Frauendiskriminierung

 

Brief der Religionssoziologin Katharina Ehrenstein vom 15.5.2002 an die Justizministerin des Landes Schleswig-Holstein, Frau Anne Lütkes:

 

Sehr geehrte Frau Lütkes,

 

Schleswig‑Holstein ist wohl das Land mit der höchsten Prozessdichte, was bedeutet: Mit der schlechtesten Justiz. Man hatte nie das Gefühl, daß man nach einem System oder einer Rechtstradition behandelt würde, sondern nach dem Sympathie bzw. Sadismus‑Pegel völlig subjektiver Personen.

 

Ich habe immer gewünscht, daß man in einer verbindlichen Tradition stehen würde, wie im Altertum, wo der Vogelflug studiert wurde oder der Qualm einer Höhle. Das schien mir immer noch besser als das, was ich in Lübeck erlebte. Besonders aufklärend war immer der Staatsanwalt Gottschewski. Er sagte während der Prozesse zu mir: " Sie sind nicht angeklagt, weil Sie was getan haben, sondern weil Sie frech waren. Sie geben doch zu, daß Sie frech waren?" Was er für "frech" hielt, war nach meiner Meinung lediglich das im Grundgesetz verankerte Recht auf furchtlose Kritik.

 

Aber es gab noch 20 oder 30 Verfahren, wo ich immer das Gefühl hatte, daß ich einfach nur zu einer Gruppe zu Diskriminierender gehörte. Weiblich, alleinerziehend, sozial‑schwach. Die Richter schütteln sich ja vor Widerwillen über Menschen, die nicht so leben wie sie. Ich gehe immer mit einem Richter spazieren, der nett und witzig ist und der Sie kennt. Er regt sich immer auf, wie dilettantisch die Leute ihre Kriminalität machten. Dann schwelgt er in der Vorstellung der perfekten ‑ von ihm ausgeführten Kriminalität ‑ besonders seiner Morde. Man weiß, daß es so ist und er ist wenigstens ehrlich. Aber man erkennt auch, wie wichtig ein verbindliches Rechtssystem wäre, was es ja nun leider nicht gibt.

 

Daher denke ich, daß man mal die am meisten diskriminierenden Fälle zusammenstellen soll und einem europäischen Gericht vorlegen muß. Man muß das Land Schleswig Holstein für die Unfähigkeit zur Rechenschaft ziehen, eine faire Rechtsprechung zu garantieren. Ich füge Ihnen mal einige kleine Beispiele bei, wobei die Vereine, in denen ich jahrzehntelang gearbeitet habe, Urteile kassieren mußten, die nicht mal Hohn und Spott waren, sie waren nur dumm‑dreist.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

gez. K. Ehrenstein