der Neckar mit 25,3 Lines Kokain (je 25 Milligramm Kokain) je tausend Einwohner am stärksten belastet. München belegt mit 17,21 Lines den zweiten Platz, und Fürth schneidet mit nur 0,68 Lines als „fast drogenfrei“ am besten ab.

„Schnee“-KöniGe

Der Liedermacher: Konstantin Wecker

Der Moralist: Michel Friedman

Der Fußballtrainer: Christoph Daum


 

Präzise Messungen

Gesucht wurde nach Benzoylecgonin, dem Abbauprodukt des Kokains, das mit dem Urin ausgeschieden wird und ausschließlich durch den Kokainabbau im Körper entsteht, nicht aber durch Medikamente oder Industriechemikalien. 80 Prozent dieser Substanz werden in Klärwer­ken abgebaut, im Flusswasser fünf Prozent pro Tag. Mit Hilfe eines Massenspektrometers konnte das Mole­kulargewicht des Stoffes noch auf mehrere Stellen hinter dem Komma genau bestimmt werden.

Zum Gegenvergleich wurde eine „saubere“ Probe gesucht, die die Forscher erst in Rumänien, an der Donau, fanden. Das Wasser enthielt dort alles Mögliche, jedoch kein Benzoylecgonin. Auf diese Weise konnte erstmals genau ermittelt werden, welche Mengen Kokain in Deutschland vom Flussursprung bis zur Messstelle eingebracht worden waren. Bisher lagen nur Daten aus Polizeistatistiken und sehr unzuver­lässigen Befragungen vor.

Amtliche Zahlen falsch

Der offizielle Drogen- und Suchtbe­richt der Regierung ging nur davon aus, dass rund 440.000 Deutsche zwischen 18 und 59 Jahren mindestens einmal im Jahr koksen. Nach dem „Flussbericht“ müssen sowohl die Konsu­mentenzahl als auch die Konsumhäufigkeit mindestens verdop­pelt werden. Allein für das Einzugsgebiet des Rheins südlich von Düsseldorf ermittelten die Forscher für 38,5 Millionen Bewohner einen Jah­resverbrauch von elf Tonnen Kokain.

Würden nur die regierungsamtlich vermuteten 0,8 Prozent der Bewoh­ner diese Menge verbrauchen, wären sie mit 164 Milligramm reinem Kokain täglich im Dauerrausch. Die Seriosität der Daten ist nicht zu bezweifeln. Sie bestätigen ähnliche Ergebnisse aus Italien und England, die das Flusswasser im Po und der Themse untersucht hatten. ■

(BDK, „Hessen-Extra“ 12/2005)

(E-Mail: verschneit@op-pt.de)

 

Mit Macht versuchen Spitzenpolitiker al­ler Parteien ein möglichst umfassendes Rauchverbot in Deutschland durch den Bundestag zu peitschen. Das öffentli­che Theater, das dabei veranstaltet wird, steht in keinem Verhältnis zum Umgang mit der illegalen Droge Kokain. Hier scheint man sich parteiübergreifend ei­nig zu sein, das Thema totzuschweigen - offensichtlich aus gutem Grund (siehe Info „Schnüffelverbot").

Schnüffelverbot

Im Jahr 2000 fanden Reporter des SAT1-Magazins „Akte" Kokainspuren im Bun­destag. Dafür hatten sie Wischproben in 28 Toilettenkabinen genommen, 22 waren „positiv“. Anstatt jedoch der Sa­che nachzugehen, wurden die Journa­listen von den Politikern verunglimpft, zwei erhielten Hausverbot. Die Schuld an den Kokainspuren wollte man sogar den Putzfrauen in die Schuhe schieben. Die Staatsanwaltschaft ermittelte nicht.

2005 wiederholte der Fernsehsender die Untersuchung im Brüsseler Europaparla­ment. Ergebnis: 41 von 46 Proben wiesen Kokainspuren auf. Konsequenzen: Keine. Öffentliche Debatte: Fehlanzeige.

Quelle: P.T. Magazin – Januar/Februar 2007 – S. 10