Justiz und politische Elite
Die lückenhafte Rechtslage ...
erschwert die Kontrolle der politischen Elite durch die Justiz. Hinzu kommt,
daß Amtsmißbrauch und Korruption meist in aller
Heimlichkeit erfolgen, was das Problem aufwirft, einen Normverstoß eindeutig
nachzuweisen (Trotz schwerwiegender
Verdachtsmomente mußte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff
vom Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen werden); Straffreiheit
eröffnete auch das Fehlen eines sichtbaren Vorsatzes Bundeskanzler Kohl hat nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft
vor Untersuchungsausschüssen zur Parteispendenaffäre unzutreffende Angaben
gemacht; weil diese jedoch keinen Vorsatz erkennen konnte, stellte sie das
Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage ein). Nur ein einziges Mal wurden
Politiker mit den Instrumenten des Strafrechts "etwas gepikst"
Heribert Prantl:
"Deutschland leicht entflammbar", S. 249), nämlich im
Zusammenhang mit den Steuerhinterziehungen der Parteispendenaffäre (Es kam zu über 1.800 Strafverfahren gegen
Spender und Funktionäre aller etablierten Parteien und zu einer Reihe von
Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung). Insgesamt aber erwies sich der
politischen Elite gegenüber die Justiz
als "zahme und ungefährliche Gewalt" (Prantl, a.a.O., S.
252). Ursachen finden sich auch in den organisatorischen Gegebenheiten. Der
Generalstaatsanwaltschaft unterstellt, die wiederum dem Justizministerium
untersteht, sind Staatsanwälte praktisch doppelt weisungsgebunden. Die Justiz,
die Staatsanwaltschaft und Gerichte umfaßt, befindet
sich "gut im Griff der Politik" (Prantl, a.a.O., S. 254f; dem
deutschen Modell stellt Prantl das italienische
gegenüber, in dem eine weisungsungebundene Justiz
eine starke Stellung einnimmt); auch deshalb, weil ein Großteil der Justizämter nach Parteiproporz vergeben wird, was
Verpflichtungen schafft. Die Unabhängigkeit der Justiz ist deshalb
eingeschränkt. Für einen Justizskandal ersten Ranges sorgten die Ermittlungen
in der Barschel‑PfeifferAffäre: Völlig
einseitige Recherchen und vor allem der Versuch der Staatsanwaltschaft, dem
Herausforderer des CDU‑Ministerpräsidenten eine heikle Aussage
unterzuschieben, ließen den Justizapparat Schleswig‑ Holsteins als
regelrechtes Herrschaftsinstrument jener Partei erscheinen, die in dem
Bundesland über mehrere Jahrzehnte hinweg die Regierung gestellt hatte.
Quelle: "Amtsmißbrauch und Korruption.
Strukturen in Deutschland Ost und West" von Michael Clemens, Münster 2000,
S. 86
Anmerkung: Man mag ja über die „italienischen Verhältnisse“ denken was
man will, aber jeder rechtschaffene Bürger hat sich eine solche Justiz für
Deutschland gewünscht, die Berlusconi wie einen räudigen Hund gejagt hat, so
dass er sich meist nur durch Gesetzesänderungen (durch das von ihm abhängige
oder bestochene Parlament) einer Bestrafung entziehen konnte. Die Bestimmung,
dass in Italien kein Richter, Schöffe oder Staatsanwalt Freimaurer sein darf,
soll übrigens auf Mussolini zurückgehen.