Fanatische Juden zündeln am Flächenbrand

 

(...) Der Schabak (der israelische Inlandsgeheimdienst, d.B.) will wissen, daß Fanatiker selbst Angriffe auf muslimische Heilig­tümer planen. „Ein wahnsinniger Jude könnte einen Anschlag auf den Felsendom verüben“, sagte ein Geheimdienstmitar­beiter auf der regelmäßigen Lagebespre­chung über Jerusalem seinem Premier. Der Schabak hat sogar schon die mögli­chen Szenarien einer Attacke auf den Tem­pelberg durchgespielt, den Terrorexperten für das „ultimative jüdische Angriffsziel“ halten.

Seit Jahren schon drängen messianisch eingestimmte Juden darauf, hier wieder ei­nen jüdischen Tempel zu errichten. Doch seit mehr als tausend Jahren beherbergt der Bergrücken im Osten Jerusalems den Felsendom und die Aksa-Moschee, zwei der bedeutendsten Stätten der islamischen Welt. Ein Anschlag auf eines dieser zwei Heiligtümer käme einer Kriegserklärung an die Adresse der gesamten arabischen Welt gleich.

Panikmache? Jehuda Etzion, Führer der ersten rechtsradikalen Untergrundbewe­gung, hatte bereits 1980 versucht, den Fel­sendom in die Luft zu jagen. Heute führt er die Kampftruppe „Chai we kajam“, zu deutsch: „Existiert und lebt“. Seine An­hänger versuchen immer wieder, heimlich auf den schwerbewachten Tempelberg zu gelangen, zu dem Juden normalerweise keinen Zutritt haben. Mitte August traf sich Innenminister Awigdor Kahalani mit Etzion, um den Provokateur zur Vernunft zu bringen.

  Unheil läßt auch das Wirken von Jizchak Ginsburg erwar­ten, dem fanatischen Rabbi der Talmudschule beim Grab Josefs in Nablus. Der gebürti­ge Amerikaner erzieht seine Schüler zu rassischer Gesin­nung. Er lehrt, arabisches Blut sei weniger wert als jüdisches. Auf dem besetzten Golan versammelt Michael Ben Cho­rin seine Fans: Der selbst­ernannte „Präsident des Staa­tes Judäa“ hat ein hymnisches Buch über den Massenmörder Goldstein geschrieben. In der Haßstadt Hebron wirkt der Fanatiker Baruch Marzel, der Führer der verbotenen rassi­stischen Kach-Bewegung. Mar­zel beschimpfte unlängst den Staatspräsidenten Eser Weizman als „Spion“ und „Verrä­ter“, weil er palästinensische Politiker wie seinesgleichen empfangen hatte.

Anscheinend verfügen die radikalen Unruhestifter über reichlich Geld. Es ge­be „genügend reiche und durchgeknallte amerikanische Juden“, schreibt die Zei­tung „Maariv“, „die bereit sind, die Ter­rorakte der extremen Rechten in Israel zu finanzieren“.

  Mehr noch als prominente Scharfmacher fürchtet der Schabak das stetig wachsende
subversive Netzwerk der Ultras. Zellen von Aktivisten, die sich untereinander gut ken­nen, üben sich in konspirativem Verhalten: Über heikle Details zum Beispiel sprechen
sie niemals am Telefon. „Das sind kleine, abgeschlossene Gruppen, beseelt von tief­
gehender Ideologie, kombiniert mit reli­giösem Fanatismus“, so ein Schabak-Mann.
Schon eine dieser Untergrundgruppen, mit nicht mehr als drei oder vier Mit­gliedern, so sagt der Geheimdienstler, ist in der Lage, „schnell einen politischen Flächenbrand auszulösen - nicht nur im Westjordanland, sondern im ganzen Nahen Osten“.  

 

Quelle: DER SPIEGEL 43 / 1998 – Auszug aus „Mörderische Vaterlandsliebe“ (ab S. 210)