Die richtige Vergangenheitsbewältigung hieße, Israels Angriffe zu
brandmarken!
Alfred Grosser zur historischen Verantwortung
der Deutschen
Der auch in Deutschland sehr
bekannte französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser
fordert den Abzug Israels aus den besetzten Gebieten. Sein Appell an die
Deutschen ist dabei besonders bemerkenswert:
Während die bundesdeutschen
Politiker und Medien sich mit dem Blick auf die Vergangenheit fast ausnahmslos
auf die Seite Israels stellen und die Augen vor der jahrzehntelangen
völkerrechtswidrigen Unterdrückung des palästinensischen Volkes verschließen,
mahnt er aus dieser Vergangenheit eine moralische Verpflichtung der Deutschen
an, Israel für seine Angriffe zu brandmarken und den gedemütigten
Palästinensern beizustehen.
»Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, das bedeutet im aktuellen
Fall, die israelischen Angriffe zu brandmarken und gleichzeitig die Demütigung
der Palästinenser zu erwähnen. Vergangenheitsbewältigung heißt nicht, immer nur
Israel recht zu geben.«
In der Westdeutschen
Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 25.7.2006 rief Grosser
die Deutschen zum Umdenken auf:
"Israel begeht nichts anderes als Kriegsverbrechen"
»Der französische Publizist
Alfred Grosser (81) zeigt sich nach der dramatischen
Eskalation des Nahost-Konflikts "verbittert und empört".
Vor allem mit Israel geht Grosser, der in Frankfurt aufwuchs und 1933 mit der Familie
vor den Nazis floh, hart ins Gericht. "Israel begeht im Libanon nichts
anderes als Kriegsverbrechen", sagte der Politikwissenschaftler im
Gespräch mit der WAZ.
"Hunderte Männer, Frauen
und Kinder eines nicht im Krieg stehenden Landes sind getötet worden,
Elektrizitätswerke zerstört, Flughäfen lahm gelegt und die Küste
blockiert." Hunderttausende im Libanon befänden sich auf der Flucht vor
Bomben und Krieg, es drohten Krankheiten, Epidemien und Hungersnöte.
Der weit verbreiteten Ansicht,
wonach Israel noch nie so in Gefahr gewesen sei wie heute, widerspricht Grosser entschieden. Der Ausweg aus dem Konflikt: das sei
der israelische Auszug aus dem Gazastreifen und den besetzten Gebieten.
"Und wir brauchen eine andere Sprache im Nahen Osten!" Nicht die
Sprache der Scharfmacher im Stile Ariel Scharons, sondern die eines Daniel
Barenboim, des großen jüdischen Pianisten, der immer wieder mit spektakulären
Gesten die Versöhnung mit den Palästinensern beschwört.
Grosser weiß,
daß harsche Kritik an Israel insbesondere in Deutschland seitdem Holocaust
alles andere als politisch korrekt, ja geradezu verpönt ist. Gerade deshalb
nimmt der streitbare Mann kein Blatt vor den Mund. "Ich bin als kleiner
Jude in Frankfurt verachtet worden, deshalb kann ich die Verachtung nicht
verstehen, die Israel heute für die Palästinenser übrig hat."
Vergangenheitsbewältigung in
Deutschland, das bedeute im aktuellen Fall, die israelischen Angriffe zu
brandmarken und gleichzeitig die Demütigung der Palästinenser zu erwähnen.
"Vergangenheitsbewältigung heißt nicht, immer nur Israel recht zu geben."
Aber hat Grosser
gar kein Verständnis für die Sorgen Israels? Zumal Fanatiker ‑ von der
Hisbollah bis zu Irans Präsidenten Ahmadinedschad ‑
Israels Existenzrecht bestreiten und die Menschen mit Attentaten und Raketen
terrorisieren? Doch, Grosser hat Verständnis für die
Ängste Israels. Aber je mehr Repressalien die Menschen im Libanon und
Gazastreifen träfen, desto mehr Freiwillige würden sich für Terrorakte melden:
"Die libanesische
Bevölkerung war vorher wütend auf die Hisbollah, jetzt ist sie es auf
Israel."
Von den westlichen Großmächten
ist der Publizist ebenso enttäuscht wie von der EU. Die Amerikaner hätten
längst ihre Vermittlerrolle im Nahost‑Konflikt aufgegeben und sich
bedingungslos auf die Seite Israels geschlagen. Deutschland und Frankreich
wiederum riskierten keinerlei Konflikte mit den USA. Und die europäische Union?
"Die gemeinsame Außenpolitik der EU ‑ das ist Schweigen."«
Quelle: UNABHÄNGIGE NACHRICHTEN 8 / 2006 / 8
zitieren WAZ vom 25.07.2006