Hauptdaten der zionistischen Politik (1896 – 1944)
von Wolf Meyer-Christian
1896 Theodor Herzls Schrift „Der Judenstaat“ ruft
die erste politische zionistische
Bewegung des Judentums hervor.
Ziel: Totale Lösung der Judenfrage durch Absonderung aller Juden in ein eigenes Gebiet. Ablehnung im europäischen Großjudentum. Anhängerschaft vorwiegend ostjüdisch.
1897 August: 1. Zionistenkongreß in Basel. Gründung der Zionistischen
Weltorganisation (Z.O.), Herzl, Präsident. Oberstes Organ: Der
Zionistenkongreß.
Baseler Programm: „Der
Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer
öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“.
1898—1903
Epoche des „diplomatischen Zionismus“: Verhandlungen Herzls mit europäischen
Fürsten und Staatsmännern (u. a. Kaiser Wilhelm II.), um von der türkischen Regierung
eine Generalkonzession für die jüdische Massensiedlung in Palästina zu
erlangen.
1901
Errichtung der „Jüdischen Kolonial-Bank“ durch Herzl als finanzielle Grundlage
der Z.O. und des „Keren Kajemeth Lejisrael“ als zentrale Bodenkaufgesellschaft
für Palästina.
1903 England bietet Herzl das Territorium von Uganda in Ostafrika (rd.
100.000 qkm) für eine autonome jüdische Massensiedlung an. Konflikt um die
Frage der Annahme oder Ablehnung in der Z.O. Herzl für Annahme. „Charkower
Revolte“ der Ostjuden gegen Herzl. Weizmann: „Herzl oder Zion.“
1904 3. Juli: Herzls Tod
infolge der Aufregung über den Verrat.
1905
Ablehnung des Uganda-Angebots durch den 7. Zionistenkongreß. Abspaltung der
Territorialisten von der Z.O.
Schwere Auseinandersetzungen
zwischen „politischen“ (westeuropäischen) Zionisten Herzischer Richtung und
den ostjüdischen Richtungen der „Kulturzionisten“ (Achad Haam) und
„Praktischen Zionisten“ (Weizmann). Weizmann fordert sofortige Organisierung
des Weltjudentums unabhängig von dem Fernziel des Judenstaates sowie Unterwanderung
Palästinas. Wolffsohn Präsident der Z.O.
1906 „Helsingforser Programm“ der russischen Zionisten fordert
Autonomie für die Juden in den europäischen Staaten als „Minderheiten“.
1907 Weizmann proklamiert auf dem 8. Kongreß
den „Synthetischen Zionismus“. Formal eine
Zusammenfassung der Richtungen. Tatsächlich völlige Abkehr von Herzls
Zielen.
1908 Kolonisationsversuche der Z.O. in Palästina. Gründung des Palästina-Amtes
der Z.O.
1911
Rücktritt Wolffsohns, Warburg Präsident der Z.O. Sieg der Richtung Weizmann.
1914 Dezember. Verlegung des Zentralbüros der
Z.O. von Berlin nach Kopenhagen. Neutralitätsversicherung der Z.O. Verteilung
ihrer Führer auf beide Feindseiten.
1915 England vergibt, für den Fall seines Sieges,
Palästina an die Araber. Abkommen mit König Hussain (McMahon-Abkommen).
1916 Gründung eines „Politischen Büros“ der Z.O.
in London durch Weizmann: Bruch der zugesagten Neutralität. Verhandlungen mit
der Entente.
England vergibt
Palästina zum zweitenmal an Frankreich (Sykes-Picot-Abkommen).
1917 2. November: England vergibt Palästina zum
drittenmal an die Juden („Balfour-Deklaration“) unter Zustimmung Wilsons.
Gewollt unklare Formulierung „Jüdisches Nationalheim in Palästina“ Ursache der
späteren Konflikte.
Eroberung Palästinas durch
die Engländer. Deklaration enthält zugleich eine Garantie der politischen
Stellung des Judentums in der ganzen Welt durch England. Ihre Bestätigung durch
den Zionismus verwandelt diesen aus einer jüdisch-völkischen Bewegung in eine
weltjüdisch-imperialistische Führungsmacht.
1918 Oktober: Kopenhagener
Manifest des zionistischen Zentralbüros. Jüdische Forderungen
für etwaige Friedensdiktate gegen die Mittelmächte. Zionistisch geführtes
Weltjudentum
tritt als „Siegernation" gegen Deutschland auf. Bedeutet Aufforderung der
Juden in
Deutschland zum Hochverrat. Rechtsgrundlage für die späteren Judenabwehrmaßnahmen
des Reiches.
Zahl der Juden in Palästina:
57.000 (8 v. H.).
1919 Februar: Weizmann unterbreitet die zionistischen
Forderungen der Friedenskonferenz.
Gründung des „Comité des Délegations Juives“ in Paris durch die Z.O. als
Zentrale der in
verschiedenen europäischen Staaten gebildeten „Jüdischen Nationalräte“.
1920 April: Konferenz des „Großen Rates" der
Siegermächte in San Remo. Palästina wird Mandat unter englischer Verwaltung.
Juli: England
beginnt Mandatsverwallung, obwohl Mandat noch nicht in Kraft. Amtsübernahme
des Juden Herbert Samuel als erster britischer Oberkommissar (High
Commissioner).
Amerikanische King - Crane -
Kommission in Palästina berichtet über arabische Ablehnung des Zionismus und
der Deklaration. Forderung nach USA-Mandat. Bericht wird geheim gehalten.
Gründung der zionistischen Arbeitergewerkschaft
„Histadruth“, des Haupt-Finanzinstituts „Keren Hajessod“ und anderer zionistischer
Organisationen in Palästina. Höhepunkt optimistischen Überschwangs im Vertrauen
auf die englischen Bajonette und das amerikanische Geld.
1921 Als Folge blutige Unruhen. Erste arabische Erhebung gegen die
jüdische Überfremdung. Bruch des Führers der amerikanischen Zionisten Brandeis
mit Weizmann infolge unvereinbarer Auffassungen über die zukünftige Aufgabe
der Z.O. - Spaltungsgefahr. Anhaltende Finanzkrise. Arbeitslosigkeit.
Rückwanderung aus Palästina. Allgemeine Enttäuschung.
1922
Churchill-Statement: Britisches Weißbuch zur amtlichen Auslegung der
Balfour-Deklaration („Es ist nicht beabsichtigt, Palästina so jüdisch zu machen
wie England englisch ist“, was Weizmann mit diesen Worten verkündet hatte).
Zionistische Führung erkennt das Statement durch Unterschrift als maßgeblich
für ihre zukünftige Politik an.
Rat der Liga der Nationen
ratifiziert Palästina-Mandat. Erlaß einer Verfassung für Palästina durch den
englischen König.
1923 September: Inkrafttreten des Mandats. Weizmann beginnt seine
Versuche, das nicht-zionistische Geldjudentum der USA für die Finanzierung der
Leihwirtschaft in Palästina zu gewinnen.
1924
Gründung der Union der Zionistischen Revisionisten durch Jabotinsky als
extrem-zionistischer Partei. Fordert u. a. ein Großpalästina als militanten
Judenstaat.
3. Dezember: Konvention
zwischen England und USA, Mandat nicht ohne USA-Zustimmung zu ändern.
Grundlage der amerikanisch-zionistischen Allianz. Macht USA-Protest gegen
alle späteren pro-arabischen Schritte der britischen Regierung möglich.
Stärkere Einwanderung vorwiegend von Kapitalisten und Spekulanten. Als Folge:
Anhaltende Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit. Streiks, Klassenkampf. Die
innere Führung entgleitet der Z.O.
1925 Rücktritt
Samuels als Oberkommissar. Nachfolger Lord Plumer.
1928 Rücktritt Plumers. Nachfolger Sir John
Chancellor.
Eröffnung der Hebräischen
Universität in Jerusalem durch Lord Balfour.
1929 Erweiterung der Jewish Agency, des vom Völkerbund sanktionierten
zionistischen Führungsorgans für Palästina, durch Hereinnahme der
nichtzionistischen jüdischen Hochfinanz (Lord Melchett alias Mond, Felix Warburg,
Rothschild, Wassermann u. a.) auf dem
16. Zionistenkongreß. Bedeutet Bankrotterklärung der Z.O., Ersetzung der
Ideologie durch
das Kapital. Amerikanisierung. Zionismus und Weltjudentum jetzt identisch.
Folge: Großer
Araberaufstand gegen diesen Aufmarsch des kapitalistischen Weltjudentums.
1930 Passfield-Weißbuch der britischen Regierung: Versuch, die Araber
durch Einschränkung
der jüdischen Masseneinwanderung und der Bodenkaufspolitik der Jewish Agency zu
versöhnen.
Revolte des
Weltjudentums gegen England. Amtsniederlegung Weizmanns und Melchetts. Eingreifen
Roosevelts. Rücknahme des Weißbuches durch Ministerpräsident McDonald
innerhalb von 14 Tagen.
Rücktritt
Chancellors. Sir Arthur Wauchope Oberkommissar.
Beginn der wirtschaftlichen
Scheinblüte in Palästina infolge des weltjüdischen Kapitalimports.
1931 Sokolow
Präsident der Z.O. und der Jewish Agency. Zahl der Juden in Palästina: 175.000.
1933 Ermordung des
linksgerichteten Zionistenführers Arlosoroff durch Revisionisten in
Tel Aviv.
1933 ff. Gesteigerte
Einwanderung aus Deutschland.
1934 Zahl der Juden in Palästina: 250.000.
1935 Fertigstellung der Ölleitung aus dem Irak nach Haifa.
Austritt der
Revisionisten aus der Z.O. Gründung der „Neuen Zionistischen Organisation“
durch Jabotinsky. Ende der Prosperity in Palästina.
1936 Sabotierung
der Bildung des verfassungsmäßigen gesetzgebenden Rates für Palästina und der
vom Oberkommissar zugesagten Einwanderungsbeschränkung durch zionistische Einflüsse
im Unterhaus.
Folge: Großer
Aufstand. Entsendung einer Untersuchungskommission unter Lord Peel nach
Palästina. Wiederwahl Weizmanns als Präsident der Z.O.
Erster Jüdischer Weltkongreß in Genf unter zionistischer
Führung (Nahum Goldmann) fordert Doppelrecht für die Juden: 1. Bürgerrecht in
ihren Wohnländern, 2. den Palästinastaat. Also Verewigung des Weltjudentums
und damit der Judenfrage, dem Ausgangspunkt der Bewegung gerade
entgegengesetzt.
1937 Bericht Peels und
Teilungsplan für Palästina: Schaffung je eines jüdischen und arabischen
Teilstaates und eines britischen Restmandates. Oktober: Belagerungszusland über
Palästina, Beginn des Militärregimes.
Selig
Brodetski: „Es ist nicht der Zweck des Zionismus, den Völkern zu helfen, ihre
Juden loszuwerden.“
Zahl der Juden
in Palästina: 400.000.
1938
Rücktritt Wauchopes. Sir Harold MacMichael Oberkommissar. Neue Untersuchungskommission
unter Woodhead in Palästina. Neues Weißbuch: Verwerfung des Peel-Planes, neuer
Teilungsvorschlag.
1939
7. Februar bis 17. März: Englisch-jüdisch-arabische Round-Table-Konferenz
scheitert. England kündigt Lösung durch Machtspruch an.
17. Mai: Neues Weißbuch der
britischen Regierung. Beschränkte Einwanderung bis 31. 3. 1944, dann
fünfjährige Sperre. Weitere Einwanderung nur mit arabischer Zustimmung.
Schaffung eines Staatswesens in Palästina nach Beruhigung der Verhältnisse. Araber
lehnen Weißbuch ab. Jüdische Revolte gegen das Weißbuch in Palästina.
August: 21. Zionistenkongreß
in Genf lehnt Weißbuch ab. Kriegsregime in Palästina. Englische
Besatzungsarmee. Steigerung der illegalen Judeneinwanderung. August:
Mandatskommission der Liga der Nationen lehnt mit dem Bericht über die britische
Palästinapolitik auch das Weißbuch ab. Verewigung des Minderheitsstatus für die
Juden sei unvereinbar mit dem Mandat. Voller Sieg der zionistischen These.
1940 28.Februar:
Landverkaufsorder der britischen Regierung in Ausführung des Weißbuches;
durch zionistischen Einfluß alsbald eingeschränkt.
22. Juni:
Geheimes Abkommen Churchills mit der Jewish Agency. Weitgehende Versprechen für
die Zeit nach dem Kriege. Tod Jabotinskys. Zahl der Juden in Palästina:
600.000.
1941 Weizmann und
amerikanische Zionisten fordern Einbeziehung Syriens in den Judenstaat.
1943 Einigung der amerikanischen
jüdischen Organisation durch Oberrabbiner Wise unter zionistischer Führung im
Anschluß an dreimonatige Agitationstätigkeit Weizmanns in USA. Drohungen gegen
England. Verschärfung der zionistischen Opposition gegen Weizmanns
England-Orientierung. Rücktritt Ben Gurions, des Präsidenten der Exekutive der
Z.O. und der Jewish Agency im Zeichen dieses Protestes. Council der Jewish
Agency fordert amerikanisches Mandat für Palästina und und Bildung einer
zionistischen Emigrantenregierung in Washington.
1944 Januar: Auf der Jahresversammlung der britischen Zionisten regt
Weizmann die Schaffung eines jüdischen Palästinastaates im Rahmen des
britischen Weltreiches an.
März: Amerikanische
Einmischung in den Streit. In Zusammenhang mit großen Ölplänen fordern
Roosevelt und USA-Kongreß Aufhebung des britischen Weißbuchs.
USA-Generalstabschef setzt Zurückstellung dieser Forderung aus militärischen
Gründen durch. Ben Gurion widerruft seinen Rücktritt.
April: Ben Gurion in Moskau.
Gründung eines jüdischen
Nationalrats durch Stalin.
Verschärfter jüdischer Terror in Palästina.
Einwanderungsbestimmungen des
Weißbuches auf ein Jahr (bis 31. 3. 1945) verlängert. Damit Krise
vertagt. Rücktritt MacMichaels als Oberkommissar.
Nachfolger Feldmarschall
Lord Gort.
27. Oktober: Weizmann 70
Jahre alt.
6. November: Gründung einer
„Jewish Dominion of Palestine League“ in London unter Lord Strabolgi. Ziel der
Liga: Palästina als jüdischer Staat mit Dominionrang.
6. November: Lord Moyne,
britischer Minister für den Mittleren Osten, in Kairo von zwei Juden ermordet.
26.—30. November: Jüdischer
Weltkongreß in Atlantic City, USA.
Zahl der Juden in Palästina:
mindestens 750.000. Davon 80 v. H. in den Städten (allein Tel Aviv 200.000),
nur 20 v. H. auf dem Lande.
Quelle:
WELTKAMPF – Heft 3 / September – Dezember 1944 / (Nachdruck 2007) S. 149 – 152
(Hervorhebung vom Bearbeiter)