Volksverhetzung
Stellungsnahme des Rechtsanwalts Dr. Schütz - Verteidiger in dem
Zündel-Prozeß vor dem Landgericht Mannheim - zu den materiellen und
prozessualen Problemen in Volksverhetzungsprozessen (Auszug eines Briefes vom
13. September 2005 an die Ehefrau des Angeklagten).
Bis 1960 gab es in Deutschland
keine Strafvorschrift gegen die sogen. Volksverhetzung ebensowenig wie den
Begriff des Holocausts. (Vgl. Fremdwörter‑Duden, Auflage 1960:
Fehlanzeige).
Die Einführung dieser
Vorschrift am 30.06.1960 kann sicher nicht losgelöst vom Zeitgeschehen
betrachtet werden: Die Entführung Adolf Eichmanns aus Argentinien, der
nachfolgende Prozeß gegen ihn in Jerusalem, die Ost‑West-Konfrontation
mit den von der DDR erhobenen Vorwürfen, die Führungseliten der BRD seien nach
wie vor mit Nazis Geist beseelt, lenkten das Interesse der Weltöffentlichkeit
zu einem gewissen Maße auf Deutschlands Umgang mit der Vergangenheit, dem aus
politischen Gründen Rechnung zu tragen war. (Man erinnert sich, daß der
amtierende deutsche Bundespräsident Lübke ‑ aufgrund gefälschter
Dokumente ‑ von der DDR als KZ‑Baumeister verunglimpft wurde)
Dieser Hintergrund verschärfte
sich aufgrund der Initiative des Juden Fritz Bauer ‑ damals
Generalstaatsanwalt von Frankfurt ‑ für die Durchführung der Auschwitz‑Prozesse,
die 1963 begannen; durch sie wurde der Begriff der staatlich verfügten und
industriell betriebenen Massenmorde an den Juden Europas verfestigt und zum
Grundtatbestand der einem substanziellen Bestreiten nicht mehr zugänglichen
OFFENKUNDIGKEIT erhoben.
Der 1. Auschwitz‑Prozeß
lautete ursprünglich "gegen Baer und andere". Baer, der letzte noch
überlebende Kommandant von Auschwitz ‑ und damit ein Zeitzeuge ersten
Ranges ‑ hat den Vorwurf der systematischen und von der Führung des
Reiches befohlenen Judenvernichtung stets bestritten. Er starb unter nie
geklärten Umständen vor Prozeßbeginn in Untersuchungshaft. Die übrigen
Lagerkommandanten, Höß, Liebehenschel, Kramer, Schwarz wurden ‑ teils
nach Geständniserpressungen ‑ bereits kurz nach Kriegsende hingerichtet;
Hartjenstein wurde ebenfalls zum Tode verurteilt und verstarb 1954 in
französischer Haft. Mit Eichmann und Baer verschwanden also die letzten
Vertreter der mittleren Führungsebene, die authentische Kenntnisse vom
Geschehen in Auschwitz besaßen. Namentlich durch die Hinrichtung Eichmanns war
es unmöglich geworden, ihn zu den Einzelheiten seiner Prozeßgeständnisse und
aussagen später noch zu befragen.
Wegen des drohenden Ablaufs
der zwanzigjährigen Verjährungsfrist für Mord beschloß der Deutsche Bundestag 1965
zunächst, den Beginn der Frist hinauszuschieben, verlängerte sie dann auf 30
Jahre und hob sie schließlich völlig auf. Damit wurde die Verfolgbarkeit
einschlägiger Taten bis in die Gegenwart hinein perpetuiert. Diese Verfahren
bilden, zusammen mit der zugehörigen Medienmonotonie, den Kontext zur 130er
Problematik. Diese besteht zunächst darin, daß zwar grundsätzlich alle
unterscheidbaren Teile der Bevölkerung gegen eine Verächtlichmachung geschützt
sein sollen, andere als die bekannten privilegierten Gruppen sich aber zumeist
dem Verfassungsgebot der Meinungsfreiheit unterordnen müssen (Stichwort
"Soldaten sind Mörder": diese Aussage ist nach dem Urteil des
Bundesverfassungsgericht bekanntlich nicht als Volksverhetzung oder nach
sonstigen Gesichtspunkten strafbar, ebensowenig wie Herr Reemtsma mit seiner ‑
teils auf gefälschten Dokumenten beruhenden ‑ "Wehrmachtsausstellung".)
§ 130 StGB erweist sich also in erster Linie als Antirevisionismusgesetz.
Mit den Zündelprozessen der
achtziger Jahre ‑ namentlich nach Vorlage des Leuchterberichts 1988 ‑
erlebte der Revisionismus einen starken Zulauf und Aufschwung in der
Wahrnehmung breiter Bevölkerungskreise. Die Rezeption der verbotenen Lehre in
Deutschland führte zu einer starken Verunsicherung staatlicher Stellen, etwa in
Folge der bekannten Deckert‑Prozesse, die unmittelbar auf die
Präsentation des Leuchter‑Reports, 1990 in Weinheim, zurückgehen. Als
Verteidiger eines zunächst mitangeklagten, weltbekannten Revisionisten ‑
sein Verfahren mußte abgetrennt und später eingestellt werden ‑ habe ich
die spürbare Verschärfung der Tonart, verkörpert durch den ‑ inzwischen
pensionierten ‑ Hans Heiko Klein hautnah miterlebt. Mein Mandant erhielt
ein bis heute gültiges Einreiseverbot nach Deutschland, Leuchter wurde nach USA
abgeschoben, sein vorgesehener Fernsehauftritt kurzfristig abgesagt.
Der Deckertprozeß geisterte
dann noch viele Jahre durch die deutsche Justiz, mit Revision zum BGH,
Zurückverweisung und erneuter Revision. Tragische Figuren waren dabei die Richter
am Landgericht Mannheim, Müller und Orlet, die ihn in der Berufungsinstanz zwar
wegen Volksverhetzung verurteilt, aber strafmildernd berücksichtigt haben.
"Deckert habe ein berechtigtes Interesse verfolgt, wenn er bestrebt war,
die nach Ablauf fast eines halben Jahrhunderts immer noch aus dem Holocaust von
den Juden gegen Deutschland erhobenen Ansprüche abzuwehren ‑ insbesondere
nach den von Deutschland erbrachten Sühneleistungen." Hieraus entstand
eine beispiellose Urteilsschelte einschlägiger Kreise bis hin zur Forderung
nach einer Richteranklage vor dem BVerfG (Bundesverfassungsgericht, d.V.) gegen
Richter Orlet ‑ den Berichterstatter und Verfasser des Urteils. Gefordert
wurde diese nicht zuletzt vom Bundesinnenminister a.D. und ehemaligern Präsidenten
des BVerfG, Ernst Benda. (Der gleiche Benda der als damaliger Staatssekretär im
Bundesjustizministerium für die Gesetzesinitiative zu den bedenklichen ‑
weil rückwirkenden ‑ Manipulation an den Verjährungsfristen, 1965,
verantwortlich war.)
Zu der Anklage gegen Richter
Orlet kam es jedoch nicht da er sich ‑ wie zuvor schon Richter Müller ‑
in den vorgezogenen Ruhestand geflüchtet hat.
Aufgrund dieser Erfahrungen wurde
§ 130 mehrfach verschärft und kommt mit seinem Absatz 3 heute gegen jeden zur Anwendung, der die
"Anknüpfungstatsachen für die Tatsächlichkeit der nationalsozialistischen
Gewalttage herunterspielt, beschönigt ... relativiert." Mit anderen
Worten, ein Richter, der es heute noch wagen würde, einem einschlägig
Angeklagten eine gewisse Lauterkeit seiner Motive nicht völlig abzusprechen
oder ihm gar berechtigt Interessen bescheinigen würde, müßte sich selbst den
Vorwurf der (indirekten) Verharmlosung von ns (nationalsozialistischen, d.V.)
Gewalttaten gefallen lassen und könnte unverzüglich seinen Hut nehmen von
sonstigen Weiterungen ganz zu schweigen.
Daß jeglicher Beweisantritt
für die Richtigkeit seiner Äußerungen dem Angeklagten abgeschnitten ist, hat
sich unter dem Stichwort "Offenkundigkeit" ‑ größtenteils
herumgesprochen. Ein solcher Beweisantritt stellt sich darüberhinaus u. U.
wiederum als erneute Volksverhetzung dar, mit der Folge, daß der Verteidiger
den Verlust seiner Anwaltszulassung sowie gleichermaßen eine Bestrafung aus § 130
StGB riskiert. In alleiniger Verantwortung für sich selbst ist Rechtsanwalt
Horst Mahler diesen Weg konsequent zu
Ende gegangen.
Die Verpflichtung für den
Schutz meines Mandanten erfordert von mir jedoch eine andere Strategie: Jedem
Richter ‑ auch dem Schöffen ‑ muß aus ihrem beruflichen und
gesellschaftlichen Ethos evozieren (hervorrufen, d.V.), daß es sich bei einem
Strafprozeß nach § 130 StGB nur noch dem äußeren Anschein nach um ein prozeß‑
und verfassungsrechtlich bestimmtes Verfahren handelt.
Wie
der große römische Rechtsgelehrte und - praktiker Ulpian mit dem einzigen
Wörtchen "habeas" (wörtlich: Du mögest haben) den gesamten
gegnerischen Kontext zugestand, um ihn dann aus übergeordneten Gesichtspunkten
in Frage zu stellen, halte ich die direkte Konfrontation in Verfahren der
vorliegenden Art für verfehlt: sie fördert vielmehr nach meiner Beobachtung die
sozialpsychologische Blindheit gegenüber dem stetig fortschreitenden Abbau von
Verteidigungsrechten sowie die Bereitschaft zu noch härteren Reaktionen, in
letzter ‑ jetzt noch utopisch klingender ‑ Konsequenz bis hin zur
Auslieferung nach Israel bzw. einer nur noch achselzuckenden Hinnahme der ‑
nach dem Beschluß der Knesset bereits vorgesehenen ‑ Entführung
revisionistischer Straftäter.
Wenn es uns aber gelingt,
unseren Mitspielern im Prozeßszenario eine gewisse Beißhemmung zu implantieren,
so kann daraus die Bereitschaft für eine Absprache erwachsen, die sich am
Optimum dessen orientiert, was heute in Deutschland politisch tragbar und
prozessual erreichbar ist.
Anmerkung: Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war nicht nur jüdischer
Abkunft, nach einem SPIEGEL-Bericht machte er auch dem israelischen
Geheimdienst Mossad die Informationen zugänglich, die zur Ergreifung und
völkerrechtswidrigen Verschleppung von Adolf Eichmann führten. Kurz bevor Bauer
diverse Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte aus dem Dritten
Reich wegen Teilnahme an Mordtaten vor Gericht stellen wollte, starb er in
seiner Badewanne. Die Todesumstände hatten eine frappante Ähnlichkeit zum
Ableben des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Dr. Dr. Uwe Barschel
in einem Genfer Hotel.
Ernst Benda ist Rotarier und soll ebenfalls jüdische Vorfahren namens
"Ben David" gehabt haben. Außerdem ist er ein Hauptverantwortlicher
für die unsäglichen Notstandsgesetze, die zusammen mit dem Vietnam-Krieg
Hauptursache für die 68er-Revolte waren. Was Bendas anrüchige Verquickung von
Richterberuf und Wiedergutmachungsanwalt anbetrifft, kann auf das entsprechende
Kapitel in der "Freimaurer-Kritik" auf dieser Weltnetzseite verwiesen
werden.
Aus den vorangegangenen Beiträgen zum nämlichen Thema "Volksverhetzung",
insbesondere aus dem Aufsatz von Bertram in der NJW 2005 ergibt sich für uns
die zwingende Notwendigkeit für alle aktuell an solchen Verfahren beteiligten
Richtern, das Verfahren gemäß Artikel 100 GG auszusetzen und dem
Bundesverfassungsgericht vorzulegen, damit dort die Verfassungsmäßigkeit des §
130 StGB überprüft wir.