Jüdisches Rechtsbewußtsein


Die Meinungsfreiheit und die Achtung des Völkerrechts sind unabdingbare Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Einige jüdische Mitbürger scheinen dies nicht hinreichend verinnerlicht zu haben. Es verwundert, daß jene dann auch noch hervorgehobene Positionen im Zentralrat und der Lübecker Gemeinde inne haben.


Wegen seiner israelkritischen Äußerungen hat Rolf Verleger (54), Vertreter der Jüdischen Gemeinde Lübeck, seine Stellung als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig Holstein verloren. Das bestätigte Verleger gestern den LN (Lübecker Nachrichten). Die Lübecker Gemeinde habe ihn per Mehrheitsbeschluss als Delegierten abberufen, deswegen könne er auch den Landesverband nicht mehr führen. Verleger ist Psychologie Professor an der Universität zu Lübeck.


Der Funktionär, der auch Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland ist, hatte in einem Brief an das Präsidium des Zentralrats schwere Vorwürfe gegen die israelische Politik erhoben, die er als "Gewaltpolitik" bezeichnete. Er warf darin Israel im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Hisbollah Diskriminierung, gezielte Tötungen ohne Gerichtsverfahren und kollektive Vergeltung vor. Den Zentralrat kritisierte er für dessen vorbehaltlose Unterstützung der israelischen Politik. Vertreter des Zentralrats hatten Verlegers Vorwürfe mit scharfen Worten zurückgewiesen.


Verleger zeigte sich gestern überrascht von dem Beschluss der Jüdischen Gemeinde Lübeck. "Diese Reaktion hätte ich nicht erwartet. Eher hätte ich damit gerechnet, dass ich aus dem Direktorium des Zentralrats geworfen werde", sagte er den LN. Von den Äußerungen aus seinem Brief rückte Verleger aber nicht ab. "Das war es wert. Ich freue mich jeden Tag, dass ich meine Meinung gesagt habe."


Quelle: Lübecker Nachrichten vom 24.8.2006 ("Israel-Kritik: Jüdische Gemeinde Lübeck beruft Vorsitzenden ab")