Verhinderung von Justizunrecht

 

Rechtsanwalt Rolf Bossi

Sophienstr. 3 II

80333 München

14.05.1996

 

Anstoß für das Einbringen einer Gesetzesinitiative

in den Deutschen Bundestag zum Erlaß folgender

neuer gesetzlicher Regelung:

I.                 Erlaß eines Gesetzes zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der deutschen Nachkriegsjustiz

II.             Bestimmung eines Bundesbeauftragten zur Verhinderung von Justizunrecht

III.         Gesetzliche Neuregelung in der deutschen Strafprozeßordnung in Analogie zu der Bestimmung des § 36 StGB („Mitglieder des Bundestages, der Bundesversammlung oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes dürfen zu keiner Zeit wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die sie in der Körperschaft oder in einem ihrer Ausschüsse getan haben, außerhalb der Körperschaft zur Verantwortung gezogen werden. ...“). Einem Strafverteidiger wird im Strafprozeß gleich einem Parlamentarier in den parlamentarischen Gremien Redefreiheit in Wort und Schrift zugebilligt, insbesondere in der Bekämpfung von Justizmißständen. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

 

Es gibt eine Vielzahl von Antwortschreiben, die deutlich machen, daß eine Gesetzesinitiative sinnvoll erscheint und eine breite Mehrheit findet.

Zwei Veröffentlichungen in der Neuen Juristischen Wochenschrift geben einen rechtlichen Hintergrund, der deutlich macht, daß heute, 50 Jahre nach Kriegsende ein Bedürfnis vor­dringlicher Art besteht, durch Gesetzgebungsinitiative die Grundlage dafür zu schaffen, daß Rechtsmoral und Rechtsethik in Verwirklichung des in Art. 20 GG verankerten Rechts­staatsprinzips zur Realität der Bundesrepublik Deutschland gemacht wird.

Herr Professor Dr. Günter Spendel, Würzburg hat sich in der Neuen Juristischen Wochen­schrift, Heft 13, Jahrgang 1996 vom 27. März 1996 umfangreich zu folgendem Thema geäu­ßert:

Rechtsbeugung und BGH - eine Kritik

Drei Untertitel dieser wissenschaftlichen Darstellung sind hervorzuheben;

I.                                   Das Problem der richterlichen Selbstkontrolle

II.             Unberechtigte Einschränkung des subjektiven Rechtsbeugungstatbestandes, vor allem zur NS-Justiz

III.         Unberechtigte Einschränkung des objektiven Rechtsbeugungstatbestandes, vor allem zur SED-Justiz

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In Heft Nr. 19 der Neuen Juristischen Wochenschrift, Jahrgang 1996 veröffentlicht Rechtsan­walt Dr. Otto Gritschneder, München folgenden Beitrag:

Rechtsbeugung. Die späte Beichte des Bundesgerichtshof

Hierbei sind folgende Untertitel hervorzuheben:

I.        Fehlgeschlagene Auseinandersetzung mit der NS-Justiz

II.       Beispielsfälle

III.            Nachkriegskarrieren von NS-Juristen

IV.                        Gründe des Sinneswandels

Jeweils ein Exemplar dieser Veröffentlichungen ist diesem. Anschreiben beigefügt.

 

Bestimmung eines Bundesbeauftragten zur Verhinderung von Justizunrecht

Eine Vielzahl von Zuschriften hat deutlich gemacht, daß hier große Verwirrung ausgelöst wurde.

Einmal wird die Frage der Gewaltenteilung aufgeworfen. Dann erscheint es fragwürdig, welche Gesetzessanktionen hinter einer solchen Einrichtung stehen sollen.

Zur Klarstellung:

Der Bundesbeauftragte zur Verhinderung von Justizunrecht soll bewußt eine parlamentarische Institution sein, die außerhalb der Gewaltenteilung steht.

Diese Institution soll in erster Linie Dokumentarstelle sein für erwiesene Fälle des Justizun­rechts; dies heißt, durch rechtskräftige Entscheidungen klargestellte Wiederaufnahmefälle, in denen falsche Justizurteile nachträglich dokumentiert sind.

Es muß eine zentrale Stelle im Bundesgebiet geben, die dokumentiertes, juristisches Unrecht verwaltet.

 

Der Bundesbeauftragte zur Verhinderung von Justizunrecht soll keine Sanktionsbefugnis be­sitzen und ausüben.

Der Bundesbeauftragte zur Verhinderung von Justizunrecht ist vielmehr eine Instanz der Ju­stizmoral und der Justizethik.

Es muß davon ausgegangen werden, daß ein Beamter, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, in der Lage ist, aufgrund übergeordneter Diskussionshinweise im Rahmen seiner eige­nen Amtsbefugnisse den Willen des Gesetzgebers in der Weise zu verwirklichen, daß Wahr­heitsfindung und Gerechtigkeit alleiniger Inhalt der Rechtspflege darstellt. Der Bundesbeauf­tragte soll hier eine moralische Institution sein, die ausschließlich wissenschaftliche Erörte­rungen diskutiert und Hinweise gibt. I

Es wäre sicherlich verfehlt, eine weitere Rechtsinstanz zu installieren oder eine Art überge­ordnete Gnadenbehörde. In dieser Richtung besteht mit Gewißheit kein Handlungsbedarf.

 

Die Erörterung der| Gesetzesinitiative findet im Augenblick einen Widerhall in der öffentli­chen Diskussion über die Behandlung und Rechtsstellung von Opfern der Wehrmachtsjustiz und der Kriegsgerichtsrechtssprechung.

Nach einer Pressemeldung hat sich der allseits bekannte frühere baden-württembergische Ministerpräsident Filbinger zu Wort gemeldet, der ja in unrühmlicher Weise bundesweites Anse­hen dadurch erworben hat, daß er noch als Richter eines Marinekriegsgerichts bei dem Zu­standekommen schlimmer Urteile mitgewirkt hatte.

Die Presse berichtet, Herr Filbinger habe sich bei Herrn Schäuble gemeldet und darauf hin­gewiesen, daß mit einer bedenklichen Entwicklung in diesem Rechtsbereich schwere Wahl­verluste zu befürchten seien. Damit wird deutlich, welcher Zweckmäßigkeitserwägung die Verwirklichung des in Art. 20 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzips unterworfen werden soll, Rechtsmoral und Rechtsethik sollten weit entfernt davon angesiedelt werden, wo Wahler­folge oder Wahlniederlagen diskutiert werden.

Allein diese Entwicklung macht erneut mit größtem Nachdruck deutlich, wie zwingend not­wendig der Erlaß eines Gesetzes zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der deut­schen Nachkriegsjustiz gefordert werden muß.

Dieser Nachtrag erscheint unerläßlich notwendig, um Zweck und Sinn der Gesetzesinitiative

deutlich zu machen und sicherzustellen.

 

Rechtsanwalt