Bolschewismus und Mosaismus
1921 von dem jüdischen Zionisten Dr. Alfred Nossig verfaßt:
Wenn nun die Juden selbst in
die Falle gehen, die das Manöver der "Verjudung des Bolschewismus"
ihnen stellt, was Wunder, das nichtjüdische Kreise diese Maske für das wahre
Antlitz des Bolschewismus halten?
Man nehme einmal alles in
allem. Wurde hier nicht ein Scheinbild hingestellt, das selbst den kindischen
Phantasien eines Nilus über die "Weisen von Zion" eine gewisse
Rechtfertigung verlieh? Die uralte Legende von dem Geheimplan der Juden, die
Herrschaft über alle Völker zu erringen, schien sich plötzlich in
überraschender Weise verwirklicht zu haben. Die Juden hatten sich zu Herrschern
eines Riesenreiches aufgeschwungen. Sie verfügten über Armeen, über fabelhafte
Schätze und über Verbindungen auf der ganzen Erdkugel. Sie propagierten eine
Lehre, welche mit dem altjüdischen Ideal der Freiheit, gleichzeitig aber
proklamieren sie ganz offen, daß sie die Absicht hätten, ihre Organisation
durch Revolution und Feldzüge über die ganze Welt auszudehnen.
Diese Voraussetzungen muß man
sich zum Bewußtsein bringen, um zu begreifen, daß um die Zeit, als die Rote
Armee Polen überflutete und schon vor den Toren stand, das gesamte polnische
Episkopat an die Bischöfe der ganzen Welt ein gemeinsames Schreiben ergehen
ließ, um Hilfe und Rettung vor dem "Welteroberungszug der jüdischen
Rasse" zu erbitten. "Der Bolschewismus ‑ heißt es darin ‑
geht heute tatsächlich auf die Unterwerfung der Weit aus. Die Rasse, die ihn
leitet, hat sich die Weit schon früher durch Gold und Banken untertänig gemacht.
Heute, getrieben von dem uralten imperialistischen Drang, der in ihren Adern
lebt, strebt sie schon unmittelbar die Unterwerfung der Völker unter das Joch
ihrer Herrschaft an."
"Alles ist heute schon
für diese Eroberung der Welt vorbereitet. In allen Ländern gibt es bereits organisierte
Scharen, die nur das Zeichen zum Kampf erwarten."
Ich habe bereits dargetan, daß
die am Bolschewismus beteiligten Juden keinerlei Solidarität mit der
Gesamtjudenheit empfinden, daß der Bolschewismus daher weder als
"Unternehmen der jüdischen Rasse" aufgefaßt werden kann, noch auch
jemals durch seine Aktion und Auswirkungen die Interessen der Judenheit fördern
würde.
Will man aber die These von
dem "jüdischen Charakter des Bolschewismus" trotz dieser Tatsachen
aufrecht erhalten, so kann man sich hierbei nur auf eines der folgenden zwei
Argumente stützen.
Man kann auf die große Zahl
der organisierten jüdischen Bolschewiki hinweisen und sagen: Mögen es auch
Exjuden sein, die ihre Stammesgenossen hassen, sie bilden doch eine so große
und aktive Gruppe, daß man gerade in ihnen die Verkörperung des wahren Wesens
der jüdischen Rasse erblicken darf. Ein ganzes Volk tritt nie in Aktion. Die
Bolschewiki sind die wirkende Essenz der Judenheit.
Oder aber man kann behaupten:
Der Bolschewismus ist jüdisch,
weil er die I d e e n des Judentums, die eigentlichen Leitmotive ihrer
überlieferten Stammeslehre ins Leben überträgt. Das ist die Negation alles
dessen, woran die übrige Menschheit glaubt, die Auflösung aller Autorität, die
ewige Revolution, die doktrinäre Gleichmacherei der Menschen, der
irrealisierbare Kommunismus, aus dem letzten Endes nichts anderes hervorgehen
kann, als die despotische Herrschaft der Umstürzler.
Das erste Argument ist schon
von so vielen objektiv denkenden Nichtjuden widerlegt worden, daß es kaum
gestreift zu werden braucht. Die Judenheit mit dem Bolschewismus zu
identifizieren, weil es in den Reihen der Bolschewiki so und so viele Juden
gibt, ist eine Folgerungsart, vor der sich gerade jene Völker hüten sollten,
die sich ihrer am häufigsten bedienen. Das sind die Russen und Polen. Es ist
eine jedem Kenner Sowjet‑Rußlands wohl vertraute Tatsache, daß nicht nur
die Russen, sondern auch die Polen in gewissen bolschewistischen
Organisationen, besonders aber in den ausschlaggebenden Stellungen, stärker
vertreten sind als die Juden. So gab es 1918 nach der offiziellen Statistik der
Sowjet‑Regierung in der Petersburger Organisation 74,2% Russen, 6,3% Polen
und nur 2,6% Juden. In der Roten Armee gibt es ganze polnische Regimenter. Wäre
es aber gerecht, daraus den Schluß zu ziehen, daß der Bolschewismus das Wesen
des russischen Volkes oder das Wesen des russischen Volkes oder das Wesen des
polnischen Volkes verkörpere?
2.
Nicht minder vorsichtig sollte
man bei der Verwendung des zweiten Argumentes sein, daß nämlich der
Bolschewismus die Verwirklichung der altjüdischen Ideen bedeute. Insbesondere
der christliche Klerus sollte es sich überlegen, bevor er eine solche
Behauptung aufstellt. Ist sie richtig, so schneidet er sich damit ins eigene
Fleisch. Ist sie unrichtig, so bildet sie eine bewußte Verleumdung, Die
überlieferte jüdische Lehre ist dem christlichen Klerus wohl bekannt. Heute, wo
jede Seite des Talmud übersetzt ist, kann von einer jüdischen Geheimlehre keine
Rede sein. Das Alte Testament, das den ganzen fundamentalen Kern der Lehre
enthält, ist dem Christentum ebenso heilig wie das Neue. Christus selbst
verkündete, daß kein Jota der Schrift jemals seine Bedeutung verlieren würde.
Der christliche Klerus gehört mit zu den Hütern der altjüdischen Lehre. Bekennt
also auch er sich zum Bolschewismus?
Keineswegs. Freilich, wir
wissen es: In der Bibel und in den Büchern der Propheten sind wohl die
Grundzüge eines Sozialismus entworfen, der aber dem terroristischen Kommunismus
wesensfremd und direkt entgegengesetzt ist. Dieser altjüdische Sozialismus
wurzelt in Kritik und wissenschaftlicher Erkenntnis. Er verläßt nie den Boden
der menschlichen Natur und der realen Verhältnisse, er ist jeder doktrinären
Einseitigkeit und Utopie abhold. Sein System beruht auf der Mischung der
sozialen Prinzipien, auf der Förderung einer dauernden Entwicklung durch
friedliche Maßnahmen unter Vermeidung von Revolutionen und Gewalt. Er verbindet
das Privateigentum mit dem nationalen Besitz des Bodens, individuelle Freiheit,
Wettbewerb und naturgemäße Ungleichheit mit gewissen staatlichen
Zwangsmaßnahmen, welche durch periodische Neuregelungen von Epoche zu Epoche
den wirtschaftlichen Ausgleich herbeiführen. Er erstrebt nicht die Vermischung
aller Rassen und die Beseitigung jeder Staatsform, sondern anerkennt die
Naturnotwendigkeit des Prinzips der Nation. Soll doch Israel selbst ein
"Ewiges Volk" sein. Das Prinzip der Nation bedeutet ihm aber nicht
den ewigen Kampf der Völker. Er verbindet es mit dem Prinzip der Menschheit
durch die Lehre von der Verbrüderung der Völker und vom Ewigen Frieden. Es ist
ein Sozialismus, der werktätige Güte und Liebe predigt, der keinem lebenden
Wesen weh tun will, dem die moralische Vervollkommnung und Vergeistigung des
Menschen das wesentliche Ziel ist. Punkt für Punkt also das Gegenteil der
theoretischen Forderungen des Bolschewismus ebenso wie seiner Praxis.
Was von diesem altjüdischen
Sozialismus der Lehre Mosis und der Propheten zu halten ist, das haben
kenntnisreiche christliche Theologen längst in voller Objektivität
ausgesprochen. Hören wir die Stimme C o r n i 11 s, des berühmten Theologen der
Universität Halle: "Die Geschichte der gesamten Menschheit hat nichts
hervorgebracht, was sich auch nur entfernt mit dem israelitischen Prophetismus
vergleichen ließe. Möchte das doch niemals übersehen und vergessen werden. Das
Köstlichste und Edelste, was die Menschheit besitzt, das verdankt sie Israel
und dem israelitischen Prophetismus."
3.
Kenner der sozialistischen
Strömung des Altertums werden vielleicht auf eine Erscheinung hinweisen, die
zwischen Judentum und Bolschewismus doch einen gewissen ideellen Zusammenhang
herstellt. Sie werden in Erinnerung bringen, daß es auch im alten Palästina
eine Sekte gab, die dem Kommunismus huldigte. Das war das Essäertum, aus dem
Christus hervorging.
Sicherlich hat der sozialistische
Gedanke im alten Palästina ähnliche theoretische Entwicklungen durchgemacht,
wie in der modernen Gesellschaft. Die Idee einer radikalen Sozialisierung, der
Aufhebung des Privateigentums und der Herstellung einer vollkommenen Gleichheit
mag auch einer Gruppe von alten Hebräern als Mittel zur Beseitigung aller
wirtschaftlichen und moralischen Nöte vorgeschwebt haben.
Es bestehen jedoch gewaltige
Unterschiede zwischen dem Essäertum und dem Bolschewismus. Schon in der
theoretischen Konzeption und mehr noch in der praktischen Bestätigung.
Vor allem war der Kommunismus
der Essäer nicht als eine Staatsverfassung, sondern nur als Satzung einer
kleinen freien Gemeinschaft gedacht. Im Rahmen eines weltlichen Ordens wollten
die Essäer eine Menschenbrüderschaft aufbauen, zu der nur Auserwählte nach
langer Prüfung Zutritt erhielten. Ihr Bund war das Urbild der christlichen
Mönchsorden, die ebenfalls kommunistischen Prinzipien huldigten. Und gleich
diesen Orden, aber ohne jeglichen Zwang und ohne jede Heuchelei, aus reinem,
inneren Enthusiasmus heraus, strebten die Essäer eine für gewöhnliche
Sterbliche unerreichbare Heiligkeit an. Ihr Ziel war, wie Ritschel richtig
bemerkt, die Verwirklichung der mosaischen Vorschrift: Ihr sollt mir sein ein
Reich von Priestern und ein Heiliges Volk!
Die Forscher sind einig in der
Anerkennung der strengen Ethik, der tiefen Religiosität, des weihevollen Lebens
dieser Gemeinde von weltlichen Priestern. Auf dem Hintergrunde dieser
hochsinnigen Bewegung wird die Gestalt Christi, der ebenfalls das "Reich
der Armen" gründen wollte, erst recht begreiflich. Aber ebenso wie es eine
Blasphemie wäre, Christus und Lenin in einem Atemzug zu nennen, wäre es eine
völlig kenntnislose Entstellung, wenn man durch eine Parallele zwischen
Essäertum und Bolschewismus den Letzteren aus dem Geist des Judentums herleiten
wollte. Nichts war den Essäern fremder, als die Verbreitung ihrer Prinzipien
mit Hilfe des Schwertes und der Brandfackel, als das Quälen von Menschen, als
allgemeine Staatssklaverei und Führerdespotie. Hätten sich die Bolschewiki
tatsächlich in den Geist dieser denkwürdigen Abzweigung vom mosaischen
Sozialismus, seiner Sublimierung nach der Richtung der religiösen Askese
vertieft, hätten sie im Sinne der Essäer gelebt und gewirkt, dann würde die
Welt sie als Heilige verehren.
4.
Indes blickt die Welt auf den
bluttriefenden Bolschewismus mit Schaudern und Abscheu. Sie sieht in ihm eine
gefährliche Mischung von geistig‑moralischer Entartung und von brutalem
Strebertum. Eine unüberbrückbare Kluft aber trennt die bolschewistische
Bewegung, trennt auch ihre jüdischen Vertreter vom bewußten und kernfesten
Judentum.
Durch die Weltpresse ging ein
dramatischer Bericht über die feierliche Ausstoßung Trotzkis aus dem Judentum
und den Bann, der in der Synagoge seiner Geburtsstadt über ihn ausgesprochen
wurde. Auf Grund der Anklage seines eigenen Vaters wurde er durch den
Urteilsspruch der Gemeinde "als Feind des Judentums und Fluch der Menschheit"
der ewigen Verdammnis überliefert.
Ob diese romantische
Synagogenszene authentisch ist, mag recht zweifelhaft sein. Sie scheint
vielmehr von der Propaganda‑Abteilung der Sowjet‑Regierung frei
nach "Uriel Acosta" gedichtet zu sein, um für den Bolschewismus
wieder einmal Weltreklame zu machen.
Es muß aber zugegeben werden,
daß sie das wahre Verhältnis des Judentums zum Bolschewismus, die Anschauungen
und Empfindungen derjenigen Juden, die die Sowjet‑Herrschaft und die
jüdischen Machthaber des Kommunismus von der Nähe aus beobachtet haben, viel
getreuer wiedergibt als die Legende von dem Aufbruch der Judenheit zur
Welteroberung unter bolschewistischen Banner.
Diese Juden haben die
Lockungen und Trugbilder des Bolschewismus durchschaut. Sie wissen, daß, wo
immer der Bolschewismus und sein ex‑jüdischer Vortrupp Wurzel fassen, ein
mitleidsloser Ausrottungskampf dem Judentum bevorsteht. In Rußland wurden die
jüdischen Gemeinden desorganisiert, die jüdische Kulturarbeit erstickt, die
Zionistische Organisation durch Maßregelungen lahmgelegt. Sollte es den
Bolschewiki gelingen, durch ihre Propaganda in Vorderasien Einfluß zu gewinnen,
so würden sie alles tun, um Palästina für die Juden zu verschließen.
Aber es handelt sich den Juden
bei ihrer Stellungnahme dem Bolschewismus gegenüber nicht nur um die Chancen
ihrer Rasse. Vor allem haben sie sich heute vollkommen orientiert über die
abgrundtiefen Unterschiede, welche zwischen der rationellen, lebensfördernden
jüdischen Lehre und der weltfremden, destruktiven Richtung des Bolschewismus
bestehen.
Ob der geschilderte Vorgang in
der kleinen terrorisierten Gemeinde von Ekaterinoslaw sich abgespielt hat oder
nicht, in der großen freien Gemeinde der Weltjudenheit ersteht dem Bolschewismus,
dem "verjudeten" Bolschewismus, ein furchtloser Ankläger und
schonungsloser Gegner, der ihm zuruft: "Du bist ein Fluch der Menschheit
und ein Feind des Judentums!"
Dieser Ankläger und Gegner ist
der wahre Geist des Judentums. Er wird den Bolschewismus, der ihn verlocken und
vernichten will, überwinden und überdauern. Der Bolschewismus wird mit seinem
Wahnwitz vom Erdboden verschwinden, Israel aber wird ewig leben und nach dem
Worte C o r n i 11 s der Prophet der Menschheit bleiben