Sontheimer gegen Wolffsohn
"Michael Wolffsohn, seit
1981 Professor für Neuere Geschichte an der Bundeswehrhochschule in München,
1947 in Israel geboren, seit 1955 in Deutschland lebend, hat es geschafft, zu
einer öffentlichen Figur zu werden. ... Er verdankt diese Aufmerksamkeit gewiß
auch seinen wissenschaftlichen Bemühungen, die ihn als einen fleißigen
Vielschreiber ausweisen. ...
Er begreift sich als
"deutsch‑jüdischen Patrioten" und hat sich für die Loyalität zu
Deutschland entschieden, als er, der noch in der israelischen Armee gedient
hatte, 1984 seinen israelischen Paß zurückgab. ...
Über sein jüngstes Buch
("Die Deutschland-Akte"), das wahrlich Anlaß zu kritischem Nachfragen
liefert, ließ man ihn, dem dank seines ruhigen Vortrages die Pose des moralisch
Überlegenen so beeindruckend zu Gesicht steht, im Bayerischen Fernsehen reden, als verkünde er ewige Wahrheiten. ...
Ich stelle hier lediglich
fest, daß der Autor seit seiner wissenschaftlich beachtlichen
Habilitationsschrift von 1975 ("Politik in Israel") es zunehmend
unwichtiger findet, strengeren Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens die
Treue zu halten. Was er uns vielfach bietet, ist subjektive Essayistik, mehr
oder weniger oberflächliche Polemik, überheblicher Moralismus und ein mit hohem
Wahrheitsanspruch einhergehender Verzicht auf intellektuelle Redlichkeit, die
für Max Weber das oberste moralische Gebot wissenschaftlichen Arbeitens war.
...
Schon der Titel ist eine
Irreführung: Es geht nicht um Deutschland, sondern allein um die DDR, deren
offiziell proklamierten Antifaschismus er als Legende entlarven will ...
Michael Wolffsohn bekennt sich
mutig zu seinen Wahrheiten und zu seiner angemaßten Rolle als Präzeptor in
jüdischen Angelegenheiten. ...
Man muß kein verkalkter
Professor sein, um festzustellen, daß Wolffsohn sich mit diesem Buch aus der
seriösen Wissenschaft abgemeldet hat. Er will nicht aufklären und erhellen,
sondern denunzieren und enthüllen, nicht sine ira et studio untersuchen und
verstehen, sondern bloßstellen und richten. ...
Ein schwaches, weithin
mißglücktes Buch....
Die Attitüde des allemal
Besserwissenden und Besserseienden macht Wolffsohns Buch auch moralisch
fragwürdig. ...
Prof. Dr. Kurt Sontheimer (Süddeutsche Zeitung vom
10.2.1996, S. 10)