Proudhon und Bakunin über die Juden
In seinem wirtschaftlichen
Denken egalitär, in seinem Eigentumsbegriff solidarisch war Proudhon nichtsdestoweniger ein
expliziter Befürworter einer dienenden Rolle der Frauen und ein erklärter Feind
der Homosexualität. Und nur die Juden haßte er noch mehr als die Briten und
Protestanten. In seiner Erbitterung über Marxens Schrift "Das Elend der
Philosophie", die sein eigenes Werk schonungslos widerlegte, notierte er
in seinen erst posthum bekanntgewordenen Notizheften die Programmatik eines nie
ausformulierten antisemitischen Artikels:
"Juden. Einen Artikel
gegen diese Rasse schreiben, die alles vergiftet, die alles in sich
hereinfrißt, ohne sich jemals mit einem anderen Volk zu vermischen. Zu fordern
ist ihre Austreibung aus Frankreich mit Ausnahme jener Individuen, die mit
Franzosen verheiratet sind; ihre Synagogen abreißen, ihnen keine Anstellung
gewähren, endlich auch ihren Kult aufheben. Es ist kein Zufall, daß die
Christen sie Gottesmörder genannt haben. Der Jude ist der Feind der
Menschengattung. Man muß diese Rasse nach Asien zurückschicken oder sie
ausrotten. H. Heine, A. Weil und die anderen sind nichts als Geheimagenten.
Rothschild, Cremieux, Marx, Fould sind erbärmliche Schurken, wütende,
mißgünstige und herbe Wesen, die uns hassen. Sei es durch das Eisen, durch das
Einschmelzen oder durch die Vertreibung, der Jude muß verschwinden. Die Alten,
die nichts mehr erzeugen können, sind zu ertragen. Arbeit zu verrichten. Das,
was die Völker des Mittelalters instinktiv haßten, hasse ich reflektiert und
unwiderruflich. Der Haß gegen die Juden, wie auch der Haß gegen die Engländer,
muß ein Artikel unseres politischen Glaubensbekenntnisses werden." (Z.
Sternhell: "La droite révolutionaire - Les origines francaises du fascisme
1885-1914", Paris 1978, S. 187)
Auch hier scheint wieder zu
gelten, daß das absurde, gewiß in höchster Erregung geschriebene und niemals
publizierte Geschreibsel eines ebenso originellen wie konfusen Kopfes kaum der
Rede wert ist. Auffällig werden derartige Äußerungen freilich dann, wenn sie in
ähnlichen Zusammenhängen, aber völlig unabhängig voneinander formuliert werden
und wenn der Geist solcher Äußerungen dann doch politisch Schule macht. Im
Jahre 1871, als die Pariser Kommune ihren heldenmütigen Kampf aufnahm, äußerte
sich ein anderer Anarchist ebenso erbittert über Karl Marx. Michael Bakunin,
dem wir eine bis heute hellsichtige Kritik der im Marxismus angelegten
totalitären Tendenzen verdanken, haßte Marx ebenso wie Rothschild und
formulierte dabei jene Doktrin, die dem nationalsozialistischen Antisemitismus
zugrunde lag, ohne daß sich die Nationalsozialisten jemals auf Bakunin bezogen
oder sein Werk gekannt hätten. Das läßt ‑ jedenfalls in
zeitgeschichtlicher Hinsicht ‑ auf interne ideologische Zusammenhänge
schließen:
"Nun, diese ganze
jüdische Welt, die eine ausbeuterische Sekte, ein Blutegelvolk, einen einzigen
fressenden Parasiten bildet, eng und intim nicht nur über die Staatsgrenzen
hinweg ‑ diese jüdische Welt steht heute zum großen Teil einerseits Marx,
andererseits Rothschild zur Verfügung. Ich bin sicher, daß die Rothschilds auf
der einen Seite die Verdienste von Marx schätzen und daß Marx auf der anderen
Seite instinktive Anziehung und großen Respekt für die Rothschilds
empfindet." (M. Bakunin: "Gott und der Staat und andere Schriften",
S. 180)
Quelle: "Der Antisemitismus und die Linke" von M. Brumlik u.a.
(Hg.), S. 12 f