Aachener Usancen
Zwischen Karl Kiggen, einem der bekanntesten
Anwälte der Aachener Region und der Rechtsanwaltskammer Köln ist es zu einem
schweren Konflikt gekommen. Der Verband entzog seinem langjährigen
Vizepräsidenten bereits am 7. Dezember 2004 die Zulassung - doch allem Anschein
nach kümmert dies den 64-jährigen Juristen wenig: Nach Aussage von zahlreichen
Kollegen sei Kiggen „weiterhin im Laufschritt mit wehender Robe in den
Gerichtsfluren zu sehen“.
Im
Sommer 2006 erstatteten - unabhängig voneinander - zwei Rechtsanwälte
Strafanzeige gegen den Baurechtsexperten „wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen“
(Paragraph 132a Strafgesetzbuch). „Wir haben den Erlass eines Strafbefehls
beantragt“, bestätigt Oberstaatsanwalt Robert Deller den pikanten Vorgang. Das
Amtsgericht Aachen erließ den Strafbefehl,
doch Kiggen legte Einspruch ein. So kommt es nach Aussage von
Gerichtssprecher Holger Brantin am 9. Februar, 9.30 Uhr, zur öffentlichen
Verhandlung (AZ 50 Cs 973/06).
Die
Unruhe in der Anwaltschaft ist groß. Denn: Kiggen war nicht nur bei der Kammer
ein hoher Funktionär, sondern, bis anno 2000 zehn Jahre lang Chef des Aachener
Anwaltsvereins, für den er sich vehement einsetzte.
Wie
selten derartige Zulassungsentzüge sind, macht Markus Rick, einer der
Geschäftsführer der Anwaltskammer Köln, deutlich: „Bei insgesamt 11.284
Kollegen in den Landgerichtsbezirken Köln, Bonn und Aachen gab es im Jahre 2006
nur 18 Fälle, in denen wir in dieser Hinsicht tätig werden mussten.“ Auch
Christoph Muthers, ebenfalls Geschäftsführer der Kammer, bestätigt: „Herr
Kiggen wurde aus unserer Mitgliederdatenbank gelöscht.“ Damit seien Betroffene
„so wenig Rechtsanwalt wie ein Metzger oder Taxifahrer“. Mit Blick auf Karl
Kiggens langjährige aktive Funktionärstätigkeit sei dessen Fall „für die
Kammer extrem unglücklich“.
Standesrechtlich
können Zulassungen entzogen werden, wenn Anwälte zum Beispiel strafrechtlich
verurteilt wurden, über keine Berufshaftpflicht verfügen, wenn sie erkranken
oder ihr Vermögen verloren haben. Letzteres sei bei den meisten derartiger
Berufsverbote der Fall, so Muthers, der die Ursache in der Sache Kiggen nicht
nennen mag: „Die konkreten Gründe der jeweiligen Zulassungswiderrufe
unterliegen unserer Schweigepflicht.“
Dem
Vernehmen nach war Kiggen nach seinem Ausscheiden aus einer 27-jährigen
Aachener Sozietät im Jahre 1999 finanziell ins Schleudern geraten. Zudem soll
er erhebliche Verbindlichkeiten auf dem Praxiskonto hinterlassen haben. „Es
handelte sich dabei um einen sehr hohen sechsstelligen Betrag“, sagt sein
Ex-Partner gegenüber unserer Zeitung. Nur wenig später geriet Kiggens noble Aachener
Privatvilla in ein Zwangsvollstreckungsverfahren. Seitdem lebt er in
Wassenberg.
Vergeblich hatte der
Ex-Advokat versucht, beim Anwaltsgerichtshof in Hamm die Zulassung wieder zu
erhalten. Er scheiterte. Daraufhin zog der erfahrene Prozesstaktiker vor den
Bundesgerichtshof, wo er nach Fristversäumnissen einen Wiedereinsetzungsantrag
stellte, der noch nicht beschieden ist. Ungeachtet dessen ändert dies nach
Auskunft der Rechtsanwaltskammer nichts am seit über zwei Jahren geltenden
Berufsverbot.
Doch
der Mann hat Nerven. Am 19. März 2006 erschien er zur Versammlung der
Anwaltskammer im Aachener Hotel Quellenhof und reihte sich ein. Niemand traute
sich, den ehemaligen Vizepräsidenten des Saales zu verweisen.
Unsere Zeitung bittet Karl Kiggen seit Mitte Dezember um eine
Stellungnahme, die er immer wie der hinauszögerte. Bis heute liegt sie nicht
vor.
Quelle: Manfred Kutsch in „Aachener Zeitung“
vom 18.1.2007 („Schwerer Konflikt für die Anwaltskammer“)
Anmerkung: Wir haben in diesem Zusammenhang
die §§ 150 bis 161a der Bundesrechtsanwaltsordnung durchgelesen und können uns
danach die Vorgänge juristisch nicht erklären. In diesem Bereich haben
Rechtsbehelfe wohlweislich keine aufschiebende Wirkung. Die Rechtsanwaltskammer
unterliegt der Rechtsaufsicht des Justizministeriums und wenn nicht zumindest
dieses für die Durchsetzung eines Berufs- oder Vertretungsverbotes sorgt, drohen
Ansprüche aus Amtshaftung, wenn ein in Vermögensverfall befindlicher
Rechtsanwalt illegal weiterwurstelt.
Davon, dass die Schlafmützigkeit der Justiz bzw. der
Justizverwaltung „eine teure Tasse Tee“ werden kann, vermag das – übrigens
hochverschuldete - Land Schleswig-Holstein ein trauriges Lied singen. Jeweils
siebenstellige Beträge und die Verfahrenskosten durch drei Instanzen mussten
für einen saumseligen Notarprüfer des Landgerichts Lübeck und für ein
unterbesetztes Grundbuchamt in Oldenburg i.H. aufgewendet werden.
Bezüglich des Herrn Kiggen kann allerdings vermutet
werden, dass er aus seiner Zeit als Anwaltsfunktionär Kenntnis von so vielen
Sauereien hat, dass man ihn wohl doch besser nicht allzu hart anpackt, damit er
nicht „auspackt“.
Daß es selbst mit der Moral der Richter nicht zum
Besten steht, hatte bereits Wolfgang Neskovic in der ZAP ausgebreitet und der
pensionierte Richter am Landgericht Stuttgart Frank Fahsel schrieb in einem
Leserbrief, den die Süddeutsche Zeitung am 9.4.2008 veröffentlichte, daß er
unzählige Richter und Staatsanwälte erlebt habe, „die man schlicht kriminell
nennen kann“.