Wichtigtuer Hartmann

 

Mit einem Eklat begann gestern der Prozess gegen fünf mutmaßliche Drogendealer vor dem Lübecker Landgericht. Nicht die jungen Täter im Alter zwischen 21 und 24 Jahren, die auf der Anklagebank gelangweilt wie Schuljungen die Verhandlung verfolgten, standen im Mittelpunkt. Viel mehr mussten sich die beiden Vertreter der Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe gefallen lassen. Noch während der Verlesung der Anklageschrift forderte das Verteidiger‑Quintett, das Verfahren einzustellen. Der Vorwurf: elementare Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze. Der Kieler Rechtsanwalt Dr. Michael Kubitz sprach sogar von staatlichem Machtmissbrauch.

 

So hätte die Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Anklageerhebung versucht, einige ungewünschte Verteidiger aus dem Verfahren zu entfernen. Außerdem hätten Polizei und Staatsanwaltschaft ‑ von falschem Ehrgeiz getrieben - viel früher den Drogenhandel stoppen können. Kubitz: "Die Schuldschwere wurde dadurch nur aufsummiert, und 15 Kilogramm Haschisch sind so in den Umlauf gekommen."


 

Bereits vor Prozessbeginn war die Stimmung gereizt. Der Berliner Rechtsanwalt Hubert Dreyling rief in Richtung Staatsanwalt Dirk Hartmann, der auf dem Flur ein Fernsehinterview gab: "Es wird Zeit, dass der Wichtigtuer etwas auf die Pfoten bekommt. " Eine Ankündigung, die im Saal in die Tat umgesetzt wurde. Beim Verlesen der gut 50‑seitigen Anklageschrift intervenierten die Anwälte immer wieder erfolgreich, denn zahlreiche Anklagepunkte stimmten nicht mit dem Eröffnungsbeschluss überein.

 

Die Vorwürfe gegen die fünf Angeklagten wiegen dennoch schwer. Von Ende 2001 bis zum Februar 2003 sollen sie einen schwunghaften und streng organisierten Handel mit bis zu 200 Kilogramm Haschisch und Marihuana, fünf Kilogramm Amphetaminen und 40.000 Ecstasy­-Pillen betrieben haben. Um die Gewinne aus dem illegalen Drogenhandel zu "waschen", sollen sie die Eröffnung einer Diskothek im Gewerbegebiet Roggenhorst geplant haben. Die Disko in dem ehemaligen Brinkmann‑Haus sollte den Namen "Maxim" tragen.

 

Der Prozess wird morgen fortgesetzt.   

 

Quelle: "Lübecker Nachrichten" vom 21.10.2003