Otto Weininger

 

Im "Neuen Lexikon des Judentums" heißt es über den Schriftsteller Otto Weininger, er habe zum "Kampf der Arier gegen das Judentum" aufgerufen, welches für ihn "Inbegriff des unsittlichen Materialismus" gewesen sei. Weininger habe "auf Adolf Hitler gewirkt". In der Tat findet man in Werken des Literaten, der 1880 in Wien als Sohn eines jüdischen Goldschmieds zur Welt kam, judenfeindliche Darlegungen, wie sie kaum radikaler von Hitler formuliert wurden. Dies gilt insbesondere für sein Hauptwerk, das 1903 veröffentlichte Buch "Geschlecht und Charakter", das binnen zweier Jahrzehnte achtundzwanzig Auflagen erlebte und 1953 auch auf hebräisch herauskam. Es ist laut "Neuem Lexikon des Judentums" ein "faschistisches Kultbuch". Ein Jahr vor Erstveröffentlichung des Werkes hatte Weininger promoviert und war zum Protestantismus übergewechselt. Dem "echten Juden", so schrieb er, gebreche es an "jener inneren Vornehmheit, welche Würde des eigenen und Achtung des fremden Ich zur Folge hat". In "Geschlecht und Charakter" heißt es, "der Jude" sei "stets lüsterner, geiler" als der "arische Mann", jedoch im Grunde "weniger potent" und "sicherlich aller großen Lust weniger fähig". Zum Thema jüdischer Selbsthaß notierte Weininger: "Die allerschärfsten Antisemiten sind unter den Juden zu finden. Denn der Mensch haßt nur, durch wen er sich unangenehm an sich selbst erinnert fühlt." Und er fuhr fort: "Im aggressiven Antisemitismus wird man immer selbst gewisse jüdische Eigenschaften wahrnehmen." Über den Tod Weiningers berichtet der Publizist Jörg von Uthmann: "Er erschoß sich aus Abscheu vor seiner jüdischen Herkunft dreiundzwanzigjährig im Sterbezimmer Beethovens (1903, Wien)."

 

Quelle: "Wer ist wer im Judentum" von David Korn, München 2003, S. 482

 

Anmerkung: Es folgt eine Leseprobe aus dem oben zitierten Werk Weiningers (22. Auflage, Wien und Leipzig 1921, S. 401 - 405). Selbstverständlich erfolgt diese Wiedergabe wiederum aus den Gründen des § 86 III StGB:



(...) Das J u d e n t u m, das ich zum Gegenstande einer Besprechung zunächst darum gewählt habe, weil es, wie sich zeigen wird, der härteste und am meisten zu fürchtende Gegner der hier entwickelten und besonders der noch zu entwickelnden Anschauungen, wie überhaupt des ganzen Standpunktes ist, von dem aus jene möglich sind ‑ das Judentum scheint anthropologisch mit allen beiden erwähnten Rassen, mit den Negern wie mit den Mongolen, eine gewisse Verwandtschaft zu besitzen. Auf den Neger weisen die so gern sich ringelnden Haare, auf Beimischung von Mongolenblut die ganz chinesisch oder malayisch geformten Gesichtsschädel, die man so oft unter den Juden antrifft, und denen regelmäßig eine gelblichere Hautfärbung entspricht.

 

Dies ist nicht mehr als das Ergebnis einer alltäglichen Erfahrung, und anders wollen diese Bemerkungen nicht verstanden sein; die anthropologische Frage nach der Entstehung des Judentums ist wahrscheinlich eine unlösbare, und auch eine so interessante Beantwortung wie die in den berühmten "Grundlagen des XIX. Jahrhunderts" von H. S. C h a m b e r 1 a i n gegebene hat in jüngster Zeit sehr viel Widerspruch gefunden. Sie zu behandeln besitze ich nicht das nötige Wissen; was hier in Kürze, aber bis zu möglichster Tiefe analysiert werden soll ist nur die psychische Eigenheit des Jüdischen. Diese Aufgabe ist eine Obliegenheit der psychologischen Beobachtung und Zergliederung; sie ist lösbar, frei von allen Hypothesen über nun nicht mehr kontrollierbare historische Vorgänge; und nur bedarf dieses Unternehmen einer um so größeren Objektivität, als die Stellung zum Judentum heute beinahe die wichtigste und hervorstechendste Rubrik des Nationalen ist, welches ein jeder vor der Öffentlichkeit ausfüllt, ja allgemach der gebräuchlichste Einteilungsgrund der zivilisierten Menschen geworden scheint. Und es läßt sich nicht behaupten, daß der Wert, welcher auf eine offene Erklärung in dieser Frage allgemein gelegt wird, ihrem Ernst und ihrer Bedeutung nicht angemessen sei, und ihre Wichtigkeit übertreibe. Daß man auf sie überall stößt, ob man nun von kulturellen oder materiellen, von religiösen oder politischen, von künstlerischen oder wissenschaftlichen, biologischen oder historischen, charakterologischen oder philosophischen Dingen herkommt, das muß einen tiefen, tiefsten Grund im Wesen des Judentums selbst haben. Ihn aufzusuchen, wird keine Mühe zu groß scheinen dürfen: denn der Gewinn muß sie in jedem Falle unendlich belohnen. (Der Verfasser hat hier zu bemerken, daß er selbst jüdischer Abstammung ist.)

 

Zuvor jedoch. will ich genau angeben, in welchem Sinne ich vom Judentum rede. Es handelt sich mir n i c h t um eine R a s s e und nicht um ein V o 1 k, noch weniger freilich um ein gesetzlich anerkanntes Bekenntnis. Man darf das Judentum nur für eine Geistesrichtung, für eine psychische Konstitution halten, welche für alle Menschen eine Möglichkeit bildet, und im historischen Judentum bloß die grandioseste Verwirklichung gefunden hat.

 

Daß dem so ist, wird durch nichts anderes bewiesen, als durch den Antisemitismus.

 

Die echtesten, arischesten, ihres Ariertums gewissesten Arier sind keine Antisemiten; sie können, so unangenehm sicherlich auch sie von auffallenden jüdischen Zügen sich berührt fühlen, doch den feindseligen Antisemitismus im allgemeinen gar nicht b e g r e i f e n; und sie sind es auch, die von den Verteidigern des Judentums gern als "Philosemiten" bezeichnet und deren verwunderte und mißbilligende Äußerungen über den Judenhaß angeführt werden, wo das Judentum herabgesetzt oder angegriffen wird. Im aggressiven Antisemiten wird man hingegen immer selbst gewisse jüdische Eigenschaften wahrnehmen; ja sogar in seiner Physiognomie kann das zuweilen sich ausprägen, mag auch sein Blut rein von allen semitischen Beimengungen sein.

 

Es könnte dies auch unmöglich anders sich verhalten. Wie man im anderen nur liebt, was man gern ganz sein möchte und doch nie ganz ist, so haßt man im anderen nur, was man nimmer sein will, und doch immer zum Teil noch ist.

 

Man haßt nicht etwas, womit man keinerlei Ähnlichkeit hat. Nur macht uns oft erst der andere Mensch darauf aufmerksam, was für unschöne und gemeine Züge wir in uns haben.

 

So erklärt es sich, daß die allerschärfsten Antisemiten unter den Juden zu finden sind. Denn bloß die ganz jüdischen Juden, desgleichen die völlig arischen Arier, sind gar nicht antisemitisch gestimmt; unter den übrigen betätigen die gemeineren Naturen ihren Antisemitismus nur den anderen gegenüber, und richten diese ohne je mit sich selber in dieser Sache vor Gericht gegangen zu sein; und nur wenige fangen mit ihrem Antisemitismus bei sich selbst an.

 

Doch dies eine bleibt darum nicht minder gewiß: wer immer das jüdische Wesen haßt, der haßt es zunächst in sich: daß er es im anderen verfolgt, ist nur sein Versuch, vom jüdischen auf diese Weise sich zu sondern; er trachtet, sich von ihm zu scheiden dadurch, daß er es gänzlich im Nebenmenschen lokalisiert, und so für den Augenblick von ihm frei zu sein wähnen kann. Der Haß ist ein Projektionsphänomen wie die Liebe: der Mensch haßt nur, durch wen er sich unangenehm an sich selbst erinnert fühlt.

 

Der Antisemitismus d e s  J u d e n liefert demnach den Beweis, daß niemand, der ihn kennt, den Juden als ein Liebenswertes empfindet ‑ auch der Jude nicht; der Antisemitismus d e s  A r i e r s ergibt eine nicht minder bedeutungsvolle Einsicht: daß man " Judentum nicht verwechseln darf mit den Juden. Es gibt Arier, die jüdischer sind als mancher Jude, und es gibt wirklich Juden, die arischer sind als gewisse Arier. Ich will von jenen Nicht‑Semiten, welche viel Judentum in sich hatten, die kleineren (wie den bekannten F r i e d r i c h  N i c o 1 a i des XVIII. Jahrhunderts) und die mittelgroßen (hier dürfte F r i e d r i c h  S c h i l l e r kaum außer acht bleiben) nicht aufzählen, und nicht auf ihr Judentum analysieren. Aber auch Richard Wagner ‑ der tiefste Antisemit ‑ ist von einem Beisatz von Judentum, selbst in seiner Kunst, nicht freizusprechen, so wenig auch das Gefühl trügen kann, welches in ihm den größten Künstler innerhalb der historischen Menschheit sieht; und so zweifellos sein S i e g f r i e d das Unjüdischte ist, was erdacht werden konnte. Aber niemand ist umsonst Antisemit. Wie Wagners Abneigung gegen die große Oper und das Theater zurückgeht auf den starken Zug, den er selbst zu ihnen empfand, einen Zug, der noch im "Lohengrin" deutlich erkennbar bleibt: so ist auch seine Musik, in ihren motivischen Einzelgedanken die gewaltigste der Welt, nicht gänzlich freizusprechen von etwas Aufdringlichem, Lautem, Unvornehmem; womit die Bemühungen W a g n e r s um die äußere Instrumentation seiner Werke im Zusammenhang stehen. Es läßt sich auch nicht verkennen, daß W a g n e r s Musik sowohl auf den jüdischen Antisemiten, welcher vom Judentum nie gänzlich loskommen kann, als auf den antisemitischen Indogermanen, der ihm zu verfallen fürchtet, den stärksten Eindruck hervorbringt. Von der Parsifal‑Musik, die dem völlig echten Juden in Ewigkeit fast ebenso unzugänglich bleibt wie die Parsifal-­Dichtung, vom "Pilgerchor" und der Romfahrt im "Tannhäuser'' und sicher noch von manchem anderen ist hierbei g ä n z 1 i c h abzusehen. Auch könnte zweifellos, wer n u r ein Deutscher wäre, das Wesen des Deutschtums nie so klar sich zum Bewußtsein bringen, als W a g n e r in den "Meistersingern von Nürnberg" dies vermocht hat. Man denke endlich an jene Seite in W a g n e r, die zu Feuerbach, statt zu Schopenhauer, sich hingezogen fühlte. (...)