Unrechtsstaat Bundesrepublik Deutschland

 

Dem SPIEGEL und Henryk M. Broder sei Dank, in diesem Zusammenhang und zu diesem Zeitpunkt noch einmal vorgeführt zu haben, wie der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland "so gut wie alle, die das Recht gebeugt haben" zwischen 1933 und 1945, ungeschoren ließ. Nur: Offensichtlich hat die neue Definition der Begriffe der Rechtsbeugung und der richterlichen Verantwortung den Rechtsstaat ein zweites Mal nicht davor bewahrt, die Parteigänger einer Diktatur, nämlich der der DDR zwischen 1949 und 1990, die also Staatsterror als Recht exekutierten, straffrei zu lassen. Wenn überhaupt Anklagen erhoben wurden, gab es Freisprüche, wenige Bewährungsstrafen; dafür aber Belohnung für treue Dienste an der DDR mit Renten, von denen Menschen, deren Biographien vom SED­-Staat verbogen wurden, denen eine Karriere bereits in der DDR verstellt wurde, nur träumen können.

 

MALCHIN (MECKL.‑VORP.) KARL‑GEORG HARTWIG

 

Daß kein einziger Richter oder Staatsanwalt rechtskräftig verurteilt worden sei, trifft auf die "reguläre" Justiz auch zu, es gibt jedoch einen Sonderfall: Der Jurist und SS‑Standartenführer Walter Huppenkothen, Ankläger bei einem Standgericht, wurde vom Bundesgerichtshof wegen Beihilfe zum Mord zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Interessant ist zum einen der Straftatbestand, der typisch für den Umgang mit nationalsozialistischem Unrecht ist: Während die Befehlsgeber zumeist als Anstifter verurteilt wurden, wurden die Befehlsempfänger als Gehilfen verurteilt. Der Mord ohne Mörder wurde so vielfach Realität. Zum anderen sollte die Begründung des Urteils nachdenklich machen: Das Gericht warf Huppenkothen vor, vor Vollstreckung des Urteils gegen die Widerstandskämpfer Bonhoeffer und andere nicht die Bestätigung der übergeordneten Dienststelle eingeholt zu haben.

 

HANNOVER        TILL BENDER

 

Quelle: Leserbriefe aus DER SPIEGEL 22 / 1999 / 8