Mossad mordet Barschel
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete, Bundesminister, Staatssekretär und
ausgewiesene Geheimdienstspezialist Dr. Andreas von Bülow hat an der Ermordung
von Dr. Dr. Uwe Barschel durch den israelischen Geheimdienst Mossad offenbar keine maßgeblichen Zweifel. In seinem
Bestseller "Im Namen des Staates - CIA, BND und die kriminellen
Machenschaften der Geheimdienste" schreibt er (S. 136): "Von daher
verwundert es nicht, daß der israelische Geheimdienstmann Victor Ostrovsky die Ermordung Uwe Barschels in Genf sowohl von
der Begründung als auch den technischen Einzelheiten her genau
beschreibt". Dabei handelt es sich um die nachfolgende Darstellung des im
kanadischen Exils lebenden Ex-Mossad-Offiziers, der
zwischenzeitlich von seinem ehemaligen Arbeitgebern durch öffentliche (!)
Morddrohungen heimgesucht wird ("Geheimakte MOSSAD - Die schmutzigen
Geschäfte des israelischen Geheimdienstes", München 1994, S. 289 - 299):
Irgendwann fragten die Iraner
ihren BND‑Verbindungsmann, was man tun könnte, um iranische Piloten
auszubilden, am liebsten außerhalb des Kriegsgebietes. Mit dieser Frage wandte
sich der BND‑Mann an den Mossad‑Kontakt.
Zuerst kam der Vorschlag auf den Tisch, das Training in Südamerika
durchzuführen, entweder in Chile oder in Kolumbien, wo der Mossad
sowohl die notwendigen Flugfelder als auch die Genehmigung für solche
Operationen erhalten könnte. Aber die Nachbarschaft zu amerikanischen
Aktivitäten in jener Hemisphäre ließ den Mossad
umdenken. Nachdem der Mossad und der BND Experten der
israelischen Luftwaffe zu Rate gezogen und von den Iranern weitere
Informationen erhalten hatte, etwa über den Ausbildungsstand ihrer Piloten,
entschloß man sich, daß der größte Teil der Ausbildung an Simulatoren und
deshalb in Deutschland stattfinden könnte. Es wurde vorgeschlagen, daß derselbe
Flugplatz mit seinen großen verlassenen Hangars, der für die Kontrolle der
Ersatzteile benutzt wurde, auch dafür dienen könnte, die fünf Simulatoren
mitsamt dem notwendigen Material aufzunehmen. Die Iraner mußten die Simulatoren
kaufen und auch die gesamte Installation sowie alle sonstigen Ausgaben bezahlen
und natürlich auch für das eigentliche Training finanziell aufkommen.
Man kam zu dem Schluß, daß ein
Team von zumindest zwanzig Israelis bereitstehen müßte, um die iranischen
Piloten auszubilden und zu trainieren. Die Israelis sollten getrennt in Kiel
und Hamburg leben, während die iranischen Piloten (die, wie die Deutschen fürchteten,
Aufmerksamkeit wecken könnten) auf dem Flughafen untergebracht werden sollten.
Der BND‑Kontaktmann
arbeitete jetzt direkt mit dem Mossad-Verbindungsmann
in Bonn zusammen, der seine Informationen an die geheime Mossad‑Station
in der Bonner Botschaft weiterleitete. Die Deutschen sagten, daß zur Sicherheit
und für den glatten Verlauf der Operation der Ministerpräsident von Schleswig‑Holstein
in das Geheimnis eingeweiht werden müßte. Sein Name war Uwe Barschel, er zählte
zu den engen Freunden von Helmut Kohl. Um sich seine Unterstützung zu sichern,
kam man überein, daß der BND seinen Einfluß geltend machen würde, um
Bundesgelder für eine krisengeschüttelte Kieler Werft
lockerzumachen, wofür Barschel dann die Lorbeeren einheimsen könnte. Außerdem
ging es um einen großen internationalen Flughafen in der Region. Und man
versprach noch verschiedene andere Dinge, die weder für den Mossad
noch für Ran von Interesse waren, der jetzt die Operation leitete.
Als ich den Mossad verließ, war das Training der Piloten voll im Gange.
Außer den Simulatoren gab es noch einige umgebaute Cessnas, an denen die
Piloten auf einem anderen Flugfeld, fünfundvierzig Minuten von Kiel entfernt,
ausgebildet wurden. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie Ran damals zum Star
aufstieg.
Ephraim erzählte mir, was
danach passierte. Ihm zufolge (und ergänzenden Details, die zum Ärger von Eli von Uri beigesteuert wurden) stellte Ran irgendwann im
März 1987 fest, daß am Horizont Gewitterwolken aufzogen.
Es gab im Mossad
und bei den rechten Elementen in der Regierung zunehmende Unzufriedenheit über
das Verhalten von Kanzler Helmut Kohl, der direkten israelischen Warnungen
bezüglich seiner Beziehung zum österreichischen Politiker Kurt Waldheim, den
man scheinbar als Nazi entlarvt hatte, trotzte. (Die »Entlarvung« war von einer
Al‑Einheit vorbereitet worden, die in das UNO-Gebäude an der Park Avenue
in New York eingedrungen war und verschiedene belastende Dokumente, die anderen
Akten entnommen worden waren, in die Akte von Waldheim ‑ und einiger anderer
Personen ‑ geschmuggelt hatte. Die gefälschten Dokumente wurden dann von
dem israelischen Botschafter bei der UNO, Benjamin Netanyahu,
»entdeckt«. Das war Teil einer Diffamierungskampagne gegen Waldheim, der den
israelischen Aktivitäten im südlichen Libanon kritisch gegenüberstand.) Kohl
wischte die israelischen Drohungen als Nonsens beiseite und verursachte damit
Wutausbrüche in israelischen Geheimdienstkreisen, wo er als Klutz
mit einem großen Maul und schlechter Kinderstube beschimpft wurde.
Sorge bereitete der Mossad‑Führung auch eine plötzliche politische Krise
in Dänemark. Der dänische Geheimdienst bekam kalte Füße und bat darum, die
Waffenlieferungen über Dänemark zeitweilig zu stoppen, bis man wüßte, wie sich
die neue politische Situation im Land gestalten würde.
Der BND fragte nun bei Uwe
Barschel um Erlaubnis an, die Häfen in Schleswig‑Holstein für die
Überführung der Waffen in den Iran benutzen zu dürfen. Barschel lehnte ab. Der Mossad hatte es nicht für notwendig erachtet, Barschel
deswegen anzugehen. Der BND wußte allerdings nicht, daß der Mossad
sich schon die Kooperation des Verfassungsschutzes gesichert hatte. Deshalb kam
es dazu, daß der BND an Barschel herantrat und ihm einiges mehr erzählte, als
nötig war. Doch der BND hatte Barschels Festigkeit in dieser Angelegenheit
falsch eingeschätzt. Als Barschel ablehnte, gerieten alle in Panik. Sie
erkannten, daß Barschel für sie zu einer Bedrohung werden könnte, wenn er sich
dazu entschließen würde, Helmut Kohl über all diese Vorgänge zu informieren.
Es war sehr verführerisch, mehrere
Fliegen mit einem Schlag erledigen zu können: Der Mossad
hätte das Sagen bei der Kontrolle des neuen Politikers und könnte den BND als
Partner einführen. Man könnte einen Störenfried, nämlich Barschel, eliminieren,
der zwar kooperierte, aber nicht aus den richtigen Gründen. Er war nicht
wirklich gekauft, wie es der Mossad bei seinen
Politikern gerne hatte, sondern er nutzte die Situation nach Kräften, um, wie
er meinte, das Beste für seine Wählerschaft rauszuholen, und gleichzeitig
sicherte er seine politische Basis ab. Seine Beseitigung würde auch ein Schlag
für Helmut Kohl sein, der gerade eine Wahl gewonnen hatte und sich deshalb nun
noch unangenehmer aufführen würde als in der Vergangenheit.
Ran begann also Verbindungen
zur Oppositionspartei zu knüpfen und kam in engen Kontakt mit einem ihrer
Führer. Er fühlte ihm auf den Zahn, ob er, für den Fall, daß er die Wahl
gewänne, zur Mitarbeit mit denen, die ihm geholfen hätten, bereit wäre und sich
erkenntlich zeigen würde. Jenem Oppositionspolitiker wurde bedeutet, daß der
BND hinter ihnen stehe und alles im besten Interesse Deutschlands geschehe. Die
Antwort übertraf alle Erwartungen Rans: Der
Oppositionspolitiker, der keine Chance sah, die Wahl zu gewinnen, war zu jedem
Versprechen bereit. Nachdem Ran diesen Politiker sicher in der Tasche hatte,
was ihn eine neue Pfeife (Na? Wer war wohl dieser Pfeifenraucher? d.V.) und etwas Tabak kostete, war es an der Zeit, Barschel
aus der politischen Arena zu werfen.
Yoel, ein
Einsatzoffizier von der Bonner Station, wurde zu dieser Operation herangezogen.
Ihm wurde die Aufgabe übertragen, als Kanadier mit deutschen Vorfahren
aufzutreten, der sehr reich sei und nach Deutschland zurückkehren wolle. Bevor
er den entscheidenden Schritt machte, plante dieser Kanadier angeblich, in
Deutschland ein neues Unternehmen zu starten und mit dem politischen
Establishment bekannt zu werden, damit er seine Firma optimal aufziehen und den
größtmöglichen Vorteil aus seiner Rückkehr ziehen könnte. Ein politischer
Apparatschik in Barschels Partei, der von Ran und Yoel
den Spitznamen »Whistler« (englisch: »to whistle« = pfeifen) erhielt, wurde ihr Zielobjekt. Ran
lieferte der Mossad‑Liaison eine Liste mit
allen Leuten, die mit Barschel zusammenarbeiteten und direkten Kontakt zu ihm
hatten. Die Namen sollten durch die Polizeicomputer in Kiel und Hamburg gejagt
werden, um herauszufinden, ob über irgendeinen von ihnen etwas Nachteiliges
bekannt war. Der Name von »Whistler« hatte einen
dunklen Fleck. Es stellte sich heraus, daß er der Mißhandlung einer Hamburger
Prostituierten beschuldigt worden war, aber da es jemandem gelang, den Zuhälter
auszuzahlen, wurde die Akte ohne förmliche Anklage geschlossen.
Yoel wurde
»Whistler« durch einen Sayan
vorgestellt, der »Whistler« laut seiner Mossad‑Akte kannte. Nach einigen Schmeicheleien sagte
Yoel zu »Whistler«, daß er
nach Kanada zurückkehren müsse, und machte ihn mit Ran bekannt, der seinen
Geschäftsberater in Deutschland mimte. Falls »Whistler«
in seiner Abwesenheit irgend etwas benötige, könne er sich an Ran wenden, der
autorisiert sei, ihm zu helfen.
Einige Tage nach Yoels angeblicher Abreise rief Ran »Whistler«
an und verabredete ein Treffen, in dessen Verlauf er ihm klarmachte, daß er »Whistlers« politische Richtung nicht schätze, sondern die
Opposition unterstütze. Ran erklärte ihm außerdem, daß er verpflichtet sei, Yoels Interessen nach bestem Wissen zu vertreten, weshalb
er auf eigene Faust eine kleine Untersuchung vorgenommen habe. Dabei sei er auf
den Zwischenfall mit der Prostituierten gestoßen, was bedeute, daß »Whistlers« politische Karriere beendet sein dürfte, falls
diese Tatsache an die Öffentlichkeit käme, und obendrein wären Yoels Investitionen auch verloren. Er schlug ihm dann vor,
daß er ihm beim Sturz Barschels helfen solle. Ran war überrascht, mit welcher
Begeisterung »Whistler« diesem Vorschlag zustimmte. »Whistler« sagte klipp und klar, daß er kein Fan von
Barschel sei und alles tun würde, um ihn dranzukriegen.
Ran, der schon einen fertigen
Plan in der Tasche hatte, um Barschel abzusägen, ging die einzelnen Schritte
mit dem Mann, den er gerade rekrutiert hatte, bedächtig durch, um ihm das
Gefühl zu geben, dieser wäre an dem Planungsprozeß beteiligt. Auch sollte ihm
das Gefühl von eigener Wichtigkeit eingeflößt werden, unter anderem für den
Fall, daß ihm die Schuld zugeschoben werden mußte, falls etwas schiefging. Ihm
wurde darüber hinaus gesagt, daß man sich finanziell großzügig um ihn kümmern
werde, falls diese Operation seine politische Zukunft gefährde. Ran gab »Whistler« zu verstehen, daß er zu einer Organisation nach
Art der Mafia gehöre und daß es ausgeschlossen sei, daß er seine Meinung ändere
oder Geschehenes ungeschehen machen könne. Auch dürfe er über Ran kein einziges
Wort verlieren.
Während dieser ganzen Zeit
fütterte der Mossad den Verfassungsschutz des
Bundeslandes mit falschen Informationen über Barschels angeblich geheimen
Waffengeschäfte und sonstige illegale Transaktionen, an denen sein Bruder
beteiligt sei, quasi als Strohmann Barschels.
Der Plan wurde von Mousa gutgeheißen, der für Operationssicherheit in Europa
zuständig war und damals auch als Chef für Europa fungierte. Bei dieser ganzen
Sache hielt man den BND draußen. Ran ließ »Whistler«
falsche, aber sehr schädigende Informationen über die Führer der Opposition im
allgemeinen und den Spitzenmann der Opposition im besonderen in der örtlichen
Presse verbreiten, ohne die Quelle der Gerüchte verlauten zu lassen oder
aufzudecken, wer scheinbar nicht dichthielt. Als die Wahlen näher rückten,
wurden Mossad‑Leute aus Belgien ins Land
gebracht, um als Privatdetektive aufzutreten, die anzuheuern Ran »Whistler« empfohlen hatte. Sie agierten höchst auffallend,
fuhren bei ihrer Überwachung teure Autos und sammelten auf sehr amateurhafte
Weise Material über den Oppositionsführer, wodurch sie natürlich die
Aufmerksamkeit auf sich lenkten.
Die Sache wurde auf eine Weise
durchgezogen, daß höchstens ein Reporter der »Braille
Times« nicht in der Lage gewesen wäre, es als das zu erkennen, was es war: eine
Schmutzkampagne. In der letzten Minute, als Dementis von Barschel zu spät
gewesen wären, um noch den Wahlausgang zu beeinflussen, gab »Whistler« zu, daß er hinter den schmutzigen Tricks stecken
würde. Er gab an, daß er dazu von Barschel beauftragt worden sei, wodurch er
endgültig die Karriere eines Politikers beendete, der sich nicht kooperativ
zeigte, und einen Mann ans Ruder brachte, der dazu bereit war. Außerdem wurde
Kohl dadurch in arge Bedrängnis gebracht. Alle Proteste Barschels, daß er
unschuldig sei, wurden als politische Rhetorik beiseite gewischt.
»Ich glaub, das wäre ein
tolles Kapitel«, sagte ich. »Es enthält all die schmutzigen Elemente der Mossad‑Aktivitäten in einem freundlich gesinnten
Land. «
» Das ist unmöglich «, sagte Eli. » Ran ist noch im Einsatz, und das würde sowohl ihn
als auch Yoel enttarnen. «
»Wir könnten die Story ein
bißchen verändern und trotzdem auf den Punkt kommen. Wir müßten nur den Ort und
die exakten Angaben ändern «, schlug Uri vor.
»Dann vergiß es«, sagte ich.
»Wenn wir nicht die ganze Story erzählen können, dann erzählen wir sie gar
nicht. Wir könnten allerdings beide Teile voneinander trennen und das Training
der iranischen Piloten in Deutschland bringen. «
Ephraim erklärte, daß noch
mehr an der Geschichte dran sei. Er erzählte, daß nach seiner Niederlage bei
den Wahlen (eine direkte Folge der Kampagne, die Ran organisiert hatte)
Barschel seine BND-Verbindung kontaktierte. Er drohte, das Fehlverhalten des
BND in vollem Umfang offenzulegen, wenn der BND nicht alles tun würde, um
seinen Namen reinzuwaschen. Der BND, der seine Informationen vom
Verfassungsschutz bezog ‑ dieselben Informationen, die dieser vom Mossad erhalten hatte ‑, zweifelte nicht daran, daß
Barschel Dreck am Stecken hatte, und bat den Mossad
um Hilfe.
Der Grund, warum der BND den Mossad benutzen mußte, um mit dieser Situation fertig zu
werden, bestand darin, daß sich die Drohung Barschels gegen die mittleren
Chargen des BND richtete. Diese hielten entgegen den direkten Befehlen ihrer
Vorgesetzten Kontakt mit dem Mossad. Der BND konnte
sich also nicht mit einem Hilfegesuch an seine eigenen Leute wenden.
Der BND‑Kontaktmann
sagte dem Mossad‑Verbindungsoffizier, daß
innerhalb weniger Tage einige Anhörungen vor einem Untersuchungssausschuß
stattfinden würden, und würde Barschel vorher nicht Genüge getan, würde er
auspacken. Der Zeitrahmen war zu knapp für den Mossad,
um die Operation auf den beiden Flugfeldern abzubrechen und die israelischen
Mannschaften mitsamt ihrem Material rechtzeitig herauszuholen. Barschel mußte
gestoppt werden, bevor er als Zeuge aussagen konnte.
Der BND gab dem Mossad‑Verbindungsmann den Ort bekannt, an dem
Barschel auf den Kanarischen Inseln Urlaub machte, sowie seine Telefonnummer.
Er wohnte in einem Haus, das ihm von einem Freund zur Verfügung gestellt worden
war.
Ran rief Barschel an. Beim
ersten Anruf meldete sich niemand. Eine Stunde später versuchte er es wieder,
und jemand antwortete, daß Barschel im Moment nicht erreichbar sei. Beim
dritten Versuch hatte er Barschel am Apparat und sagte ihm, daß er
Informationen besitze, die helfen könnten, seinen Namen reinzuwaschen. Er
stellte sich als Robert Oleff vor.
Er bestand darauf, daß
Barschel nach Genf kommen solle. Er, Oleff, werde ihm
am Flughafen abholen. Barschel verlangte mehr Informationen, bevor er sich
festlegte, und Ran sagte, daß vielleicht einige interessante Iraner anwesend
sein würden, die in das Geschäft verwickelt seien. Das machte Barschel glauben,
daß die Angelegenheit seriös war. Der Mann am Telefon zeigte sich gut
informiert, Barschel war einverstanden, und sie legten die Details der Reise
fest.
Das Kidon‑Team,
das direkt von Brüssel geschickt worden war, wartete bereits in Genf. Nachdem
es die Lage in Genf genau untersucht hatte, kam es zu dem Ergebnis, daß das
Hotel Beau-Rivage am besten seinen Zwecken dienen würde.
Ein Stück weiter gab es eine riesige Baustelle. So etwas war immer gut, um das,
was man in der Eile loswerden wollte, verschwinden zu lassen. Zwei Einsatz‑Paare
quartierten sich im Hotel ein: das eine im vierten Stock, nahe beim Ausgang zum
Dach, und das andere, das am selben Tag wie Barschel ankam, im dritten Stock
neben dem Zimmer, das Ran für Barschel reserviert hatte.
Die übrigen Leute des Teams
deckten das Umfeld ab und hielten sich in der Nähe auf, um nötigenfalls
eingreifen zu können. Ran traf Barschel in dessen Zimmer am Nachmittag des 10.
Oktober. Nachdem er eine Flasche Wein für den von ihm mitgebrachten Käse bestellt
hatte, machte er Barschel zuerst ein Angebot. Barschel sollte überredet werden,
seinen Sturz zu akzeptieren. Ran versprach ihm, daß man ihn großzügig
entschädigen werde. Er versuchte ihm zu suggerieren, daß das, was er angeblich
getan habe, im Bereich der Politik keine so große Sache darstelle und daß es
besser für ihn sei, die Dinge laufen zu lassen und das Geld zu nehmen. Ran
benutzte den üblichen Satz, den der Mossad so liebte,
daß Geld keine Rolle spiele.
Barschel war sehr ungehalten.
Er bestand darauf, daß Ran ihm die Beweise liefere, die seinen Namen
reinwaschen könnten, oder zu verschwinden. Er war nicht daran interessiert,
einen Profit aus der Sache zu schlagen, sondern er wollte es allen zeigen, die
ihn verleumdet hatten.
Da wurde Ran klar, daß es
keine Möglichkeit gab, den Mann umzustimmen. Die Operation mußte in ihre zweite
Phase treten, was die Beseitigung dieses Mannes bedeutete. Er war jetzt zu
einer Gefahr für die Sicherheit der beteiligten Mossad‑Leute
geworden. Es gab aus diesem Grund keine Notwendigkeit, die Zustimmung zu seiner
Eliminierung außerhalb des Mossad einzuholen. Das
wäre bei einer Exekution aus politischen Gründen der Fall gewesen; hier hätte
der Premierminister seine Zustimmung geben müssen. Ran wollte jedoch das Einverständnis
des Mossad‑Chefs haben, den man ständig auf dem
laufenden hielt und der am selben Tag wie Barschel nach Genf gekommen war. Er
wohnte im Hotel Des Bergues am Ende derselben Straße,
in der Barschel untergebracht war. Er hatte sich unter den Namen P. Marshon eingetragen.
Bis der Wein in Barschels
Zimmer ankam, war er schon von einem Kidon‑Mitglied
präpariert worden, entweder in der Küche oder auf dem Weg nach oben. Andere
Team‑Mitglieder schafften in Vorbereitung auf den letzten Akt Eisbeutel
auf ihre Zimmer. Ran erzählte Barschel, daß es nur seine Absicht gewesen sei,
seine Standfestigkeit zu prüfen. Da er es offenbar mit einem ehrenwerten Mann
zu tun habe, wolle er ihm helfen. Barschel war immer noch aufgebracht und
weigerte sich weiterzureden, wenn Ran ihm nicht sofort einen Beweis liefern
würde, daß er wirklich seinen Namen reinwaschen könnte.
Ran rief den Mossad‑Verbindungsmann an, der in einem sicheren Haus
wartete. Er bat ihn, seinen BND‑Kontaktmann anzurufen, der Barschel in
seinem Hotelzimmer zurückrufen solle, um ihm zu sagen, daß alles gutgehen
würde. Der Verbindungsmann war darauf vorbereitet, er hatte mit Ran im Vorfeld
alle Optionen abgesprochen. Der BND‑Mann stand in Wartestellung bereit;
er war schon im voraus angerufen worden ‑ unter dem Vorwand, etwas
Wichtiges würde sich tun.
Einige Minuten später rief der
BND‑Mann Barschel an und sagte ihm, daß man die Dinge zurechtrücken
werde. Barschel entspannte sich und trank von dem Wein. Ran täuschte
Magenbeschwerden vor und lehnte ab; er nahm nur etwas von seinem Käse zu sich.
Ran wußte, daß Barschel in
etwa einer Stunde ohnmächtig werden würde, und wollte die direkte Zustimmung
des Mossad-Chefs, um den Job zu beenden. Er sagte
Barschel, daß er einige Papiere holen wolle, die ihn entlasten würden, und daß
er in einer Stunde wieder da sei.
Ran traf den Mossad‑Chef in dessen Hotelzimmer. Er gab ihm eine
kurze Zusammenfassung des Vorgefallenen und sagte, daß Barschel innerhalb
weniger Tage vor einem Untersuchungsausschuß aussagen werde, der Behauptungen
über Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der Wahlen prüfen solle. Es gebe keine
Möglichkeit, Barschel davon abzubringen, vor diesem Gremium alles auszusagen,
was er wußte. Ran konnte nicht garantieren, daß alle Beweisstücke, die Israel
belasteten, in der kurzen verbliebenen Zeit von den Flugfeldern beseitigt
wären. Das Risiko einer Entlarvung war für den Mossad
hier viel zu groß, und deswegen gab der Mossad-Chef
sein Einverständnis, den Mann zu eliminieren.
Ran rief die zwei Männer im
vierten Stock von Barschels Hotel an und gab ihnen grünes Licht für die
Operation. Sie warteten die Zeit ab, bis Barschel von dem Mittel im Wein
eingeschlafen war. Sie riefen außerdem noch bei ihm an, um sicherzugehen, daß
er nicht wach war. Dann drangen sie in sein Zimmer ein.
Barschel lag auf dem Boden
rechts neben dem Bett. Er war offenbar ohnmächtig geworden und aus dem Bett
gefallen. Das Team zog ein Plastiktuch über das Bett und legte den Bewußtlosen
darauf, mit den Beinen zum Kopfende, damit die nächsten Schritte einfacher
wären. Ein zusammengerolltes Handtuch wurde ihm unter den Nacken gelegt, als ob
er eine Mund‑zu‑Mund‑Beatmung bekommen sollte. Fünf Leute
befanden sich zu dem Zeitpunkt im Raum. Vier kümmerten sich um das Opfer, und
einer füllte die Badewanne mit Wasser und Eis; das Geräusch würde jedes andere
übertönen. Ein langer, gut geölter Gummischlauch wurde dem schlafenden Mann in
den Hals geschoben, langsam und vorsichtig, um ihn nicht zu ersticken. Einer
schob den Schlauch, während ihn die anderen Männer für den Fall einer
plötzlichen Konvulsion festhielten. Sie alle hatten so etwas schon vorher
gemacht.
Sobald der Schlauch den Magen
erreicht hatte, brachten sie am oberen Schlauchende einen kleinen Trichter an,
durch den sie nun verschiedene Pillen einführten, dazu ab und zu etwas Wasser,
damit sie auch tatsächlich den Magen erreichten.
Danach wurden dem Mann die
Hosen heruntergezogen. Zwei Männer hielten seine Beine hoch, und ein Dritter
führte ihm rektal Zäpfchen mit einem starken Sedativ und einem fiebererzeugenden Mittel ein. Die Hosen wurden ihm wieder
hochgezogen, und die Leute warteten auf die Wirkung der Medikamente; sie legten
ihm ein Thermometer auf die Stirn, um seine Temperatur zu beobachten.
Nach einer Stunde hatte er
hohes Fieber bekommen. Er wurde dann in das Eisbad gelegt. Der Schock rief
starke Körperzuckungen hervor. Der plötzliche Temperaturwechsel im Verein mit
der Wirkung der Medikamente erzeugte so etwas, was wie eine Herzattacke aussah.
Nach ein paar Minuten stellte das Team fest, daß er wirklich tot war, und
begann das Zimmer aufzuräumen, um keine Spuren zu hinterlassen. Sie merkten,
daß sie den Fehler gemacht hatten, dem Mann nicht die Kleider auszuziehen,
bevor sie ihn in die Wanne legten. Aber es war zu spät, das noch zu ändern. Sie
merkten auch, daß die Ersatzweinflasche, die sie mitgebracht hatten, zwar ein Beaujolais war, aber nicht die richtige Marke, so daß sie
keine Flasche hatten, um sie dazulassen.
Die Lage war gespannt. Sie
hatten mehrere Stunden in dem Raum zugebracht, und einige von ihnen waren
mehrmals hinausgegangen und wiedergekommen. Daß sie neben einer toten oder
sterbenden Person Wache hielten, wäre wohl kaum zu erklären gewesen.
Nachdem sie das Zimmer
verlassen und das Schild »Bitte nicht stören« angebracht hatten, ging jeder
seiner Wege. Zwei Leute verließen das Hotel noch am selben Abend, das zweite
Paar erst am folgenden Morgen. Die übrigen Mitglieder des Teams hatten die
Stadt schon in derselben Nacht mit dem Wagen verlassen und fuhren zurück nach
Belgien in die Sicherheit des Mossad-Hauptquartiers
in Europa. Ran wurde informiert, daß die Mission erfüllt war, ebenso der Mossad‑Chef, dem ein Team‑Mitglied ein
Polaroidfoto von dem Toten brachte.