Unabhängige Justiz?
Das
Bundessozialgericht hat dem Chef seines vierten Senats, Wolfgang
Meyer, einen Großteil seiner Kompetenzen entzogen. Bislang war
der Rechtsprofessor zusammen mit zwei Kollegen für alle Streitfragen der gesetzlichen
Rentenversicherung zuständig. Jetzt darf er nach einem Beschluss des
Gerichtspräsidiums nur noch die Fälle abarbeiten, die bis Ende Juni in seinem
Senat anhängig geworden sind. Daneben ist er künftig nur noch für einige
sozialrechtliche Randgebiete zuständig. Meyer hatte in den vergangenen
Jahren mehrere Urteile gefällt, die bei den
Rentenversicherungsträgern sowie im
Sozialministerium auf Unmut gestoßen
waren. So hatte er im vergangenen Jahr die Abschläge für Erwerbsminderungsrentner,
die jünger als 60 Jahre sind, als
gesetzwidrig eingestuft. Das Urteil
ist umstritten; es könnte die Alterskassen nach internen Schätzungen mehr als zwei Milliarden Euro jährlich kosten. Den Verdacht, das Sozialgericht habe auf Druck von Politik und
Rentenverwaltung einen unbequemen Kritiker
kaltgestellt, weist Gerichtspräsident
Matthias von Wulffen zurück. Die Entscheidung sei „im Hinblick auf die seit
Jahren sehr hohe und im Verhältnis zu anderen Rentensenaten sehr unterschiedliche Arbeitsbelastung getroffen“ worden, heißt es in einer Stellungnahme. Zudem
habe Meyers Senat zuvor selbst um Entlastung gebeten. Der entmachtete Richter
sieht das anders. „Ich vermute“, sagt er, „dass bei dieser Entscheidung der
Aspekt der Arbeitsentlastung nicht
die primäre Rolle gespielt hat.“
Quelle: DER SPIEGEL 31 /
2007 / 59 („Unbequemer Richter wird kaltgestellt“)